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B. Traven - Ein General kommt aus dem Dschungel (1940)
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SIEBENTES KAPITEL

1

Es fehlten drei Stunden bis zum Sonnenuntergang.
General hatte ansagen lassen, dass ein jeder sich bereit halten solle, um, falls befohlen, in zwanzig Minuten marschbereit zu sein.
Der Stab hockte beieinander, jedoch keiner sprach auch nur ein Wort über Angriffspläne. Die Muchachos redeten über alltägliche Angelegenheiten. General hockte da und kratzte mit einem Stöckchen Graswurzeln aus der Erde. Sobald er zwei oder drei herausgezerrt hatte, kratzte er mit demselben Stöckchen an einer anderen Stelle, nicht weit entfernt, ein neues Löchelchen und pflanzte das Würzelchen wieder ein. Es war leicht zu sehen, dass er das tat, weil er seine Gedanken weit von hier wandern
ließ.
Plötzlich aber wurde er beweglich. Eiligst scharrte er die zuletzt eingepflanzten Würzelchen sorglich zu, sprang auf seine Füße, lief um den Kreis der bei ihm hockenden Muchachos des Kriegsrates halb rennend herum und rief, sich unzählige Male wiederholend: »Meinen linken Arm würde ich hergeben, wenn ich nur wüsste, ob in der Nacht oder während der ersten Morgendämmerung. Meinen linken Arm würde ich hergeben, wenn ich nur wüsste -«
»Gottverflucht noch mal, General«, rief Matias, »sei froh, dass du deinen linken Arm hast und jammere uns hier nicht die Ohren voll. Das kann ja kein altes Weib mehr mit anhören, dieses ewige Gewinsel von deinem linken Arm. Muy bien, wenn er dir im Wege ist, komm her, ich schlage ihn dir runter mit einem Hieb, so wie wir dem Muchacho das Bein abgeraspelt haben, als er von einer Cascabel gebissen worden war.«
»Los, General, was ist denn nun wieder schiefgegangen? Raus damit. Linke Arme sind teuer. Matias hat Recht. Wir brauchen jeden Arm, und deine sind nicht schlechter als unsere.« Celso sprach in einem ruhigen, besänftigenden Ton.
»Gut, wenn nicht meinen linken Arm, aber meine linke kleine Zehe würde ich geben, wenn ich wüsste, welchen Plan, welchen von den zweien, die ich habe, ich vorziehen soll!« Er blieb stehen und kratzte in seinem dicken Haar herum.
»Wenn beide gut sind, macht es nichts, welchen du vorziehst«, sagte Andres.
»So einfach ist das nicht. Jeder hat seine Vorteile, und jeder hat einen Nachteil.«
»Dann wähle den, der den geringsten Nachteil hat«, riet Andres.
»Das Schwierige ist eben, zu wissen oder richtig zu raten, welcher von zwei Nachteilen der geringere ist.«
Coronel zupfte ihn an seinem zerrissenen Hemdärmel herunter, als er für eine Sekunde nahe bei ihm stand. »Setze dich hier einmal ruhig her und hopse nicht herum wie ein grünes Frühlingshähnchen. Bei dem Herumrennen kannst du überhaupt gar nicht denken.«
»Ich habe es auch im Sitzen versucht, aber es ist ebenso schwierig.« Er hockte sich dennoch hin und nahm eine Zigarre aus seiner Hemdtasche. »Der Plan ist mir am Morgen gekommen, als ich da für eine Weile oben im Baum saß und die Finqueros beobachtete, die herumkrochen, um verwundete und versprengte Muchachos zu jagen. Ich glaube, man bekommt überhaupt viel bessere Ideen, wenn man sich zuweilen oben in einen Baum setzt und die Welt einmal von oben aus betrachtet und nicht immer nur von unten. Was wissen die Ameisen von unserem Dasein? Für die Ameisen sind wir nur Wolken oder wandernde Berge. Der eine Plan ist, Santa Cecilia heute Nacht zu nehmen, der andere ist, die Finca vor Sonnenaufgang zu überfallen. Wir müssen sie überfallen. Wenn wir elegant anmarschieren, werden wir von den Maschinengewehren niedergemäht wie Dreck. Wir müssen sie so überfallen, dass sie keine Zeit haben, auch nur ein einziges auf die Beine zu stellen und nicht einmal einen Karabiner von der aufgestellten Pyramide wegzunehmen.«
»Gut denn, warum nicht vor Sonnenaufgang?« fragte Celso.
»Da sind eine Menge Frühaufsteher. Finqueros, die heimreiten und einen langen Ritt vor sich haben und den kühlen Morgen ausnützen wollen. Die sind wach und auf und können uns hören, ehe wir nahe genug sind. Kann auch sein, dass die Federales und Rurales um zwei Uhr morgens abrücken. Das eben konnte ich nicht herauskriegen von den verfluchten Knüppeln, die uns in die Schlinge liefen. Aber, verflucht noch mal, abrücken dürfen uns die Uniformierten nicht, ohne ihre Karabiner an uns abzuladen.
Wir brauchen die Schießspritzen und jede Patrone, die diese gottverfluchten Cabrones haben.
Und Coronel will sein verlorenes Maschinengewehr, seine Emma, wie er sagt, auch wieder haben, sonst macht er uns nie wieder ein glückliches Gesicht. Wenn wir die verfluchten Hundesöhne hie r in der Santa Cecilia erwischen, dann brauchen wir ihnen nicht nachrennen und uns das Fell von den Füßen laufen.«
»Los denn und drauf auf das Gesindel!« rief Celso.
»Drauf, drauf. Du hast gut reden. Aber ich habe die Verantwortung, wenn ich zu viel Leute verliere.
Nun hier einmal alle aufgepasst und die Ohren offen! Packen wir sie um zwei oder drei Uhr früh an, da mögen sie schon alle auf sein, die Finqueros, um heimzureiten, die Uniformierten, um nach Hucutsin oder nach Balun Canan zu marschieren, zurück in ihre Garnisonen. Ehe wir richtig über die Mauern sind, haben sie im Patio alles fertig, uns zu empfangen. Aber der Vorteil ist, dass wir dem Tage zugehen und es Licht wird, so dass wir sehen können, wem wir den Hals durchschneiden. Nachts ist es bei weitem besser in anderer Hinsicht. Da sind sie alle halb besoffen und liegen schnarchend herum, im ersten Schlaf. Aber es ist alles stockdunkel, und die Hälfte kann uns entwischen und dann von draußen anfallen.«
»Ja, du Esel von einem General, warum bringst du denn keine Linternas mit, wie wir es bei den Carretas machten und beim Abschleppen der Trozas, wenn kein Mondschein war«, sagte Matias grinsend.
»Matias hat recht«, meinte Andres. »Warum gebrauchen wir keine Linternas? Freilich nicht unsere Carreta-Linternas oder Monteria-Linternas. Wir können unsere eigenen Linternas anzünden und sparen noch den Petroleo.«
»Das weiß ich nun auch nicht, trotzdem ich General bin, was du meinst und wie du das meinst«, sagte der General, Andres fragend anblickend.
»Der Gedanke ist nicht gerade von mir, sondern kommt eigentlich von den Peones auf den Fincas, die wir auf unserm Marsch besuchten und denen wir ganze Fincas schenkten, ob sie wollten oder nicht.
Was ich meine, ist sehr einfach. Sobald wir rundherum die Mauer besetzt haben und teils auf der Mauer hocken und teils schon rüber sind, lassen wir den Finquero der Santa Cecilia Petroleo liefern. Und wenn ihr das nun noch immer nicht versteht, so meine ich, wir stecken alle Palmendächer und alle Schuppen, die aus Holz sind, an, und mit dem Nachtwind lodern die auf in zwei Minuten. Da haben wir Licht genug. Freilich, wir müssen im Augenblick drin sein in der Finca, und in allen Räumen zugleich müssen Muchachos an den Türen stehen, so dass keiner entwischen kann.«
»Vielleicht mache ich dich doch noch eines Tages zum Brigadier,  wenn ich  erst einmal  Divisionär  sein werde,
Andrucho. Du bist verflucht klug und bist noch nicht einmal irgendwo Soldat gewesen. Wenn nur die gottverfluchten Hunde nicht wären, die da wie wild draufloskläffen, sobald wir nahe kommen und auf die Mauer losgehen.«
»Mit den Hunden werde ich mich befassen, General«, sagte Emilio, der nahebei hockte. »Ich habe einen guten Trick, wie ich die Hunde leicht eine halbe Legua weit von der Finca und dem Dorf fortlocke.
Wenn sie in der Finca hören, dass die Hunde kläffen, aber nach dem Busch zu rennen anfangen, gibt niemand weiter acht darauf, weil sie glauben, ein Wildschwein oder ein Tiger hätte sich zum Corral geschlichen. Ich muss mich aber nun gleich aufmachen und auf die Jagd gehen. Aber ich sorge für die Ruhe der Hunde, General. Ich nehme mir drei Muchachos mit.«
»Gut«, bestätigte General, »mit dir rede ich später, wenn die Hunde mir meinen Plan versauen und du dann überhaupt noch am Leben bist und ich auch.«
»Magst mich füsilieren, General, wenn ich die Hunde nicht fortschaffe. Freilich, da sind immer ein paar, die zu faul sind oder zu alt und nachts Angst haben, sich zu weit fortzumachen. Aber die paar mögen ruhig kläffen. Das gibt den Cabrones da drin eher eine größere Sicherheit, als wenn überhaupt kein Köter bellen würde, weil die ja die ganze Nacht hindurch immer etwas zu bellen haben, selbst wenn sie eine Ratte laufen sehen oder ein Katze zur Hochzeit geht.«

 

2

Der kommandierende Offizier der Truppen, die in der Finca Santa Cecilia in Stellung waren, hatte den Befehl ausgegeben, dass am nächsten Morgen um acht Uhr abmarschiert werden sollte. Die Gewissheit, dass sein Gut morgen von dieser teuren Einquartierung befreit sein würde, veranlasste den Finquero, ein Abschiedsbankett zu geben, weil es ja nun für das letzte Mal sei. Es wurde darum bei diesem Bankett nicht nur nicht mit den jungen Schweinchen, den Truthähnen und Kälbern gespart, sondern erst recht nicht mit Aguardiente, gutem, altem, gebräuntem, für die Offiziere und Finqueros, und klarem, aber dafür um so härterem, für die Mannschaften.
Solche großen Nachtmähler ziehen sich auf den Fincas jener fernen Regionen nie tief in die Nacht hinein. Einmal ist der Mangel an gutem Licht, der ein langes Aufsitzen, selbst an einem reich bestellten Bankettisch, nicht gerade sehr angenehm macht. Kerzen biegen sich der Hitze wegen um, während die offenen Linternas entsetzlich rußen, und jeder Windhauch treibt den Gästen dicke Schwaden schwärzenden, rußigen Rauches ins Gesicht und auf die weißen Hemden. Petroleumlampen gehen hundertmal aus und müssen hundertundeinmal wieder angezündet werden. Dabei besteht immer noch die Gefahr, verursacht durch minderwertiges Petroleum, dass sie explodieren. Das Feuer auf dem großen Steinaltar im Patio gibt ein weites Licht, aber auch das treibt rußenden Rauch zwischen die Essenden.
Um acht oder neun Uhr, häufig schon vor Eintritt der Dunkelheit, beginnen Myriaden von Mosquitos, Moscos und anderen unangenehmen Insekten lebendig zu werden. Und sie gehen natürlich auf die beleuchteten Tische und Gesichter zu. In dieser Jahreszeit waren die Insekten besonders zahlreich und erst recht besonders blutrünstig. Abgesehen von der Belästigung durch ihre Stiche, fallen sie auch noch in ganzen Schwaden in die Suppen und Brühen der Essenden und schwimmen in allen Wein- und Wassergläsern herum. So wurde das lange Sitzen an einem Bankett selbst für den verwegensten Zecher oft mehr eine Qual als ein Vergnügen. Noch ein anderer Grund lässt solche Bankette auf den fernen Fincas nicht tief in die Nacht hinein dauern. Um neun Uhr morgens beginnt die tropische Glut auf Mensch und Tier, Halm und Erde zu lasten. Das zwingt die Menschen, sehr früh aufzustehen, einmal, um das Licht der Sonne voll auszunützen, zum andern, um die Arbeit, die notwendig ist, welcher Art sie auch immer sei, in die kühlen Morgenstunden zu verlegen. Der ertragreiche und wertvolle Arbeitstag endet für den, der nicht Peon oder Arbeiter ist, um elf Uhr morgens und wird, wenn nicht alles geleistet werden konnte, nach vier Uhr für zwei Stunden wieder aufgenommen. So kommt es, dass alle Leute, einschließlich der Soldaten, um acht Uhr abends so hundemüde sind, dass sie am Tisch einschlafen.
Es folgert aus allen diesen Umständen, dass Bankette gegen fünf Uhr nachmittags beginnen und um acht, sicher aber um neun Uhr, in Gähnen und Schnarchen enden.
Solche Gewohnheiten muss natürlich ein Feldherr wissen, um sie in seinen strategischen Plänen verwerten zu können. Dass ein mächtiges Bankett abgehalten wurde, hatte General nicht nur von den beiden ausgeschickten Spähern erfahren, sondern es war ihm auch noch bestätigt worden durch die Vernehmung der gefangenen Mayordomos und Finqueros. Die Finqueros, obgleich sie ungemein vorsichtig gewesen waren in allem, was sie sagten, hatten die Frage nach dem Bankett nicht verdächtig gefunden und sie richtig beantwortet.

 

3

General ordnete den Überfall für etwa elf Uhr nachts an. Er brauchte die Zeit, um seine Armee unbeobachtet nahe zur Finca zu führen. Während des Tageslichtes marschierte er nur bis zum Rande des Busches.
Sobald es dunkel geworden war, begann der Vormarsch.
Alle Packen, alle Karabiner, alle Pferde, Mules, Esel und Hunde blieben im Busch zurück unter Bewachung der Frauen und einiger der Muchachos, die im letzten Gefecht zu schwer verwundet worden waren, um am Kampfe teilnehmen zu können.
Nur den Muchachos, die Revolver besaßen, war erlaubt worden, ihre Waffen mitzunehmen. Mehrere dieser Burschen jedoch ließen selbst ihre Revolver zurück. Aber jeder, ob er einen Revolver trug oder nicht, brachte seinen Machete, und diejenigen, die keinen Machete hatten, trugen ihre Messer im Wollgurt oder eingesteckt in einen Schlitz ihrer Hose.
General rief die Muchachos in einen Kreis zusammen. »Die Jungen, die keine Revolver und keine Karabiner bis jetzt besitzen, haben das Vorrecht. Maschinengewehre werden gesucht und sofort entweder durch das Tor nach außen gebracht oder in einen Winkel der Gebäude.« Er rief zwölf Muchachos auf, die er mit der Arbeit betraute, die Maschinengewehre zu suchen, sie wegzubringen und sie zu bewachen, so dass sie von den Soldaten weder gebraucht noch gerettet werden konnten. »Du, Celso, als Comandante eines Maschinengewehrs, bist mit Matias verantwortlich dafür, dass sie nicht gegen uns gebraucht werden und dass sie, einmal raus aus dem Patio, bewacht werden. Du, Coronel, holst dir deine Emma wieder, und wenn du sie hast, bringst du sie mit Fidel zu den andern und beteiligst dich am Kampf.«
Darauf bestimmte General zwanzig Muchachos, die alle
Karabiner, aufgestellt in Pyramiden oder aufgehängt an Pfosten, zu erobern, zu sichern und zu bewachen hatten. Dann ordnete er die vier Haupttrupps für die vier Mauern an, ferner zwei Trupps für die beiden Tore, die nicht geöffnet werden sollten, sondern bewacht, um zu verhindern, dass jemand entkam.
Endlich suchte er sich gewandte Burschen, die er mit der Beleuchtung des Schlachtfeldes beauftragte.
Seine beiden Späher, ausgezeichnete Beobachter, hatten ihm einen genauen Plan überbracht, hinsichtlich der Lage der Gebäude und wie und wo die Soldaten, die Polizisten und die Finqueros und deren Trabanten verteilt waren. Die Späher hatten auch berichtet, dass vor dem Haupttor ein Posten von drei Mann und einem Unteroffizier sei, dass aber der Posten mehr zur Dekoration diente als zur Bewachung.
Die Dekoration bestand darin, dass dem kommandierenden Offizier ein größeres Ansehen gegenüber den Frauen der Finca verliehen werden sollte, wenn er in das Tor eintrat und der Posten geradezustehen und das Gewehr zu schultern hatte. Der Posten schlief des Nachts, denn auch ihm wurde von den Speisen und besonders von den Getränken des gewaltigen Abschiedsmahls reichlich abgegeben.
Wäre das nicht der Fall gewesen, so hätte er trotzdem geschlafen, weil er müde war, niemand kam, ihn auf seine Wachsamkeit hin zu prüfen, und außerdem waren ja auch alle Rebellen vernichtet worden.
General aber ließ nichts auf gut Glück oder Zufall ankommen. Er bestimmte drei Muchachos, dem Haupttrupp voranzugehen und den Torposten, aus vier Mann bestehend, für immer am Wache n zu hindern.
»Und nun der Zeitpunkt für den Angriff, das Signal«, sagte General. »Kein Schuss wird abgegeben, kein Pfiff, kein Kommando. Alle Kommandos gebe ich hier und jetzt. Keiner von euch tut das Maul auf, bis alles vorüber ist. Lasst die andern das Maul aufreißen, wenn sie das Messer vor sich sehen. Wie Pumas in der Nacht, die einen Corral übersteigen, arbeitet ihr, Muchachos. Je weniger Geräusch, desto besser. Der ganze Dreck darf nicht länger dauern als fünf Minuten. Darin besteht unser Erfolg. Sobald das erste Dach flammt und den Patio erleuchtet, seid ihr auch schon oben auf der Mauer und mit einem Satz rüber. Jede Gruppe arbeitet auf dem Posten, den ich für jede Gruppe bestimmt habe. Je eine Gruppe für jeden Raum, und vier Gruppen für den Patio, je eine von den vier Seiten. Vier kleine Gruppen für die vier Mauern außerhalb, falls einer dennoch versuchen sollte, über die Mauer zu entkommen.
Es darf keiner die Finca verlassen. Feuergruppe her!«
»Hier sind wir schon, General.« Die Burschen der aufgerufenen Gruppe traten vor.
»Ihr voraus. Rangeschlichen, leiser und verschlagener als ein alter Coyote. Einmal an der Finca angekommen, sucht nach einigen Haufen trockenen Maisstrohes und verteilt diese Haufen nach allen Seiten, wo Schuppen und Gebäude aus Palmgeflecht und aus Holz sind. Vergesst nicht, genug Kien mitzunehmen und reichlich Feuerzeuge. Sobald wir alle versammelt sind, schicke ich hier den Eladio, der euch das genaue Signal bringen wird, wann mit der Beleuchtung zu beginnen ist. Vorsichtig, dass es nicht zu früh brennt, denn das könnte uns den Plan verderben. Dann, wenn es, dem Signal folgend, einmal angefangen hat zu brennen, gut darauf achten, dass es lodert und nicht etwa verlöscht, ehe wir die ganze Bande in der Gewalt haben. Wehe euch, Burschen, wenn ihr etwas verfehlt. Dann sollt ihr mich kennen lernen. Ihr seid die wichtigste Gruppe, dass der Plan auch gelingt. Verstanden?«
»Nur keine Sorge um uns, General. Wir werden eine Beleuchtung schaffen, die sogar in der Hölle gesehen werden soll.« Die Burschen lachten und suchten allen Kien im Lager zusammen, versahen sich jeder einzelne mit drei Feuerzeugen und nahmen, um ganz sicherzugehen, jeder eine der großen
Monteria-Linternas, voll gefüllt mit Petrol, mit sich. So ausgerüstet, begaben sie sich auf ihren Weg. Mit ihnen gingen die Muchachos, die den Auftrag erhalten hatten, dem Torposten einen Besuch abzustatten, um sich nach dessen Wohlbefinden zu erkundigen.
Da es noch nicht voll Nacht war, krochen die Muchachos mit Vorsicht durch das Präriegras, um nicht etwa mit Gläsern von der Finca aus gesehen zu werden. Dass irgend jemand sich die Mühe machen sollte, jetzt, während das große Abschiedsbankett auf der Finca im vollen Gang war, mit Gläsern die Prärie abzusuchen, um etwa Antilopen zu erspähen, war freilich nicht zu erwarten. Immerhin, General zog jede Möglichkeit in Betracht.
Profesor, der alle diese Anordnungen Generals vernommen hatte, weil er ihm während der letzten halben Stunde ständig zur Seite war, sagte: »Nach meiner Meinung und nach dem, was ich hier höre und sehe, haben wir wohl recht daran getan, dich zum General zu machen. Einen besseren könnten wir kaum finden.«
»Ah, Schitt«, grinste General, »ich bin gar nicht von so großer Wichtigkeit, wie du glaubst, Profesor. Morgen oder übermorgen kann ich erschossen sein, oder gehenkt, oder bis zum Hals lebendig eingegraben und Pferde über mich hintrabend, oder mit Zuckersaft beschmiert im Busch an einen Baum gebunden.
Was tut das? Die Revolution geht weiter, und sie muss weitergehen. Generale fallen, und neue Generale werden kommen, viel bessere, als ich einer bin. Denn je länger die Revolution dauert, um so mehr Übung bekommen die Revolutionäre im Kriegführen, und in wenigen Monaten kann irgendeiner von euch, die hier herumstehen, es viel besser machen, als ich es heute kann, weil er dann mehr Übung und Erfahrung hat, als ich heute habe.«
»Das ist alles so schön gesprochen von dir, General«, sagte Andres, »dass es wirklich schade ist,  dass du das nicht aufschreiben kannst, damit alle Revolutionäre, die das nicht selbst von dir hören können, deine Worte wenigstens lesen könnten.«
General brach in grunzendes Gelächter aus. »Ich schreiben? Ich meine Worte aufschreiben. Ich muss dir da schon sagen, Andresillo, dass es mich immer eine ganze Woche lang Kopfschmerzen kostete der Mühe wegen, wenn ich an meine Mutter einen Brief schreiben wollte, als ich noch Sergeant war. Eine Seite kriegte ich ja so ungefähr voll. Wenn ich aber dann oben auf der zweiten Seite ankam, dann fingen die Schwierigkeiten an, da hatte ich dann keine Worte mehr, und wie sie geschrieben wurden, hätte ich welche gehabt, wusste ich auch nicht. Das ist nun schon eine Zeit her, seit ich Sergeant war. Und heute kann ich wahrscheinlich überhaupt nichts mehr schreiben, außer gerade meinen Namen. Und ich denke, das ist genug für einen General. Was denkt ihr denn darüber, Muchachos?«
»Was braucht denn ein General mehr schreiben zu können als seinen Namen, möchte ich wissen?« sagte Celso, fragend alle herumstehenden Muchachos anblickend. »Schaut mich an, ich kann nicht einmal meinen Namen schreiben, nur gerade ein ganz wackliges und sehr schiefes C kann ich mit Mühe schreiben, und ich bin dennoch Coronel, und was viel mehr ist, Maschinengewehrkommandant. Ob du schreiben kannst oder nicht, darum kümmert sich ein Maschinengewehr nicht. Es kümmert sich nur darum, dass es gut geölt ist und dass du richtig da hinhältst, wo du hintreffen willst.«
Profesor griente General an. »Es würde mich nun doch sehr interessieren, General, was stand denn auf der ersten Seite der Briefe, die du an deine Mutter schriebst?«
»Das ist sehr einfach und auch ganz klar. Da schrieb ich: >Meine sehr geliebte, edle und würdige Mutter<, und dann machte ich einen Punkt.«
»Und was stand denn da noch mehr auf der ersten Seite?«
»Da konnte nichts mehr weiter stehen, weil die Seite nun voll war und kein Platz mehr übrig, noch ein neues Wort hinzuschreiben.“
»Und dann auf der zweiten Seite? Was stand da?« wollte Profesor wissen, der fortwährend griente.
»Das ist ebenso einfach und ebenso klar«, sagte General, als ob es sich um die gewöhnlichste Sache in der Welt handelte. »Was konnte ich denn noch mehr schreiben, als nur gerade: >Ich bin gesund, Dein dankbarer Sohn, der Dir Deine Hände und Füße küsst, Juan Mendez. <
Und damit waren die vier Seiten voll. Ich steckte den Brief in einen Umschlag, kaufte eine Briefmarke, leckte sie am Ursch, klebte sie rauf und steckte den Brief auf der Post in einen Kasten.«
»Und was schrieb darauf deine Mutter?«
»Gar nichts. Sie konnte ja nicht schreiben, aber meine Briefe konnte sie gut lesen. Und was willst du denn mehr von einem Brief, als dass der ihn lesen kann, an den du ihn schickst. Da wollen wir nun aber nicht mehr daran denken. Wir haben jetzt anderes zu tun, und ich denke auch, dass meine Mutter tot ist.
Viel besser für sie, wenn sie tot ist. Ihr Leben war nur ewige Arbeit, ewige Not, alles Liebe, immer Sorge um unser Essen, und nur einmal habe ich sie lachen sehen.« General kniff die Augen zusammen und machte ein ungemein komisches Gesicht. Die Muchachos, die herumsaßen, blickten ihn an und wollten eben in Lachen ausbersten, als er aufsprang und rief: »Wo sind denn meine Beleuchtungsinspektoren?«
»Die sind schon seit einer halben Stunde auf dem Wege, General«, antwortete ein Bursche.
»Und die Verzauberer des Torpostens?«
»Auch schon lange fort.«
»Dann fertig zum Abmarsch. Los. Getummelt. Und die Knochen geschüttelt, verflucht noch mal! Faule, lausige Gesellschaft, hier herumsitzen und plappern wie alte Weiber, anstatt lieber Zielübungen machen und Gewehre ölen und Messer und Machete schleifen. Das sind mir Soldaten. Krummes, ungewaschenes Gesindel seid ihr, nicht wert, Revolution zu machen. Los schon, und etwas schneller als gewöhnlich. Alles zum Abmarsch fertiggemacht. Im Augenblick, wenn die Sonne hinter jenem Bergrücken da verschwunden ist, wird marschiert. Und ich schlage jedem einzelnen von euch seinen Schädel stückweise zu Brei, der einen anderen Posten besetzt als den, den ich für jede Gruppe angeordnet habe. Ich werde verflucht gut aufpassen, auch wenn ich selbst alle Hände voll zu tun haben sollte. Es geht euch trübe, das kann ich euch versprechen, wenn ich einen über einer Kehle finde, die ihm nicht gehört, oder in einer Ecke, in der ein anderer zu stecken hat.« Er schnallte sein Revolverhalfter ab, warf den Revolver einer Frau, die in der Nähe hockte, zu und sagte: »Für die Arbeit brauche ich keinen Revolver. He, du, Muchacho!« rief er einen Burschen an. »Bring mir deinen Machete und such dir einen andern. Du bist genug in blutenden Fetzen, von gestern her, dass du jetzt hier zu bleiben hast und auch mit einem verrosteten Machete das Lager bewachen kannst.«
Er fühlte die Schneide des Machete, der ihm gegeben worden war, und sagte: »Sehr scharf ist er nicht. Aber um so besser. Dann fühlen die gottverfluchten Cabrones wenigstens, wenn sie gesägt werden, und haben noch zwei elende Sekunden Zeit, darüber nachzudenken, wie schnell doch eine Höllenfahrt vor sich gehen kann, ohne aus dem Fenster zu fallen.«

 

4

Um dieselbe Zeit etwa, eine Stunde vor Sonnenuntergang, hatte das Bankett auf Santa Cecilia begonnen.
Wie bei allen Festen, bei denen ein entscheidender Sieg gefeiert wird und wo alle tapferen Krieger behaglich in dem erhebenden Bewusstsein schwelgen, dass der Feind nicht nur geschlagen, sondern dauernd unschädlich gemacht wurde, ging es laut und fröhlich zu.
Warum sollten der Cabo und seine drei Soldaten, die den Ehrenposten am Haupttor für die Nacht stellten, von dieser Siegesfeier ausgeschlossen werden? Sie hatten wacker gekämpft in dem Scharmützel, in dem gestern die Rebellenbrut vernichtet wurde, und sie betrachteten es als ihr wohlverdientes Recht, dem Siegesfeste in Person beizuwohnen wie alle übrigen. Sie waren gewiss keine Sträflinge, erst recht keine Deserteure, die sich zu drücken versucht hatten, als es für einige Minuten etwas heiß zu werden schien und die Rebellen losknallten, soviel sie zum Losknallen zur Hand hatten. Überhaupt, da keine Veranlassung vorlag, dass jetzt ein Offizier sich dem Tor nähern würde, wäre es eine Eselei gewesen, die selbst einem Unteroffizier der Federal-Armee nicht zugemutet werden kann, hier mit seinen Leuten gelangweilt auf dem nackten Erdboden am Tor zu hocken und von ferne zuzusehen, wie die Soldaten, Polizisten, Capataces und Unteroffiziere den verschüchterten indianischen Mädchen, die das Essen herbeitrugen, an die Brüste griffen und gelegentlich auf die Hinterschenkel klatschten, um abzufühlen, ob vielleicht später gegen den Abend noch weiter zugepackt werden könnte, ohne im Gesicht zerkratzt zu werden.
Die Offiziere, die an der Tafel auf Stühlen saßen, die, wenn auch sehr roh, dennoch aber Stühle waren, und, im Gegensatz zu den Soldaten und Unteroffizieren, mit Messern und Gabeln aßen, würden es als grobe Unhöflichkeit ihrer Gastgeberin gegenüber empfunden haben, wären sie aufgestanden, hätten den Cabo herangerufen und ihn in Gegenwart seiner Gastgeber elendiglich runtergerotzt, weil er den Posten verlassen hatte. Das konnte am Morgen nachgeholt und mit einem halben Dutzend Backpfeifen ins Gesicht des Unteroffiziers und einigen gutsitzenden Hieben mit der Reitpeitsche über die Schultern der verruchten Soldaten nachdrücklich genug unterstützt werden. Der Oberst war ja nicht nur Offizier, sondern auch Caballero. Das durfte er nie vergessen, um so weniger, als ja die Frau des Finqueros, drei seiner erwachsenen Töchter, zwei erwachsene Nichten und die Frauen und Töchter zweier benachbarter Gutsherren mit an der Tafel saßen.
Außerdem war das Haupttor von keiner Wichtigkeit, wenn im Patio sich drei Maschinengewehre befanden.
Sie waren zwar bereits für den Abmarsch verpackt und auf keinen Fall schussbereit; aber es waren doch Maschinengewehre, die auch dann ihren Zweck der fürchterlichen Drohung erfüllten, wenn sie gut verpackt und fest verschnürt in einer Ecke lagen. Wo jeder einzelne Soldat seinen Karabiner hatte, wusste keiner von ihnen mehr, nachdem das Bankett etwa anderthalb Stunden im Gange war. Wenn man nicht hin und wieder einmal Mensch sein darf und sich menschlichen Genüssen hingeben kann, dann hat das ganze Soldatenspielen keinen Reiz. Die Uniform allein tut es nur bei Tage, in der Nacht glitzern die Knöpfe nicht, und die schönen roten und grünen Litzen und goldenen und silbernen Tressen sehen wie jeder andere gewöhnliche Bindfaden aus.
Während des Redens an der Tafel kam das Gespräch auf die versprengten Rebellen, die entkommen waren. Es wurde hin und her geraten, wie viele es wohl gewesen sein mochten, die nicht erwischt werden konnten. Die geringste Zahl, vorgebracht von zwei Finqueros, war: drei Burschen, die nicht gefangen wurden. Die höchste Zahl erwähnte ein Leutnant, der behauptete, dass es nicht weniger als elf gelungen sei, zu fliehen, aber er war überzeugt, dass alle elf so schwer verwundet worden seien, dass sie sicher nicht weit kamen, und da sie keine Hilfe bekommen konnten, ganz gewiss im Busch steckten und dort elend verreckten, denn ihre Furcht sei gewiss so groß, dass sie sich nicht hervorwagen würden.
Sie mussten also noch im Busch versteckt sein.
»Merkwürdig ist«, warf der Capitan der Rurales ein, »dass die Caballeros, die mit ihren Mayordomos ausritten, die versprengten Schweine einzufangen, nicht zurückgekommen sind. Es wird ihnen doch nichts geschehen sein.«
»Keine Sorge, Capitan«, beruhigte ihn der Finquero von Santa Cecilia, »es war nicht die Absicht meiner Nachbarn, hierher zurückzukommen. Sie hatten ohnehin den Weg zu ihren Gütern am Busch entlang zu nehmen. Und weil sie den ganzen langen Tag vor sich hatten, war es ihre Idee, die Muchachos aufzustöbern und sie dort im Busch aufzuhenken. Das werden sie getan haben, und dann sind sie weiter geritten, auf ihre Fincas zu. Sie bleiben über Nacht auf Santa Rosita. Da sind sie jetzt und ärgern sich vielleicht, warum sie nicht noch einen Tag länger hier geblieben sind, um dieses Bankett mitzumachen.
Aber sie kamen von Jovel, wo sie Geschäfte gehabt hatten, und da sie mehr als drei Wochen von Hause weggewesen waren, hatten sie Sehnsucht, rasch heim zugelangen. Nichts ist merkwürdig daran, Capitan.«
Das Mahl war endlich bewältigt, und es begann nun das Nachfeuchten, damit die Frijoles nicht in der Kehle stecken bleiben sollten, und auch um den grünen Chili vom Gaumen und der Zunge runterzuwaschen, damit die Augen aufhören sollten zu tränen.
Die Victrola war rostig, aber sie rattelte noch genügend, um aus den Platten, die in der Regenzeit zu verschimmeln begonnen hatten, einige zwanzig quietschende Tanzmelodien herauszukratzen. Auf der Finca waren zwei amerikanische Akkordeons, ein paar Gitarren und zwei, ebenfalls schimmelige,
Violinen.
Ein halbes Dutzend Soldaten konnten etwas darauf herumspielen, das, auch wenn es keine bestimmte Melodie erzeugte, ausreichte, um sich einzureden, man tanze, wenn man nach diesen musikalischen Anstrengungen nach rechts und links herumspringe und sich schlängelnd hin- und herwiege, um dadurch Gelegenheit zu finden, seine Oberschenkel gegen die der Senoras und Senoritas bis zu jener Grenze zu pressen, wo es nicht mehr gut möglich ist, von Tanzen zu sprechen, sondern wo offen zugegeben werden muss, dass nun die blanke, ungeschminkte Unanständigkeit beginnt, an der sich öffentlich zu ergötzen wohl den Soldaten erlaubt ist, nicht aber den Caballeros, ob sie nun Offiziere sind oder Finqueros.
Aber nach einer halben Stunde Tanzens auf dem harten, knirschenden Ziegelsteinboden, wobei der schwere Revolver, den sie am Hintern baumeln hatten, bald begann, das Fleisch vom Knochen abzuledern und die schöne Uniformhose durchzuschleißen drohte, fanden die Offiziere und Finqueros es bequemer und angenehmer, die Revolver abzuschnallen und die Gurte über einen Querbalken aufzuhängen.
Damen lieben es nicht, dass die Caballeros mit ihren Kanonen umgeschnallt tanzen, und finden es unhöflich, um so mehr, als bei schlängelnden Seitenbewegungen des genusssüchtigen Tänzers der Revolver auch zuweilen der Dame blaue Flecken an den Beinen verursacht und alle süßen Träume, die sie beim Tanzen bekommen könnte, erbarmungslos durch eine gar zu harte Wirklichkeit zerstört.
Der Oberst, um seine Würde nicht zuschanden gehen zu sehen, hatte am längsten widerstanden, den Wünschen nach größerer Bequemlichkeit nachzugeben und seine Haubitze abzuhaken. Als jedoch die Senorita, mit der er gerade tanzte, plötzlich sagte: »Perdoneme, Senor Coronel, aber Ihre Pistola klappert mir doch zu sehr gegen meine Rippen, ich werde mich lieber ausruhen«, was konnte der Herr Oberst tun? Caballero zu sein verpflichtet.
So hingen gegen acht Uhr abends alle Revolver an Querbalken, an Nägeln an den Pfosten, oder sie lagen friedlich über Sätteln im Patio oder unter den Klappgestellen, auf denen die Gäste schliefen.

 

5

Revolutionäre, die ihre Angelegenheiten ernst nehmen, sollen sich nicht auf Glück oder freundliche Zufälle verlassen, auch nicht auf das wachsende Verständnis oder das erwachende Bewusstsein für Gerechtigkeit auf Seiten ihrer Gegner. Reguläre Soldaten mögen sich schon viel eher auf die Dummheiten des Feindes verlassen und sich einreden, dass dem tapferen Krieger das Glück immer hold sei. Revolutionäre dürfen nie Träumen nachhängen, und niemals dürfen sie eine Nachricht glauben, für die kein anderer Beweis vorliegt als der, dass sie wünschen, dass diese Nachricht wirklich wahr sei. Als die Muchachos den Angriffsplan berieten, hatte Gabino gesagt: »Vielleicht sind sie alle so besoffen, dass sie schlafen wie abgejagte Hunde.«
Darauf hatte General erwidert: »Vielleicht! Aber das Vielleicht hilft uns gar nichts. Verlasst euch auf nichts, das rate ich euch allen. Nehmt als sicher an, dass überhaupt keiner schläft, keiner besoffen ist, dass jeder seinen Revolver oder seinen Karabiner in der Faust hat, dass sie alle wach sind und auf der Lauer liegen und dass unser Plan verraten worden ist auf irgendeine Weise. Nicht auf gut Glück verlassen. Nur das nicht. Immer denken, dass der andere mehr kann, mehr weiß, stärker ist als ihr, besser auf dem Posten ist, als ihr erhofft, und alle eure Pläne erfahren hat oder erraten konnte. Denn was wir uns ausdenken können, das können sich auch die andern ebenso gut ausdenken. Der einzige Vorteil, den wir haben, ist der, dass sie nicht wissen, dass wir hier mehr als vierhundert Mann stark im Busch hocken.
Und selbst das können sie irgendwie wissen. Würde ich auf gut Glück losgehen und mit ihrer Besonnenheit rechnen, dann brauchten wir überhaupt keinen Plan, keine Einteilung in Gruppen. Weil ich nicht auf glücklichen Zufall rechne, darum gibt es nur eins, das unsern Angriff vereiteln könnte, und das ist, dass ein volles Regiment jetzt in der Nähe von Santa Cecilia ist, ungesehen von uns, und uns von allen Seiten im Rücken packt, sobald wir außen an den Mauern angekommen sind. Aber dafür haben wir unsere Beleuchtungsinspektoren. Wenn nichts leuchtet, dann ist etwas verdächtig; und leuchtet es, dann sind wir obenauf, gleich, was und wer uns in den Rücken kommt.«

 

6

General, begleitet von Celso, hatte sich dicht zur Finca geschlichen, während das Heer nur einen Kilometer weit entfernt im Präriegras verborgen lag. Die Finca war bereits völlig umzingelt, so dass jedes der vier Angriffsheere etwa in gleicher Entfernung von der Mauer, auf die es loszumarschieren hatte, lag. Die einzige Lücke, die in jener Umzingelung noch offen war, bildete das Dorf der Peones. Der Plan der beiden Heere, die hier den Winkel formten, war der, dass beim Angriff das Dorf von der Finca abgeschnitten werden sollte, aber eine kleine Gruppe war bestimmt worden, das Dorf so zu bewachen, dass die Peones nur nach der Finca zulaufen konnten, falls sie, von Angst getrieben, versuchen würden, zu entfliehen.
Es war natürlich für die Muchachos, die mit jener Aufgabe betraut worden waren, nicht möglich gewesen, alle Hunde der Finca und des Dorfes wegzulocken. Hier und dort kläfften einige. Sie wurden jedoch immer bald von jenen Burschen, denen sie zu nahe kamen, zum Schweigen oder wenigstens zu einem kläglichen Winseln gebracht dadurch, dass ihnen ein Stein an den Schädel sauste. Die Hunde lernten bald begreifen, dass es hier ernst zuging, und sie trabten zurück, innerhalb der schützenden Mauern der Finca, wo sie reichlich frische Knochen fanden, die sie bald vergessen ließen, dass da draußen im Gelände ein gewaltiger Tiger auf dem Sprunge lag, mit dem man sich besser nicht verfeindete.
In der dunkelsten Ecke des weiten Hofes, wo auch nicht der dünnste Schimmer des brennenden Scheiterhaufens im Patio hinleuchtete, kroch General auf die Mauer.
Als er bemerkte, wie sehr alle Männer entweder mit Trinken oder Tanzen beschäftigt waren, und nicht einer seinen Revolver umhängen hatte, dachte er für einen Augenblick daran, seinen Beleuchtungsinspektoren, die er nur wenige Augenblicke vorher auf ihren Posten besucht hatte, den Befehl zum Zünden und so das Signal zum Angriff zu geben.
Auch Celso war auf die Mauer geklettert, um das Schlachtfeld zu überblicken. Als sie beide wieder unten auf dem Boden waren, sagte General: »Es wäre nicht so übel, jetzt gleich draufloszufegen. Aber ich denke, es ist nicht sehr anständig, Leute zu überfallen, wenn sie tanzen und lachen.«
»Mag sein«, flüsterte Celso, »aber es ist vielleicht ebenso unanständig und unhöflich, drauflos zu wischen, wenn sie gerade ihren Schwengel drin haben, denn glaube nur nicht, dass heute Nacht, nach diesem guten Fressen, Saufen, Tanzen und Schenkelpressen etwa gebetet wird. Die Töchter und Nichten und Tanten und Comadres, die da rumhopsen, sind so flitzig, dass du sogar von hier aus sehen kannst, wie ihnen die Suppe am Kochen ist.«
»Gut gesagt. Und was du sagst, bestimmt mich um so mehr, das Signal nicht vorzeitig zu geben und den Plan nicht zu ändern, sondern loszufegen etwa eine Stunde, nachdem die letzte Kerze verlöscht ist, so wie ich es geplant hatte. Es geht dann rascher, und es mag sogar geschehen, dass wir auch nicht einen einzigen Mann verlieren.«
General und Celso besuchten nun abermals die Beleuchter, die etwa fünfzig Meter weit von den Dächern und Maisstrohhaufen, die sie anzünden sollten, flach auf dem Boden lagen und sich nicht einmal das Vergnügen erlaubten, eine Zigarre zu rauchen.
»Wenn ich viermal heule, wie ein Coyote, dann zündet ihr«, befahl er jeder Zündergruppe. Darauf kehrten beide, Celso und General, zurück zu ihren besonderen Heeresgruppen.

 

7

Kein anderer Laut als das gelegentliche Kläffen eines Hundes, der, sobald er ein paar Mal gekläfft hatte, sich sofort verschüchtert zu den Gebäuden der Finca oder den Hütten des Dorfes wegschlich, verriet die Nähe der Heere. Grillen, Zikaden und Graspferdchen zirpten und schrillten über die Prärie in Millionen von kleinen Stimmchen und erstickten selbst das unterdrückte Husten oder Niesen des einen oder anderen der Muchachos, die so versteckt im Grase lagen, dass sie selbst mit den stärksten Scheinwerfern, würde es solche auf der Finca gegeben haben, nicht hätten entdeckt werden können. Es hätte sogar ein Finquero quer durch die flach hingestreckten Muchachos reiten können, und er würde nur daran, dass das Pferd plötzlich scheute, dann aber, einen Menschen witternd, sorglos weitertrabte, erkennen, dass hier etwas nicht ganz so sei, wie er gewohnt war, es auf seinen Ritten anzutreffen. Aber er würde glauben, es sei Wild, das vom Pferde erspäht wurde und das in der Finsternis der Nacht wohl vom Pferde, nicht aber von dessen Reiter bemerkt wurde. Und hätte er wirklich einen oder zwei oder drei dieser beinahe nackten Körper gesehen, so hätte er der Begegnung keine Bedeutung zuerkannt, weil er sicher war, dass es betrunkene Peones der Finca seien, die in ihrer Besoffenheit hier hinausgetorkelt waren und sich fallen gelassen hatten, weil ihre Beine sie nicht weiter getragen hatten.
Aber kein Finquero ritt vor dem Morgengrauen heim, kein Soldat verließ in der Nacht die sicheren Mauern, und die Peones der Finca, sobald sie von ihrem Dienst befreit waren, eilten sich, zu ihren Hütten zu kommen und sich schlafen zu legen; denn um vier Uhr morgens läutete die Campanilla der Finca und riss sie von ihren Matten herunter, um zur Arbeit anzutreten.

 

8

Als General bemerkt hatte, dass der große Scheiterhaufen auf dem Feuerstein im Patio seit etwa einer Stunde nicht mehr aufgefrischt worden war und nur hier und da das Blinken einer Kerze in einem der Räume der Finca sichtbar wurde, ließ er das jammervolle Klagen eines Pavo, der auf seinem Ast hockend von einem Gato de Monte überfallen wird, hören, und die vier Heere begannen, gleich ebenso vielen Schlangen, auf dem Boden voranzukriechen. Obgleich sie kein Geräusch verursachten, kläfften doch die Hunde der Finca, die nicht hatten fortgelockt werden können, aufs neue los, und ein Dutzend Hunde der Peones fühlten sich verpflichtet, in das Kläffen mit einzufallen.
Im Patio der Finca vernahm man einige Flüche der dort ruhenden Soldaten, die im Schlafe gestört wurden, und gleich darauf das winselnde Heulen mehrerer Hunde, die einen Knüppel zwischen die Beine gefegt erhalten hatten.
In kleinen Ortschaften, in den Dörfern der Indianer und in den fernen Fincas schenkt kein Mensch dem Kläffen von Hunden irgendwelche Beachtung, weder bei Tage und viel weniger noch bei Nacht. Hunde bellen, wenn eine Kuh, die sich auf der Weide verspätet hat, in den Hof heimkehrt, wenn sich zwei Schweine zanken, wenn ein Esel versucht, an der Lehmmauer des Maisschuppens einige Maiskolben herauszuzerren, wenn der Mond unheimliche Schatten wirft, und besonders, wenn ein Hund ohne Grund zu bellen anfängt oder wenn das Bellen von Hunden aus weit entfernt liegenden Fincas oder indianischen Siedelungen, von Menschen nicht vernommen, herüberschallt. Meistwohl bellen diese Hunde nur, um überhaupt zu bellen, die langen Nachtstunden abzukürzen und sich davon zu überzeugen, dass sie am Leben sind.
Wären freilich alle Hunde der Finca und der Peones versammelt gewesen, würde ihr Lärm doch so bestimmt und so ungewöhnlich erregt gewesen sein, dass vielleicht die Männer in der Finca begriffen haben würden, dass dieses Bellen eine wirklich ernste Gefahr verkündete. Aber weil die Hunde um mehr als die Hälfte verringert worden waren und von den verbleibenden eine gute Anzahl, mit Steinwürfen und Machetehieben eingeschüchtert, sich verkrochen hatten und nicht mehr bei dem Geheul der wenigen übrigen mitmachten, so erweckte das Bellen und Kläffen der Hunde in niemand auf der Finca einen Verdacht, dass sich in der Nähe etwas Ungewöhnliches vorbereite.
Nun waren die vordersten Gruppen nur noch fünfzig Schritt von den Mauern und Toren entfernt. Sie lagen bereits an dem Verbindungsweg zwischen dem Dorf und der Finca, so dass der Weg zum Dorf sowohl für die Peones wie auch für die Leute auf der Finca abgeschnitten war.
Alle Burschen, ohne irgendeinen weiteren Ruf abzuwarten, ergriffen mit festen Händen ihren Machete oder ihr Messer und richteten ihre Oberkörper auf, um den ersten Sprung gleich fünf Schritte weit zu machen.
In langausgezogenen Klagen heulte ein Coyote viermal.
Glimmer wurden sichtbar an zwei Flanken der Finca, wo Schuppen waren und wo sich die schlichten Gebäude der Mayordomos und Capataces befanden, deren Dächer trockene Palmenblätter waren.
Gleich darauf zuckte eine gelbrote Flamme zischend auf und rannte wie eine erschreckte Ardilla am Saum des überhängenden Daches entlang. Nur zwei Sekunden währte es, und eine andere Ecke leuchtete grell auf unter einem knisternden Prasseln.
Es war merkwürdig, dass sich nichts rührte, weder im Patio noch in einem der Gebäude der Finca, nichts wenigstens für etwa fünfzehn Sekunden. Nur die Hunde, die bisher gekläfft hatten, gingen in ein jämmerliches Heulen über.
Die Muchachos waren nun über der Mauer. Gleich aufgescheuchten Katzen flitzten sie in Gruppen auf die Räume der massiven Hauptgebäude zu, die alle zu ebener Erde waren und deren Türen, der Hitze wegen, nur angelehnt und von innen nicht verschlossen oder verrammelt waren. Aber weil General angenommen hatte, dass alle Türen verschlossen sein würden, hatte er Gruppen bestimmt, das Dach zu erklettern, die Dachziegel runterzureißen und durch das Dach in die Räume zu kommen, denn bei der Gewandtheit der Muchachos ging das bei weitem schneller und war der Überraschung wegen viel Erfolg versprechender, als die Türen durchzubrechen. Denn hinter den Türen würden die Offiziere und Finqueros mit ihren Revolvern in der Hand stehen. So aber geschah der Angriff gleichzeitig vom Dach und von den Türen aus.
Ehe die Gruppen, die für die Räume bestimmt waren, auch nur bei den Türen angelangt waren, da lebte bereits kein Mann mehr von denen, die im offenen Patio schliefen, das waren die Soldaten, die Polizisten, die Mayordomos und Capataces. Die Patiogruppen hatten ihnen die Hälse zerschnitten, noch während die Dachgruppen auf den Gebäuden hockten und die Falzziegel abhackten.
Das Klappern, Herunterfallen und Zerbrechen der Dachziegel war das erste bestimmte Geräusch, das zu hören war. Alles, was bis jetzt sich zugetragen hatte, einschließlich der Vernichtung der mehr als hundertzwanzig Männer, die im Patio schliefen, hatte nichts weiter verursacht als unterdrücktes Stöhnen; ein rasch ersticktes Röcheln; einen beabsichtigten Schrei, der erstarb, ehe er zu einem richtigen Gurgeln sich entwickeln konnte; ein Knirschen von Machetes, wenn deren Spitzen gegen Sand oder Pflastersteine im Patio stießen; ein unerklärlich unbestimmtes patschendes Tasten, das erzeugt wurde, wenn rasch zupackende Hände auf einen menschlichen Körper sausten; und ein gelegentlich dumpfes Fallen, als ob ein Holzklotz auf einem Steinboden umgeworfen werde. Und nun, nach etwa fünfzehn Sekunden, schallte über den Patio die erste menschliche Stimme. Sie kam aus dem Hause, in dem der Mayordomo mit seiner Familie lebte. »Fuego! Feuer!« rief die Stimme zweimal. Dann erlosch sie.
In den massiven Gebäuden der Finca erklang jetzt hier und da das helle Peitschen von Revolverschüssen innerhalb geschlossener Räume. Aber wo auch immer ein, zwei, drei Schüsse fielen, am Klang der Schüsse konnte man hören, dass sie aus derselben Waffe nur höchstens zweimal wiederholt wurden und dass der nächste Schuss aus anderen Räumen oder aus anderen Winkeln kam.
Merkwürdig war, dass auch in den Gebäuden weder gerufen, noch geschrieen, noch gejammert wurde.
Mut war es gewiss nicht, der die tapferen Offiziere der Federales und der Rurales und die ebenso kriegerischen Finqueros am Schreien hinderte. Die Überraschung ließ ihre Stimmen vertrocknen. Und ehe sie Zeit gefunden haben würden, Warnungsrufe auszustoßen, waren ihre Kehlen bereits zu weit offen, um noch mit ihrer Hilfe rufen zu können.
Nur das einmalige Aufkreischen dreier weiblicher Stimmen, das jedoch in ein lautes Gurgeln verebbte, wurde weithin vernehmbar. Von dem hellen Schein der prasselnden Palmendächer grell beleuchtet, sah man Profesor oben auf dem Sims des Hauptgebäudes hocken.
Er war der erste, der sprach und laut genug sprach, so dass es über den weiten Patio zu vernehmen war und, über dessen Mauern hinweg, wohl gar bis zum Dorf der Peones hin verstanden wurde. Die Fäuste schüttelnd, sich hoch aufreckend und seiner Stimme alle Kraft gebend, deren sie fähig war, schrie er:
»Unter Schrecken und Grauen wurde die Diktatur geboren! Mit Schrecken, Grauen und Peitschenhieben hielt sie sich an der Macht! Unter Grauen, Schrecken und dem Hinschlachten von
Millionen von Menschen wird sie wieder abgesetzt! In Strömen roten Blutes wird das goldene Zeitalter der Verlogenheit ersäuft! Viva la revolucion del proletariado! Tierra y Libertad!«
Die Muchachos, plötzlich aufwachend wie aus einer Hypnose, schwangen ihre Messer und Machetes hoch und schrieen als Antwort: »Viva la revolucion! Abajos los tiranos! Tierra y Libertad para todos, sin amos y sin capataces! Viva nuestra rebellon! Viva la rebellon de los indios!«
Und so geschah es im Verlauf der Revolution, dass ein solcher Überfall wie der auf die Finca Santa Cecilia sich nicht einmal wiederholte, nicht zehnmal, sondern viele tausendmal im ganzen Lande, bis endlich an das goldene Zeitalter nichts anderes mehr erinnerte als die Ruinen blühender Domänen und die zerhämmerten und nun verrostenden Maschinen hunderter von Fabriken und eine Verringerung der Volkszahl um beinahe drei Millionen. Das goldene Zeitalter der Diktatur hatte eine unerhörte Steigerung der Produktion möglich zu machen verstanden. Aber darüber hatte es den Menschen und das Individuum vergessen und vergessen, dass alles und jedes Ding zu einem Produkt gemacht werden kann, mit einer einzigen Ausnahme, und die ist das Hirn und die Seele des Menschen.

 

9

Als der Tag angebrochen war und die Sieger die Finca abzusuchen begannen, kamen sie an jenes Gelände, wo ihre hingerichteten Kameraden mit ihren zermanschten Köpfen über den zerstampften Boden lugten.
»Wir wollen sie ausgraben, unsere armen Companeros«, sagte Andres, »und wir wollen sie auf dem Friedhof der Peones beerdigen.«
»Das wäre eine Schmach für sie«, erwiderte General.
»General hat recht«, sagte Profesor. »Keine größere Ehre können wir ihnen erweisen, als sie hier so zu lassen, wie wir sie fanden. Hier sind sie verblutet. Hier haben sie ihren letzten Revolutionsschrei den uniformierten Hunden ins Gesicht gegurgelt. Hier bleiben sie. Wir werden nur ihre Köpfe mit Hügeln von Erde überwerfen und dann einen Zaun um ihre letzte Stätte bauen, aus Steinen. Und wenn Gott am Jüngsten Tage hier entlang kommt, um sie aufzurufen, so soll er sie so finden, wie sie von den Tyrannen eingegraben wurden. Dann wird Gott wissen, was er von den Anklagen der Caballeros, die dort von den Geiern abgepellt werden, zu halten hat und wer in diesem Streit zwischen Herrscher und Beherrschten im Rechte war.«
»Wir sind immer im Recht!« rief Celso. »Wir sind immer im Recht, weil wir Rebellen sind. Rebellen haben immer recht. Denn niemand, ob Indianer oder Ladino, hat das Recht, einem andern das Maul zu verbieten; denn das Maul haben wir nicht nur zum Fressen, wie die Schweine und die Ziegen, sondern um damit zu reden, und um damit zu reden, was wir wollen, ob es den Cientificos und Aristocrates gefällt oder nicht.«
»Celso«, sagte Andres leise zu ihm, als der seine Rede geendet hatte, »das hat gestern Modesta zu dir gesagt. Du hast dir das nicht selber ausgedacht.«
»Und warum soll sie das nicht zu mir gesagt haben? Sie ist ebenso klug und gelehrt wie du. Sie versteht recht gut zu lesen, und schreiben kann sie auch. Aber du brauchst das hier nicht aller Welt herum erzählen, dass mir Modesta das gesagt hat. Ich bin jetzt Comandante eines Maschinengewehrs und darf nicht merken lassen, dass ich noch ebenso dumm bin, wie ich vorher war. Überhaupt, das kann ich dir sagen, mit einem solchen Flitzgewehr verstehe ich besser umzugehen als mit einem Bleistift.«
»Das ist jetzt mehr wert, Celso; denn ob es immer so rasch und einfach zugehen wird wie heute Nacht, das glaube ich nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte General, der herankam und Andres beauftragte, eine Liste aller vorhandenen Waffen, aller Munition und allen Proviantes aufzustellen.
»Profesor hat die Befehle, Telegramme und Meldungen alle durchgesehen, die der Oberst der Federales und der Capitan der Rurales bei sich hatten«, setzte General fort. »Es ist möglich, dass ein ganzes Regiment bereits zwischen Balun Canan und Achlumal auf dem Marsch ist, um die Garnisonen im Norddistrikt zu verstärken. Die kommen auf unserm Wege. Und wir gehen ihnen nicht aus dem Wege. Vorwärts wird marschiert!«

 

10

Eine Woche blieb das Heer auf dieser reichen, einst so schönen, königlichen Finca.
Am Tage vor dem Abmarsch teilte Profesor die Gelände der Finca auf unter den Peones, die, gleich ihren Vorfahren, diese große Domäne mit ihrem Schweiß, ihrem Blut und ihren Tränen während dreihundert langer Jahre gedüngt hatten.
Als das Heer auf dem Marsch nach Achlumal war und sich nur gerade fünf Kilometer weit von der Finca entfernt hatte, brannten alle die übrigen Gebäude, die während des Überfalls verschont geblieben waren. Die Peones blieben in ihren Chozas wohnen wie bisher. Sie hatten kein Verlangen, gleich Herren zu leben.

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