Willkommen bei Nemesis - Sozialistisches Archiv für Belletristik
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„Ich befehle Ihnen, sich in Bewegung zu setzen!" brüllte der Transportführer. „Ich kann nicht." „Das werde ich Ihnen zeigen!" Er rollte die Augen und ließ meine rechte Hand entfesseln, so dass ich nur noch mit einer Hand an die Kette gebunden war. Durch die langen halbdunklen und öden Gänge trat der Zug rasselnd seinen Weg an. Ich weiß nicht, wie viele Türen hinter meinem Rücken geschlossen wurden. Schließlich langten wir in der einsamen Straße an, wo uns ein ungefüger, mit zwei Pferden bespannter Wagen erwartete. „Wie viele Häftlinge haben Sie, Unteroffizier?" fragte der Kutscher. „Zwanzig", antwortete der Unteroffizier. „Jesus, wo bringe ich die unter? Ich habe nur sechzehn Plätze, und wir sind im ganzen dreiundzwanzig ..." Da wir so gefesselt waren, genügten drei Carabinieri, um uns alle zu überwachen. „Wir müssen noch neun andere bei verschiedenen Kommissariaten abholen. Wir werden sie ein bisschen zusammenpressen, sie haben es bequem genug", spottete der Unteroffizier. Ihm antwortete ein dumpfes Protestgemurmel. „Wer hat etwas dagegen? Los, ihr Schufte!" brüllte der Transportleiter. Tiefes Schweigen. Eng aneinandergepresst in dem unbequemen Wagen fuhren wir los. Auf dem Bahnhof kamen wir halb sieben an, nachdem wir ungefähr drei Stunden lang durch die stillen Straßen gerumpelt waren. Bei jedem Halt wurde wieder einer in den Wagen gestoßen. Wir saßen einer auf dem anderen. Man konnte nicht atmen. Die Handgelenke schmerzten furchtbar. Bei jedem Rütteln des Wagens ertönten Flüche und Schmerzensschreie. Der alte Zuchthäusler jammerte: „Sie werden mein armes Vögelchen ersticken." Ein anderer sorgte sich um seine weiße Maus. Fast alle alten Häftlinge halten sich irgendein Tierchen, um das sie rührend besorgt sind. In Ancona habe ich einen Häftling wie ein Kind weinen sehen, weil seine Amsel sich eine Pfote gebrochen hatte. Er pflegte sie sorgsam. Aus zwei kleinen Zweigen und etwas Garn stellte er einen provisorischen Verband her, und das Vögelchen genas. Schließlich trafen wir auf dem Bahnhof ein. In Reih und Glied warteten wir, bis der Zug zusammengestellt war, und stiegen dann in den finsteren Waggon. So ein Waggon erinnert an eine Schachtel. Die wenigen Luftlöcher werden durch den Qualm der Lokomotive verstopft, hinter der sich der Waggon fast immer befindet. Von einem Ende des Waggons zum andern führt ein Mittelgang, und zu beiden Seiten dieses Ganges liegen viele winzig kleine Zellen. In eine dieser Zellen wurde ich eingeschlossen. Man kann sich nicht aufrichten. Auf den dunklen Gang führt eine winzige vergitterte Öffnung. Auf der Außenseite ist nichts zu sehen. Das Licht soll von oben kommen. Tatsächlich befindet sich in der Decke der Zelle ein sehr dickes und fest eingefügtes Stück Glas mit einem Durchmesser von zehn oder zwölf Zentimetern. Aber der Staub und der Regen haben es so verschmiert, dass man nichts sehen kann. Der Zug fuhr ab. Einen Augenblick danach wurde die Zelle geöffnet, und der Transportführer trat ein. „Jetzt können Sie sich nicht mehr damit entschuldigen, dass Sie nicht gehen können", sagte er und ließ mich fesseln. Dann wurde Essen ausgegeben. Unterwegs gab es nichts außer einer doppelten Brotration. Die Handschellen wurden uns nicht einmal abgenommen, wenn wir essen oder ein Bedürfnis verrichten mussten. Die Züge, an die die Zellenwagen angehängt werden, sind immer aus Personen- und Güterwagen zusammengesetzt. Auf jedem Bahnhof gibt es einen langen Aufenthalt. Es wird rangiert, und Güter werden aus- und eingeladen. Von Turin bis Alessandria — dies war unsere erste Etappe — sind es rund sechzig Kilometer. Wir brauchten dazu etwa zehn Stunden. Wir wurden ausgeladen, mussten einen Zellenwagen besteigen und fuhren zum Gefängnis. Hier wurden wir durchsucht, wobei wir uns nackt ausziehen mussten. Dann kamen die Aufnahmeformalitäten und die Fingerabdrücke, und schließlich, nach stundenlanger Wanderung durch Büros und Magazine, wurden wir in einem großen Raum untergebracht. Es war der so genannte Durchgangsraum. Wenn die Zellen im allgemeinen schmutzig sind, so sind diese Räume richtige Mistgruben. Da die Häftlinge hier nur vorübergehend sind, nehmen sie nicht die geringste Rücksicht. „Es geht ja sowieso gleich weiter", sagen alle ... Die Fenster hatten keine Scheiben, es war im Februar. Alessandria ist eine neblige Stadt. Es herrschte eine feuchte Kälte. Wir schliefen auf durchlöcherten und schmutzigen Strohsäcken, die auf der Erde lagen. Die Decken wimmelten von Läusen. Unter diesen Verhältnissen warteten wir drei Tage auf den nächsten Zellenwaggon. Dann wurden wir wieder um zwei Uhr nachts geweckt und brachen erst um acht auf, nachdem wir das Aufnahmebüro, die Unterschriften, die Fingerabdrücke, die Handschellen und langwierige Verhandlungen hinter uns gebracht hatten. In Reih und Glied standen wir schließlich auf dem Bahnsteig, umringt von Carabinieri und Neugierigen, als ein Gefängniswärter atemlos angerannt kam. „Herr Unteroffizier, wissen Sie, was diese Hunde gemacht haben?" Mit den Hunden waren natürlich wir gemeint. „Sie haben mir alle Fensterscheiben im Durchgangsraum zerschlagen." Einmütiger Protest. „Als wir angekommen sind, ist überhaupt keine Fensterscheibe dagewesen", sagte ich. „Halten Sie den Mund!" sagte der Unteroffizier. Dann wandte er sich an den Wärter: „Was kostet das Einsetzen von neuen Scheiben?" „Mindestens fünfzig Lire." Trotz unserer Proteste zahlte der Unteroffizier. Mit unserem Gelde natürlich, das er in Verwahrung hatte. Unterwegs teilte er dann den Betrag entsprechend dem Geldbesitz der einzelnen unter uns auf. Ich erwähne diesen Zwischenfall, weil ich im Jahre 1926, als ich im Polizeipräsidium von Mailand saß, im Gespräch mit einem anderen Häftling erfuhr, dass auch er die zerschlagenen Fensterscheiben des Durchgangsraums im Gefängnis von Alessandria bezahlt hatte. Die nächste Etappe war Piacenza. Hier dauerte es vier Tage. Durchsuchung, Aufnahmeformalitäten, Fingerabdrücke bei der Ankunft und bei der Weiterfahrt, Handschellen. Ein grauenhafter Durchgangsraum. Hier traf ich mehrere Politische. Sie waren alle wegen der Bildung von bewaffneten Gruppen verurteilt. Es waren Bauern und Arbeiter. In dem schmutzigen Raum, beim trüben Schimmer einer stinkenden Ölfunzel, erzählte ich jede Nacht stundenlang von der russischen Revolution. Alle Häftlinge, auch die kriminellen, hörten mir, um meinen Strohsack gedrängt, schweigend zu. Sie stellten die verschiedensten Fragen. „Gibt es auch Diebe in Russland?" „Sind die Kirchen geöffnet?" „Hast du Lenin gesehen?" „Hast du die Bolschewisten gesehen?" „Hast du keine Angst gehabt? Hast du zu essen bekommen?" Bei den taktmäßigen Schritten der Wärter, die die Fenstergitter revidieren kamen, was in der Nacht alle drei Stunden geschah, verdrückten sich meine Zuhörer ... Am Morgen der Abreise von Piacenza (nachdem die Unterschriften, die Durchsuchungen, die Aushändigung der Sachen und die Fingerabdrücke erledigt waren) wurden wir, da der Zug sich um drei Stunden verspätete, was sehr häufig vorkam, einstweilen ins Bahnhofsrestaurant geführt. Die Carabinieri gestatteten uns, kleine Einkäufe zu machen. Bis zur Ankunft des Zuges unterhielten wir uns. Mein Kettennachbar, der alte Zuchthäusler mit dem Vogelbauer, säuberte den Käfig, so gut es ging, und fütterte seinen Fink. Da ich nur an einer Hand gefesselt war, half ich ihm dabei. Übrigens half ich auch den anderen, sich eine Zigarre anzustecken oder das Brot zu brechen. Der Transportführer, ein hochgewachsener blonder Maresciallo, ließ es geschehen. Er ging umher und fragte alle, woher sie kämen, wohin sie gebracht werden sollten, wie viele Jahre sie abzumachen hätten und so weiter. Fast alle behaupteten, sie seien das Opfer eines Justizirrtums oder eines Racheaktes oder viel zu hoch bestraft worden. Als er zu mir kam, fragte er: „Und was haben Sie gemacht?" „Ich habe ein sehr schweres Verbrechen begangen", antwortete ich. „Ich bin wegen eines Anschlages gegen die Sicherheit des Staates angeklagt." „Aha, Sie sind Kommunist, vielleicht einer von denen, die nach der Rückkehr aus Russland verhaftet worden sind? Erzählen Sie uns doch etwas", fügte er hinzu, als ich bejahend genickt hatte. Ich begann zu erzählen, und ich erzählte lange. Die Häftlinge umdrängten mich im Kreise. Auch die Carabinieri hörten zu. Es war ein sehr aufmerksames Publikum. Der Maresciallo hörte auch sehr aufmerksam zu. Einer der Häftlinge — er war wegen schweren Raubes verurteilt — unterbrach mich mit den Worten: „Die Bolschewisten haben furchtbare Sachen gemacht. Die ganze zivilisierte Welt ist gegen diese Barbaren." Ein anderer fiel ihm ins Wort: „Was weißt du denn davon? Glaubst du alles, was gedruckt wird? Sei still, schließlich ist er in Russland gewesen." „Genug für heute", beendete der Maresciallo das Gespräch. Wir gingen wieder auf den Bahnhof zwischen zwei Reihen von Neugierigen, von denen uns manche betrachteten, als wären wir wilde Tiere, während andere sichtlich Mitleid mit uns hatten. Am Abend wurden wir in Bologna in das berüchtigte Gefängnis San Giovanni in Monte gebracht. Einen Durchgangsraum wie den in Bologna hatte ich noch nicht gesehen. Wir waren etwa siebzig Häftlinge, und ich muss zugeben, dass es nicht einmal zu eng war, da die jüngeren Leute spielen und umherlaufen konnten. Es war ein großer, aber sehr niedriger Raum. Einige Säulen stützten das feuchte, tropfende Gewölbe. Es war ein Kellerraum. Das Licht fiel durch Löcher ein, wie es in Kellern üblich ist. Als wir ankamen, wurden wir nach den üblichen Formalitäten mit Begrüßungsrufen empfangen. Von allen Seiten fragte man uns: „Von wo bist du? Woher kommst du? Bist du ein Krimineller? Wie viel Jahre musst du absitzen?" Die elenden Betten waren alle besetzt. Für uns blieb nur der übliche Strohsack auf dem Boden. Ich richtete mich in einer Ecke ein, neben dem Bett eines jungen Mannes, der in einem Räuberschmöker las. Als er mich erblickte, erhob er sich sogleich. „Nimm mein Bett. Es soll nie einer sagen, dass der Rotkopf einen Kranken auf der Erde schlafen lässt. Komm hierher, ich bin noch jung. Du bist zwar nicht alt, aber du hast ein krankes Bein." Es war nichts zu machen. Er nahm meinen Strohsack, und ich musste sein Bett nehmen. Dann erzählte er mir, dass er acht Jahre wegen Totschlages abzumachen hatte. „Ich habe einen in Notwehr erschlagen, und sie haben mich so hereingelegt, weil ich kein Geld hatte, um mir einen guten Rechtsanwalt zu nehmen. Die Armen haben immer unrecht. Mir tut nur meine arme Mutter leid." Dann las er weiter. Neben mir unterhielten sich zwei junge Leute. Der eine sagte: „Ich bin schwach gewesen. Der Junge tat mir leid. Er war gerade von der Universität gekommen. Ich solle mich von ihm verteidigen lassen, sagte er, er werde mich hervorragend verteidigen. Was willst du? Ich bin im Grunde gutmütig. Die Bettelei des armseligen Anfängers rührte mich, und ich ließ mich verteidigen. Hätte ich es doch nie getan! Er verhaspelte sich vor den Richtern, verwechselte die Paragraphen, bat um mildernde Umstände, statt auf meiner Unschuld zu bestehen, und schließlich bekam ich die Höchststrafe. Man soll nie Gutes tun ..." „Was mich betrifft", sagte der andere, „so lasse ich mich durch diese Lehrlinge nie mehr beeindrucken. Einmal hat einer von ihnen mir hundert Lire geboten, damit ich mich von ihm verteidigen ließ. Stell dir das vor! Mit meinem Namen und meiner Vergangenheit!" Auf einem anderen Bett erzählte ein Häftling, von zahlreichen Zuhörern umgeben, wie er eine Bank ausgeraubt habe. „Und jetzt sitze ich hier", schloss er. Zwei Häftlinge spielten auf der Erde Dame. Das Brett war mit Kreide auf den Fußboden gemalt. Der Einsatz war ein Knopf für jede Partie. In der gegenüberliegenden Ecke deklamierte ein gut gekleideter Mann Carducci. Einige gingen auf und ab. Andere starrten ins Leere und hingen ihren Gedanken nach. „Und was ist mir dir, Vollbart?" Die Frage kam von dem jungen Mann, der so viel Mitleid mit dem strebsamen jungen Rechtsanwalt gehabt hatte. „Ich betrachte dich schon eine ganze Weile und kann nicht dahinter kommen, wo ich dich unterbringen soll." „?" „Ja, wie ein Einbrecher siehst du nicht aus, wie ein Taschendieb auch nicht, und wie ein Räuber schon gar nicht. Vielleicht hast du deine Geliebte umgebracht? Oder hast du dich in den Büchern deines Chefs verrechnet?" „Was bist du für ein Dummkopf!" sagte sein Freund. „Hast du nicht gemerkt, dass er ein Politischer ist? Stimmt's?" wandte er sich an mich. Ich nickte bestätigend. Ein anderer junger Mann, ein sympathischer Herkules, der ein Stück Zeitung las, kam an mein Bett gestürzt. „Bist du Anarchist oder Sozialist oder Kommunist?" „Ich bin Kommunist." Er fiel mir um den Hals. Ich glaubte, er wolle mich ersticken. „Ich bin auch Kommunist. Aus Massa bin ich. Ich kenne Bibolotti." Er nannte noch andere Genossen. „Kennst du sie auch?" „Aber ja, ich kenne sie gut." Strahlend setzte er sich zu mir. Er war ein Riese mit Kinderaugen. Als er hörte, dass ich in dem Prozess in Rom angeklagt war, bestürmte er mich mit Fragen. Er wollte alles mögliche wissen. Seine Fragen waren nicht die üblichen. Man spürte den guten und zuverlässigen Genossen. Er hörte zu, während ich von Russland und von Lenin sprach, von den Betrieben und den Sowjets, von den Empfängen und von der Roten Armee. Vor allem hierüber wollte er Genaueres wissen. Dann begann er selbst zu erzählen. „Ich kann nicht reden, aber das ist nicht so wichtig. Ich kenne meine Pflicht und werde sie weiter erfüllen. Frage Bibolotti!" Bibolotti, der jetzt eine Zuchthausstrafe von zwanzig Jahren verbüßt, war Sekretär des Provinzialverbandes Massa-Carrara der Kommunistischen Partei. „Armer Bibolotti! Ich habe ihn mit seiner Frau und seinem kleinen Jungen auf der Straße gesehen, während sein Haus in Flammen stand. Die Dreckhemden hatten es angesteckt. Er war verwundet. Der kleine Junge weinte. In dieser Nacht habe ich viele zusammengeschlagen! Sie fielen beim ersten Hieb mit dem Knüppel, und als der an einem besonders harten Kopf zerbrach, habe ich mit denen hier" — er zeigte seine furchtbaren Fäuste — „nachgeholfen. Dann musste ich mich in Sicherheit bringen ..." Er hielt inne, um Atem zu holen. (Später habe ich über diesen Genossen mit Bibolotti gesprochen, und er hat mir alles bestätigt, was dieser mir in jener Nacht im Keller von San Giovanni in Monte erzählte.) Die Häftlinge betrachteten ihn bewundernd. „Ich musste durchs Land irren wie ein räudiger Hund. Ich war immer auf den Versammlungen mit Bibolotti. Der war ein Redner! Er sagte ganz einfache Sachen, die auch ich begriff, aber ich verstand es nicht, sie unter die Leute zu bringen. Einmal, als er in einem Landstädtchen sprach, war ich unter den Zuhörern. Ein paar Faschisten krakeelten. Ich habe zwei am Kragen gepackt und sie ein bisschen zurechtgestaucht." Zur Verdeutlichung packte er zwei neben ihm stehende Häftlinge. „Sie haben gleich Ruhe gegeben. Nach der Schreckensnacht in Massa bin ich noch einmal in meinem Ort gewesen, um mich von meiner Mutter zu verabschieden — arme Mutter! — und mir ein paar Hemden und Kleidungsstücke zu holen. Die Faschisten hörten davon. Haufenweise umringten sie mein Haus. Damit meine arme Mutter nicht vor Schreck starb, sprang ich aus dem Fenster in den Garten und schoss auf die ersten Faschisten, die mir in den Weg kamen. Zwei brachen röchelnd zusammen. Ich flüchtete in die Felder. Sie verfolgten mich und schossen immer wieder auf mich, ohne mich zu treffen ... Ich bin ihnen entkommen." Die Häftlinge, die allerlei gewöhnt waren, waren tief beeindruckt durch die Erzählung des Genossen. Auf dem Gang ertönten Schritte, Schlüssel klirrten, Riegel rasselten. Es waren die Gefängniswärter. „Da kommen die Menschenfleischhändler", meinte spöttisch ein alter Zuchthäusler, der Tabak schnupfte. „Das wissen wir auch, dass sie kommen, altes Schwein!" erwiderte ihm ein junger Mann, der sich rühmte, in Neapel in der Zelle der Margherita Pusteria gewesen zu sein. „Du wärest hier nicht eingesperrt, wenn du keine Minderjährigen vergewaltigt, sondern dich an Frauen gehalten hättest, wie andere es tun." In den Augen des alten Zuchthäuslers blitzte es auf. Die Wärter traten ein. Es waren ziemlich viele. Einer schlug mit einer Stahlstange an die Fenstergitter. Sie pflegten darin zu wetteifern, in musikalischem Rhythmus an die Gitter zu schlagen. Andere Wärter stöberten zwischen den Strohsäcken herum. Der Oberwärter zählte uns alle, nachdem wir in Reih und Glied angetreten waren, wie man Kartoffelsäcke zählt. „Es fehlt einer! He, Wachhabender, ein Häftling fehlt!" Große Aufregung und nochmaliges Abzählen. Es fehlten zwei. Die Wärter waren fassungslos. „Sind die Eisenstangen in gutem Zustand?" „Jawohl", antwortete in strammer Haltung der Wärter, der vorhin Musik gemacht hatte. Wir wurden noch einmal gezählt, und diesmal fehlte niemand. Die Wärter atmeten erleichtert auf. Zwei von den Häftlingen lächelten. Später, als die Wärter hinausgegangen waren, erzählten sie, sie hätten sich versteckt, zuerst der eine, dann der andere ... Schon standen die Häftlinge wieder um unser Bett herum. „Erzähle doch, Tiburzi, wie deine Flucht ausgegangen ist." „Hier hat sie geendet", erwiderte finster der riesige Tiburzi. Dann lächelte er. „Du weißt nicht", sagte er zu mir, „dass mich die Faschisten, die mich durch Toscana hetzten, nach diesem Vorfall Tiburzi genannt haben, wie den berühmten Räuber. Natürlich bin ich ein Räuber, und sie sind die Edelleute. Ich habe das in der Zeitung gelesen und dann erfahren, dass sie mir das Haus angesteckt und meinen Vater mit meinen beiden Brüdern verhaftet haben, die noch jünger sind als ich, noch Kinder ... Meine Mutter ist gestorben ..." Er hielt inne. In dem Kellergewölbe herrschte Grabesstille. „Unser Tag wird kommen, nicht wahr?" sagte er und packte mich an den Armen. Seine Augen leuchteten. „Er wird kommen, das ist sicher. Ich habe mich ihren Nachforschungen entziehen können. Die Bauern, die Genossen halfen mir und schafften mich von einer Ortsgruppe zur andern an die Grenze. Ich war schon in Triest und wollte Italien verlassen. Ich hatte einen Faschisten umgebracht in jener höllischen Nacht und mehrere verwundet. Auf meine Ergreifung hatten sie einen Preis ausgesetzt, wie bei Tiburzi ..." Er lächelte, trank einen Schluck Wasser und erzählte weiter: „Eines Abends aß ich eine Kleinigkeit in einem Restaurant in San Giacomo. Wie üblich, stritten sich Faschisten und Antifaschisten. Ich mischte mich nicht ein, das hatte man mir eingeschärft. Oft hatte ich, um der Versuchung aus dem Wege zu gehen, eilig gegessen und war dann hinausgegangen, um am Strand spazierenzugehen. Die frische Nachtluft hatte mich immer beruhigt. Auch an diesem Abend wollte ich es so machen. Aber ... passt auf. Das Restaurant war fast leer. Einige Arbeiter verzehrten ihr Abendessen. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und fünf oder sechs mit Knüppeln bewaffnete Faschisten traten ein. „Da ist er!" sagten sie und wiesen auf einen Arbeiter, der beim Essen ruhig den ,Lavoratore' las. Gleich stürzten sie über ihn her. Mir wurde schwarz vor den Augen. Mit allem, was mir zwischen die Finger kam, schlug ich dazwischen. Der Arbeiter lag keuchend am Boden. Das Blut lief ihm aus der Nase und aus den Ohren. Zwei oder drei der Angreifer lagen mit zerschlagenem Schädel an der Erde. Revolverschüsse krachten. Ich schoss auch und konnte mich durchschlagen. Ich rannte durch die halbleere und dunkle Straße. Revolverschüsse und schnelle Schritte hinter mir. Ich spürte einen scharfen Schmerz im linken Fuß ... Von Zeit zu Zeit hielt ich sie durch Schüsse in vorsichtiger Entfernung. Es waren zwei. Ich konnte nicht mehr laufen ... ich musste verwundet sein. Da beschloss ich, ihnen entgegenzutreten ..." Ein gellender Schrei unterbrach seine Erzählung. Ein Häftling wand sich in epileptischen Krämpfen. Mehrere andere hatten Mühe, ihn auf dem Bett festzuhalten. Allgemeine Aufregung. Der Wärter erschien mit zwei Kalfaktoren. Sie trugen ihn fort. Der Schaum stand ihm vor dem Munde. Tiburzi erzählte weiter: „Als ich stehen blieb und mich umsah, wichen die beiden zurück. ,Kommt heran, ihr Hunde, wenn ihr Mut habt!' Die beiden aber wichen weiter zurück. Sie waren ja nur zwei. Die anderen waren auf der Strecke geblieben. Sie feuerten einige Schüsse ab, offenbar wollten sie die Leute aufmerksam machen. Meine Lage war kritisch. Die wenigen geöffneten Fenster hatten sich geschlossen. Plötzlich hörte ich Schritte... Zwei Carabinieri erschienen, vielleicht angelockt durch die Schüsse. Es war aus. Ich stellte mich gegen die Wand, fest entschlossen, meine Haut teuer zu verkaufen. Die beiden Faschisten fassten Mut. Sie fingen wieder an zu schießen und schrieen dabei: ,Hier schießt ein Kommunist! Nehmt ihn fest!' Ich erwiderte die Schüsse und streckte einen Faschisten nieder. Um mich herum hörte ich die Kugeln pfeifen. Dann waren sie über mir und schlugen auf mich ein. Ich habe mich gewehrt, das kann ich euch versichern ... Schließlich kamen noch mehr Carabinieri, ich wurde ins Gefängnis gebracht, und nun sitze ich hier." Langes Schweigen. „Einer von den Faschisten starb, die andern wurden alle mehr oder weniger übel zugerichtet. Jetzt komme ich zum Prozess nach Massa", fuhr Tiburzi fort, „dann werden sie mir in Triest den Prozess machen. Ihr Urteil kümmert mich nicht. Für mich gibt es nur das der Genossen, der Arbeiter, und die werden mich freisprechen, das weiß ich." Dann rief er, so laut er konnte: „Es lebe die Kommunistische Partei! Es lebe die Revolution!" Der Wärter erschien am Guckloch. „Wer schreit hier so laut? Ist hier noch ein Epileptiker? Wenn ihr nicht ins Loch kommen wollt, hört auf damit!" Er entfernte sich wieder. Nach der Erzählung Tiburzis wurde es nicht mehr laut. Alle waren tief bewegt an diesem Abend und sprachen nur halblaut. Tiburzi verließ seinen Platz und kam zu mir. Wir sprachen noch lange miteinander. Dann kam die Runde. Die Stille wurde von dem bald geräuschvollen, bald gedämpften Schnarchen eines Häftlings unterbrochen. Um seinen Strohsack herum lagen fast alle Schuhe der Kameraden, die sie nach ihm geworfen hatten, um ihn zum Schweigen zu bringen. Er schnarchte aber unbeirrt weiter. Einige Tage später wurde ich nach Ancona weiterbefördert. Tiburzi fuhr die Strecke Parma—Spezia. Wir umarmten uns. Wieder das Aufnahmebüro, die Fingerabdrücke, die Unterschriften, die Durchsuchungen — die Reihe der an die Kette Gefesselten wurde immer länger ... Ein Häftling in meiner Nähe hatte ein Bündel umgehängt, das wie ein Mantel aussah und das er vorher nicht gehabt hatte. „Ich habe ihnen einen Streich gespielt", meinte er lächelnd und blinzelnd. „Ich habe die schönste Decke aus dem Schlafsaal in Bologna gestohlen. Sie haben es anscheinend nicht gemerkt." „Was hast du von der Decke?" sagte ich. „Im Zuchthaus kriegst du bestimmt eine." „Natürlich. Aus dieser mache ich Pantoffeln für die Häftlinge, die vielleicht Zigaretten oder ein Glas Wein heranschaffen können. Sieben Jahre sind eine lange Zeit, mein Lieber!" Er lachte zufrieden. Wir wurden in unsere Zellen gesteckt. Es war sechs Uhr morgens. Abends um acht kamen wir an. Für die Strecke braucht man sonst zwei Stunden. Unterwegs gab es ein Stück Brot und einen Schluck Wasser. Die Handschellen schnitten in die schmerzenden Gelenke. Halb neun trafen wir im Gefängnis ein. Die Aufnahmeformalitäten zogen sich bis Mitternacht hin. Dann ging es hinunter in den großen Raum, in dem wir wie die Heringe im Fraß zusammengepfercht waren. Es herrschte ein entsetzlicher Gestank, es wimmelte von Ungeziefer. Der Raum starrte von Schmutz und Unrat. Mit zerschlagenen Gliedern, schmerzenden Handgelenken und leerem Magen warfen wir uns auf die Strohsäcke. Zuweilen fragte einer etwas, dann herrschte wieder Stille, die nur durch das Schnarchen eines Häftlings oder durch die monotone Stimme eines Betenden unterbrochen wurde. „Ave Maria gratia plena, dominus tecum ..." „Wenn du nicht aufhörst, stoße ich dich mit dem Kopf in den Kübel", sagte eine zornige Stimme. (Dieser hölzerne Kübel hatte die Ehre, uns als WC zu dienen.) „Warum darf ich nicht beten? Du solltest auch beten. Du würdest Trost finden im Gebet. Wir sind allzumal Sünder", flennte der mit dem „Ave Maria". „Du bist vielleicht ein Sünder, ich bin ein Dieb, und ich sage das ungeniert. Wer viel besitzt, den bestehle ich. Solange es Leute gibt, die nicht arbeiten und Geld haben und Autos und schöne Häuser und in die Berge und ans Meer fahren, arbeite ich nicht. Ich stehle und pfeife auf dich und deine selige Jungfrau. Wenn es gut geht, wohne ich in großen Hotels, habe ich schöne Frauen, führe ich ein lustiges Leben. Wenn es schief geht, esse ich Brei und Kartoffeln und sitze im Loch. Du bist seit zwei Tagen hier und hast noch nicht den Mut gehabt, uns zu sagen, was du angestellt hast. Du betest nur immer, du Hundesohn ..." „Ich bereue meine Vergehen und büße schweigend ..." „Wenn du wenigstens imstande wärest, schweigend zu büßen, statt uns mit deiner Beterei auf die Nerven zu fallen!" sagte der Einbrecher. „Willst du nun sagen oder nicht, was du ausgefressen hast? Ich wette, dass du ein Schwein bist!" „Richtig! Sehr richtig!" ertönte es von mehreren Seiten. Durch das Gespräch waren einige wach geworden. Der andere schwieg. „Fang schon an, altes Schwein!" schrie der Einbrecher. „Ich bin nie ein Schwein gewesen, fragt Gigetto den Schieler. Wir sind zwei Jahre in Saluzzo gewesen. Ein Schwein bin ich nie gewesen." „Das stimmt, meine Herren", sagte Gigetto der Schieler. „Dann steckst du mit ihm unter einer Decke", meinte der Einbrecher. „Was Soll das heißen? Wie kann man zwei Jahre zusammen leben, ohne zu wissen, mit wem man es zu tun hat?" „Pardon", erwiderte Gigetto, „ich weiß, worum es sich handelt, aber ich habe versprochen, den Mund zuhalten. Der Kerl hat mir leid getan. Aber da ich ein Mann von Ehre bin und die Gebräuche unter uns Edelleuten kenne, werde ich es sagen, wenn Pasquale" — das war der Betbruder — „es nicht sagt." „Ich habe dir doch zwei Schachteln Zigaretten gekauft!" winselte der Alte. „Gigetto hat sich schon ehrlich gemacht. Rede jetzt, Alter, oder Gigetto hat das Wort!" Alle waren gespannt. Der Alte schwieg. Da erhob sich Gigetto der Schieler und sagte: „Pasquale, die Ehre gebietet mir, zu reden. Dieser Mensch — er wies mit dem Arm in die dunkle Ecke, in der Pasquale lag — hat ein besonders ruchloses Verbrechen begangen. Er hat seine achtjährige Enkelin vergewaltigt." „Sie hat es gewollt", protestierte Pasquale. Ein Hagel von Beschimpfungen und Flüchen brachte ihn zum Schweigen. „Also darum hast du nicht reden wollen, du altes Schwein! Und hast noch den Mut zu beten! Ich bitte die verehrten Anwesenden, diesen Menschen für ehrlos zu erklären. Wer dagegen ist, melde sich!" Kein Laut. „Und wenn du dich jetzt noch einmal bemerkbar machst, du altes Schwein, kriegst du von mir eine Tracht Prügel. Du wagst es noch, deine Götter und dein armes Opfer zu beleidigen?" Am Morgen sah ich mir Pasquale an. Er sah wirklich widerlich aus. Beim Spaziergang erlebte ich eine Überraschung. Ich ging neben einem Spezialisten für Eisenbahndiebstähle, als ich plötzlich den Namen Barbadirame hörte. Ich sah hin. Es war ein Gefängniswärter. Ich erkannte ihn sogleich. Er hatte in Fossano zu meinen Kunden gehört. „Was macht mein Friseur hier?" sagte er, erfreut über das Wiedersehen. „Ich gehe spazieren", antwortete ich. „Sie sind hier wohl auf der Durchreise? Natürlich hängt das wieder mit der Politik zusammen ..." Ich nickte. Er trat an das Gitter. Auch beim Spaziergang waren wir hinter Gittern. „Sind Sie gestern abend gekommen? Um vier werde ich abgelöst und benachrichtige sofort den vom Hilfskomitee für die politischen Häftlinge" — damals war so etwas noch möglich —, „dass Sie hier sind. Wo wollen Sie hin?" Er sagte das alles in einem Atem. „Nach Rom", antwortete ich. „Ausgezeichnet! In Regina Coeli habe ich einen Freund. Ich gebe Ihnen eine Empfehlung mit. Er ist ein guter Freund, Sie werden sehen. Wenn Sie Abgeordneter sind, werden Sie mir dann eine Empfehlung geben." Er lachte über seinen Einfall. Am nächsten Tage — es waren noch andere Zeiten — erhielt ich ein Mittagessen und ein Schreiben, in dem ich im Namen der Ortsgruppe der Kommunistischen Partei begrüßt wurde. Ich erhielt gedämpfte Makkaroni, Fleisch, Gemüse, Obst, Wein und Zigaretten. Nach so langer Trennung von den Genossen rührte mich dies Schreiben. Stumm stand ich vor dem Korb. Die grobe Stimme des Wärters rief mich in die Wirklichkeit zurück. „Kontrollieren und unterschreiben!" Ich unterschrieb. Ich aß weniger als sonst. Ich teilte die Mahlzeit mit meinen strahlenden Gefährten. Einer bekam ein Stück Fleisch, ein anderer ein Viertel von einem Apfel, der nächste eine Zigarette, und so fort, bis der Korb leer war. Wenige Tage danach ging es weiter. Wir hockten in einem großen offenen Wagen, wie üblich gefesselt. Sonderbarerweise bemerkte ich, als wir durch ein Arbeiterviertel fuhren, ziemlich viele Arbeiter, die uns mit der Hand oder mit dem Hut zuwinkten. Ich fragte meine Reisegefährten, ob sie in Ancona Bekannte hätten. Sie verneinten. „Vielleicht winken sie den Carabinieri zu", meinte einer. „Nein, nein", sagte der uns begleitende Maresciallo. „Das gilt euch. Sie wissen, dass in Ancona viele politische Häftlinge sind, und zur Sicherheit grüßen sie alle Wagen, die sie durchfahren sehen." Ich machte noch in Giulianova, in Castellammare Adriatico und in Sulmona Station, und am Abend des achtunddreißigsten Tages seit meiner Abfahrt aus Turin langte ich völlig erschöpft in der Ewigen Stadt und in dem großen Gefängnis Regina Coeli an. Trotz meiner Müdigkeit und Erschöpfung war ich beinahe froh. Hinter diesen Mauern saßen alle meine „Mitschuldigen", Grieco, D'Onofrio, Gnudi und andere, und außerdem hatte die Qual ein Ende, wenigstens für den Augenblick. Um elf Uhr abends betrat ich meine Zelle. Es waren schon zwei darin, ein Kokainist und ein Ungar, der aus Eifersucht seine Geliebte umgebracht hatte. Der Ungar war ein finsterer Geselle. Der andere, ein hochgewachsener und blondhaariger schöner Mann, begann, während ich meine Sachen unterbrachte, ein Gespräch. „Von wo kommst du?" Seine Aussprache klang fremdartig. Ich konnte nicht feststellen, aus welcher Gegend Italiens er stammte, was doch leicht ist für jemand, der ein wenig herumgekommen ist. „Ich komme aus Turin", antwortete ich. „Eine schöne Stadt, schöne Frauen, guter Wein ..." Dann: „Was hast du gemacht?" „Ich bin ein Politischer", sagte ich, hatte aber nicht viel Lust zum Plaudern. Ich war sehr müde. Er ging auf und ab. Plötzlich blieb er stehen. „Ich auch", sagte er. Ich war überrascht. Ein Genosse? „Von welcher Partei bist du? Woher bist du? Ich bin Kommunist", erwiderte ich. „Ich bin Russe, aber ich bin kein Kommunist ... Ich gehöre zu denen, die ihr Kommunisten Weiße nennt." Eine gewisse Ironie klang aus seiner Stimme. „Du bist ein Weißer und bist im faschistischen Italien im Gefängnis und erzählst mir, dass du ein Politischer bist ... Die Weißen leben in Italien gut, weil sie gegen die Bolschewisten schreiben, und kommen nicht ins Gefängnis." „Ja doch! Ich möchte dich in meiner Lage sehen! Eines schönen Morgens wache ich auf und erfahre, dass eine Bande von Schurken alles in meinem Lande auf den Kopf gestellt hat und dass ich kein Geld mehr habe und keine Desjatine Land mehr besitze. Die Hunde! So das mächtige große Russland zu zerstören! Und was für scheußliche Sachen sie gemacht haben ..." „Ja, sie haben dir deine Einkünfte entzogen und haben dich gezwungen, dein Brot zu verdienen, und das ist wirklich barbarisch", sagte ich ironisch. Der Russe gab keine Antwort. Nun brach der Ungar sein Schweigen und sagte in schlechtem Italienisch: „Wir haben auch Revolution gemacht. Es ist schief gegangen. Ich verstehe nichts von Politik. Im Kriege bin ich desertiert und habe hier in Rom das Biest kennen gelernt, das mir den Kopf verdreht hat. Amalia. Sieh mal, wie schön sie war. Ich habe das Bild durchschmuggeln können." Er zeigte mir die kleine Photographie einer Frau, betrachtete sie eine Weile und schleuderte sie dann an die Wand. „Ich habe nicht nach Ungarn gehen wollen, solange dort geschossen wurde. Ich habe abgewartet. Hätte die Revolution gesiegt, so hätte ich zurückgehen und vielleicht besser leben können. Das ist schief gegangen. Schade ... Ich bin hier geblieben und habe Amalia kennen gelernt. Sie hat mir den Kopf verdreht...und ich habe sie umgebracht." Er machte sich daran, auf allen vieren das Bild unter dem Bett zu suchen. „Du bist mit den Bolschewisten nicht einverstanden", wandte er sich an den Russen, „und sitzt hier? In Italien braucht man nur auf Lenin und die Sowjetregierung zu schimpfen, um zu Geld zu kommen. Dein Verbrechen ist wohl alles andere als politisch." Der Russe blieb stehen und sagte zu mir: „Glaubst du vielleicht, ich bin zum Arbeiten geboren? Ich bin von Adel. Verflucht sollen alle Bolschewisten sein und ihre Gönner. Aber die Herrlichkeit wird ein Ende nehmen ..." „Mir scheint, die Herrlichkeit hat für dich ein Ende genommen", sagte ich. Der Ungar, der noch immer Amalias Bild suchte, lachte laut. „Gut gesagt, gut gesagt!" Und dann: „Gib mir eine Zigarette." Er saß auf der Erde und betrachtete Amalias Bild und putzte es, denn es war in den Schmutz gefallen, und am Gesicht klebte ein Stück Makkaroni. Der Russe sagte nichts mehr. Er legte sich auf das einzige vorhandene Bett. Nach wenigen Minuten schnarchte er laut. „Er hat Schulden bis über die Ohren", flüsterte mir der Ungar zu, der seine Amalia endlich gesäubert hatte. „Er stiehlt Kokain, verkauft es und nimmt es auch selbst. In den ersten Tagen hat er noch welches gehabt. Jetzt hat er alles verbraucht. Er nutzt auch die Frauen aus. Er ist ein tüchtiger Kerl. So muss man es machen mit den Frauen, mein Gott!" Mit seiner Amalia in der Hand warf er sich auf den Strohsack. Die Runde kam schon, als ich halbtot vor Müdigkeit auf den Strohsack sank. Am nächsten Vormittag beim Spaziergang hörte ich meinen Namen rufen. Es waren zwei von meinen „Mitschuldigen", die mich erkannt hatten. Meine Freude war von kurzer Dauer. Nach dem Spaziergang holten die Carabinieri mich ab und brachten mich wieder zum Bahnhof. Ich protestierte. Ich konnte es nicht begreifen. „Sie kommen nach Teramo, der Untersuchungsrichter braucht Sie da." Ich war vier Tage unterwegs, um in drei Etappen etwas mehr als hundert Kilometer zurückzulegen. Teramo. Endlich bin ich an Ort und Stelle. Das Gefängnis ist ein altes Kloster. Nach den üblichen Formalitäten brachte man mich in einen Schlafsaal. Es war in der Nacht. Meine Zellengenossen lagen alle schon im Bett. Ich begrüßte sie, zog mich aus und schlief ein. Am Morgen schloss ich Bekanntschaft mit ihnen. Sie waren alle oder fast alle üble Burschen. Ich ordnete meine Sachen, als einer von ihnen auf mich zutrat und sagte: „Der Stubenälteste möchte mit dir sprechen." „Was ist das für ein Stubenältester? Ich verstehe das nicht", antwortete ich. „Der Stubenälteste wird von uns gewählt. Er ist unser Chef. Wir schulden ihm blinden Gehorsam." Da mein Gesicht ein einziges Fragezeichen war, fuhr der andere, der die finstere Miene eines Kirchendieners hatte, fort: „Wenn du zum Beispiel Geld in deinem Buch stehen hast, bist du verpflichtet, für den Stubenältesten anzuweisen, was er von dir verlangt. Wenn du an der Reihe bist, musst du seinen Platz sauber machen, sonst ..." „Sonst?" fiel ich dem Burschen ins Wort und sah ihm in die Augen. Der Mann mit dem Küstergesicht blickte zu der Gruppe der anderen Häftlinge hinüber, die mit gespielter Gleichgültigkeit auf das Ergebnis unserer Unterredung warteten. Er war aus der Fassung gebracht. „Sonst?" drängte ich. „Das ist Gesetz unter uns", erwiderte er und machte ein geheimnisvolles Zeichen. „Ich habe begriffen, was ihr wollt. Eure Zeichen verstehe ich nicht. Ich möchte wissen, was für eine Strafe darauf steht, wenn man euren Befehlen nicht gehorcht." Der Küster schwieg. Ich wandte mich also direkt an die Gruppe. „Hört mal, Jungens, ihr habt einen schlechten Gesandten geschickt. Wer ist der Stubenälteste?" Fünf oder sechs wiesen auf einen schmächtigen Häftling. Er hatte ein Mardergesicht, kleine, lebhafte Augen und spitze Schnauze. Er war klein von Wuchs. „Hören Sie mal", wandte ich mich an ihn, „Sie haben sich geirrt. Ich bin ein politischer Gefangener, habe also mit Ihrer ehrenwerten Gesellschaft nichts zu tun. Ich habe keine bösen Absichten, aber ich will in Ruhe gelassen werden. Ich bin weder ein Schwein noch ein Idiot." Der Stubenälteste erhob sich, kam auf mich zu und sagte: „Meister, wir begrüßen Sie mit den Ehren, die den Opfern dieser ungerechten Gesellschaft zukommen. Seien Sie willkommen. Betrachten Sie die Worte des Idioten, der vorhin mit Ihnen gesprochen hat, als nicht gesagt. Er ist ein Schwachkopf, der nicht weiß, was sich gehört. Ich küsse Ihnen die Hand und stelle Ihnen meine Leute zur Verfügung." Mit einigem Widerwillen drückte ich ein Dutzend und mehr Hände und verschenkte alle Zigaretten, die ich bei mir hatte. Dadurch stieg ich in der Achtung der Gesellschaft. Zum ersten Mal empfand ich im Gefängnis, abgesehen von allem anderen, starken Abscheu. Diese Leute hatten versucht, mich gleich im ersten Augenblick auf Grund ihrer Überzahl zu ihrem Sklaven zu machen, um sich mir gleich darauf alle zur Verfügung zu stellen. Sie sahen einem niemals ins Gesicht und sprachen immer mit gedämpfter Stimme. Sie waren nicht normal. Es war eine Sammlung von Köpfen, für die sich Lombroso (Anm.: Italienischer Psychiater und Kriminalanthropologe, 1835—1909.) hätte interessieren können. Es war eine unangenehme Gesellschaft, und ich fühlte mich vereinsamt. Gegen Mittag kam der Oberwärter. „Sie sind der Neue?" Ich bejahte. „Sie sind hier nur vorläufig untergebracht. Heute abend oder spätestens morgen früh kommen Sie in Nummer 14." „In Ordnung", sagte ich. Er ging langsam zur Tür und wandte sich dann plötzlich um. „Nehmen Sie Ihre Sachen", sagte er zu mir. „He, hilf ihm das Bett auf Nummer 14 tragen." Draußen auf dem Gang sagte der Oberwärter: „Mein lieber Junge, da waren Sie in eine schöne Gesellschaft geraten. Die sind alle nicht normal. Sie haben widerliche Sachen gemacht und machen sie auch hier im Gefängnis, trotz strengster Überwachung." „Warum lässt man sie denn zusammen?" fragte ich. Der Oberwärter, ein älterer und umgänglicher Mensch, zuckte die Achseln und entfernte sich. Als die Zelle Nummer 14 geöffnet wurde, standen alle ihre Bewohner an der Tür. Es waren etwa zwanzig. In dem eintönigen Gefängnisleben erregt ein Neuer, ein Mensch, der vor kurzem erst die Welt verlassen hat, von der die Häftlinge schon so lange abgeschnitten sind, sofort Interesse. Von dem Wärter, der das Essen ausgab, hatten sie schon erfahren, dass ein Politischer eingetroffen war, der in Russland gewesen war. Während alle anderen mich begrüßten, kam einer der Häftlinge mit ausgestreckter Hand auf mich zu. „Ich bin Genosse, aus der Ortsgruppe Penne, Provinz Teramo, und habe drei Jahre abzumachen wegen einer Revolte in dem Ort, in dem ich Magistratsmitglied gewesen bin." Es war ein sympathischer Junge. „Ich weiß schon, wie du heißt", sagte er. „Hier wirst du dich, den Umständen entsprechend, bestimmt wohler fühlen als in Nummer 11, wohin sie dich gestern gesteckt haben." Das hatte ich sofort gemerkt. „Ich bin hier der einzige Politische, aber sie sind alle nicht so wie in Nummer 11, mit ganz wenigen Ausnahmen. Üble Burschen sind nicht darunter. Der hier ist der Stubenälteste", sagte er lächelnd, „Vincenzo." Vincenzo gab mir die Hand. „Ich bin Stubenältester, aber nicht zu verwechseln mit dem von Nummer 11. Jetzt findet eine Neuwahl statt. Ich werde alle meine Wähler bitten, für Sie zu stimmen, und ich werde es auch tun." Er lächelte. Zwei oder drei von den Häftlingen machten schon mein Bett zurecht, das inzwischen gebracht worden war. Andere kümmerten sich um meine Sachen. Den Abend über, bis zum Schlafengehen, sprachen wir über Russland. Sie waren alle um mich versammelt. Mein Bettnachbar hatte zwei Waldhüter umgebracht. Ein anderer hatte seine Frau und einen Priester, ihren Onkel und Liebhaber, getötet. Ein dritter hatte den Verführer seiner Schwester erschlagen. Insgesamt befanden sich unter den dreiundzwanzig Häftlingen von Nummer 14 zwei Politische, siebzehn Gewaltverbrecher und vier Diebe. In Oberitalien, in Piemont, der Lombardei und Ligurien, wo ich gelebt und den Charakter der Verbrechen untersucht habe, sind die Verhältnisse umgekehrt. In Turin befanden sich unter den fünfunddreißig Bewohnern eines Raumes sechs Gewaltverbrecher, und neunundzwanzig waren wegen Diebstahls, Vergewaltigung Minderjähriger, Rauschgiftsucht und dergleichen verhaftet. Jeder erzählte mir seine Geschichte. Der eine wartete seit zwanzig Monaten, ein anderer seit zwei Jahren und wieder ein anderer seit fünfunddreißig Monaten auf seinen Prozess... „Sie sind doch Journalist", sagten sie zu mir, „also schreiben Sie über diese Dinge, das muss doch möglich sein." „Ich will es tun, wenn ich kann." „Ich bat um eine Unterredung mit dem Gefängnisdirektor. Ich war nun schon mehrere Monate in Haft und kannte offiziell noch immer nicht den Grund meiner Verhaftung. Man brachte mich zu ihm. Er empfing mich recht liebenswürdig. Er stotterte entsetzlich. „Sie werden nicht lange hier sein, ich verstehe mich darauf ... Soweit es von mir abhängt, werde ich alles tun, um Ihnen die Haft zu erleichtern. Was wünschen Sie?" „Ich wünsche eine Unterredung mit dem Untersuchungsrichter." „Das geht, schreiben Sie ein Gesuch." Ich schrieb das Gesuch und ging. Ich hatte mich gerade ein wenig eingelebt, als ich in eine Einzelzelle verlegt wurde. Hier verbrachte ich etwa einen Monat. Der Grund war mir unerfindlich. Niemand verhörte mich. Die Tage schlichen dahin. Ich las die Bibel, ein Traumbuch, ein Kochbuch, die „Schöne Magellone", die „Katholischen Missionen im Kongo", die Reden Crispis, den „Grafen von Monte Christo", „Bertoldo Bertoldino und Cacasenno" und ähnliche Bücher. Ich rauchte. Beim Spaziergang war ich allein. Tag für Tag bat ich schriftlich um mein Verhör. Keine Antwort. Ich bat um eine russische Grammatik. Sie wurde mir unglaublicherweise verweigert, und man bot mir eine deutsche an. Ich bat, mir den Bart schneiden lassen zu dürfen. Abgelehnt. Schließlich wandte ich mich an den Generalstaatsanwalt. Ich wurde abschlägig beschieden mit der Begründung, dass ich als Angeschuldigter nicht das Recht hätte, mein Äußeres zu verändern. Wegen der Grammatik erhielt ich überhaupt keine Antwort. Ich schrieb an den Justizminister. 'Keine Antwort. Ich tat alles, um auf meine Existenz hinzuweisen. Ich wollte verhört werden. Eines Tages verlor ich die Geduld und zerschlug die Fensterscheiben und die ganze Zelleneinrichtung. Es erschienen der Wärter, der Oberwärter und sein Stellvertreter. Auf ihre Vorhaltungen reagierte ich grob und landete in einer Strafzelle. Die Strafzelle ist ein richtiges Loch, im allgemeinen im Kellergeschoß, feucht, ungesund und ohne Fenster. Nur in der Tür ist das übliche Guckloch. Das Bett ist eine elende Pritsche. Die Nahrung besteht aus Wasser und Brot. Man darf nicht rauchen und kommt nur alle zwei Tage an die Luft. Bücher gibt es nicht. Am zweiten Tag meldete ich mich krank. Der Doktor kam und schickte mich sofort ins Lazarett. Hier erschien der Direktor. Er verlor kein Wort über meine Bestrafung, sondern teilte mir mit, dass ich bald verhört werden würde. Für die zerschlagenen Sachen hatte ich 28 Lire zu zahlen. Nach zwei Tagen Lazarett bestellte mich der Untersuchungsrichter zu sich. Ich wurde hingebracht. In einem beinahe anständigen Raum befanden sich drei Herren, die mich freundlich begrüßten. „Sie sind der und der? Nehmen Sie Platz." Ich setzte mich. Der eine war der Generalstaatsanwalt, der andere der Untersuchungsrichter und der dritte der Gerichtsschreiber. „Vor allem muss ich Ihnen mitteilen, dass zwei Haftbefehle gegen Sie vorliegen, einer vom Staatsanwalt beim Appellationsgericht in Mailand und der zweite vom Generalstaatsanwalt beim Gericht in Teramo." „Welches Datum tragen die Haftbefehle?" fragte ich. „Der erste ist vom 6. Januar und der zweite vom 7. Januar dieses Jahres datiert." „Ich mache die Herren darauf aufmerksam, dass wir Anfang April haben, und protestiere natürlich." „Dazu haben Sie kein Recht. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich nicht einmal gewusst habe, dass Sie in Teramo im Gefängnis waren. Ich hatte beim Turiner Gericht Ihr Verhör beantragt und nicht die Überführung." „Das wird ja immer schöner", erwiderte ich. „Ihre Personalien!" Ich gab die entsprechende Auskunft. „Ich muss Sie zweimal verhören", begann der Richter. „Sie sind wegen Aufreizung zum Klassenhass und wegen Aufruhrs gegen den Staat angeklagt, und dafür werden Sie sich vor dem Schwurgericht in Mailand zu verantworten haben. Außerdem sind Sie wegen Anstiftung zum Verbrechen und wegen Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates angeklagt, und dafür werden Sie sich entweder in Teramo, wie wir hoffen, oder in Rom zu verantworten haben." „Das ist dasselbe", sagte ich. „Erster Prozess. Haben Sie das Manifest über die Vereinigung mit der Sozialistischen Partei unterschrieben? Sind Sie in Russland auf dem Kongress der Kommunistischen Internationale gewesen?" „Ich habe das Manifest unterschrieben und bin in Russland gewesen. Aber entschuldigen Sie, was hat das alles mit Aufruhr zu tun?" „Sie geben es also zu?" fragten die beiden mit erhobener Stimme. „Gewiss gebe ich es zu, aber ich möchte, dass die Herren meine Frage beantworten." „Sekretär, schreiben Sie!" Dann zu mir: „Wiederholen Sie, bitte." Ich wiederholte. „Sie bekennen sich also zu dem Inhalt des Manifestes und den Direktiven der Kommunistischen Internationale?" fragte der Generalstaatsanwalt. „Selbstverständlich", erwiderte ich. Die beiden sahen sich verdutzt an. Sie hatten vielleicht geglaubt, sich sehr bemühen zu müssen, und nun hatten sie beide mein Geständnis. „Ich mache die Herren darauf aufmerksam, dass es Ihnen vielleicht nicht bekannt ist, dass die Zustimmung zu den Direktiven der Kommunistischen Internationale vor mehr als zwei Jahren erfolgt ist, als wir die Kommunistische Partei Italiens gegründet haben." Wieder sahen die beiden sich an. „Wissen Sie eigentlich, was die Unterzeichnung des Manifestes und die Befolgung der Direktiven der Kommunistischen Internationale bedeutet?" fragte mich der Staatsanwalt. „Ich glaube ja." „Das ist sehr belastend." „Wieso?" fragte ich. „Mehr brauchen wir nicht ... Das erste Verhör ist erledigt. Lesen Sie vor, Sekretär!" Der Gerichtsschreiber las vor, und ich unterschrieb. „Nun zum zweiten Punkt. Sie sind Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens?" „Man kann nicht zum Kongress der Kommunistischen Internationale delegiert werden, wenn man nicht Mitglied der entsprechenden Landespartei ist. Ich gehöre der Kommunistischen Partei Italiens seit ihrer Gründung an." „Wir müssen Ihnen nun einige Dokumente vorlegen, die bei Ihrem Genossen Presutti beschlagnahmt worden sind..." „Ich könnte darauf erwidern, dass ich vom formalen Standpunkt aus nicht verpflichtet bin, die Verantwortung für Material zu übernehmen, das bei anderen Personen beschlagnahmt worden ist. Aber machen Sie nur weiter." Die beiden waren ein wenig aus der Fassung gebracht. „Kennen Sie dieses Dokument und erklären Sie sich dafür verantwortlich?" Er blätterte in dem Programm der Kommunistischen Partei Italiens. „Ich übernehme durchaus die Verantwortung dafür, mache Sie aber darauf aufmerksam, dass es schon vor fast einem Jahr in der Presse veröffentlicht worden ist, ohne dass jemand von uns verhaftet worden wäre. Um die Sache kurz zu machen: wenn es den Herren recht ist, bin ich bereit, die Verantwortung für die bei meinem Genossen beschlagnahmten Dokumente en bloc zu übernehmen. Es ist schon drei Viertel nach elf. Sie werden meinetwegen Ihr Mittagessen versäumen, und ich werde die Suppe, die um elf ausgegeben wird, kalt essen müssen." Nie in meinem Leben habe ich drei so überraschte Gesichter gesehen wie die der drei Beamten. Ich unterschrieb das zweite Protokoll. „Ihr Kommunisten seid komische Kerle", meinte der Richter. „Wenn Sie etwas brauchen ..." fügte der Staatsanwalt hinzu. „Ich möchte recht bald wieder auf meinem Posten im Kampf sein." Man brachte mich ins Lazarett. Nach zwei Stunden wurde ich wieder auf Nummer 14 gebracht und dort von meinen alten Freunden jubelnd begrüßt. Der Genosse überreichte mir ein Schreiben mit zahlreichen Unterschriften. Es war eine Grußbotschaft von den Genossen der Ortsgruppe. „Meister", sagte mein Bettnachbar zu mir (in den Abruzzen und überhaupt in Süditalien ist dies eine respektvolle Form der Anrede), „Sie können doch für die Zeitung schreiben. Erinnern Sie sich Ihres Versprechens?" „Selbstverständlich, aber wie sollen wir das machen?" |
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