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Berta Lask - Leuna 1921 (1927)
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5. Szene

Leunawerk. Von einer Seite kommt Prell, von der anderen Oskar, Prell winkt Oskar zu.

Prell: Das geht hier zu anständig zu. Wir müssen ein Ding drehen.

Oskar: Ich werde die Kassenschränke aufbrechen. Wir brauchen Geld zur Löhnung. Das Geld wird dann in unsere Taschen verschwinden.

Prell: Ja, in meiner wär' noch Platz. Mach dich auch an den Weinkeller!

Oskar: Du weißt Bescheid, wie's steht?

Prell: Ich muss noch hier bleiben, Befehle sabotieren, Verwirrung stiften.

Oskar: Nun geh!

(Beide nach verschiedenen Seiten ab. Karl und Bruno kommen mit Gewehren und patrouillieren auf und ab.)

Karl: Du bist so still, Bruno. Deine Augen sind weit weg.

Bruno: Ein Jahr ist mein Kind alt. Im Kapp-Putsch ist's geboren. Ich hab's noch kaum gesehen. (Schweigen) Als wir Dortmund nahmen, hab' ich eine Kompanie geführt. - Und dann beim Wasserturm, da war ich auch dabei, wie die Schupo mit der weißen Fahne winkte, und als wir herankamen, schossen sie. Das vergess ich mein Lebtag nicht. Aber sie haben's gebüßt.

Karl: Dort kommt die Schicht zur Produktion.

(Arbeiter kommen und gehen vorüber) Nun, wie steht's bei euch im Betrieb?

2. Chemiearbeiter:   Gut,   gut.   Konne-Bernd,   der schafft's, 's geht alles seinen Gang. Wenn wir da so stehen zwischen den hohen Öfen und den endlosen Röhren und messen und registrieren, und alles ist stille und tut keinen Muck, da möcht' man nicht glauben, dass hier Streik und Aufstand sind.

Bruno (bitter lachend): Wenn man hier mit dem Schießknüppel patrouilliert, möcht' man's auch nicht glauben.

2. Chemiearbeiter: Ich muss weiter.

(Die Arbeiter gehen weiter)

Bruno: Karl, wir sind hier wie eingesargt in diesem verfluchten Werk, Bauten und Bauten, Steinsärge und Gerüste. - Karl, sieh dir mal den Silo da drüben an!

Karl: Was ist dir? Du zitterst.

Bruno: Mir graut. Der Silo sieht aus wie ein Riesengrab. - Und dies ganze Werk. - Durch die endlosen Rohre geht das Giftgas unsichtbar. Das legt sich um uns wie eine Schlange und würgt uns ab im Schlafe. Wir schlafen. Wir träumen. Wir sind vielleicht vergiftet durch und durch, dass wir hier sitzen wie behext.

Karl (ekstatisch): Wir stehen an der Schwelle. Wir stehen und träumen den herrlichen Traum von Freiheit und Glück, von Sieg und Freiheit und von Liebe.

Bruno: Du hast wohl viel in Büchern gelesen. Das tut nicht gut. Wir dürfen nicht träumen. Ausbrechen, ausbrechen und draußen kämpfen!

Karl: Da bringen sie Verwundete.

(Im Hintergrunde werden von Samaritern und Schwestern zwei Bahren mit Verwundeten vorbeigetragen)

Karl: Von wo sind die Verwundeten, Kameraden?

Samariter (hinüberrufend): Patrouillengefechte mit Merseburger Schupo.

(Die Verwundeten werden fortgetragen)

Bruno: Patrouillengefechte! Nichts als Patrouillengefechte! Bis heut' abend, Karl, länger wart' ich nicht. Dann mach' ich Schluss. Es liegt eine Giftwolke über uns. Es zieht ein Giftschwaden rings um uns herum.

(Willi kommt eilig)

Willi: Was steht ihr da rum, ihr Faulenzer!

Bruno:  Wir  wachen,   wachen  und   patrouillieren. Was tut man denn sonst im Leunawerk?

Willi: Was man sonst tut? Der Panzerzug ist fertig. Ich will eben nach Bau 15, alles besichtigen. Heut abend macht der Panzerzug seine Probefahrt. Der Bahndamm ist grün wie von Heuschrecken. Wollen mal ein bisschen hinein in den Heuschreckenschwarm mit unserm  Panzerzug.  Da werden  die  Springer springen lernen.

Karl: Kamerad Willi! Nimm mich mit! Hast's mir doch versprochen. Ich kann zielen und schießen, auch mit MGs.

Willi: Ach, du bist der von der Gipsfuhre!

Karl: Ja, der Gipsfahrer. Da war ich ein kranker, elender Knecht. Jetzt will ich im Panzerzug die Freiheit erkämpfen, vorstoßen in die feindliche Front zum Kampf, zum Sieg.

Willi: Kannst mitkommen heut abend.

(Willi geht weiter. Zwei Autos fahren aus dem Innern des Werkes vor und halten fahrtbereit. Die 250 Mann aus dem Geiselthal kommen bewaffnet mit ihrem Führer und singen.)

Gesang: Wer will gegen die Orgesch ziehn, wenn Hoelzmax kommandiert? Heute heißt es aufmarschieren. Die Orgesch, die muss krepieren. Legt an! Gebt Feuer und ladet schnell! Weicht keiner von der Stell'.

(Sie besteigen  die Autos.  Karl und Bruno kommen zurück.)

Karl: Wer seid ihr, Kameraden?

Führer aus dem Geiselthal: Wir sind doch die aus Neumark im Geiselthal.

Karl: Ich weiß nichts davon, dass ihr aus Neumark hier im Werk liegt.

Führer: Liegen auch nicht mehr drinne. Ganze Tage hat man uns mit Versprechen hingehalten. Da war's uns zu bunt. Jetzt hau'n wir ab, stoßen zu Hoelzmax durch oder zum Genossen Konitzky, wenn's geht, zu den Halleschen bei Teutschenthal.

Bruno: Wartet bis morgen, Kameraden! Dann kommen ich und andere noch mit. Wir haben's auch satt.

Führer: Nein, die verfluchte Giftbude will ich keine Stunde mehr sehen. Wer weiß, was hier alles in den Bauten lungert und lauert. Lebt wohl! Haltet die Rote Front! Los! (Sie fahren ab) Seht euch eure Führer an, Kameraden!

(Sie singen im Abfahren)

Bruno: Ja, wir werden sie uns ansehen. Heute nacht, wenn der Aktionsausschuss zusammenhockt, dann dringen wir ein und fordern Rechenschaft. (Sie patrouillieren) Der Tag ist endlos lang. Es ist noch früh am Vormittag.

Karl: Dort kommt ein kleines, fremdes Auto, das ich noch nie gesehen habe. Zwei Mann steigen aus. Das sind ja Max Hoelz und der Genosse Schneider von der Redaktion.

(Max Hoelz und sein Begleiter kommen)

Max Hoelz (die Hand auf Brunos Schulter legend): Kameraden, führt uns zum Aktionsausschuss!

Bruno: Max, kennst du mich nicht mehr?

Max Hoelz: Nicht so laut! Es sind nicht alle ehrlich, die ein Gewehr tragen.

Bruno: Gebt uns Bericht. Schenkt uns reinen Wein ein! Wir wissen wenig, wie es überall steht. Die Kuriere dürfen nur dem Aktionsausschuss melden. Und der Aktionsausschuss - mir scheint, da ist nicht alles, wie's sein soll. Mir scheint, hier wird kein gutes Spiel gespielt.

Max Hoelz: Scheint's euch so?! -

Begleiter: Wir dürfen keine Minute versäumen. Drum kurz: Im Mansfeldischen können wir uns nicht mehr halten. Schupozuzug von allen Seiten. Auch Reichswehrartillerie ist unterwegs. Was uns einzig retten kann, ist ein Schlag gegen Halle. Halle muss in unsere Hand.

Hoelz: Verflucht, dass ihr Merseburg noch nicht habt. Der Schlag gegen Halle glückt, wenn ihr vom Leunawerk uns helft.

Karl: Das gibt uns einen neuen Mut, dass ihr gekommen seid.

Bruno: Wir kämpfen mit euch. Jede Stunde sind wir bereit. Ruft gleich alle zusammen, und nehmt uns mit!

Max Hoelz: Nein, der Plan ist anders, können nicht auf euch warten.

Begleiter: Wir müssen sofort zu unserer Truppe zurück. Ihr wartet aufs Kommando, kommt dann mit großer Verstärkung, so schnell wie's geht.

Bruno: Kommando von wem?

Max Hoelz: Von eurer militärischen Leitung, wie wir's   jetzt   abmachen   werden.   Jetzt   rasch   zum Aktionsausschuss.

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