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George Orwell - Mein Katalonien (1938)
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Viertes Kapitel

Nachdem ich etwa drei Wochen an der Front gelegen hatte, kam eine Abteilung von zwanzig oder dreißig Mann in Alcubierre an, die von der I.L.P. (Independent Labour Party) aus England geschickt wurden. Um die Engländer an diesem Frontabschnitt zusammenzuhalten, leitete man Williams und mich zu ihnen. Unsere neue Stellung lag bei Monte Oscuro, einige Kilometer weiter westlich und in Sichtweite von Saragossa.
Die Stellung saß hoch auf dem Kalkgestein wie auf der Schneide einer Rasierklinge. Die Unterstände waren waagerecht in die Klippen gebohrt, Nester von Uferschwalben. Sie gingen über eine erstaunliche Entfernung hinweg in den Boden. Im Inneren waren sie pechschwarz und so niedrig, dass man nicht einmal darin knien, geschweige denn stehen konnte. Auf den Hügelkuppen zu unserer Linken lagen zwei weitere P.O.U.M.-Stellungen. Eine davon faszinierte jeden Soldaten in der ganzen Kampflinie, denn dort gab es drei weibliche Angehörige der Miliz, die das Essen kochten. Diese Frauen waren nicht gerade schön, aber es erwies sich als notwendig, den Soldaten anderer Kompanien den Zugang zu dieser Stellung zu verbieten. Fünfhundert Meter weiter auf unserer Rechten lag eine Stellung der P.S.U.C. an einer Kurve der Straße nach Alcubierre. Genau an dieser Stelle ging die Straße in andere Hände über. Nachts sah man die Lichter unserer Nachschub-Lastwagen, die sich aus Alcubierre herauswanden, und gleichzeitig die Lichter der faschistischen Wagen, die von Saragossa kamen. Man konnte Saragossa selbst sehen: eine dünne Lichterkette gleich den erleuchteten Bullaugen eines Schiffes, neunzehn Kilometer südwestwärts. Die Regierungstruppen hatten seit August 1936 aus der gleichen Entfernung dort hinübergestarrt, und sie starren immer noch dorthin.
Wir waren etwa dreißig Engländer, einschließlich eines Spaniers (Ramón, der Schwager von Williams), und ein Dutzend spanischer Maschinengewehrschützen. Außer den unvermeidlichen vereinzelten Abenteurern — wie jeder weiß, zieht der Krieg Rauhbeine an - waren die Engländer sowohl körperlich wie auch geistig eine außergewöhnlich gute Gruppe. Bob Smillie - der Enkel des berühmten Bergarbeiterführers - war vielleicht der beste der ganzen Meute. In Valencia fand er später einen unglücklichen und sinnlosen Tod. Es ist bezeichnend für den spanischen Charakter, dass die Engländer und Spanier trotz der Sprachschwierigkeiten immer so gut miteinander auskamen. Wir entdeckten, dass alle Spanier zwei englische Ausdrücke kannten. Einer lautete »O. K., baby«, der andere war ein Wort, das die Huren von Barcelona im Umgang mit englischen Seeleuten gebrauchten, und ich vermute, der Setzer würde es nicht drucken.
Wieder einmal ereignete sich an der ganzen Front nichts. Nur das vereinzelte Pfeifen von Kugeln und, sehr selten, das Krachen eines faschistischen Granatwerfers, worauf alle zum obersten Schützengraben stürzten, um zu sehen, auf welchem Hügel die Granaten explodierten. Der Gegner war uns hier etwas näher, vielleicht drei- oder vierhundert Meter weit weg. Seine nächste Stellung lag uns genau gegenüber, und zwar war es ein Maschinengewehrnest, dessen Sehschlitz uns dauernd in Versuchung führte, Patronen zu verschwenden. Die Faschisten machten sich selten die Mühe, mit Gewehren zu schießen, aber sie überschütteten jeden, der sich zur Schau stellte, mit einem sehr genau gezielten Maschinengewehrfeuer. Trotzdem dauerte es mehr als zehn Tage, ehe wir den ersten Verlust hatten. Die uns gegenüberliegenden Truppen waren Spanier, aber nach Aussagen von Deserteuren befanden sich unter ihnen etliche deutsche Unteroffiziere. Einige Zeit vorher waren dort auch Mauren — arme Teufel, wie müssen sie die Kälte gespürt haben -, ein toter Maure lag draußen im Niemandsland, eine der Sehenswürdigkeiten dieser Stellung. Etwa eineinhalb bis drei Kilometer links von uns endete der zusammenhängende Verlauf der Front. Dort gab es ein Stück niedrigliegendes, dichtbewaldetes Land, das weder den Faschisten noch uns gehörte. Sowohl wir als auch sie schickten am Tage Spähtrupps dorthin. Das war kein schlechter Spaß, eine Art Pfadfinderübung, obwohl ich niemals einen faschistischen Spähtrupp näher als in einer Entfernung von mehreren hundert Metern sah. Wenn man möglichst viel auf dem Bauch kroch, konnte man sich seinen Weg stellenweise durch die faschistischen Linien bahnen und sogar ein Bauernhaus sehen, auf dem eine monarchistische Fahne flatterte. Es war das örtliche faschistische Hauptquartier. Gelegentlich feuerten wir eine Gewehrsalve darauf ab und schlüpften in Deckung, ehe die Maschinengewehre uns entdecken konnten. Ich hoffe, wir zerbrachen ein paar Fenster, aber es lag gut achthundert Meter weit fort, und bei unseren Gewehren wusste man nicht einmal mit Sicherheit, ob man auf diese Entfernung ein Haus traf.
Das Wetter war meistens klar und kalt. Manchmal mittags sonnig, aber immer kalt. Hier und da fand man im Erdreich des Abhangs grüne Spitzen, wilde Krokusse oder Iris, die ans Licht drängten. Offenbar kam der Frühling, aber er kam sehr langsam. Die Nächte waren kälter denn je. Wenn wir in den frühen Morgenstunden von der Wache zurückkehrten, kratzten wir zusammen, was noch vom Feuer in der Kochstelle übrig war, und stellten uns in die rotglühende Asche. Das war schlecht für unsere Stiefel, aber sehr gut für unsere Füße. An manchem Morgen lohnte der Anblick der Morgendämmerung über den Bergspitzen fast, zu solch gottloser Stunde nicht im Bett zu sein. Ich hasse Berge, selbst wenn sie großartig aussehen. Aber manchmal war es der Mühe wert, den Anbruch des Morgengrauens hinter den Hügelspitzen in unserem Rücken, die ersten schmalen goldenen Strahlen, die wie Schwerter durch die Dunkelheit schnitten, und dann das wachsende Licht und das Meer karmesinfarbener Wolken, die sich in eine unabsehbare Ferne hinaus erstreckten, zu beobachten, selbst wenn man die ganze Nacht aufgewesen war, die Füße von den Knien abwärts kein Gefühl mehr hatten und man mürrisch darüber nachdachte, dass keine Hoffnung bestand, innerhalb der nächsten drei Stunden etwas zu essen zu bekommen. Ich sah die Morgendämmerung in diesem Feldzug öfter als in meinem ganzen übrigen Leben - oder auch während des Teils meines Lebens, der, wie ich hoffe, noch vor mir liegt.
Wir hatten hier nicht genügend Leute, und das bedeutete längere Wachen und mehr Arbeitsdienst. Ich litt ein wenig unter Mangel an Schlaf, das ist aber selbst während der ruhigsten Zeit eines Krieges unvermeidlich. Neben dem Wachdienst und den Spähtrupps gab es dauernd Nachtalarm und Schießbereitschaft. Auf jeden Fall kann man in einem abscheulichen Bodenloch nicht richtig schlafen, wenn die Füße vor Kälte schmerzen. Ich glaube aber nicht, dass ich während meiner ersten drei oder vier Monate an der Front mehr als ein dutzendmal jeweils vierundzwanzig Stunden ohne jeden Schlaf blieb. Andererseits erlebte ich sicher kein Dutzend Nächte mit ununterbrochenem Schlaf. Zwanzig bis dreißig Stunden Schlaf in einer Woche war eine ganz normale Menge. Die Auswirkungen waren nicht so schlecht, wie man vermuten möchte. Man wurde allmählich sehr abgestumpft, und es wurde immer schwieriger statt leichter, die Hügel hinauf- und hinunterzuklettern. Aber man fühlte sich wohl und war immer hungrig - Himmel, wie hungrig! Jedes Essen schien gut, selbst die ewigen Stangenbohnen, deren Anblick schließlich jeder in Spanien hassen lernte. Was wir, wenn überhaupt, an Wasser bekamen, wurde kilometerweit auf dem Rücken von Maultieren oder kleinen, geplagten Eseln herbeigebracht. Aus irgendeinem Grunde behandelten die Bauern in Aragonien ihre Maultiere sehr gut, die Esel aber abscheulich. Wenn ein Esel sich weigerte weiterzugehen, war es durchaus üblich, ihn in die Geschlechtsteile zu treten. Jetzt wurden keine Kerzen mehr ausgegeben, und auch Streichhölzer waren knapp. Die Spanier lehrten uns, wie man Lampen für Olivenöl aus Dosen für kondensierte Milch, einem Patronenrahmen und einem Stückchen Lumpen macht. Wenn man Olivenöl hatte, was nicht oft vorkam, brannten diese Dinger unter rauchigem Flackern ungefähr ein Viertel so hell wie ein Kerzenlicht, aber gerade genug, um bei diesem Licht das Gewehr zu finden.
Es gab anscheinend keine Hoffnung auf richtige Kämpfe. Als wir Monte Pocero verließen, hatte ich meine Patronen gezählt und festgestellt, dass ich während fast drei Wochen nur drei Schüsse auf den Feind abgegeben hatte. Es heißt, man brauche tausend Kugeln, um einen Mann zu töten. Bei dem Tempo würde es zwanzig Jahre dauern, bis ich meinen ersten Faschisten getötet hätte. Bei Monte Oscuro lagen sich die Kampflinien näher, und man feuerte öfter, aber ich bin ziemlich sicher, dass ich nie jemanden getroffen habe. Tatsächlich war an dieser Front und zu dieser Zeit des Krieges die wirkliche Waffe nicht das Gewehr, sondern das Megaphon. Da man den Feind nicht töten konnte, schrie man statt dessen zu ihm hinüber. Diese Methode der Kriegführung ist so außergewöhnlich, dass ich sie beschreiben muss.
Dort, wo sich die Kampflinien auf Rufweite gegenüberlagen, gab es immer allerhand Geschrei von Schützengraben zu Schützengraben. Von uns: »Fascistas - maricones!« Von den Faschisten: »Viva Espana! Viva Franco!« — oder wenn sie wussten, dass ihnen Engländer gegenüberlagen: »Geht nach Hause, ihr Engländer! Wir wollen keine Fremden hier!« Auf der Regierungsseite, in den Parteimilizen, hatte man das Propagandageschrei zur Unterminierung der geg-
nerischen Moral zu einer richtigen Technik entwickelt. In jeder günstig gelegenen Stellung wurden Soldaten, gewöhnlich Maschinengewehrschützen, als »Schreier vom Dienst« abkommandiert und mit Megaphonen ausgerüstet. Im allgemeinen verkündeten sie einen festgelegten Text voller revolutionärer Töne, worin den faschistischen Soldaten erklärt wurde, dass sie bloß Söldlinge des internationalen Kapitalismus seien, dass sie gegen ihre eigene Klasse kämpften und so fort, und man beschwor sie, auf unsere Seite zu kommen. Diese Parolen wurden von sich ununterbrochen ablösenden Propagandisten wiederholt, manchmal dauerte es fast die ganze Nacht. Es ist kaum zu bezweifeln, dass dies eine Wirkung ausübte. Jeder stimmte damit überein, dass die vereinzelt zu uns kommenden faschistischen Deserteure teilweise durch diese Parolen beeinflusst wurden. Wenn man sich vorstellt, dass irgendein armer Teufel - sehr wahrscheinlich ein sozialistisches oder anarchistisches Gewerkschaftsmitglied, gegen seinen Willen zur Wehrpflicht gezwungen - auf seinem Wachtposten fror, so musste die Parole »Kämpfe nicht gegen deine eigene Klasse!«, die dauernd durch die Nacht klang, vielleicht gerade die schmale Grenze zwischen Fahnenflucht und Aushalten bei ihm berühren. Natürlich stimmt dieses Verfahren nicht mit der englischen Anschauung vom Krieg überein. Ich gebe zu, dass ich erstaunt und empört war, als ich zum ersten Mal sah, wie es gemacht wurde. Man denke sich, ein Versuch, den Feind zu überreden, statt ihn zu erschießen! Heute jedoch bin ich der Meinung, dass es in jeder Hinsicht eine legitime Kriegslist war. Im gewöhnlichen Stellungskrieg ist es ohne Artillerie äußerst schwierig, dem Feind Verluste beizubringen, ohne sie in gleicher Höhe selbst zu erleiden. Um so besser ist es, wenn man eine bestimmte Anzahl von Gegnern ausschalten kann, indem man sie zur Fahnenflucht überredet. Deserteure sind sogar nützlicher als Leichen, denn sie können Informationen geben. Aber anfangs brachte uns das alles zur Verzweiflung. Es gab uns das Gefühl, dass die Spanier ihren Krieg nicht genügend ernst nähmen. Der Mann, der die Parolen auf dem P.S.U.C.-Posten rechts unterhalb von uns hinüberschrie, war ein Künstler in seinem Beruf. Statt revolutionäre Losungen zu verbreiten, erzählte er manchmal den Faschisten, wie viel besser als sie wir ernährt würden. Sein Bericht über die Rationen auf der Regierungsseite neigte dazu, ein bisschen phantasiereich zu sein: »Toast mit Butter!« -man konnte seine Stimme als Echo über das einsame Tal schallen hören. »Wir setzen uns hier gerade hin und essen gebutterten Toast! Liebliche Schnitten mit gebuttertem Toast!« Ich zweifle nicht, dass er während der letzten Wochen oder Monate genau wie jeder von uns Butter nicht gesehen hatte. Aber wahrscheinlich ließ in einer eiskalten Nacht die Ankündigung von gebuttertem Toast vielen Faschisten das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sogar mir lief es im Mund zusammen, obwohl ich wusste, dass er log.
Im Februar sahen wir eines Tages, wie sich uns ein faschistisches Flugzeug näherte. Wie gewöhnlich wurde ein Maschinengewehr nach draußen gezerrt und sein Lauf aufwärts gerichtet. Jeder lag auf dem Rücken, um gut zielen zu können. Unsere isolierten Stellungen waren keine Bombe wert, und in der Regel machten die wenigen faschistischen Flugzeuge, die über uns hinwegflogen, einen Bogen um uns herum, um dem Maschinengewehrfeuer zu entgehen. Dieses Mal kam das Flugzeug gerade über uns hinweg, aber zu hoch, als dass es sich gelohnt hätte, darauf zu schießen. Es fielen auch keine Bomben, sondern weiße, glitzernde Dinger heraus, die sich in der Luft dauernd überschlugen. Einige flatterten in unsere Stellung herab. Es waren faschistische Zeitungen, Nummern des Heraldo de Aragon, die den Fall von Malaga ankündigten.
Während dieser Nacht unternahmen die Faschisten einen ziemlich fruchtlosen Angriff. Ich legte mich gerade todmüde nieder, als ein dichter Kugelregen über unsere Köpfe hinwegpfiff und jemand in den Unterstand rief: »Sie greifen an!« Ich riss mein Gewehr an mich und schlitterte auf meinen Posten auf dem Gipfel der Stellung, neben dem Maschinengewehr. Es war vollständig dunkel, und draußen herrschte ein teuflischer Lärm. Ich glaube, das Feuer aus fünf Maschinengewehren richtete sich auf uns, und man hörte eine Reihe heftiger Explosionen, die davon herrührten, dass die Faschisten in idiotischer Weise Handgranaten über ihre eigene Brustwehr warfen. Es war vollständig dunkel. Links von uns unten im Tal konnte ich die grünlichen Blitze von Gewehrfeuer sehen, dort streifte eine kleine faschistische Abteilung, vermutlich ein Spähtrupp, herum. In der Dunkelheit flogen die Kugeln um uns herum, krach - zack -krach. Ein paar Granaten rauschten über uns hinweg, aber sie fielen nicht in unserer Nähe nieder, und die meisten explodierten nicht (wie es in diesem Krieg üblich war). Mir war nicht wohl zumute, als von der Hügelkuppe hinter uns noch ein weiteres Maschinengewehr das Feuer eröffnete -tatsächlich hatte man ein Maschinengewehr dorthin gebracht, um uns zu helfen. Aber damals sah es so aus, als seien wir umzingelt. In diesem Augenblick klemmte unser eigenes Maschinengewehr, so wie es immer mit diesen verfluchten Patronen klemmte, und der Ladestock war in der undurchdringlichen Finsternis unauffindbar. Anscheinend konnte man nichts tun, als stillzuhalten und auf sich schießen zu lassen. Die spanischen Maschinengewehrschützen hielten es für unter ihrer Würde, in Deckung zu gehen, ja, in der Tat stellten sie sich absichtlich heraus, und so musste ich das gleiche tun. Unbedeutend, wie es sein mochte, war doch das ganze Erlebnis sehr aufschlussreich. Es war das erste Mal, dass ich im eigentlichen Sinne unter Feuer gelegen hatte, und zu meiner Demütigung merkte ich, dass ich schreckliche Angst hatte. Man empfindet, wenn man unter heftigem Feuer liegt, immer das gleiche, nicht so sehr, dass man Angst hat, getroffen zu werden, als vielmehr Angst davor, dass man nicht weiß, wo man getroffen wird. Man fragt sich die ganze Zeit, wo einen die Kugel erwischen wird, und das gibt dem gesamten Körper eine fast unangenehme Empfindlichkeit.
Nach ein oder zwei Stunden etwa ebbte das Schießen allmählich ab und legte sich schließlich vollständig. Unterdessen hatten wir nur einen Verlust. Die Faschisten hatten ein paar Maschinengewehre ins Niemandsland vorverlegt, aber sie hatten sich in sicherer Entfernung gehalten und machten keinen Versuch, unsere Befestigung anzugreifen. Tatsächlich griffen sie überhaupt nicht an, sondern verschwendeten nur Patronen und machten einen begeisterten Lärm, um den Fall von Malaga zu feiern.
Die hauptsächliche Bedeutung dieses Vorfalls bestand darin, dass er mich lehrte, die Kriegsnachrichten in den Zeitungen mit etwas ungläubigeren Augen zu lesen. Ein oder zwei Tage später veröffentlichten die Zeitungen und der Rundfunk Berichte über einen riesigen Angriff mit Kavallerie und Tanks (einen senkrechten Abhang hinauf), der von den heroischen Engländern abgeschlagen worden sei.
Als die Faschisten uns berichteten, Malaga sei gefallen, hielten wir es für eine Lüge. Aber am nächsten Tag gab es überzeugendere Gerüchte, und es muss ein oder zwei Tage später gewesen sein, dass es offiziell zugegeben wurde. Allmählich kam die ganze schimpfliche Geschichte heraus - wie die Stadt, ohne einen Schuss abzufeuern, evakuiert wurde und wie die Wut der Italiener sich nicht auf die Truppen gerichtet hatte, die abgezogen waren, sondern auf die bejammernswerte Zivilbevölkerung, die teilweise über mehr als hundertfünfzig Kilometer verfolgt und mit Maschinengewehren niedergemacht wurde. Diese Nachricht bewirkte an der ganzen Front eine Art Abkühlung, denn was auch immer die Wahrheit gewesen sein mag, jedermann in der Miliz glaubte, dass der Verlust von Malaga die Folge von Verrat war. Damals hörte ich zum ersten Mal das Gerede von Verrat oder getrennten Zielen. Das weckte in meinem Gehirn die ersten vagen Zweifel an diesem Krieg, in dem bisher das Richtige und das Falsche auseinander zuhalten so wundervoll einfach zu sein schien.
Mitte Februar verließen wir Monte Oscuro und wurden zusammen mit allen P.O.U.M.-Truppen dieses Abschnitts der Armee einverleibt, die Huesca belagerte. Das bedeutete eine Reise von achtzig Kilometern auf dem Lastwagen über die winterliche Ebene, wo die beschnittenen Rebstöcke noch nicht ausschlugen und die Halme des Winterroggens gerade durch den bröckligen Boden sprießten. Vier Kilometer vor unseren neuen Schützengräben glitzerte Huesca klein und klar wie eine Stadt von Puppenhäusern. Vor Monaten, nach der Eroberung Sietamos, hatte der General, der die Regierungstruppen befehligte, gut aufgelegt gesagt: »Morgen werden wir in Huesca Kaffee trinken.« Es stellte sich heraus, dass er unrecht hatte. Blutige Angriffe wurden geführt, aber die Stadt fiel nicht, und der Ausspruch »Morgen werden wir in Huesca Kaffee trinken« wurde zu einem ständigen Witz in der ganzen Armee. Wenn ich jemals nach Spanien zurückgehe, werde ich darauf bestehen, eine Tasse Kaffee in Huesca zu trinken.

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