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George Orwell - Mein Katalonien (1938)
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Zweites Kapitel

Barbastro sah öde und zerstört aus, obwohl es weit hinter der Front lag. In Gruppen schlenderten die Milizsoldaten mit ihren schlechten Uniformen die Straßen auf und ab und versuchten, sich warm zu halten. An einer baufälligen Wand fand ich ein Plakat aus dem Vorjahr, das ankündigte, am Soundsovielten würden »sechs stattliche Stiere« in der Arena getötet. Wie verloren sahen die verblichenen Farben aus! Wo waren die stattlichen Stiere und die stattlichen Stierkämpfer jetzt? Es schien, dass es heute selbst in Barcelona kaum noch Stierkämpfe gab; aus irgendeinem Grund waren die besten Matadore alle Faschisten.
Meine Kompanie wurde auf Lastwagen nach Sietamo geschickt, von dort weiter westlich nach Alcubierre, das gerade hinter der Front gegenüber von Saragossa lag. Dreimal hatte man um Sietamo gekämpft, ehe es im Oktober von den Anarchisten endgültig erobert wurde. Teile der Stadt waren durch Granatfeuer zertrümmert und die meisten Häuser durch die Einschläge der Gewehrkugeln wie von Pockennarben übersät.
Wir befanden uns jetzt etwa vierhundertfünfzig Meter über Meereshöhe. Es war scheußlich kalt, dazu dichter Nebel, der aus dem Nichts heraufwirbelte. Der Lastwagenfahrer verfuhr sich zwischen Sietamo und Alcubierre (das war eines der typischen Merkmale dieses Krieges), und wir irrten stundenlang durch den Nebel. Spät in der Nacht erreichten wir Alcubierre. Jemand führte uns durch schlammigen Morast in einen Maultierstall, wo wir uns in die Spreu eingruben und sofort einschliefen. Spreu ist zum Schlafen nicht schlecht, wenn sie sauber ist, nicht so gut wie Heu, aber besser als Stroh. Erst beim Morgenlicht entdeckte ich, dass die Spreu voller Brotkrusten, zerrissener Zeitungen, Knochen, toter Ratten und schartiger Milchbüchsen war.
Wir waren jetzt nahe an der Front, nahe genug, um den charakteristischen Geruch des Krieges zu riechen - nach meiner Erfahrung ein Gestank von Exkrementen und verfaulenden Lebensmitteln. Alcubierre war nie von der Artillerie beschossen worden und befand sich in einem besseren Zustand als die meisten Dörfer unmittelbar hinter der Front. Aber ich glaube, dass man selbst in Friedenszeiten nicht durch diesen Teil von Spanien reisen konnte, ohne von dem besonders armseligen Elend der aragonischen Dörfer betroffen zu sein. Sie sind wie Festungen gebaut. Eine Menge mittelmäßiger, kleiner Häuser aus Lehm und Stein drängt sich um die Kirche, und selbst im Frühling sieht man kaum irgendwo eine Blume. Die Häuser haben keine Gärten, nur Hinterhöfe, in denen magere Hühner über Haufen von Maultiermist rutschen. Es war ein widerliches Wetter, abwechselnd Nebel und Regen. Die engen Landwege hatten sich in einen See von Schlamm verwandelt, der stellenweise bis zu sechzig Zentimeter tief war. Durch diesen Schlamm wühlten sich die Lastwagen mit rasend drehenden Rädern und führten die Bauern ihre schwerfälligen Karren, die von Maultiergespannen gezogen wurden, manchmal sechs in einer Reihe und immer voreinander gespannt. Das ständige Kommen und Gehen der Truppen hatte das Dorf in einen Zustand unaussprechlichen Schmutzes versetzt. Irgendeine Toilette oder eine Art Kanalisation besaß es nicht und hatte es nie besessen, daher fand man auch nicht einen Quadratmeter, wo man gehen konnte, ohne darauf achten zu müssen, wohin man trat. Die Kirche hatte man schon seit langem als Latrine benutzt, ebenso aber auch alle Felder im Umkreis von etwa vierhundert Metern. Ich denke nie an meine ersten zwei Kriegsmonate, ohne mich an winterliche Stoppelfelder zu erinnern, deren Ränder mit Kot überkrustet waren. Zwei Tage vergingen, und immer noch wurden keine Gewehre an uns ausgegeben. Wenn man im Comite de Guerra gewesen war und eine Reihe Löcher in der Wand besichtigt hatte - Einschläge der Gewehrsalven, durch die hier Faschisten erschossen wurden -, hatte man alle Sehenswürdigkeiten gesehen, die es in Alcubierre gab. Draußen an der Front war offensichtlich alles ruhig, nur wenige Verwundete kamen ins Dorf. Die größte Aufregung rief die Ankunft faschistischer Deserteure hervor, die unter Bewachung von der Front gebracht wurden. Viele der Truppen, die uns an diesem Teil der Front gegenüberlagen, waren gar keine Faschisten, sondern nur unglückliche Dienstpflichtige, die gerade in der Armee dienten, als der Krieg ausbrach, und die nun eifrig bemüht waren zu fliehen. Gelegentlich wagten kleine Gruppen, zu unserer Linie hinüberzuschlüpfen. Ohne Zweifel wären noch mehr geflohen, wenn ihre Verwandten nicht auf faschistischem Gebiet gewohnt hätten. Diese Deserteure waren die ersten >richtigen< Faschisten, die ich je zu Gesicht bekam. Es fiel mir auf, dass sie sich in nichts von uns unterschieden, außer dass sie Khaki-Overalls trugen. Wenn sie bei uns ankamen, waren sie immer heißhungrig - eine natürliche Sache, nachdem sie sich ein oder zwei Tage im Niemandsland herumgedrückt hatten. Aber diese Tatsache wurde triumphierend als eine Bestätigung dafür angesehen, dass die faschistischen Truppen Hunger litten. Ich schaute zu, wie einer von ihnen in einem Bauernhaus gefüttert wurde. Es war ein erbarmungswürdiger Anblick. Der große zwanzigjährige Junge, vom Wetter gebräunt und die Kleider in Lumpen, duckte sich vor dem Feuer und schaufelte mit verzweifelter Eile ein Kochgeschirr voll Stew in sich hinein. Während der ganzen Zeit flogen seine Augen nervös im Kreis der Milizsoldaten umher, die dabeistanden und ihn beobachteten. Ich denke, er glaubte wohl immer noch, dass wir blutdürstige >Rote< seien und ihn erschießen würden, sobald er seine Mahlzeit beendet habe. Die bewaffneten Männer, die ihn bewachten, klopften ihm auf die Schulter und versuchten ihn zu beruhigen. An einem denkwürdigen Tag kamen fünfzehn Deserteure in einem einzigen Trupp. Man führte sie im Triumph durch das Dorf, und ein Mann ritt auf einem weißen Pferd vor ihnen her. Es gelang mir, ein ziemlich unscharfes Foto aufzunehmen, das mir später gestohlen wurde.
Am dritten Morgen unseres Aufenthaltes in Alcubierre kamen die Gewehre an. Ein Sergeant mit plumpem, dunkelgelbem Gesicht verteilte sie im Maultierstall. Ich erschrak vor Entsetzen, als ich sah, was man mir in die Hand drückte. Es war ein deutsches Mausergewehr aus dem Jahr 1896 -mehr als vierzig Jahre alt! Es war rostig, das Schloss klemmte, und der hölzerne Laufschutz war zersplittert. Ein Blick in die Mündung zeigte, dass der Lauf zerfressen und ein hoffnungsloser Fall war. Die meisten der anderen Gewehre waren genauso schlecht, einige sogar noch schlechter, und niemand machte den Versuch, die besten Waffen den Männern zu geben, die damit umzugehen wussten. Das beste Gewehr der Sammlung, nur zehn Jahre alt, gab man einem einfältigen kleinen fünfzehnjährigen Scheusal, von dem jeder wusste, dass er ein maricon (Homosexueller) war. Der Sergeant gab uns fünf Minuten »Instruktion«, die darin bestand, uns zu erklären, wie man ein Gewehr lud und wie man den Bolzen herausnahm. Viele Milizsoldaten hatten nie zuvor ein Gewehr in der Hand gehabt, und ich vermute, dass sehr wenige wussten, wozu das Visier da war. Patronen wurden ausgeteilt, jeweils fünfzig pro Mann. Dann traten wir in Reih und Glied an, schulterten unsere Ausrüstung und setzten uns zu der etwa viereinhalb Kilometer entfernten Front in Bewegung.
Die centuria, achtzig Männer und mehrere Hunde, bewegte sich in unregelmäßigen Windungen die Straße hinauf. Jede Milizkolonne hatte sich zumindest einen Hund als Maskottchen zugelegt. Einem dieser elenden Viecher, das mit uns marschierte, hatte man P.O.U.M. in großen Buchstaben aufgebrannt, und es schlich daher, als ob es wüsste, dass etwas mit seinem Aussehen nicht in Ordnung sei. An der Spitze der Kolonne auf einem schwarzen Pferd ritt Georges Kopp, der stämmige belgische Comandante, neben der roten Fahne. Etwas weiter vorne ritt ein Junge der räuberähnlichen Milizkavallerie stolz auf und ab. Jede kleine Anhöhe galoppierte er hinauf und setzte sich auf der Höhe in malerischer Haltung in Positur. Während der Revolution hatte man die vorzüglichen Pferde der spanischen Kavallerie in großer Zahl erbeutet und der Miliz übergeben, die sie natürlich fleißig zu Tode ritt.
Die Straße zog sich zwischen gelben, unfruchtbaren Feldern dahin, die seit der Ernte des letzten Jahres unberührt geblieben waren. Vor uns lag die niedrige Sierra, die sich zwischen Alcubierre und Saragossa erstreckt. Wir kamen jetzt näher an die Front, näher heran an die Bomben, die Maschinengewehre und den Schlamm. Insgeheim hatte ich Angst. Ich wusste, dass die Front zur Zeit ruhig war, aber im Gegensatz zu den meisten Männern neben mir war ich alt genug, mich an den Weltkrieg zu erinnern, wenn auch nicht so alt, um mitgekämpft zu haben. Krieg bedeutete für mich donnernde Geschosse und herumschwirrende Stahlsplitter. Vor allem bedeutete es Schlamm, Läuse, Hunger und Kälte. Es ist merkwürdig, aber ich fürchtete mich vor der Kälte mehr als vor dem Feind. Der Gedanke daran hatte mich während der ganzen Dauer meines Aufenthaltes in Barcelona heimgesucht. Ich hatte sogar nachts wach gelegen und an die Kälte in den Schützengräben gedacht, an die Alarmbereitschaft während der grässlichen Morgendämmerung, die langen Stunden des Wacheschiebens mit einem reifbedeckten Gewehr und den eisigen Schlamm, der über meine Stiefelränder laufen würde. Ich gebe auch zu, dass ich eine Art Grausen spürte, wenn ich mir die Leute ansah, mit denen ich marschierte. Man kann sich unmöglich vorstellen, welch ein elender Haufen wir waren. Wir zogen zerstreut dahin, mit weniger Zusammenhalt als eine Herde Schafe. Wir waren noch keine drei Kilometer marschiert, als man das Ende der Kolonne schon nicht mehr sehen konnte. Gut die Hälfte der so genannten Männer waren Kinder - und ich meine wörtlich Kinder, sechzehn Jahre alt, wenn es hoch kam. Doch sie waren alle glücklich und aufgeregt von der Aussicht, endlich an die Front zu kommen. Als wir uns der Kampflinie näherten, begannen die Jungen unter der roten Fahne an der Spitze zu rufen: »Visca P.O.U.M.!«, »Fascistas - maricones!« und so fort. Ein Geschrei, das kriegerisch und drohend sein sollte, da es aber aus diesen kindlichen Kehlen kam, so pathetisch klang wie die Schreie von Kätzchen. Es schien schrecklich, dass dieser Haufen zerlumpter Kinder, die abgenutzte Gewehre trugen, von denen sie nicht wussten, wie sie bedient wurden, die Verteidiger der Republik sein sollten. Ich erinnere mich, dass ich neugierig war, was geschehen würde, wenn ein faschistisches Flugzeug über uns wegflöge — ob der Flieger es überhaupt für nötig halten würde hinabzustoßen, um uns mit einer Runde seines Maschinengewehrs zu überschütten. Sicherlich konnte er sogar aus der Luft sehen, dass wir keine richtigen Soldaten waren.
Als die Straße die Sierra erreichte, zweigten wir nach rechts ab und kletterten einen schmalen Maultierpfad hoch, der sich um die Flanke des Berges herumwand. Die Hügel in diesem Teil Spaniens haben eine eigentümliche Form, nämlich die Gestalt von Hufeisen mit flachen Kuppen und sehr steilen Abhängen, die in riesige Schluchten hinabstürzen. Auf den oberen Hängen wächst nichts außer verkümmerten Stauden und Heidekraut, dazwischen lugen überall die weißen Umrisse des Kalksteins hervor. Die vorderste Stellung bestand hier nicht aus einer zusammenhängenden Linie von Schützengräben, das wäre in einem solch bergigen Gelände unmöglich gewesen. Es war einfach eine Kette befestigter Posten, die man jeweils >Stellung< nannte und die auf jeder Hügelkuppe saßen. In einiger Entfernung konnte man unsere >Stellung< auf dem Scheitelpunkt des Hufeisens sehen: eine zerfetzte Barrikade aus Sandsäcken, eine flatternde rote Fahne und der Rauch der Feuer in den Unterständen. Wenn man etwas näher kam, konnte man einen ekelerregenden, süßlichen Gestank riechen, der sich noch viele Wochen hinterher in meiner Nase hielt. Unmittelbar hinter der Stellung war der Müll vieler Monate in die Schlucht gekippt worden — eine tiefe Schwäre aus Brotkrusten, Kot und rostigen Blechdosen.
Die Kompanie, die wir ablösten, packte gerade ihre Ausrüstung zusammen. Die Leute hatten drei Monate an der Front gelegen. Schlamm backte an ihren Uniformen, ihre Stiefel fielen auseinander, und ihre Gesichter waren größtenteils von Bärten bedeckt. Der Hauptmann, der den Befehl über die Stellung hatte, kroch aus seinem Unterstand und begrüßte uns. Er hieß Levinski, aber jeder kannte ihn unter dem Namen Benjamin. Von Geburt war er ein polnischer Jude, aber seine Muttersprache war Französisch. Der kleine junge Kerl, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, hatte straffes schwarzes Haar und ein bleiches, lebhaftes Gesicht, das während dieser Periode des Krieges immer sehr schmutzig war. Einige verirrte Kugeln pfiffen hoch über unseren Köpfen. Die Stellung bestand aus einer halbkreisförmigen Einfriedigung mit einem Durchmesser von etwa fünfzig Metern und einer Brustwehr, die teilweise aus Sandsäcken und teilweise aus Kalksteinbrocken bestand. Dreißig oder vierzig Unterstände verliefen wie Rattenlöcher in den Boden. Williams, ich selbst und Williams' spanischer Schwager stürzten uns sofort auf den nächsten unbesetzten Unterstand, der bewohnbar aussah. Irgendwo vor uns knallte von Zeit zu Zeit ein Gewehr und verursachte ein merkwürdig rollendes Echo zwischen den steinigen Hügeln. Wir hatten gerade unser Gepäck hingeworfen und krochen aus dem Unterstand hinaus, als es wiederum knallte und eines der Kinder unserer Kompanie von der Brustwehr zurückstürzte, das Gesicht voll von Blut. Er hatte sein Gewehr abgefeuert und es irgendwie fertig gebracht, das Schloss herauszusprengen. Seine Kopfhaut war durch die Splitter der explodierenden Patronenhülse zerfetzt worden. Er war unser erster Verwundeter, und zwar durch eigenes Verschulden.
Am Nachmittag zogen wir zum ersten Mal auf Wache, und Benjamin zeigte uns die ganze Stellung. Vor der Brustwehr lief ein System von engen, aus dem Fels gehauenen Schützengräben mit äußerst primitiven Schießscharten, die aus Kalksteinhaufen bestanden. Zwölf Wachtposten standen an verschiedenen Punkten im Schützengraben und hinter der inneren Brustwehr. Vor dem Schützengraben lag Stacheldraht, und dann glitt der Abhang in eine anscheinend bodenlose Schlucht hinab. Gegenüber lagen nackte Hügel, stellenweise schiere Felsklippen, grau und winterlich, nirgendwo Leben, nicht einmal ein Vogel. Ich spähte vorsichtig durch eine Schießscharte und versuchte, den faschistischen Schützengraben zu finden. »Wo ist der Feind?«
Benjamin winkte ausholend mit seiner Hand. »Dort drüben.« (Benjamin sprach englisch - aber ein furchtbares Englisch.)
»Aber wo?«
Meiner Vorstellung vom Schützengrabenkrieg entsprechend sollten die Faschisten fünfzig oder hundert Meter weit entfernt liegen. Ich sah nichts - anscheinend waren ihre Schützengräben sehr gut versteckt. Dann sah ich erschrocken und entsetzt, wohin Benjamin zeigte: zur gegenüberliegenden Hügelkuppe. Jenseits der Schlucht, mindestens siebenhundert Meter weit weg, die dünnen Umrisse einer Brustwehr und eine rot-gelbe Fahne - die faschistische Stellung. Ich war unbeschreiblich enttäuscht. Wir waren ihnen nirgendwo nahe! Auf diese Entfernung waren unsere Gewehre vollständig nutzlos. In diesem Augenblick ertönte ein aufgeregtes Geschrei. Uns gegenüber krochen zwei Faschisten, graue Figuren in weiter Entfernung, den nackten Abhang hinauf. Benjamin ergriff das Gewehr des neben uns stehenden Mannes, zielte und drückte ab. Klick! Ein Versager; ich hielt es für ein schlechtes Omen.
Die neuen Wachtposten waren kaum im Schützengraben, als sie schon ein fürchterliches Gewehrfeuer ins Ungewisse abschossen. Ich konnte sehen, wie sich die Faschisten, winzig wie Ameisen, hinter ihrer Brustwehr hin und her bewegten. Manchmal stand ein schwarzer Punkt, ein Kopf, einen Moment still, unverschämt zur Schau gestellt. Es hatte augenscheinlich keinen Zweck zu schießen. Aber sogleich verließ der Wachtposten zu meiner Linken in typisch spanischer Weise seine Position, kam auf meine Seite und drängte mich zu schießen. Ich versuchte ihm zu erklären, dass man auf diese Entfernung und mit diesen Gewehren einen Mann nur durch einen Zufall treffen könnte. Aber er war eben ein Kind und zeigte weiter mit seinem Gewehr auf einen der Punkte, ungeduldig die Zähne fletschend wie ein Hund, der erwartet, dass man einen Kieselstein wirft. Schließlich stellte ich mein Visier auf siebenhundert Meter ein und feuerte. Der Punkt verschwand. Ich hoffte, der Schuss ging nahe genug, um ihn zum Springen zu bringen. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit einem Gewehr auf ein menschliches Wesen schoss.
Nun, nachdem ich die Front gesehen hatte, war ich gründlich angeekelt. Das nannte man Krieg! Und wir hatten sogar kaum Berührung mit dem Feind! Ich versuchte nicht einmal, meinen Kopf unter dem Rand des Schützengrabens zu halten. Aber eine kurze Weile später schoss eine Kugel mit einem bösartigen Knall an meinem Ohr vorbei und schlug in die Rückenwehr hinter mir ein. Ach! Ich duckte mich. Mein Leben lang hatte ich mir geschworen, mich nicht zu ducken, wenn zum ersten Male eine Kugel über mich hinwegflöge. Aber die Bewegung scheint instinktiv zu sein, und fast jeder tut es mindestens einmal.

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