DIE ARBEITSLOSEN
Der dürre Henner saß in seiner Küche. Er fror. Er saß schon die ganze Nacht so, grübelte und dachte. Es kam aber kein vernünftiger Gedanke in sein Hirn.
Was sollte er auch denken. Er war seit sieben Wochen arbeitslos. Seine Kinder hungerten. Seine Frau hungerte. Und er hungerte auch.
Gegen fünf schlich er leise hinaus. Schleppte seinen hungrigen Magen durch die dunklen Straßen und war gegen sechs an seiner Zeche.
Es standen schon viele da. Schachthauer, Hauer und Schlepper. Sie drängten sich an der Schreibstube herum und warteten auf den Betriebsführer.
Als er kam, wurden sie fortgejagt. "Es gibt keine Arbeit!" schrie er ihnen nach. "Heute nicht. Morgen nicht. Vielleicht in drei bis vier Wochen!"
Der dürre Henner lief im Galopp wieder zur Zeche hinaus. Bog rechts in einen Feldweg ein, und kam kurz vor dem Einfahrtszeichen noch bis zur Nachbarzeche hinüber.
Er ging aber nicht erst hinein. Hunderte von Arbeitslosen kamen gerade heraus. Zerstreuten sich über die Wege. Einige schimpfend. Andere knurrend. Die meisten mit hängenden Köpfen.
Von hier aus wusste er nicht gleich, wo er hingehen sollte. Er kletterte langsam über einen kleinen Hand. Kam, nachdem er eine tiefe Talsohle entlang gegangen war, zu einer Sandgrube und fragte dort nach Arbeit.
Der Vorarbeiter lachte ihn aus. "Wir schaufeln selber den letzten Tag", sagte er. "Das Arbeiten lohnt sich nicht mehr. Morgen macht man das Sandloch zu."
Er sah den hackenden, karrenden Leuten eine Weile zu. Empfand die Wärme, die von ihrer Arbeit ausging und schlich betrübt weiter.
Er hatte nun kein eigentliches Ziel mehr. Trottete noch auf den Bahnhof, ob er nicht irgendwo helfen könnte. Lief zu den
Kartoffelgeschäften, wo er manchmal mit einschaufeln durfte. Es gab aber heute nirgends Arbeit.
Gegen 11 Uhr ging er langsam nach Hause.
Seine Frau, die jetzt mit den Kindern in der Küche saß, sah ihn groß an. Als er sich still auf eine Bank setzte, fing sie an zu heulen.
Die Kinder heulten mit. Der Kleinste saß auf dem Boden und schlug dazu mit den Händen. Das Mädchen stand daneben und hielt ihre durchsichtigen Finger vor das Gesicht. Der Junge lehnte am Fenster.
Sie heulten alle vor Hunger. Die Frau, weil sie den Kindern nichts geben konnte. Die Kinder, weil sie seit drei Tagen nichts in ihren Magen hatten.
Der dürre Henner hätte am liebsten mit geheult. Er wusste nur, es half nichts. Außerdem verging der Hunger nicht davon.
"Gibt es auch heute kein Geld?" fragte die Frau plötzlich.
"Vielleicht", antwortete er. "Ich gehe am Nachmittag am Rathaus vorbei."
Gegen 12 Uhr stand er auf und sah noch einmal im Zimmer herum. "Was suchst du?" fragte die Frau wieder. "Nichts", knurrte er brummig.
"Es ist auch nichts mehr da, was sie nehmen", sagte sie weinerlich. "Behaltet nur eure alten Klamotten, hat gestern die Germansche gesagt, bei mir stehen sie doch nur herum. Wer soll sie auch kaufen."
"Und die anderen?" fragte der Mann weiter.
"Der Junge war dort. Sie haben ihn überall wieder fortgeschickt. Wir haben schon die Möbel der ganzen Vorstadt und ersticken noch daran", sagen sie alle.
Er ging brummend aus dem Zimmer. Unten traf er den buckligen Fabian von nebenan.
"Heulen sie bei dir auch?" klagte der Bucklige.
"Ja", antwortete der dürre Henner, "seit dem frühsten Morgen."
"Das hält kein Mensch mehr aus", schrie der Bucklige heraus.
Der Henner kniff aber nur den Mund zusammen. "Was willst du tun?" fragte er. "Mit heulen?"
Sie drängten ihre Körper zusammen und schoben die Straße hinauf. Der Bucklige war immer einen Schritt voraus.
"Wir wollen einmal zum Markt, Henner", sagte er.
Am Markt standen noch mehr. Sie stauten sich alle an dem Tor, wo sonst der Eingang zur Unterstützungskasse war.
"Gibt es Geld?" fragte der Dicke und drängte sich vor. Es wusste aber keiner.
"Wir warten nur", zischte ein kleines Männchen und hob sein gelbes Gesicht.
Die beiden warteten mit. Nach einer Weile wurde die Menge unruhig, schob sich dichter zusammen und schrie auf.
"Öffnen!" rief ein schwarzbärtiger Mann und schlug gegen die Tür.
"Geld!" riefen die Hintersten noch lauter.
Es ließ sich aber niemand sehen. Als man stärker klopfte, kamen von allen Seiten Schutzleute.
"Packt euch!" brüllte einer und drängte gegen die Menschen.
Die Ersten gaben nach. Langsam ließen sich auch die Hintersten auseinandertreiben.
"Wir sind zu wenig", rief der Schwarzbärtige. "Kommt am Nachmittag wieder."
"Am Nachmittag!" echoten die anderen zurück. "Am Nachmittag!" Dann wurden sie in die Straßen getrieben.
Auch die Beiden setzten sich in Trab. Sie waren noch schweigsamer als vorher. Sie torkelten vom Markt in die Hauptstraße. Duckten sich an den gefüllten Läden vorbei. Bogen die hungrigen Leiber nach unten, als liefen sie Spießruten und verliefen sich unten im
Armeleuteviertel.
An der Zechenhalde tauchten sie wieder auf. Der bucklige Fabian brachte einen Sack aus der Tasche und sie suchten Kohle.
Sie wühlten mühsam die angefrorenen Steine auf, schabten sich
Hände und Knie wund, und zitterten vor Kälte. Es war aber schon alles abgesucht. Sie fanden wenig.
Als sie auf die andere Seite der Halde kamen, sahen sie einen Wächter. Sie sprangen wieder zurück. Er hatte sie aber doch gesehen.
Sie bogen in ein kleines Gebüsch. Da erschien er oben auf der Halde. Als er sah, dass er sie nicht mehr erwischen konnte, schoss er ihnen eine Ladung Schrot nach.
Sie keuchten, als sie sich hinten an den Klärteichen wieder zusammenfanden. Fabian hatte aber den Sack noch, das genügte.
Den Sack schütteten sie bei dem Buckligen in den Keller hinein, schoben sich wieder die Straße hinunter, bogen aber diesmal nach der anderen Seite der Stadt. Sie gingen nach den Hochöfen.
Hier suchten sie Eisenschlacke. Es waren noch viele Arbeitslose da. Sie wussten alle schon, dass man sich am Nachmittag auf dem Markt treffen sollte. Keiner wusste nur recht warum.
"Wir werden demonstrieren", sagte ein Grauhaariger, dem die Arme steif nach unten hingen.
"Oder zum Bürgermeister ziehen!" rief eine in graue Sacklumpen gehüllte Frau.
"Vielleicht gibt es auch Geld", zischte ein Pockennarbiger.
Sie suchten trotz des Sprechens sehr eifrig. Hackten mit sonderbaren Stöcken in der Schlacke herum, und sackten die Eisenstücke, die sie fanden, in Säcke und Körbe.
Jedesmal, wenn die kleine Lokomotive kam und neue Schlacke über die Halde kippte, mussten sie zurückgehen. Sie stürzten sich danach mit größerem Eifer auf die beinah noch glühenden Massen und scharrten ein, was ihnen brauchbar erschien.
Auch hier wurden sie bald wieder verjagt. Sie hatten aber zwei Säcke mit Eisenschlacke gefüllt, schleppten sie bis in die Mitte der Stadt zu einem Lumpenhändler und bekamen 11 Pfennige.
Der Bucklige ließ sich in einem Geschäft eine Semmel dafür geben, die er eigentlich mit heimnehmen wollte. Er aß sie aber, als sie zu dem Park hinaufgingen. Der Hunger schnitt ihm den Magen entzwei.
Oben im Parkviertel fragten sie nach Gartenarbeit. Die bekam man manchmal, besonders jetzt in den ersten Frühjahrstagen.
Aber sie hatten heute kein Glück. Ein Dienstmädchen gab ihnen wie Bettlern ein Stück Brot, das sie sorgsam einsteckten. Ein alter Herr wollte die Hunde auf sie hetzen. Sie gingen beschleunigt weiter.
Vom Parkviertel wollte der dürre Henner nochmal zum Bahnhof. Vielleicht gab es nun Arbeit. Da standen aber schon so viele, die auf Arbeit warteten, dass sie es aufgaben. Sie drehten um und wanderten nun nach dem Markt.
Der Markt war überfüllt mit Menschen. Es schien, als wäre die Not aus dem ganzen Lande zusammengelaufen. Es waren aber nur die Armen aus den Arbeitervierteln.
Jedem sah man die Armut an. Sie hingen in den Kleidern wie Vogelscheuchen. Ihre Gesichter waren gelb. Zerfallen. Beugten sich nach vorn. Ihre Augen lagen fiebrig in den Höhlen.
Sie standen in Klumpen. In ganzen Scharen. Lehnten sich aneinander. Krochen zusammen. Redeten. Riefen. Es war aber trotzdem noch ruhig.
Der Bucklige und der dürre Henner schoben sich bis in die Nähe des Rathauses durch. Horchten hier und da. Es war aber nichts Bestimmtes zu hören. Die meisten wussten noch immer nicht, warum man zusammengekommen war. Es war nur wie ein Lauffeuer von einem bis zum anderen Ende der Stadt gegangen: Die Arbeitslosen sollen auf den Markt kommen.
An eine der nächsten Gruppen schlossen sie sich an. Eine Frau stand etwas erhöht und redete. Sie war klein und mager. Hatte aber lebhafte Augen und einen scharf geschnittenen Mund.
"Das ist nun unser Leben", sagte sie, "dreißig Jahre ein schweres Tagwerk und nun nichts zu beißen."
"Dazu Hunger und Schwindsucht! Kinder, die umfallen, und einen Mann, den man aussperrt!" schrie eine andere.
"Und das ist die große Gerechtigkeit!" rief eine dritte, der das Wasser in den Augen stand. "Die große Gerechtigkeit!"
Alle schrien und redeten durcheinander, fassten sich an die Köpfe und an die Schultern und klagten sich ihr Leid.
"Warum lassen wir uns das nur alles gefallen?" zischte ein junger Mann dazwischen.
"Ja, warum?" kreischte die Frau, die noch immer höher stand als die anderen. "Man lässt doch das Vieh nicht so hungern!"
"Wir müssten demonstrieren!" rief der junge Mann wieder.
"Das wollen wir auch", sagte der dürre Henner. "Heute Morgen wurde es schon gefordert."
Der Markt war unterdessen noch voller geworden. Es schien, als sei die ganze Stadt arbeitslos. Aus der Vorstadt kamen die Menschen sogar in großen Trupps.
Es wurde auch lauter. Stürmischer.
"Geld!" schrien einige. "Demonstrieren!" andere. "Hunger!" die meisten.
Das Wort "Hunger" tauchte immer wieder auf. Bald riefen es mehrere. Ganze Gruppen. Zuletzt hallte es dumpf über den ganzen Markt.
Es klang aber nicht wie ein Gebrüll. Tiefer! Verzweifelnder! Wer es hörte, war erschrocken davon.
Auch Bewegung kam in die Menschen. Manchmal fluteten sie gegen das Rathaus, dann wieder zurück. Es war ein gewaltiges Hinundherwogen von Massen. Unheimlich wirkte dabei die Vielheit der menschlichen Gesichter, die Armseligkeit der Gestalten. Es sah aus, als würde eine Flut von Armut, Elend, Not, Hunger immer zwischen den hohen Häusern auf und nieder gespült.
Als wieder einige gegen das Rathaus fluteten und dort an den Toren pochten, als das Wort "Hunger" noch dumpfer an Fenstern und Türen rüttelte, schrie es plötzlich oben am Markt dumpf auf.
"Polizei!" rief eine schrille Stimme.
Die Massen wandten sich vom Rathaustor ab. Aber nicht furchtsam. Sie drehten sich nur um, und fluteten der Stimme entgegen.
"Sie sollen nur kommen!" rief die kleine Frau. "Was wollen sie?
Uns totschlagen?"
"Sie sollen nur kommen!" riefen auch die anderen.
Es schrie noch lauter auf. Es schrien auch schon mehrere. Die Schreie kamen diesmal aber von allen Seiten.
»Sie haben uns umstellt", sagte der Bucklige.
"Lasst sie nur", kreischte die Frau zurück", alle können sie doch
nicht totschlagen."
"Sie schlagen aber!" schrei ein alter Mann und drängte zurück.
"Und wie sie schlagen!" heulte eine Frau auf. "Einige sind schon niedergeschlagen worden!"
Die kleine Frau drängte weiter nach vorn. Der Bucklige und der
dürre Henner folgten nach.
Sie kamen aber nicht mehr weit. Die Menschen, die zurückdrängten,
wurden immer eiliger. Ängstlicher. Viele schrien laut. Einige
bluteten auch. Das Blut floss ihnen über die gelben Gesichter.
Sie versuchten stehen zu bleiben. Es nützte nur nichts. Langsam wurden sie mitgerissen.
Der ganze Markt schien nun eine Flucht. Die Menschen ballten sich zusammen. Wurden wieder auseinandergesprengt. Schoben sich erneut zusammen. Mussten aber wieder auseinanderfliehen. Endlich wurde eine Straße freigegeben. Dahin fluteten alle.
Sie war zu eng, um die Masse zu fassen. In ihrer Nähe stauten sich alle wie ein Keil. Einige schrien auf. Andere waren schon niedergetreten. Das Gedränge ließ aber nicht nach. Hinten schlugen die Schutzleute wie Viehtreiber in die Letzten.
Auch der Bucklige spürte einen Gummiknüttel im Rücken. Später schlug man ihm diesen Knüttel noch auf den Kopf. Er schrie auf wie ein Tier. Das nahm den Schmerz nur nicht fort. Da versuchte er,
schneller zu laufen.
Nach einer Weile waren alle in die Straße hinein geflutet. Die Ersten liefen rascher. Hinter ihnen ergossen sich die Nächsten. Es waren im Ganzen einige Tausend.
Die Schutzleute ließen aber nicht von ihnen ab. Sie schlugen
weiter auf die Fliehenden ein. Erreichten immer mehr. Zitternde, alte Frauen, humpelnde Männer.
An einer Straßenkreuzung jagten sogar Berittene in den Zug. Aber die Menschen stäubten nicht auseinander. Blieben zusammen. Die Letzten folgten wie ein Strom den Ersten. Kurz vor der Vorstadt waren sie sogar wieder eine kompakte Masse.
Das brachte die Schutzleute in Wut. Sie jagten sogar tiefer in die Menschen, trieben ihre Pferde immer mehr an. Schlugen zu, als wären sie Besessene.
Der Zug wälzte sich aber doch nicht schneller. Er stockte sogar. In den ersten Vorstadtstraßen blieb er plötzlich stehen.
"Warum fliehen wir eigentlich?" fragte die kleine Frau den dürren Henner, der neben ihr lief. "Sind wir schlecht?"
"Ja, warum fliehen wir?" antwortete der dürre Henner und sah sie an.
"Ist es denn verboten, zu sagen, dass wir hungern? Haben wir kein Recht zu rufen, dass wir nicht zu essen haben?" rief die kleine Frau weiter.
"Ist es verboten?" wiederholte der Henner monoton. Da wurden ihre Schritte langsamer.
"Wir sollten stehen bleiben", mischte sich ein kleiner Schuster ein, dem die Augen tränten.
"Das sollten wir", sagte eine alte Frau, die die Füße nicht mehr trugen. "Sie sollen sehen, dass wir mutig sind."
"He, he!" meckerte ein schmächtiger Bergmann zustimmend, der am ganzen Leibe schlotterte, "sie hat recht. Satter werden wir von dem Laufen auch nicht." Er blieb keuchend stehen.
"Sie sollen uns nur schlagen!" rief die kleine Frau mit ihm, und wandte sich um.
"Das sollen sie!" echote ihr der Bucklige nach, dem das Blut noch über das Gesicht lief, und stellte sich neben sie.
Auch die anderen drehten sich um. Es war allerdings kein Trotz in ihnen. Sie sahen auch nicht aus, als ob sie den anstürmenden Polizisten Widerstand entgegensetzen würden. Sie hatten nur alle plötzlich das Gefühl, dass sie nicht fliehen dürften. Ja, dass es schimpflich für sie sei, weiter zu laufen.
"Wir sind doch Menschen", sagte ein altes Männchen, dem der ganze Körper schütterte und dem das Wasser über die Backen lief.
"Und sind wir schuld an unserer Armut?" fragte ein keuchender junger Mann.
"Ich habe drei Kinder allein ernährt", stöhnte eine blasse Frau. "Ist es meine Schuld, wenn sie jetzt hungern?"
"Nein! Nein!" schrie die kleine Frau. "Bleibt nur stehen. Wir
sind alle unschuldig!"
Die ersten Schutzleute kamen schon heran. Einer schlug einen größeren Jungen nieder, der rechts in eine Nebenstraße wollte. Die anderen trieben schlagend Nachzügler vor sich her.
Einer, der zu Pferde saß, setzte sich gleich in Galopp, als er sah, dass die Flüchtenden stehen geblieben waren.
"Soll euch mein Gaul niedertrampeln?" schrie er, und bäumte das Pferd vor den Stehenden hoch.
Die empfanden einen Augenblick Angst. Drängten sich zusammen, als wollten sie sich gegenseitig schützen. Die meisten schlossen die Augen.
Das Pferd drehte sich aber zur Seite, als die Menschen nicht wichen, schlug aus, und versuchte sogar rückwärts zu gehen.
"Seht", rief ein Alter, der etwas hinten stand, "die Kreatur ist
besser als der Mensch!"
Unterdessen waren aber die anderen Polizisten herangekommen. "Sollen wir euch Beine machen?" schrie ein kräftiger Kerl, und schwang seinen Gummiknüttel. Er schlug den dürren Henner gegen den Hals.
Die anderen hoben auch ihre Waffen. "Auseinander", brüllten sie.
Die Menschen wichen auch jetzt nicht. Nein, sie drängten noch näher. Hoben ihre Gesichter hoch und sahen die Polizisten groß an.
"Schlagt mich nur!" kreischte die kleine Frau, und reckte sich empor.
"Ja, schlagt uns!" wiederholte eine Alte. "Schlagt uns tot!" Und ihr gelbes Gesicht geiferte die Polizisten an.
Die Polizisten schlugen auch unbarmherzig weiter. Erst gegen die Männer. Der lange Henner, gegen den sich gleich drei wandten, brach schon zusammen.
Er sah einen der Schlagenden an. Er bekam dabei ein ganz glasiges Gesicht. Das einzige, was ihm wunderlich war, war, dass er sich nicht gegen sie wehrte.
Die beiden Alten, die mit in der ersten Reihe standen, brachen danach nieder.
"Das ist ein Ende! Das ist ein Ende!" schrie der eine laut. "Hu!" heulte der andere, "so bringen sie einen ehrlichen Menschen um!"
Die Schutzleute sahen aber doch, dass sie nicht weiter kamen. Besonders die Frauen drängten sich immer wieder in die Lücken.
"Schlagt doch auf das Weiberpack!" grölte ein älterer Polizist, der auf einem Pferde angeritten kam.
Hinter ihm kamen noch mehr zu Pferde. Sie sprengten gleich im vollen Galopp in die Menge.
Die wurde auch diesmal auseinander getrieben. Niedergetrampelt. Niedergeschlagen. Schreiend versuchten einige nach rechts und links auszuweichen.
Die ersten wälzten sich alle am Boden. Lagen auf dem Pflaster, blutend, zerrissen. Die meisten heulten schauerlich auf.
Auch die kleine Frau war niedergetreten worden. Sie versuchte sich mühsam aufzurichten. Es ging nicht.
"Das sind die Menschen", klagte sie laut. "Die Hunger haben, schlagen sie tot!"
"Ja", wiederholte der schmächtige Bergmann, der neben ihr lag und dem ein Pferd den Leib zertreten hatte, "die Hunger haben, schlagen sie tot. Und das ist die große Liebe und die menschliche Barmherzigkeit!" |
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