VIERTES KAPITEL
1
Der Regen hatte bereits während des kurzen Gefechtes nach und nach aufgehört. Er war gelegen gekommen, als die Muchachos ihn brauchten, und hatte völlig nachgelassen, als sie ihre gefallenen Kameraden begruben. Große Fetzen dunkler Wolken eilten über ihnen hin, um sich zu verkriechen. Und als der große Trupp jetzt über die weite Prärie marschierte, auf die große Finca zu, stand die helle Sonne frohlockend an einem blauen Himmel.
Die Finca war, festungsähnlich, von einer hohen Mauer umgeben. Außen, etwa hundertfünfzig Meter von der Mauer entfernt und, von der Arica aus gesehen, nach Norden gelegen, war das Dorf der Peones.
Der Trupp kam von Osten her auf die Finca zumarschiert. General, Profesor, Coronel, Andres und einige zehn andere Muchachos suchten sich Pferde und saßen auf. Es waren Pferde, die den Rurales abgenommen worden waren. Die große Mehrzahl aller übrigen Pferde, Mules und Esel des Trupps waren wundgescheuert von den Packen und von dem langen Marsch durch die Sümpfe des Dschungels und über die felsigen Höhen abgemagert und völlig ermüdet. Viele waren auf dem Wege zusammengebrochen, mussten abgeladen werden, damit sie überhaupt weitermarschierten. Zahlreiche waren durch Abstürzen von den schmalen Felspfaden verloren gegangen, andere waren in Sümpfen stecken geblieben, wieder andere waren bei Flussübergängen ertrunken, weil sie zu müde gewesen waren, sich durch Schwimmen aus den reißenden Strömungen zu retten.
Die Muchachos, die am weitesten dem Trupp voran waren und die Finca nun gut zu übersehen vermochten, besonders die, die auf Pferden saßen, fanden die Gebäude der Finca merkwürdig ruhig. Keine Seele war sichtbar.
»Der Finquero ist abgerückt mit seiner ganzen Brut«, sagte General. »Die gottverfluchten Soldknechte, die uns entwischten, haben ihm sicher die Nachricht überbracht, was von der stolzen Reiterschar übrig geblieben ist, und dass heute nichts aus ihrer großen Fiesta wird, wo sie im Glanz ihrer Uniformen sich zu sonnen gedachten wie aufgeputzte Affen auf der Drehorgel. Aber ich sage, es ist ganz gut, dass die Gesellschaft der Finqueros nun endlich einmal weiß, dass wir Ernst machen und dass wir zuzupacken verstehen und uns einen stinkenden Schittdreck draus machen, ob wir verrecken oder ob wir leben bleiben.«
»Gut geschrieen, General«, sagte Profesor. »Das ist es, was dieses eiterbeulige Hundegezücht endlich erfahren soll. Sie sollen wissen, dass sie auf alle Fälle verlieren, ganz gleich, ob wir gewinnen oder ob wir wie Hunde erschlagen werden. Wenn wir nicht gewinnen, haben sie keine Peones und keine Sklaven mehr, die sie knechten, prügeln und herumflitzen können.«
Einer der Muchachos, der das Signalhorn der Rurales erobert hatte, von General zum Signalhornisten des Trupps ernannt worden war und nun an der Seite Generals ritt, sagte: »Gut für uns, wenn die Finca verlassen ist. Dann gehört sie uns für die Nacht, und morgen können wir recht gut einen Ruhetag gebrauchen.«
»Wir werden zwei Ruhetage dort machen«, erwiderte General. »Aber dann kommen Federales an«, sagte ein anderer der Burschen.
»Hoffentlich.« General hielt das für ganz natürlich. »Ob wir das Bataillon, das uns jetzt entgegengeschickt wird, hier in der Finca antreffen oder auf dem Wege nach Hucutsin oder Achlumal oder sonst irgendwo, ehe wir bis Jovel oder Balun
Canan kommen, ist ganz gleichgültig. Je früher wir sie treffen, desto mehr Waffen bekommen wir, und desto eher bekommen wir sie. Solange der Diktator auf seinem Sessel hocken bleibt und hofft, er kann die Revolution mit Maschinengewehren ersticken, so lange werden uns Federales entgegengeschickt. Ob hier oder sonst wo, ist unwichtig.«
»Ay, caramba!« unterbrach er sich plötzlich. »Caray, que chinguen a todas las madres, cabrones y mulas, ja zur Hölle, was geht denn da vor sich?« Er richtete sich hoch im Sattel, dann rief er allen den Muchachos, die auf Pferden saßen, zu: »Los, vorwärts, auf die Peones los!«
Eine große Gruppe von Peones der Finca, Männer, Frauen und Kinder, etwa ein halbes Hundert Leute, waren aus ihren armseligen Lehmhütten und Staketenhöhlen hervorgebrochen, und panikartig versuchten sie, nach Westen zu fliehen, wo der Busch am nächsten war. Ihre Hunde bellten, und mehrere der Peones gaben sich Mühe, ihre Ziegen, Schafe und Schweine mitzutreiben. Als sie bemerkten, dass dieses Vieh sie aufhielt, ließen sie die Tiere im Stich und folgten rennend den vorausfliehenden Familien.
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2
Die berittenen Muchachos brauchten kaum zehn Minuten, da hatten sie alle Familien umzingelt und ihnen den Weg zum Rande des Busches abgeschnitten.
Unter den Familien erhob sich ein wehes Angstgeschrei. Männer, Frauen und Kinder fielen auf ihre Knie, hoben ihre Hände betend hoch und flehten die Muchachos an, ihr armseliges Leben zu schonen, sie seien nur arme, bitterarme indianische Peones, hätten nie jemand etwas zuleide getan und hätten nie ein Wort über die Rebellen der Monterias an den Patron oder an die Rurales verraten.
»Aufgestanden, ihr da, allesamt!« rief General. »Vor niemand wird gekniet. Dass ihr das wisst. Keiner ist mehr oben und keiner mehr unten.«
Nicht dieser Versicherung folgend, so schlicht und verständlich sie auch war, sondern lediglich dem Befehl gehorchend, standen alle Männer und Frauen auf. Demütig hielten die Männer ihre Hüte in den Händen, standen gebückt und richteten ihre Blicke ehrfürchtig auf den Boden, bis es einem der Sieger gefallen sollte, einen der verschüchterten Peones bei Namen anzureden und ihm so die Erlaubnis zu geben, seine Augen zum Herrn zu erheben.
Die Frauen verhüllten ihre Köpfe völlig und blinzelten nur mit einem Auge aus einer Falte ihres billigen und zerschlissenen Rebozos heraus, ohne jedoch zu wagen, das Auge höher zu richten als auf die Hufe der Pferde. Mehrere der Frauen schluchzten und schnäuzten sich in das Kopftuch, während die Kinder wimmernd und heulend sich hinter den Erwachsenen verkrochen. Einige Säuglinge, aufgeschreckt aus ihrem Schlafe, weinten und versuchten, ihre Köpfchen aus dem festgeschnürten Bündelchen auf dem Rücken ihrer Mütter herauszuwinden, weil sie zu ersticken fürchteten. Andere Säuglinge krächzten wohlgemut und schlugen mit ihren kleinen Fäustchen ihrer Mutter auf den Nacken. Die Mutter, um keine unbescheidene Stellung gegenüber den Reitern einzunehmen, versuchte, mit ihrem Kopfe ihr Baby wieder in das Tuch auf dem Rücken zurückzuquetschen, als ob sie hoffte, dadurch das Vorhandensein ihres Kindes abzuleugnen. Die Hunde begannen miteinander zu raufen, und einige besonders tapfere gaben sich Mühe, die Beine der Pferde anzufallen. Sobald die Peones eine solche Frechheit ihrer Hunde bemerkten, versetzten sie ihnen einen heftigen Tritt, der die Hunde einige Meter weit hinwegschleuderte.
Dass die Muchachos auf den Pferden zerlumpter waren, verlauster und verdreckter als die Peones, schienen die verschüchterten Finca-Leute nicht zu bemerken. Ebenso wenig schienen sie zu bemerken, dass die Muchachos, die hier als Sieger angekommen waren, Indianer waren wie sie, dass sie ihresgleichen waren, dass sie ganz offensichtlich arme Landarbeiter waren wie sie, und wie sie alle Patrones als ihre Tyrannen betrachteten.
Aber die Muchachos saßen auf stolzen Pferden, und sie trugen Waffen. Wer auf so stolzen Pferden angeritten kam, Revolver und Karabiner trug und mit Rurales gekämpft und Rurales besiegt hatte, war ein neuer Herr, wahrscheinlich grausamer, unerbittlicher und ungerechter als der frühere. Wie hier auf dieser Finca jetzt, so geschah es später in der ganzen Republik: Die Peones, seit Jahrhunderten an Herren, Tyrannen, Unterdrücker und Diktatoren gewöhnt, wurden in Wahrheit durch die Revolution nicht befreit, selbst dort nicht, wo die Feudalherrschaften unter den Familien der Peones in kleine Gütchen, in ejidos, aufgeteilt wurden. Sie blieben Sklaven, mit dem einzigen Unterschiede, dass die Herren gewechselt hatten, dass gerissene Revolutionsführer nun die Reichen wurden und dass Politiker nun die kleinbegüterten, scheinbar befreiten Peones gebrauchten, sich unermesslich zu bereichern, ihren politischen Einfluss zu stärken, und mit Hilfe der durch Mord und Bestialitäten in Furcht und Schrecken gehaltenen, nun selbständigen Peones jede Ungesetzlichkeit, die nur denkbar ist, begingen, um Diputado oder Gobernador zu werden, mit keiner anderen Absicht, als sich Kisten und Kasten mit Geld voll zu füllen.
Wer den Karabiner und den Revolver hat, ist der Herr dessen, der keinen Revolver hat. Die Muchachos trugen Revolver und wurden darum als die neuen Herren und Patrones angesehen. Dass sie zerlumpte Indianer waren, war lediglich Zufall. Morgen würden sie schon richtig angezogen sein wie Ladinos.
Die Peones hatten der Gründe genug, zu fliehen und in entsetzlicher Furcht zu sein, als sie die Rebellen ankommen sahen. Sie kannten ihr Land, ihr schönes bedauernswertes und beklagenswertes Land.
Sie waren in diesem Lande geboren und groß geworden. Der Revolver wird nicht zur Zierde getragen.
Er wird getragen, um abgeschossen zu werden, sobald sich eine Gelegenheit bietet; und, wie bei Kriegen, wenn sich keine Gelegenheit von selbst bietet, so wird sie geschaffen. Hier war ein Kampf gewesen zwischen Rurales und Rebellen. Die Sieger waren nun die Rebellen; aber sie hatten im Kampfe eine Anzahl Gefallene gehabt. Die Gefallenen mussten gerächt werden; und die Rache wurde vollzogen an denen, die sich nicht wehren konnten. Ob sie etwas mit jenem Kampf in irgendeiner Weise zu schaffen gehabt hatten, wurde nicht untersucht. Diktatur unterscheidet sich von anderen Regierungsformen hauptsächlich durch Unduldsamkeit gegen andere Menschen und durch ein unerbittliches Ausüben von Rache an den Gedemütigten und Geschwächten. Die Peones gehörten zur Finca, wo die Rurales auf Lauer gelegen hatten, wo sie verpflegt worden waren und von deren Herrn sie jede nur denkbare Unterstützung erhalten hatten. Der Finquero sowie dessen Familie und Hausgesinde waren geflohen. An ihnen konnte keine Rache verübt werden.
Aber die Peones, die nicht geflohen waren, weil sie die Flucht ihres Herrn zu spät bemerkt oder nicht als Flucht betrachtet hatten, waren hier, und an ihnen konnten sich die Sieger ebenso gut rächen und vergnügen wie an den Schuldigen. Der Gefangene ist immer schuldig; denn da er gefangen ist, darum ist er in seiner Verteidigung beschränkt.
Die Peones wussten aus den mehr als dreißig Jahren der Diktatur, dass sie immer die Verlierer, immer die Bestraften, immer die Gepeitschten und immer die Gehenkten waren. Die Rebellen fielen im Kampf. Die überlebenden Proleten, die nicht einmal gewagt hatten, auch nur einen Finger für jene Rebellion zu rühren, waren immer die, die eine jede Rebellion bezahlten, mit ihren paar ersparten und vergrabenen Pesos, mit ihrer Haut und mit ihrem Leben.
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»Warum rennt ihr denn fort, Hombres?« fragte Profesor. Er stieg ab vom Pferde und kam auf die am nächsten stehenden Männer zu. Er klopfte ihnen auf die Schultern und auf die Rücken, um ihnen zu zeigen, dass er sie als Freunde ansehe.
Nicht aus ihrem Herzensgefühl heraus, denn ihr Misstrauen gaben Peones nie auf, sondern lediglich aus Höflichkeit und um die Sieger nicht zu erzürnen, sahen sie nun auf und strengten sich an, so zu tun, als ob sie die Echtheit der angebotenen Freundschaft erkannten. Einige der Frauen kamen herbei und küssten Profesor die Hand. Andere Männer, und die Mehrzahl der Frauen, liefen auf die übrigen Muchachos, die von den Pferden nach und nach absaßen, zu, verbeugten sich tief vor ihnen und küssten auch ihnen die Hände. Profesor fragte wieder: »Warum lauft ihr denn fort? Wir beißen armen indianischen Peones nicht die Köpfe ab.«
Die Männer versuchten auf ihre Lippen ein Stückchen traurigen Lächelns zu kleben. Es gelang nicht ganz.
»Sag schon, warum.« Profesor legte einem der Männer seine Hand auf die Schulter. »Der Patron hat euch gesagt, dass wir Banditen seien. Hat er das nicht gesagt, der dreckige Hurensohn?« Ängstlich schüttelten die Leute ihre Köpfe. Es war genau das, was der Finquero den Peones, die im Augenblick der Flucht im Patio arbeiteten, gesagt hatte. Aber selbst nicht durch Folterwürden die Peones das eingestanden haben; denn hätten sie das wiederholt, was ihnen der Patron gesagt hatte, so würden die Rebellen das so auffassen, als ob sie das selbst so meinten. Bei Vernehmungen vor dem Finquero und vor der Polizei war es immer ebenso. Gab einer an, was er gehört hatte, so wurde sofort gesagt, dass er selbst es behauptet hätte. Diktatur lehrt einen, nichts zu sehen, nichts zu hören, nichts zu wissen, nichts zu meinen und das Maul nur aufzumachen, um Viva! zu schreien.
»Vor uns braucht ihr doch nicht fortzurennen, Amigos«, sagte Andres nun. »Wir sind eure Freunde.«
»Con su permiso, Jefe«, erwiderte ein Mann, »wir rannten nicht fort. Wir wissen recht gut, dass ihr unsere Freunde seid. Wir wollten nur alle dort zum Busch gehen.«
»Wozu nehmt ihr denn da eure Töpfe mit und eure Ziegen und Schweine?« fragte Coronel.
»Wir wollten dort ein ganz, ganz kleines Fest feiern für heute Abend. Ein ganz winzig kleines Festchen, für einen Santo, einen Santito, einen Heiligen der Inditos, und das sollte der Patron nicht wissen, dass wir noch immer, wenn auch nur gelegentlich, unsere eigenen Santitos anbeten.«
Andres ging auf Celso zu. »Die sind nicht ganz so dumm«, sagte er lachend. »Auf eine so gute Ausrede wäre ich auf unserer Finca nie gekommen. Wenn sie ihre alten eigenen Santitos feiern, können sie das nicht in der Nähe der Finca tun, wo es der Patron sehen kann und einen großen Lärm schlägt, dass sie gottvergessene Heiden seien. Darum gehen sie in den Busch. Und sie tun es natürlich nur, wenn der Patron nicht zu Hause ist, sondern mit seiner ganzen Familie zur Stadt oder auf Besuch zu einer anderen Finca gegangen ist.«
»Donde esta tu patron? Wo ist dein Herr?« fragte Profesor einen Mann.
»Ay, Patroncito, vergeben Sie mir. Ich weiß es nicht. Er hat es uns nicht gesagt. Ich glaube, er ist mit der ganzen Familie zu einer Hochzeit geritten. Er sagte etwas davon vorige Woche.“
»Wo ist denn die Hochzeit?«
»Ich weiß das nicht so ganz genau. Aber ich glaube, sie ist in Tumbala.« Das waren etwa sechs Tagereisen.
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Nun war der Vortrupp dicht herangekommen. General rief ihnen zu, dass sie alle in den Patio, den großen Hof der Finca, marschieren sollten. Die Gebäude waren groß genug, dass alle Muchachos, seit beinahe sechs Wochen für das erste Mal, unter einem Dach schlafen konnten, geschützt gegen Regen, Gewitter und Stürme und gegen herumschleichende Tiger und kriechende Schlangen.
»Ihr alle«, wandte sich Profesor an die Peones, »ihr kommt jetzt mit uns in den Patio.«
Die Frauen der Peones begannen darauf zu heulen und zu schreien, warfen sich auf die Knie nieder und flehten um Gnade. Sie waren gewiss, dass sie alle nur darum in den Patio befohlen wurden, um zuzusehen, wie ihre Männer ermordet werden sollten. Die Männer selbst gaben kein Zeichen von Furcht.
Sie marschierten, wie angeordnet, voraus in den Patio. Was nützte es zu winseln. Sie marschierten los wie gehorsame Soldaten, die genau wissen, dass, wenn sie geschickt werden, um ermordet zu werden, sie nichts daran ändern können, ob sie nun winseln und heulen, oder ob sie untertänigst bitten. Das einzige, was ihnen helfen würde, sich einfach zu widersetzen, nicht zu gehorchen und ihre Waffen in die Hand zu nehmen und diejenigen, die ihnen befehlen, zu füsilieren, das tun sie nicht, eben darum nicht, weil sie ja gehorsame Soldaten sind und ihnen Hirn und Widerstandsgeist in der ersten Woche ihres Soldatendaseins ausgedroschen wurde. Außerdem haben sie ja auch Ehre; und dieser Ehre wegen müssen sie sich alles gefallen lassen. Denn nur der Ehrlose rebelliert, und nur der Gottvergessene wird auf die Landesflagge schielen, mit den Schultern zucken und sagen: »Ob rot, weiß, schwarz oder grün, überall auf Erden Blumen blühen.« Die Peones wussten freilich nichts von Soldatenehre; aber einmal den Befehl erhalten, marschierten sie genau so willig wie auch andere Hammel.
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In wenigen Minuten brannten im Patio die Lagerfeuer. Wie Ameisen krabbelten die Muchachos in allen Räumen der Gebäude umher. Alles, was gefunden wurde und brauchbar war, wurde beschlagnahmt.
Decken, Sättel, Kleider, Schuhe, Anzüge, Kisten und Koffer. Eine Schreibmaschine flog in weitem Bogen auf den Patio und fiel in Stücken auseinander. Drei Nähmaschinen sausten hinterher.
Was aus Holz war, wurde abgehackt. Gleichzeitig kamen alle Tische, Stühle, Bettgestelle, Schränke an die Reihe. Holz für die Lagerfeuer war den Muchachos wichtiger als ein Klavier, das stückweise in die Feuer geschleudert wurde. Dann kamen die Türen an die Reihe. Die Muchachos waren seit Jahren daran gewöhnt worden, keine Tische und Stühle zu haben, keine Türen in ihren elenden Schlafhütten.
Und nie hatten sie gelernt, dass ein Klavier gelegentlich auch mehr bedeuten kann als nur einen Kasten mit Drähten. Warum sollten sie Gegenstände respektieren, die nie für sie gemeint gewesen waren, die für sie keine andere Bedeutung hatten, als nur das Eigentum ihrer Herren zu sein, das nicht angetastet werden durfte, nicht weil es nützlich sein konnte, sondern darum nicht angetastet werden durfte, weil es Eigentum derer war, die gelernt hatten und die gelehrt worden waren, diese Gegenstände zu genießen.
»Wer ist denn das da auf dem Bild? Der mit den Orden und Kreuzen auf der Brust?« fragte einer der Muchachos, auf ein großes Bild an der Wand deutend.
»Das ist der gottverfluchte Hund von einem Cacique, der Diktator, das edle Oberhaupt des Landes«, rief Coronel und flitschte einen tief heraufgeholten Rotzer von Spucke mitten auf das Gesicht. Die Spucke lief über die schön gemalten Kreuze und Sterne auf der Brust. Ehe sie aber den breiten Ledergürtel der Uniform erreichte und den schönen goldenen Adler bedreckte und beschmutzte, sprang einer der Muchachos hoch, riss das Bild von der Wand, trat mit den Füßen darauf und sagte: »Ich müsste einen Haufen setzen, mitten auf die Nase und gut gezielt. Aber so unanständig bin ich nicht, dass ich es hier in der guten Stube mache, wo wir heute einmal gut schlafen wollen. Ich hänge mir das besser gegen den Hintern, laufe damit herum und schieße solange fette Furze dagegen, bis es geplatzt ist.« Er riss es aus dem Rahmen, steckte die Leinwand oben am Rand hinten in seinen Gurt und ließ den Rest wie eine Schürze über seinen Hintern herunterbaumeln.
Es waren da in den Räumen eine Menge Bilder und Gemälde, schön gepinselte Angesichter des Patrons, seiner Frau, seines Vaters und wer weiß sonst noch alles. Da waren Bilder mit Episoden aus Opern und aus griechischen Tragödien. Es blieb auch nicht ein Bild heil. Alle flogen sie in die Feuer.
Die Räume bekamen bald ein trostloses Ansehen; aber je leerer sie wurden, um so mehr fühlten sich die Muchachos wie zu Hause. Auch nicht einer von ihnen, auch Andres nicht oder Celso, nur Profesor ausgenommen, hatten je Möbel gesehen in einem Hause, in dem sie oder ihre Eltern wohnten. Und wenn sie überhaupt Bilder kannten, so waren es die übrig gebliebenen vergilbten und entfärbten Bilder alter abgelaufener ReklameÂkalender der Zigarettenfabriken und der Bierbrauereien, und hier und da vielleicht ein Heiligenbild, auf dem nicht ein Körperteil anatomisch richtig wiedergegeben war. In Ecken und Winkeln und über Ziegelfußböden aller Räume ausgebreitet lagen die Matten, Bündel und Packen der Muchachos. Nur zwei Räume der ganzen Finca hatten Holzdielen. Es waren gewiss die Schlafräume der Herrschaft oder die Prunkräume für Gäste. In diesen Räumen lagerten die Frauen und Kinder des Trupps.
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In dem weiten Patio ging es laut, lebhaft und lustig zu. Die toten Freunde und Kameraden waren nun völlig vergessen. An Wichtigeres war zu denken. Die Rebellen wollten leben und mussten leben. Wer leben will und leben muss, kann sich nicht um die Toten bekümmern. Jedes Reich kümmere sich um sich selbst.
Die Muchachos schwelgten in gutem Trinkwasser. An zwanzig Stellen wurde gebadet und wurden Kleidungsstücke gewaschen. Prasselnd, knisternd und jauchzend brannten die zehn oder zwölf Lagerfeuer im Patio. Solange die Muchachos zurückdenken konnten, hatten sie keine so schönen Feuer für sich gehabt wie jetzt. Immer war es grünes und feuchtes Holz, das sie brennen mussten und dessen Rauch ihnen die Augen zerbiss. Aber die schönen Möbel und Bilder und die dicken vergoldeten Rahmen großer Spiegel waren trocken wie alte Knochen und gaben ein Feuer, das zuweilen nach Lack und Farbe stank, aber das fröhlich war und offen und nicht traurig von dickem, erblindendem, beißendem Rauch. Es wurde gejohlt, getanzt, gesungen, musiziert auf Mundharmonikas und Gitarren, gepfiffen, geschäkert und umhergetollt. Es war nicht, als ob hier erwachsene Männer, nun gar Krieger und Rebellen, versammelt waren, sondern als ob eine fröhliche und übermütige Schar halbwüchsiger Burschen und Mädchen sich auf einer kurzen Ferienreise befände.
Die Peones, mit ihren Frauen und Kindern, standen in der Mitte des Patio, furchtsam aneinandergedrängt wie verschüchtertes Wild. Sie befanden sich nahe dem Steinaltar, auf dem nachts stets ein mächtiges Feuer brannte, das bis gegen Mitternacht erhalten wurde, um den Patio und die weiten zahlreichen Gebäude der Finca weniger düster und trübe erscheinen zu lassen. Elektrisches Licht gibt es selbst auf den größten und reichsten Fincas jener fernen Regionen nicht. Eine
Gasolinlaterne ist bereits ein unerhörter Luxus, den zu sehen die Finqueros und deren Familien von den benachbarten Gütern willig zwei oder drei schwierige Tagereisen unternehmen. Die Herrschaft gebraucht nur Kerzen, meist selbstgefertigt, auf der Finca. Sogar Petroleumlampen der schlichtesten Art sind nur selten auf den Fincas zu finden; und wer eine besitzt, gilt als sehr modern. Die Peones haben kein anderes Licht in ihren Hütten als das, das ihnen das Herdfeuer auf dem Boden gibt, oder das Feuer, das auf einem niedrigen Herd aus Lehm entzündet ist. Brennt kein Herdfeuer, so dienen als Beleuchtung für die Hütte Kienspäne. Kerzen brennen die Peones in ihren Hütten nur bei einer Leichenwache oder zu Ehren eines Heiligen. Alles so heute, wie vor Jahren. Alles so bei der Herrschaft, wie bei den Peones, bis auf den heutigen Tag. Es war zu früh, als dass ein Holzstoß auf dem Steinaltar angezündet wurde. Denn es fehlten noch drei Stunden bis Sonnenuntergang.
Für eine gute Weile waren die hierher beorderten Peones der Finca sich selbst überlassen geblieben.
Keiner wagte fortzurennen, obgleich es ihnen, mit den Gebäuden gut vertraut, leicht geglückt wäre; denn die Wachen an den beiden Toren waren so lässig, wie Wachen eben nur bei Rebellenscharen und bei Revolutionsarmeen sein können.
Jetzt aber kam Profesor auf die Peones zu, gefolgt von General, Celso, Andres, Santiago und etwa zwanzig anderen Muchachos, die mehr Interesse an der Rebellion nahmen als die Hunderte der Burschen, die zufrieden waren, wenn sie kämpfen durften, aber sonst keine Verantwortung hatten und nicht verpflichtet waren, ihre Köpfe zu gebrauchen, um sich mit den Ideen zu befassen, von denen Profesor so viel redete. Sie waren immer bereit, ihren Körper zerfleischen zu lassen und ihr Leben zu opfern im Kampf mit Rurales und Federales; im übrigen wollten sie in Frieden gelassen werden und nur noch an der Verteilung der Früchte einer erfolgreichen Revolution teilnehmen. Ihre Idee der Rebellion beschränkte sich auf die einfachen Gedanken >Nieder mit der Diktatur!< >Nieder mit den Tyrannen und Unterdrückern!< Denn solange die Diktatur nicht niedergeworfen war, konnte es keine Tierra y Libertad geben. Das war allen klar. Alles, was sonst von den intelligenteren Burschen geredet wurde, über Menschenrechte, über Profit, über Kapital, über Demokratie oder gar über Sozialismus und Kooperation, machte sie schläfrig und dumm im Kopf. Es gehen darum so viele Rebellionen und Aufstände von Proleten fehl, weil die Arbeiter mit Ideen und Problemen vollgefüttert werden, die zu besprechen mehr als reichlich Zeit ist, wenn die Rebellen fünf Jahre lang unbestrittene Sieger sind. Profesor sprang auf den Steinaltar. Dann rief er die Peones dichter zu sich heran. Als er zu reden begann, kamen mehr und mehr der Muchachos, die im Patio waren, näher, um zuzuhören. Aber sie drängten sich nicht vor, als sie gewahr wurden, dass Profesor sich nur an die Peones der Finca wandte.
»Kommt nur ruhig hier heran, Hermanitos!« sagte er zu den Peones. Er sagte es mit Lachen. Und die Leute gewannen ein wenig Zutrauen und kamen dicht heran.
»Wie groß ist denn die Finca hier?« fragte er. »Vielleicht tausend Caballerias«, rief einer.
»Du bist wohl nicht klug«, unterbrach ihn sein Nachbar, »die ist wenigstens dreimal größer.«
»Sicher«, schrie einer mutig von der hintersten Reihe aus, »aber ganz sicher, die ist zehnmal größer.«
Einer der älteren Peones begann dann bedächtig die Grenzen der Finca zu bezeichnen. Profesor und General konnten von der Höhe des Steinhaufens aus die Grenzen gut abschätzen, um so leichter, als die Gebäude auf einem Hügel errichtet waren, der etwa in der Mitte des großen Feudalgutes gelegen war.
»Das werden dann so ungefähr zwanzig- bis fünfzigtausend Hektar sein«, sagte Profesor zu General.
»Scheint so.«
»Wie viel Familien seid Ihr denn hier?« fragte nun Profesor.
»Neunzig wohl so ungefähr«, erwiderte der, den Profesor angesehen hatte.
»Sind keine neunzig, sind mehr als hundert«, mischte sich ein anderer ein.
» Ihr seid beide Burros, Burros seid ihr«, rief ein dritter. »Wie sind wir denn hier neunzig Familien?
Wenn du den Mayordomo mit einrechnest und den Carpintero, den Zimmermann, und den Seiler, nicht einmal dann sind wir neunzig. Aber die sind keine Peones wie wir. Die sind alle mitgelaufen mit dem Patron. Uns hat er unserm Leid überlassen. Dann habt ihr auch vergessen, dass fünf Familien von dem Patron seinem Schwiegersohn geschenkt wurden, und vier Familien hat er Don Claudio verkauft für zwei der besten Pferde, die ihm Don Claudio dafür gegeben hat.«
»Wer ist denn Don Claudio?« fragte Profesor.
»Don Claudio ist der Patron der Finca Las Delicias, die ist etwa zwanzig Leguas weit von hier.«
»Dann seid ihr alle zusammengezählt etwa neunzig Familien, die ihr hier für den Patron arbeitet?« sagte Profesor.
»Das kann stimmen. Eine gute Anzahl von Familien sind weiter draußen, um die Herden zu bewachen.
Die haben da ihre kleine Aldea, ganz für sich, mit einem Capataz. Da kommen wir selten hin. Wie können wir wissen, wie viele die da sind, und eine andere Wache ist auch noch am Rio unten, am Fluss.«
»Gut, lassen wir es bei neunzig Familien.« Profesor sah, dass er nicht zum Ziele gelangen würde, wollte er lange über die Zahl der Hektare und der Peonfamilien herumstreiten.
Er nahm einen anderen Ton an. »Wisst ihr, was wir sind und warum wir hier hergekommen sind? Euer Patron hat euch belogen. Wir sind keine Banditen. Wir sind eure Amigos, eure
Freunde. Von jetzt an gibt es keine Peones mehr. Ihr seid jetzt Campesinos independientes, freie und unabhängige Bauern, versteht ihr? Es ist wahr, wir sind hergekommen, um euren Patron totzuschlagen, wenn er euch nicht alles Land ohne Geld gibt, das ihr bis jetzt bebaut habt. Wer den Acker bebaut und für seine Arbeit nicht ehrlich und menschlich bezahlt wird, der soll des Ackers Früchte genießen. Versteht ihr das?«
Die Peones vermochten nicht so schnell in ihrem Kopf zu arbeiten, um diese neue Ordnung zu begreifen.
Aber sie sagten alle: »Si, mi Jefe!«
»Ich bin euer Jefe nicht. Ich bin euer Amigo, euer Freund und Camarada. Wir alle sind Camaradas. Es gibt jetzt keine Amos mehr, keine Patrones, keine Mayordomos, keine Capataces. Ihr seid jetzt die Herren dieser Finca. Gleich morgen früh geht ihr raus aufs Land und teilt es unter allen Familien auf, jede Familie erhält zwanzig Hektar. Du scheinst der Tate hier zu sein«, wandte sich Profesor an einen der älteren Peones.
»No, mi Jefe, perdone me, mi Jefe, ich wollte sagen, mi amigo, und ich wollte sagen, dass ich nicht El Tate hier bin, El Tate ist Braulio. Er ist der Älteste, und er ist der Compadre beinahe aller Familien hier.«
»Gut, Braulio, komme hierher!«
Seinem Aussehen nach zu urteilen, schien Braulio nicht der Älteste der Peones zu sein. Aber alle Peones erklärten ihn als den Ältesten und mochten gewiss ihre guten Gründe haben, warum sie ihn als ihren Tate anerkannten. Die Ursachen mochten fünfhundert Jahre zurückliegen. Profesor grübelte nicht darüber nach.
Braulio war dicht herangekommen. Alle Peones drängten nun ganz nahe, um kein Wort Profesors zu verlieren. Offenbar hatten sie alle Furcht verloren. Ihre Frauen, wenig interessiert an dem, was hier ihre Männer mit den Rebellen verhandelten, begannen, sich den Frauen der Rebellen zu nähern und sich mit ihnen zu unterhalten. Die Kinder waren schon vorher fortgesprungen und hatten Freundschaft geschlossen mit Jungen, die im Rebellentrupp waren. Sie hatten es eilig, diese Freundschaft zu festigen, und sie taten es dadurch, dass sie die Jungen in alle möglichen verborgenen Winkel des Patio führten und ihnen hier Geheimnisse zeigten solcher Art, die für alle Jungen, gleich welcher Rasse, unerhörte und grausige Ereignisse waren.
Da gab es Löcher, deren Tiefe niemand abschätzen konnte, von denen aber die eingesessenen Jungen behaupteten, dass sie Luftlöcher eines unterirdischen Ganges seien, der aus einem Gewölbe der Finca bis nach Hucutsin führte und dort in einer Gruft der Kathedrale wieder herauskäme. Da gab es Kröten, groß wie ein Jungenkopf, von denen die Jungen der Finca sagten, dass diese keine wirklichen Kröten seien, sondern alte Frauen längst verstorbener Peones, und eine sei die Großmutter des verstorbenen Finqueros, die der Brujo, der Zauberer der Indianer, alle in Kröten verzaubert habe, die in der Nacht des San Juan für drei Stunden wieder Frauen werden. Vier Jungen hatten die Frauen in der letzten San-Juan-Nacht aus diesen alten Steinhaufen herauskriechen sehen und dann beobachtet, wie die Frauen zum Fluss gegangen seien, aber was sie da gemacht hätten, das wisse er nicht, weil er zu große Furcht gehabt habe, hinterherzulaufen.
So war die Freundschaft der Jungen besiegelt, und die Frauen der Rebellen lamentierten mit den Frauen der Peones herum, was sie für Sorgen mit den Kindern hätten, und dass sich immer und ewig die Mütter der Männer in Sachen mischen müssen, die sie gar nichts angehen, und nichts weiter zurücklassen als Ärger und Unfrieden.
Inzwischen hatten auch hier vor dem Steinaltar die Peones angefangen, sich mit den nahe stehenden Muchachos aus den Monterias zu unterhalten, Tabak auszutauschen und sie einzuladen, am Abend in ihre Hütten zu kommen, wo eine halbe Flasche gut eingegraben sei, damit sie von der Alten nicht gefunden werden sollte.
Darum war, lange ehe Profesor mit der Verteilung der Finca den Glanzpunkt der Feier erreicht hatte, unter den Peones auch das letzte Fünkchen von Furcht und Misstrauen verschwunden. Die Rebellen waren durchaus gesellige und anständige Muchachos, so behaupteten die Peones untereinander; während die Burschen der Monterias wieder behaupteten, dass die Peones keineswegs solche dummen Mulas seien, wie man bisher geglaubt hätte. Sie konnten ihr Maul recht gut aufmachen und ganz vernünftig reden, während man seit Ewigkeiten sich eingebildet habe, sie wären nur Idioten, und weil sie Idioten seien, darum seien sie Peones und dümmer als ihre Ziegen.
Nun kam Braulio zum Reden. Er kletterte nicht auf den Steinaltar hinauf, sondern redete von da aus, wo er stand, dicht zu den Füßen Profesors, der hoch stand und zu dem er steil hinaufsehen musste, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Das ist eine vortreffliche Sache, Amigo, dass du uns nun die Finca geschenkt hast.«
»Ja, die ist euer Eigentum, von jetzt an bis in alle Ewigkeit. Ihr bebaut sie, und alles was sie trägt, gehört euch«, bestätigte Profesor.
»Auch das Vieh?« rief einer der Peones. »Auch das Vieh und alle Gebäude hier.«
Braulio kratzte mit beiden Händen in seinem dicken schwarzen Haarwuschel, der ein paar graue Strähnen zeigte, herum. Es war die unschlüssige Geste eines kleinen Bauern, der notwendig junge Schweinchen kaufen muss, aber den Preis zu hoch findet und sonst keine anderen Schweinchen für geringeren Preis auf dem Markte finden kann.
»Das ist recht gut, dass wir nun die Finca haben, Amigo. Aber was tun wir, wenn der Patron zurückkommt?«
»Dass der nicht zurückkommt, dafür werden wir schon sorgen.«
»Und wenn euch die Federales abfangen, was dann?«
»Die fangen uns nicht. Nur keine Sorge.«
»Ihr bleibt nicht hier auf unserer Finca?«
»Natürlich nicht. Wir marschieren weiter, um auch anderen Peones Land zu geben.«
»Wer beschützt uns dann gegen den Patron, wenn ihr fortmarschiert seid?«
»Ihr müsst euch dann eben allein beschützen. Ihr seid jetzt die Patrones, und alles gehört euch.«
»Aber wenn der Patron wiederkommt und auch noch Rurales mitbringt, was tun wir dann?«
»Was wir mit den Rurales tun? Sie erschlagen wie kranke Hunde.«
»Bueno. Muy bueno, Camarada«, sagte Braulio. »Gut, sehr sehr gut.« Nachdenklich wandte er sich zurück und verschwand unter den Peones.
»Tierra y Libertad!« rief Profesor von dem Steinaltar aus.
»Tierra y Libertad!« antworteten ihm die Muchachos. Es fielen diesmal auch einige Peones mit in den Ruf ein.
»Viva la revolucion!« rief General.
»Viva la revolucion de los Indios y de los Peones!« schallte es aus dem Patio.
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Am zweiten Tage darauf, als noch die dicken Nebel schwer auf der Prärie lasteten und der Morgen ärgerlich und verschlafen heraufzukriechen begann, hatte der Trupp die Finca bereits verlassen. Und es war gegen acht Uhr, dass General auf einem Hügel halt machte und sich umwandte, zu sehen, wie der Trupp aufkäme. Hundert Meter weiter voran auf ihrem Wege war ein Flussübergang. Am gegenüberliegenden anderen Ufer lagen zwei Cayucos im Sande. Sie gehörten der Finca. Der Fluss war tief, und seine Wasser waren heftig und eilig, getrieben von dem Regen, der den Fluss im oberen Lauf füllte.
Einige Muchachos schwammen durch den reißenden Strom, um die Kanus herüberzubringen. Es waren dieselben Kanus, die der Finquero und seine Familie zur Flucht benutzt hatten.
Während General noch Aussicht hielt, sagte er plötzlich zu Profesor: »Da hinten geht es lustig zu.«
Profesor nahm sein Fernglas hoch. »Hast recht, General, das geht da lustig zu. Der ganze Schitt ist am Brennen. Bleibt auch nicht ein einziges Gebäude stehen. Dios mio, das nenne ich ein Freudenfeuer. jetzt brennt auch schon die Kapelle. Die Diktatur nimmt Abschied; das Land fängt an, sich mit Ruinen anzufüllen. Mit Scheiterhaufen hat sie begonnen, mit Scheiterhaufen und Ruinen endet sie. Ein ganz natürlicher Kreislauf.«
General sah zu dem breiten Fluss hinunter. »Ein ganz natürlicher Kreislauf. Und gottverflucht noch mal, wie wir hier unsere Armee rüberbringen werden, das möchte ich auch gerne wissen. Es wird uns wohl zwei, vielleicht gar drei gottverdammt heiße Tage kosten. Aber rüber müssen wir!« |
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