VIERTES KAPITEL
»Ihr himmelgottverfluchten Hurensöhne von faulen und verlausten, dreckigen und stinkigen Spitzbuben, stehlt mir mein bares, unter Schweiß, Blut und Blasen aufgekratztes, schönes, süßes Geld aus der Tasche heraus und sitzt hier herum, sanft und fresst, und alles von meinem Geld. Gott im Himmel und die Heilige Jungfrau fürwahr wissen es, ich bezahle euch euren Lohn, bleibe keinem von euch verluderten Hurenböcken auch nur einen schimmeligen Centavita schuldig. Und hier komme ich her, nach vierzehn Wochen, oder sind es fünfzehn, und nicht ein krummer Stecken von Caoba, der wert ist, ihn auch nur mit einer abgehackten Silbe zu erwähnen, ist an den Tumbos zu sehen. Und ich ehrlicher Mensch, der ich bin, ich habe gedacht, dass hier an den Tumbos die Trozas aufgeschichtet sein werden, bergehoch oder wenigstens so hoch wie eine Kathedrale. Und was finde ich? Ein Häuflein Trozas, so schäbig, dass es mir hungrige Ameisen auch herangeschafft hätten, und besser und mehr, für eine Flasche verdünnten Honigwassers. Ja, um aller Heiligen in allen Himmeln und Höllen wegen, was habt ihr gottvergessenen Straßenräuber von Capataces denn eigentlich hier getan? Gehurt? Gerotzt? Gefressen? Gesoffen? Oder ewig geschitt? Raus mit der Sprache. Und schwindelt mir hier nichts vor, oder, bei der Madre Santisima, ich schlage euch die Zähne in den Rachen hinunter, dass sie euch unter den Zehennägeln rausrutschen sollen, ihr gottverfluchten und verpesteten Golfos und Leichenschänder. Hei, wird's bald mit der Antwort!«
Das alles pfefferte Don Severo auf seine beiden Aufseher, El Picaro und El Gusano, los, ohne sich auch nur ein einziges Mal dabei die Zunge zu verknoten. Er schrie es so brüllend hinaus, dass in einer Entfernung von zwei Kilometern es jeder deutlich verstehen konnte. Und mit jedem Worte, das er hinauskanonierte, wurde sein Gesicht röter und schwellender.
Don Severo war der älteste der drei Brüder Montellano, die
Eigentümer dieser großen Monteria hier und noch zwei kleinerer auf der anderen Seite des Stromes waren. Diese große und wichtigste der Monterias trug den Namen La Armonia; die beiden kleineren La Estancia und La Piedra Alta.
La Armonia umfasste ein so weites Gebiet im Dschungel, dass es nötig gewesen war, sie in vier Distrikte einzuteilen, in Campos Norte, Este, Sur und Oeste, nach den Himmelsrichtungen, in denen sie, von einem Zentralpunkte aus gerechnet, lagen.
Don Severo verwaltete Campo Norte. In jedem der übrigen drei Campos befand sich ein Capataz, mit dem er seit Jahren zusammen gearbeitet hatte, als Mayordomo, dem ein zweiter Capataz als Ayudante oder Gehilfe beigegeben war.
Der zweite Bruder, Don Felix Montellano, saß als Rechnungsführer in den Haupt-Oficinas der Stadt der Administracion, zuweilen auch Ciudad genannt. Die Administracion lag nicht im Mittelpunkt der Monteria, sondern an jener Grenze, wo der Strom, der die Caoba zur Meeresküste schwemmte, entlangfloß. Die Administracion konnte von hier alle vorüberkommenden Schwemmungen beobachten und kontrollieren und, soweit es möglich war, schätzen, buchen und verrechnen. Infolge der zahlreichen Nebenflüsse und Schwemmgräben, die mit dem Hauptstrom in Verbindung standen, war es auch leichter, von der Administracion aus mit Hilfe von Canoes zu den einzelnen Distrikten zu gelangen, während alle übrigen Verbindungen häufig nur mit Mühe aufrechterhalten werden konnten.
Freilich war selbst die Verbindung mit Canoes oder Cayucos, wie sie genannt wurden, keineswegs immer zuverlässig. Aber aus zahlreichen Ursachen hatten die Gründer der La Armonia den Platz, auf dem sich die Administracion oder Stadt befand, als den geeignetsten und strategisch günstigsten betrachtet, als die Monteria von einer Compania eröffnet wurde. Die Montellanos hatten La Armonia von der Compania gekauft, als die Direktion dieser Compania andere Geschäfte übernahm und alle Monterias, deren Konzession sie besaß, aufgab.
Der dritte Bruder, der jüngste, Don Acacio Montellano, übernahm die Verwaltung der beiden kleineren Monterias auf der gegenüberliegenden Seite des Stromes, dabei einem Beschluss folgend, auf den sich die drei Brüder in einer Beratung geeinigt hatten.
Don Severo hatte erstens einmal in seinem eigenen Campo Norte genug zu tun, so dass er nicht alle zwei oder drei Wochen die übrigen drei Campos aufsuchen konnte; dann war auch der Weg zu den einzelnen Campos so weit und so schwierig, dass eine Runde durch alle drei Campos, wenn er das seine nicht mitzählte, etwa zwei Wochen Zeit gebrauchte. Aus diesen Gründen musste er sich damit begnügen, alle drei Monate einmal auf die Inspektionsreise zu gehen.
Seiner Arbeitsenergie und seiner langen Erfahrung im Heranschaffen der Caoba wegen eignete sich Don Severo nach jeder Richtung hin besser für die Verwaltung der Arbeit und die Herbeischaffung der Caoba als Don Felix. Darum hatte er die rauere Arbeit übernommen und Don Felix die angenehmere Stellung in der Administracion überlassen.
Don Acacio, auf seinem fernen Posten ebenso unermüdlich, aber noch gieriger und grausamer wirtschaftend als seine beiden älteren Brüder, war, seit die Montellanos die Monteria gekauft hatten, überhaupt nicht zur Administracion gekommen. Nicht einmal einen Brief hatte er der versumpften Pfade wegen schicken können. Ob er lebte oder schon längst vermodert war, wusste niemand in der Administracion. Dass Don Severo und Don Felix überhaupt sehr betrübt gewesen wären, wenn sie plötzlich vernommen hätten, ihr Bruder Don Acacio sei ermordet oder von einem Sumpf verschluckt worden - das ist nicht gewiss. Solange er nur genügend Caoba an den Tumbos zurückgelassen hatte, die einzige Freude und der einzige Genuss der Gebrüder Montellano, hätten sie seinen unzeitgemäßen Tod wahrscheinlich nicht einmal sehr bedauert, um so weniger, als der Gewinn dann anstatt in drei nur in zwei Teile gegangen wäre.
Es war im Campo Sur, wo Don Severo jetzt inspizierte und wo er dem Capataz El Picaro und dessen Ayudante, El Gusano, seine Liebe und Zuneigung erklärte. Am frühen Morgen, El Picaro zur Seite, hatte er seinen Inspektionsritt durch den Campo unternommen, mit dem Zweck, die Tonnen geschlagener Caoba zu notieren, die zum Abschwemmen bereit an den verschiedenen Tumbos aufgeschichtet lagen. Bei jedem Tumbo, den er besuchte, und sobald er mit einem raschen Blick die Zahl der aufgehäuften Trozas so ziemlich richtig geschätzt hatte, rief er wütend aus: »Und das ist alles, was du hier hast, in drei langen schönen Monaten? Dios mio! Allmächtiger Gott, wie ist das nur möglich, in drei Monaten ein halbes Dutzend schwindsüchtiger Knüppelchen glücklich auf einen Haufen gebracht. Das ist ja eine Sünde gegen Gott und alle Heiligen, die er um sich hat.«
Bei jeder weiteren Besichtigung der nächsten Abfahrtlager vergrößerte sich Don Severos Wut. Diese Wut verwandelte sich in Wildheit, als die beiden nach dem anstrengenden langen Tagesritt völlig ermüdet in der Oficina im Campo anlangten und hier El Gusano auf dem Boden liegend vorfanden, so besoffen, dass er nicht einmal mehr grunzen konnte.
Don Severo fegte ihm gleich ein halbes Dutzend mit der Sattelpeitsche über. El Gusano nahm es ihm aber nicht übel, weil er sich gegenwärtig in einer anderen Welt befand, wo Leiden und Trübsal wie Sirup sind.
Dann hieb Don Severo mit der Peitsche auf den rohen Tisch, und jede Stelle seiner Rede, die er mit Kraft, Nachdruck und gotteslästerlichern Fluchen unterstreichen wollte, um ihr Ewigkeitswert zu geben, begleitete er mit harten Peitschenhieben auf den Tisch oder einen der Stühle, die ihm am nächsten standen.
»Die Eingeweide sollte ich euch beiden Dieben an einem Strick aus dem Leibe zerren, denn eine solche Faulheit kann nicht einmal in der Hölle vergeben werden.« Er schrie sich immer mehr in Wut.
»Zum Teufel und zu allen eiterfressenden Hunden, was habt ihr denn eigentlich hier in den letzten drei Monaten getan? Gehurt? Gesoffen? Oder euch die Nasenlöcher voll Asche gestopft und in den Ursch gemahlenen Zimt geblasen? Oder was denn sonst? Rede schon, du!«
El Picaro stand an der anderen Seite des Tisches. Er war vorsichtig genug, den Tisch als Barrikade zwischen sich und den tobenden Severo zu halten. Und er drehte sich so, dass er in jedem Moment, sollte es gar zu heiß werden, zur offenen Tür hinausflitschen konnte.
»Rede, du Schurke!«
»Die Stämme waren alle hochgewurzelt«, sagte El Picaro endlich.
»Hochgewurzelt! Hochgewurzelt! Wenn ich so etwas schon höre; da wird mir doch gleich ganz grün und gelb im Gesicht. Hochgewurzelt. Als ob das ein Grund wäre, hier zu faulenzen.«
»Wir mussten Gerüste bauen, zwei und einen halben Meter hoch, um an den Stamm zu kommen«, verteidigte sich El Picaro.
»Ist das vielleicht etwas Neues? Das habe ich jahrelang bei der Hälfte aller Bäume tun müssen, Gerüste gebaut, weil die Wurzeln und Rippen zwei und drei Meter hoch wuchsen. Ich habe aber doch aus jedem Mann meine drei und vier Tonnen herausgeholt. Zwei elende Spitzbuben lasse ich hier und gebe ihnen Extrabelohnungen, so hoch beinahe wie einem Contratista, damit sie mir ein paar Tonnen Holz heranschaffen sollen. Zwei Verbrecher seid ihr, Spitzbuben, die mir mein teures Geld aus dem Sack stehlen und damit huren und saufen gehen. Kaum eine Tonne auf jeden Mann und jeden Tag.«
El Picaro wandte sich einen halben Schritt näher zur Tür und sagte: »Es sind mehr als zwei und eine halbe Tonne für Mann und Tag.« Er sage es sehr schüchtern und noch mehr entschuldigend.
»Halt dein dreckiges Maul, wenn ich mit dir rede. Zwei Tonnen. Zwei Tonnen. Und das, wenn ich euch den Auftrag gegeben habe, wenigstens vier Tonnen aus jedem Mann herauszuholen. Der Regen hat schon begonnen. In acht Wochen geht das Schwemmen los, und was habe ich zum Abfahren? Eine und eine halbe Tonne. Und sechzigtausend Pesos bar zu zahlen am ersten Januar.« Er sah im Raum herum mit wirren, sich rötenden Augen. Sein Blick traf auf El Gusano. Er sprang hin und trat ihm mit einem erbarmungslosen Tritt in die Seite. »Besoffen, besoffen wie ein Schwein.«
El Picaro fühlte wohl die Zeit gekommen, seinen Kampfgenossen zu entschuldigen. »In den ganzen sechs Wochen war er nicht einmal betrunken, wir hatten nicht eine einzige Flasche hier. Nur gestern kam der Türke und brachte ein paar Flaschen mit. Und da war es ganz natürlich, dass wir einen Zug nahmen.«
»Einen Zug, Ein guter Zug, das muss ich schon sagen. Wo ist denn die Flasche?«
El Picaro ging in die Ecke und brachte unter dem Bettgerüst eine Flasche, halb gefüllt, hervor. Er glaubte, dass Don Severo die Flasche nehmen und an die Wand pfeffern würde. Aber das geschah nicht. Er ergriff die Flasche, hielt sie gegen das Licht der offenen Tür und goss sich einen mächtigen Hieb in den Rachen.
Er schüttelte sich grunzend, schüttelte die Flasche und zog einen zweiten Gurgler durch die Röhre.
Es schien, als hätte der harte, halbvergiftete Branntwein seine Wut etwas gemildert. »Schenk dir einen ein, Picaro«, sagte er, halb kratzig, halb gelinde. Jedoch diese kurz aufgelichtete Freundlichkeit war auch sofort wieder verschwunden, als er sich plötzlich daran erinnerte, warum er sonst noch hier hergekommen sei.
Don Acacio hatte ihm vor drei Tagen einen Brief zugeschickt, - den ersten und einzigen, den er bis jetzt zu schicken sich die Zeit genommen hatte. Der Brief war mit einem Capataz zu Pferde gebracht worden. Don Acacio schrieb, dass die beiden kleinen Monterias, die er gegenwärtig ausbeute, zur Zeit nicht weiter bearbeitet werden könnten. Infolge schwerer Regengüsse und wegen ihrer besonderen Lage, eingebettet zwischen Hügeln und Bergen, seien sie so eingesumpft, dass Trozas nicht abgeschleppt werden könnten, weil die Ochsen bis an die Joche im Sumpf versänken. Das allein wäre nicht so böse, denn man könnte ja später, wenn die Trockenzeit komme, die Trozas zu den Tumbos abschleppen. Was das Unangenehmste sei, so berichtete Don Acacio, wäre, dass auch nicht einmal mehr geschlagen werden könne, denn die Leute verschwänden in den Sümpfen. Mit einer Art von Flößen und Plattformen, die nahe an die Stämme gebracht wurden, hätte er versucht, Bäume zu schlagen. Das aber verursache so viele besondere Arbeit, dass kaum eine Tonne für den Mann und Tag geliefert werden könne.
Durch diesen Brief kam Den Severo zur traurigen Erkenntnis, dass eine Lieferung der beiden Monterias, die Don Acacio bewirtschaftete und deren Ertrag er auf etwa die Hälfte der Gesamtproduktion des ganzen Unternehmens geschätzt hatte, in diesem Jahr ausfiel. Dieser Ausfall nun mochte recht gut die Ursache sein, dass er nicht die Möglichkeit finden würde, alle die Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, die er eingegangen war, als er die Monterias kaufte.
Sofort war Don Severo zur Administracion geritten, um sich mit seinem Bruder, Don Felix, zu beraten, was zu tun sei. Sie kamen beide zu dem Ergebnis, dass ihnen nur ein Ausweg bleibe, um dieses Produktionsjahr für sich zu retten. Beide stimmten darin überein, dass Don Acacio, der jüngste der drei Brüder, der energischste sei, wenn es hieß, aus Arbeitern das letzte Spritzerchen ihrer Kraft herauszuholen. Und konnten die beiden kleinen Monterias nicht genügend liefern, dann musste die Hauptmonteria, La Armonia, das Doppelte, wenn irgend möglich das Vierfache schaffen.
Derselbe Mann, der den Brief des Don Acacio gebracht hatte, nahm das Antwortschreiben mit sich zurück. In diesem Schreiben wurde Don Acacio aufgefordert, mit allen seinen Leuten zur La Armonia zu kommen, um hier zu arbeiten. Don Acacio war aber ebenso klug wie seine beiden älteren Brüder.
Er war bereits auf dem Hermarsch, als er dem Boten mit dem Briefe begegnete. Der Bote steckte mit seinem Pferde in einem Sumpf und wäre vielleicht darin umgekommen, hätte Don Acacio mit seiner Kolonne nicht denselben Weg genommen, den der Bote kam.
Don Acacio befand sich gerade jetzt mit seinen Leuten im Hauptcamp, um den Proviant zu empfangen. Don Severo war einen Tag vorausgeritten, um in dem Camp Sur des El Picaro die Produktion zu notieren.
Nachdem der Aguardiente für einige Minuten eine besänftigende Wirkung auf Don Severo ausgeübt hatte, schien er nun das Gegenteil zu bewirken. Don Severo dachte daran, dass für dieses Jahr alles verloren war, was er von den beiden anderen Monterias erhofft hatte. Von El Picaro hatte er mehr denn die doppelte Förderung er. wartet als die, die er heute bei der Inspizierung der Tumbos vorfand.
»Wenn ich nicht mehr Tonnen verlangt haben würde als die, die du mir hier vorsetzest, dann hätte ich keine zwei Capataces nötig gehabt; das hätten die Muchachos allein besorgen können. Ihr müsst ja hier mehr geschlafen als gearbeitet haben.«
»Was konnte ich denn mehr tun, Jefe? Ich habe sie gepeitscht, dass sie kaum noch ein Stück Fell auf dem Rücken hatten. Aber da wurden sie bald daran gewöhnt. je mehr ich sie peitschte, um so weniger schafften sie.«
»Ich habe dir doch vorher gesagt, dass so vieles Auspeitschen nicht hilft. Die werden störrisch und legen sich hin und tun überhaupt nichts mehr. Warum hast du sie denn nicht mehr gehenkt? So wie wir das in unseren Camps taten. Das zieht besser, schreckt sie mehr und macht sie nicht aufsässig.«
»Wir sind doch hier nur zwei, El Gusano und ich. Wenn wir ein halbes Dutzend henken wollen, ist das nicht so leicht. Die widersetzen sich, die älteren Muchachos. Wir brauchen für jeden Mann wenigstens drei, um sie unterzukriegen.«
»Wozu hast du denn deine Kanone auf der Hinterbacke, wenn sie sich widersetzen wollen. Oder hast du die nur zum Vergnügen und um wilde Truthähne zu jagen?«
»Was nützt mir denn die Kanone dabei?«
»Halt sie ihm in die Fresse, wenn er bockt. Sollst mal sehen, wie schnell du ihn mürbe hast.«
»Das war früher, Jefe. Die lachen mir frech in meine Fratze, wenn ich ihnen die Pistola in die Rippen poke. Die grinsen und schreien: Schieß doch, du Lausekröte, wenn du ein Mann bist. Warum schießt du denn nicht? Wir kriegen dich schon noch, warte nur. Dich und El Gusano. Die singen jetzt auch noch ganz gemeine Lieder hinter mir her, und in der Nacht sitzen sie herum und singen.«
»Dann erschieß ein paar, damit sie sehen, es ist ernst.«
»Gut, Jefe, wenn Sie es sagen, werde ich das machen. Es ist ja nicht mein Geld. Und sie sagen mir frech, wenn ich ihnen mit dem Eisen auf den Leib rücke: Schieß los, dann fehlt dir ein Schläger, Picaro, Picarote; und du kannst dir deine Extraprämie in den Ursch stecken, hinten 'rein. Das ist eben das Böse hier, die wollen ja, dass ich sie erschieße, damit sie nicht mehr zu arbeiten brauchen.«
Don Severo sagte nichts darauf. Er steckte den Hals der Flasche in seinen Rachen und gluckste, als wäre es Wasser, das er tränke. Als er die Flasche absetzte, fiel sein Blick auf El
Gusano.
»Bring mir den Eimer her!« sagte er zu El Picaro.
El Picaro brachte einen Eimer, gefüllt mit Wasser. Don Severo stand auf, nahm den Eimer und schüttete ihn mit einem Schwung über El Gusano.
»Hole mir mehr!« rief er, El Picaro den leeren Eimer hinreichend. »Einer genügt nicht, ein halbes Dutzend wird ihn wohl auf seine syphilitischen Stelzen bringen. Und wenn er hoch ist, dann bürste ihm mal sein Rückenleder ab. Hier, nimm diese Mulipeitsche. Dann wird er vielleicht wieder zu gebrauchen sein. Aber nicht hier vor meinen Augen. Habe kein Vergnügen daran. Nimm ihn dir runter zum Graben, damit ich ihn nicht winseln höre.«
»Gut, Jefe.« El Picaro sparte sich das Heranschleppen weiterer Eimer Wasser. Er zerrte El Gusano hoch, nahm ihn auf seinen Rücken, trug ihn zum Graben und tauchte ihn so tief ein und so lange, bis El Gusano zum irdischen Dasein zurückkehrte.
»Aber, companero«, sagte El Gusano weinerlich, »du wirst mir doch hier nicht mein Fell bearbeiten wollen, wir sind doch Bundesgenossen.«
»Freilich, du Puerco, sind wir Bundesgenossen. Aber warum musst du dich denn gerade besaufen, wenn der Alte kommt. Was kann ich denn machen? Ich muss dir deinen Zimmet geben, ob es dir gefällt oder nicht. Es ist besser, ich walke dich hier durch in aller Freundschaft, als wenn er einen der Indios ruft, vielleicht gar den Gregorio oder den Santiago. Mein Bundesgenosse, dann hast du nichts zu lachen, das kann ich dir sagen.«
»Hast recht, Manito. Also, los mit der Suppe. Ich bin sowieso noch immer dick im Dusel und werde das auf die leichte Schulter nehmen. Kannst du denn nicht vorher die Flasche kriegen und mich einen guten Schluckser einatmen lassen, ehe du loslegst?«
»Keine so schlechte Idee, ich kann auch einen brauchen.« El
Picaro rannte hinauf zu seiner Oficina, klemmte sich durch die Hintertür und machte eine Flasche locker, die er mit sich nahm und an der er El Gusano einige Male heftig saugen ließ, ehe er damit begann, ihm den Rücken abzubürsten.
Am folgenden Tage, kurz vor Sonnenuntergang, kam Don Acacio mit seiner Kolonne im Camp Sur an. Den Severo empfing ihn mit dem Gruße: »Es sieht hier verflucht faul aus. Das muss ich dir schon sagen, Cacho. Kaum zwei Tonnen auf den Schläger.«
»Dann sind wir ja wohl so weit, endlich so weit, dass wir auf dem Bauche kriechen und Dreck fressen können«, war die Antwort.
Er hielt sich nicht weiter bei solchen nutzlosen Betrachtungen auf. Obwohl er einen langen und schwierigen Weg gehabt hatte, schien er kein großes Bedürfnis zu haben, sich hinzusetzen und sich Geschichten anzuhören.
Er rief hinaus zu seinen Capataces: »Los, faules Pack, Jacales gebaut! Nicht viel Zeit zu verlieren.
Wenn ihr nicht alle Nächte im Freien liegen wollt, dann macht euch jetzt an die Arbeit, - morgen haben wir nicht viel Gelegenheit, uns schöne Villen zu bauen. «
Die Capataces fegten mit den ermüdeten Leuten in den Dschungel, um Stämme zu schlagen und Palmblätter zum Bau der Schlafhütten heranzuschleppen. Aber die Nacht brach herein, ehe auch nur eine Hütte errichtet war. Die Muchachos quetschten sich in die Hütten der hier arbeitenden Leute.
Jedoch, es war nicht Platz genug. Viele blieben im Freien liegen. In der Nacht regnete es heftig, und sie fanden sich in tiefen Schlamm gebettet, als sie zur Arbeit aufgescheucht wurden. Es war, wie stets, noch tiefe Nacht, als sie antraten.
Don Acacio sagte: »Guten Morgen, Leute!« in folgender Weise: »Kein Zweck, Jacales zu bauen; wir gehen tiefer in den Dschungel hinein, gleich heute und jetzt. Keine Zeit, Kaffee zu kochen und eure Bohnen anzuwärmen. Fressen könnt ihr auf dem Marsch. Los, alle Packen auf und abmarschiert.«
»So wird's gemacht!« sagte Don Severo zu El Picaro, der neben ihm vor der Oficina stand. »Und hättest du das so gemacht, du und das besoffene Ferkel von einem Adyutante, dann hätten wir vier Tonnen auf den Mann.«
»Sicher, Jefe. Aber wenn ich das so mache, bin ich am Abend nicht mehr am Leben, oder drei Muchachos liegen mit Blei im Magen irgendwo herum.« El Picaro grinste, als er das sagte.
»Das ist eben der Unterschied im Arbeiten«, meinte darauf Den Severo. »Es gibt Aufseher, die es verstehen, ihre Leute zum Arbeiten zu kriegen, und es gibt andere, die das nicht verstehen. Du bist einer von denen, die das nicht verstehen und die das nie lernen. Und überhaupt, wo ist denn dein warmer Bruder, El Gusano?«
»He, El Cusano!« schrie El Picaro in den schwarzen Morgen hinaus, »He, El Jefe ruft dich!«
El Gusano kam angesaust und sagte mit rauem Atem: »A sus ordenes, Jefe.«
»Los, du und El Picaro und die ganze faule Horde hier, aufgepackt und abmarschiert mit Don Acacio zu dessen Distrikt.«
Die beiden Capataces riefen ihre Leute zusammen und folgten Don Acacios Trupp.
Eine Woche darauf war es, als Don Gabriel mit den neu angeworbenen Caobaleuten in La Armonia, auf dem weiten Platze vor den Bungalows der Administracion, anlangte.
Von vier verschiedenen Monterias hatte er Aufträge für neue Leute, und es war sein Plan gewesen, in La Armonia mit seinem Bataillon zu rasten und von hier aus die geworbenen Leute auf die Monterias entsprechend der erhaltenen Aufträge zu verteilen. Aber an dem Tage, als er in den Haupt-Oficinas ankam, war Don Severo zugegen. Dieser, die Gelegenheit wahrnehmend, begann mit Don Gabriel zu handeln. Das Ergebnis war, dass der ganze Trupp, den Don Gabriel gebracht hatte, in La Armonia verblieb, so dass die übrigen Monterias warten mussten, bis ein anderer Agent sich ihrer erbarmte oder Don Gabriel einen neuen Trupp herbeischaffte.
Don Severo und Don Felix sahen sich die frische Zufuhr an und waren zufrieden mit dem, was sie vorfanden.
Die Leute, alle übermüdet, lagen in Gruppen verstreut auf dem Platz vor den Gebäuden. Wenn Don Severo und Don Felix auf eine Gruppe zutraten, standen die Burschen auf. Don Severo fühlte ihre Arme ab, ihre Beinmuskeln und ihre Nacken, als wären sie Ochsen, die er zu kaufen gedachte.
»Was bist du, Chamula?' fragte er Candido, als er zu dieser Gruppe kam. An der Kleidung und am Hute erkannte er die indianische Nation, zu der jeder Mann gehörte.
»Campesino, su humilde servidor«, antwortete Candido bescheiden.
»Also Kleinbauer. Hm! Dann wirst du ja wohl einen tüchtigen Schläger machen, Chamula«, sagte darauf Don Severo.
»A sus ordenes, Patroncito, mein gnädiges Herrchen.«
»Wer ist denn das Weib, das du hier bei dir hast? Deine Frau?« »Mein Schwesterchen, Patroncito. Meine Frau ist gestorben.«
»Aber die beiden Jungen sind deine Kinder?«
»A sus ordenes, sie sind bereit zu Ihrem Befehl, Patroncito.«
Don Severo stieß die Jungen mit der Faust leicht gegen die Brust und packte sie an den Armen. »Sie können gute Vaqueritos, Kuhburschen meine ich, machen.«
»Vergeben Sie mir, Patroncito, mein gnädiges Herrchen, wenn ich nicht zu Ihren Diensten bin, aber die Jungen sind noch recht klein und schwächlich und können hier im Dschungel nicht schwer arbeiten. Es ist ja der eine nur gerade sechs Jahre alt und der ältere sieben und ein viertel.«
»Wenn sie hier essen wollen, dann müssen sie arbeiten. Von deinem Essen bleibt nichts übrig für deine Jungen, oder ich muss dir das Doppelte für das Essen anrechnen, und dann kommst du in aller Ewigkeit nicht los von deinem Konto.«
»Wir können tüchtig arbeiten, wir sind stark, mi Jefe«, sagte der ältere Junge eifrig, als er begriff, sein Bruder und er möchten die Ursache sein, dass ihr Vater nicht mehr zurückkehren könnte.
Da trat der Kleinere einen Schritt vor und dicht an Don Severo heran. Er hielt seinen Arm hoch und beugte ihn, um die Muskeln herauszupressen.
»Fühlen Sie einmal hier, Patroncito, wie kräftig ich schon bin; ich kann noch besser arbeiten als mein Bruder, obgleich er älter ist, und als Ochsenjunge, das würde mir schon gut gefallen.« Dann wandte er sich um zu seinem Vater: »Mit deiner würdigen und gütigen Erlaubnis, Tate!«
Candido sagte nichts. Er kniff nur die Augen zusammen.
»So etwas gefällt mir«, lachte Don Severo, »das sind Jungen, wie ich sie gern habe. Und es hat noch niemand etwas geschadet, wenn er frühzeitig begann, sich selbst sein Brot zu verdienen. Ihr beide geht zum Ochsencamp und euer Vater zu den Schlägern.«
Erschreckt blickten die beiden Jungen auf. »Bleiben wir nicht bei unserm Vater?«
»Er ist kein Boyero, sondern ein Schläger, und kann nicht mit euch im selben Camp sein. Zuweilen vielleicht, wenn es sich gerade so trifft, dann seid ihr im selben Nachtcamp.«
Candido zog die Jungen zu sich zurück, als wolle er sie beschützen. Er streichelte ihre dickbehaarten Köpfe eine Weile und sagte leise: »Was können wir machen, Jungens? Er ist der Herr, und wir haben zu gehorchen.«
Den Severo ging weiter zur nächsten Gruppe.
Jedoch Don Felix blieb stehen und winkte Modesta heran, die einige Schritte in den Hintergrund gegangen war, als Don Severo ihren Bruder und die Jungen verhörte. Dem Wink gehorsam folgend, kam sie nun näher an Don Felix heran. Sie neigte den Kopf und hielt die Arme gekreuzt über der Brust. Aber sie sah nicht auf.
Don Felix stach sie mit seinem ausgestreckten Zeigefinger in die Backe, und dann stieß er ihr mit den Knöcheln der geballten Hand gegen das Kinn, um das Kinn aufzurichten. Modesta wich aus und neigte den Kopf zur Seite, ohne ihn anzusehen.
»Brauchst keine Angst zu haben, du kleines Hürchen. Ich fresse keine Mädchen zum Frühstück, nicht einmal dann, wenn mir ihre Oberschenkel gut gefallen. Wie heißt du denn?«
»Modesta, su humilde servidora.«
»Mocha werde ich dich rufen. Was tust du denn hier?«
»Ich bin mit meinem Bruder gekommen, weil er allein ist und der Kinder wegen, Patroncito.« Sie sagte das, ohne den Kopf zu heben.
»Wo willst du denn essen, Hürchen?« »Mit meinem Bruder im Camp.«
»Das kannst du nicht. Er bekommt nur Ration für einen Mann, und wenn er zwei Rationen empfangen will, muss er für zwei bezahlen. Dann bleibt ihm nichts vom Tagelohn, und er hat bei uns ein Konto von ungefähr dreihundertfünfzig Pesos. Verdient nur einen halben Peso den Tag, wenn er seine drei Tonnen liefert.«
»Zwei Tonnen, Patroncito, so steht in meinem Kontrakt.« Candido war dicht herangekommen und hatte die letzten Worte gehört.
»Was in deinem Kontrakt steht, geht uns hier gar nichts an, und du hältst dein stinkiges Maul, oder ich lasse dir gleich von einem Capataz den Monteria-Willkommensgruß geben. Wenn du den einmal weg hast, wirst du wissen, dass du deine Fresse nur dann aufreißt, wenn du gefragt bist. Drei Tonnen Lieferung den Tag, und schaffst du keine drei Tonnen, wird dir der Tag nicht bezahlt; und wenn das einige Tage so faul weitergeht, wirst du ja sehen, wie wir dich zu drei Tonnen herankriegen. Kannst froh sein, wenn wir nicht vier Tonnen verlangen.«
»Aber, mit Ihrer sehr gütigen Erlaubnis, Patroncito«, sagte Candido bescheiden, »Don Gabriel, der Enganchador, hat mir gesagt, und auch der Bürgermeister in Hucutsin, wo wir den Kontrakt gestempelt haben, hat gesagt, dass es nur zwei Tonnen sind für den Tag.«
»Vier für dich, du verlauster Coyote. Vier Tonnen. Und wehe deiner Haut und deinen Knochen, wenn du weniger schaffst als vier.« Don Felix nahm ein Büchelchen aus seiner Hemdtasche, schrieb den Namen ein, und hinter den Namen kritzelte er: Cuatro Toneladas Obligacion; vier Tonnen Pflicht.
»Aber, mit Ihrer Vergebung, Patroncito -« begann Candido aufs neue.
Er kam nicht weit. Don Felix versetzte ihm einen mächtigen Fausthieb ins Gesicht, so dass sofort dickes Blut aus der Nase Candidos tropfte. »Ich habe dir gesagt, du dreckiges und verlaustes Stinktier, dass du dein Maul hier zu halten hast.«
Candido hockte sich auf den Boden. Mit Gras, das er aus der Erde zupfte, verstopfte er sich die Nasenlöcher, um das Blut aufzuhalten.
Modesta stand noch immer mit gebeugtem Kopfe vor Don Felix. Der Vorgang war für sie schmerzlicher, als er für Candido war. Jedoch von Kindheit an gewohnt, dass sie und alle ihresgleichen ohne Murren hinzunehmen haben, was ihnen ein Ladino antut, hatte sie sich kaum gerührt. Mit keiner Miene, keiner Geste deutete sie an, was sie empfand. Sie war zum Herrn gerufen, stand vor ihm, und sie war nicht entlassen, um ihren
Bruder zu trösten.
Die beiden Jungen setzten sich dicht zu ihrem Vater und umklammerten seinen Körper, um ihn vergessen zu machen, was geschehen war. Der Kleinere begann zu weinen und sagte unter Schluchzen: »Tate, lieber Tate, ich kann nichts dafür!«
Der Vater streichelte ihn und lächelte ihn an.
Der größere Junge nahm die Kürbisflasche auf und lief zum Fluss hinunter, um Wasser für den Vater zu holen, damit er trinken und das Blut abwaschen könne.
Don Felix war bereits wieder mit dem Mädchen beschäftigt. Einem Indianer ins Gesicht zu schlagen, war für ihn kein Ereignis, dessentwegen er auch nur für eine Minute seine Gedanken unterbrochen haben würde. Selbst wenn er einen indianischen Arbeiter erschlug oder erschoss, hatte er es eine Stunde darauf völlig vergessen. Er erinnerte sich bei weitem besser einer erjagten Antilope oder eines gutgetroffenen Tigers als eines erschossenen Peons.
»Bist gar kein übles Pflänzlein, Mocha«, sagte Don Felix. »Essen musst du, und dein Bruder kann dir nichts zu essen geben.«
»Ich werde hier im Camp eine kleine Hütte bauen und die Schweinchen großbringen und Essen kochen für die Handwerker. Das kann ich tun.«
»So leicht ist das nicht, kleine Mocha. Du kannst hier nur eine Choza bauen, wenn ich dir das erlaube. Und Schweine kannst du hier ebenfalls nur halten, wenn ich dir das gestatte. Essen kannst du für die Leute kochen, wenn es sonst niemand für sie kocht. Aber wenn du arbeiten willst, kannst du auch für mich arbeiten. Weniger Arbeit für einen als für zwanzig. Ich gehe wahrscheinlich nächste Woche auch noch los, um ein anderes verschlafenes faules Camp gründlich aufzumuntern. Und dich, mein Hürchen, nehme ich mit. Ich werde dich zu meiner Köchin und meiner Criada machen, mein Dienstmädchen für alles. Für alles. Verstehst du!« Er packte sie am Kinn und riss das Kinn hoch, so dass er ihr in die Augen sehen konnte. Modesta jedoch schlug ihre Augen nieder.
»Wenn du dich gut beträgst und mir zu Gefallen bist, dann geht es dir gut, du Lümpchen. Und wenn du dich nicht gut beträgst, dann reibe ich dir dein braunes Fell ab und sause dich raus, und du magst allein durch den Dschungel heimkriechen in dein verdrecktes, verlaustes und verhurtes Dorf, wenn dich nicht vorher die Tiger erwischen und dir beide Beine ausreißen und wer weiß, was sonst noch mehr.«
»Ich will aber nicht Ihr Dienstmädchen sein, Patroncito«, sagte Modesta leise.
»Das bestimme ich und nicht du, du Dreckfratze.« Don Felix wandte sich ab und folgte seinem Bruder Don Severo, der bereits weit vorausgegangen war und die äußerste Gruppe von Leuten verhörte. |
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