SIEBENTES KAPITEL
Der Trupp wurde rasch lebendig. Die Arrieros packten den Tieren auf, und diejenigen, die nicht abgepackt hatten, zogen alle Gurte an den Packen fest und schoben rüttelnd die Packen in gute Gleichgewichtslage.
Dann gellten die Schreie der Muletreiber auf. Zwischendurch schrieen die Capataces und Treiber der Peones, damit der Trupp regsam wurde. Es knallten die Peitschen, und es pfiffen die Signale der Agenten.
Die Burschen riefen sich gegenseitig Worte zu, und hier und dort schrie sich der eine oder der andere heiser, einen Kameraden anzurufen, ihm beim Aufpacken zu helfen oder einen anderen zu erinnern, dass er seinen Hut oder seine Kürbisflasche auf dem Lagerplatz vergessen habe.
Nach kurzem Marsch kam der Trupp an die neugebaute Brücke über den Sumpf. Die Brücke, ebenso notdürftig wie rasch hergestellt, lag über einem Bach, dessen Wasser schwarz war von Morast; es erweckte den Eindruck, dass, wenn man einbrach, man sofort bis über den Kopf hinweg im Sumpf stecken bleiben würde.
Die Brücke selbst war wohl die geringste Arbeit gewesen. Was mehr Arbeit gekostet hatte, war die Befestigung, des Pfades zu beiden Seiten des Baches. Diese Ufer lagen flach und waren ständig völlig versumpft.
Eine Brücke über diesen Sumpf zu bauen wäre möglich gewesen. Aber es hätte eine gute Zement- und Stahlbrücke sein müssen. Wenn auf den großen Verkehrsstraßen im Staate, wo die Carretakarawanen reisten, die Brücken nur aus Holz waren und sich immer in einem Zustande befanden, dass man nicht sicher war, ob man diesmal noch heil mit dem Pferde hinüberkommen würde, ohne durchzubrechen, um wie viel, ja um hunderttausendmal weniger war unter solchen Verhältnissen zu erwarten, dass hier im Dschungel Brücken sein konnten. Es lag nun freilich keine Notwendigkeit vor, hier Brücken zu bauen; es
war noch nicht einmal irgend eine Notwendigkeit gegeben, eine Straße durch den Dschungel zu bauen.
Zwei- oder dreimal im Jahre zog hier eine größere Maultierkarawane nach den Monterias. Dafür zwanzig oder dreißig Millionen Pesos auszugeben, wenn selbst in den reichlich bevölkerten Distrikten des Staates keine Straßen waren, das hätte niemand in der Regierung verantworten können. Es wäre auch eigentlich nur Sache der Monterias gewesen. Denn die Monterias waren die einzigen Unternehmungen, die Interesse an guten Straßen und Brücken gehabt hätten. Aber dann wäre das Mahagoniholz noch teurer geworden, man hätte es nicht verkaufen können, und die Möbelmacher würden andere Holzarten gesucht haben, um Brautpaaren schöne und verkäufliche Bettstellen und Spiegelschränke anzubieten, und so billig anzubieten, dass sich die Brautpaare mit der Heirat beeilten, um nicht zu spät zu kommen in der Vermehrung hungriger Proleten.
Zwanzig Meter nach der einen Seite des Pfades hin und ebenso weit oder einige Meter weiter nach der anderen Uferseite hin breitete sich der Sumpf aus. Der Sumpf war grünlichschwarz, mit kleinen wässrigen Tümpeln durchsetzt. In der dunkelgrünen, flirrenden, lastenden schweren Eingeschlossenheit des Dschungels erschien der Sumpf viel schwärzer und unheimlicher, als er vielleicht im hellen brütenden Sonnenlicht gewesen wäre. Wagte man sich einen Schritt weiter hinein und trat man fest aus, glitschte man sofort bis zum Knie ein. Der Morast klebte am Bein und klammerte sich an, als wäre er ein
lebendiges Wesen. Er saugte sich fest, zog nach, und man bekam das Gefühl, dass jemand den Fuß langsam, aber stetig nach unten zöge.
Die Arrieros kannten ihre Tiere. Mules und Pferde, die in Tabasco geboren und in Tabasco aufgewachsen sind, haben den Ruf, gute Sumpfgänger, bestias de lodo, zu sein. Sie sind von Jugend auf an Sumpf und Morast gewöhnt. Darum sind diese Sumpfgänger sehr begehrt und sehr teuer.
In diesen Dschungeln jedoch beginnen auch die Tabascomules Schwierigkeiten zu machen. Die Mehrzahl der Tiere, bei diesen Monteriakarawanen zumeist alle, sind jedoch keine Sumpfgänger, sondern Tiere, die an Steppenland gewöhnt sind. Und diese Tiere kann man wohl durch Bäche und tiefe Flüsse bringen, nicht aber durch Sümpfe. Sinken sie auch nur bis über die Hälfte des Unterschenkels ein, so werden sie wie wahnsinnig vor Furcht. Sie schlagen um sich, vertiefen den Morast, befreien sich endlich daraus, und wenn man nun nicht gut Acht gibt und sie nicht gut am Lasso hat, rennen sie zurück, und man findet sie erst wieder am nächsten Rancho.
Man lässt sie natürlich nicht ausbrechen. Aber weder mit Hieben noch mit süßem Zureden, noch mit grässlichem Fluchen kann man sie nun durch den Sumpf bringen. Es mag gelingen, sie vielleicht unbeladen durchzubringen, aber mit einer Last auf dem Rücken ist es aussichtslos. Die Tiere fühlen, dass die Last sie tiefer hineinzieht in den Sumpf und es ihnen härter, vielleicht unmöglich wird, sich herauszuziehen.
Zuweilen hilft es, gute Tabascotiere als Leittiere zu haben und die übrigen folgen zu lassen. Aber oft schlägt auch dieser Trick fehl.
Aus allen solchen Gründen und weil auch wirklich die Gefahr besteht, dass die Tiere mit ihrer Last völlig versinken, ohne dass man sie zu retten vermag, machen die erfahrenen Arrieros keinen langen Versuch, den Durchmarsch durch einen Sumpf zu erzwingen. Erfahrung hat sie gelehrt, dass es weniger Zeit kostet und dass Ladung und Tiere sicherer sind, wenn bei geringsten Anzeichen von Sumpfscheuheit der Sumpf überbrückt wird.
Es werden Stämme, Äste und reichlich belaubte Zweige in Unmassen abgeschnitten und geschickt über den Sumpf gebreitet. Durch die belaubten Äste verliert der Sumpf sein gefährliches Aussehen für die Tiere. Das ist ein Punkt von Wichtigkeit. Und der zweite Punkt ist, dass der Boden eine scheinbare Festigkeit gewinnt. Diese Decke wiegt sich und schaukelt sich auf ihrer sumpfigen Grundlage. Dieses Nachgeben macht die Tiere unsicher, sie gehen sehr behutsam, aber sie gehen wenigstens. Über den Bach, der die Ursache der Versumpfung des Geländes ist, muss eine schon beinahe vollwertige Brücke gebaut werden, aus langen, kräftigen Stämmen, zusammengehalten mit Bast oder mit eingerammten Pflöcken an den Seiten und reichlich bedeckt mit Zweigen und Laub, damit die Tiere nicht mit den Hufen zwischen die Stämme rutschen, falls diese Stämme nachgeben und sich verrücken.
War alles gebaut, wurde das Signal gepfiffen, und dann bekamen die Muletreiber Arbeit. Die Tiere, besonders die lebhaften und diejenigen, die jeden Weg gingen, so schlecht er auch sein mochte, drängten bereits gegen den Bau, wenn noch alle Peones damit beschäftigt waren, Zweige und Äste auszubreiten.
Gute Tiere, einmal auf dem Marsch, lassen sich nicht leicht halten. Sie wollen vorwärts. Sie wissen aus langer Erfahrung, dass sie eine bestimmte Wegstrecke am Tag zu gehen haben.
Es waren diese Tiere, die bereits über die Brücke drängten, ehe sie wirklich fertig war, und die Peones mussten aus dem Wege gehen, um nicht von den Tieren getreten zu werden.
Die Treiber hatten nun darauf zu achten, dass alle nachkommenden Tiere so dicht auf die vorausmarschierenden Tiere drängten, dass die unsicheren Tiere keine Zeit hatten, zu erschrecken angesichts des unbehaglichen Gefühls der schwankenden Laubdecke über dem Sumpf. Die Balken der Brücke lagen nicht fest, sie rückten und schoben sich hin und her, und das machte die zaghaften Tiere so unsicher, dass einige versuchten, seitlich abzuspringen. Aber hier sahen sie das schwarze, morastige Wasser, bekamen Angst und sprangen in einem Satz auf das Ufer, wo sie durch den Sprung die leichte Decke über dem Sumpf eintraten. Jedes eingetretene Loch sog sich sofort mit schwarzem Wasser voll. Es herrschte hier an dem Sumpf ein wildes Geschrei der treibenden Arrieros, die kein Wort herausbrachten, das nicht ein teuflischer Fluch war auf Hurensöhne und Hurenweiber und Hurenböcke, die alle gemeinschaftlich eine Orgie an wollüstigen Genüssen feierten. Aber irgendwelche Genüsse auch nur der bescheidensten Gattung waren hier weit entfernt.
Das Geschrei und Gefluche und das Getümmel der sich drängenden Tiere, die um sich schlugen und bissen und stampften und stöhnten, ihr Keuchen und Grunzen, das Knistern und Knattern der Riemen und Seile der Packen, das Stürzen eines Tieres und sein Kampf um ein rasches Aufstehen, um nicht von den nachkommenden Tieren getreten oder von der Brücke gestoßen zu werden, war Leben genug.
Das Schreien und Fluchen der Arrieros und der Dutzende von Peones, die zum Teil bis an die Brust im Sumpf standen und von den Seiten gegen die Tiere mit Ästen hieben, damit sie auf der Decke und auf der Brücke bleiben sollten, lockte eine große Herde von Affen herbei, die Gritones, die hoch in den Kronen
der Bäume über dem Sumpf saßen und hingen und ein fürchterliches Gebrüll erhoben, das auch die grässlichsten Schreie der Arrieros wie ein Flüstern erscheinen ließ.
Alles das machte die Tragtiere nur verwirrter, die jetzt sicher glauben mussten, dass die Hölle an der nächsten Biegung des Pfades sich auftun würde. Aber je mehr die Tiere erregt wurden, um so mehr gab auch die Decke des Sumpfes nach. Die letzten Tiere wateten schon bis zu den Gurten in dem Sumpf, und
nur mit Ungewissheit überquerten sie die Brücke, die jetzt auch zu zerfallen begann.
Der Trupp der Arbeiter, der absichtlich zurückgehalten worden war, um die Brücke für die Tiere zu sichern, kam nun heran und brauchte die letzten dünnen Restchen, die von der Bedeckung des Sumpfes und der Überbrückung des Baches noch übrig waren, völlig auf. Als der halbe Trupp auf der anderen Seite des Sumpfes anlangte, waren an dem Übergang sowohl Decke wie Brücke verschwunden.
Die Äste und Zweige waren zerweicht und durchgetreten, sie hatten den Morast vertieft, und der Sumpf sah nun wüster und unpassierbarer aus als am Tage vorher. Einige Balken lagen noch über dem Bach. Die Burschen, alle mit nackten Füßen, balancierten auf den einzelnen Stämmen, die noch übrig geblieben waren, über den Bach hinweg. Der Zusammenhang mit den anderen Stämmen war nicht mehr vorhanden, und kein Tier hätte die Brücke oder richtiger das, was noch davon übrig war, benutzen können. Die weichen Ufer des Baches hatten nachgegeben, einige der Stämme waren abgerutscht und lagen lang und quer im Bach. Die nächste Karawane, auch wenn sie nur aus zwei Tieren bestehen sollte, hatte eine neue Brücke über den Sumpf zu bauen.
Es war am zweiten Tage des Marsches durch den Dschungel. Der Trupp hatte gegen Mittag eine kurze Weile an einem Platze gerastet, der La Lagunita hieß. Celso hatte sich den Fuß an einer scharfen Felskante verletzt. Er hockte am Rande des Wassers und wusch sich das Blut ab.
Der Trupp erhielt das Signal der Agenten zum Aufbruch und Weitermarsch.
Celso wickelte sich einen schmutzigen Baumwollfetzen, den er irgendwo von seinem Hemd oder seiner Hose abgerissen hatte, um den verwundeten Fußballen. Es ging langsam, denn Celso wollte den Verband, schlecht und schmutzig wie er war, doch so gut festknüpfen, dass er auf dem Wege nicht abrutschen und verloren gehen sollte.
Wie alle Angehörigen seiner Rasse, die als Bauern oder Landarbeiter leben, war er nicht zimperlich in Dingen körperlicher Verwundungen. Er konnte einen fünf Zentimeter tiefen und zwanzig Zentimeter langen Machetehieb in der Schulter haben oder gar einen ähnlichen, wenn auch etwas weniger tiefen Hieb im Schädel, und er würde darum weder ohnmächtig werden noch nach einem Doktor winseln.
Es würde ihm hier so wenig helfen wie in seinem Heimatdorfe, wo der nächste Doktor zwei Tagereisen weit entfernt wohnt, der wahrscheinlich auch kein besserer Doktor ist als die uralte Geburtshelferin in seinem Dorfe, die mehr als fünfhundert Kindern in ihrem Leben zum Licht geholfen hat, ohne sich vorher, und häufig auch nicht nachher, die Hände zu waschen. Die Hälfte der Kinder und ein Fünftel der Frauen sterben freilich, aber das ist nicht ihre Schuld, sondern eine natürliche Folge der Geburten, die der gütige Gott im Himmel mit unendlichen Schmerzen belegte, um den Menschen die vorgeburtlichen Genüsse mit Dornen, Stacheln und Disteln zu verbittern, damit nicht vergessen werden soll, dass die schönsten und köstlichsten Sünden auf Erden Erbsünden sind.
Nicht der Schmerzen wegen verband Celso seinen Fuß so sorgfältig, sondern aus Erfahrung. Er hatte einst, als er in den Kaffeeplantagen in Soconusco arbeitete, gesehen, wie sich ein Bursche mit dem Machete eine kleine Wunde gehackt hatte und wie dann Erde hineingekommen war. Am nächsten Tage konnte der Bursche weder den Kopf noch die Schultern bewegen, und ein paar Stunden später war er tot.
Durch den Verband wollte Celso die Wunde gegen giftige Erde schützen, und gleichzeitig wollte er verhindern, dass die Wunde sich durch abermaliges Aufstoßen vergrößere und verschlimmere. Ein Arzt war weder hier im Trupp noch in irgendeiner der Monterias. Jeder hatte auf sich selbst Acht zu geben und sein eigener Doktor zu sein. Wer zugrunde ging, bewies damit nur, dass er kein Recht zum Leben hatte, und er bewies ferner, dass er ein schuftiger Bursche war, der den Agenten oder die Monteria, um den erhaltenen Vorschuss betrog.
Der Trupp hatte sich bereits aufgemacht und marschierte. Celso war noch nicht ganz fertig geworden mit seinem Verband, als auch die letzte Gruppe an ihm vorbeimarschierte.
Hinter jener Gruppe, als Wächter und Treiber der Schwanzgarde, ritt El Zorro. Das war der Neckname des einen der beiden Zutreiber, die Celso in Hucutsin eingefangen hatten, um sich fünf Pesos zu verdienen. Der andere hatte den Beinamen El Camaron. Warum der eine El Zorro und der andere El Camaron genannt wurde, war nicht ganz klar, wie so häufig der Ursprung von Beinamen nicht immer genügend nachgewiesen werden kann, um einen Neugierigen zufrieden zu stellen. Die Necknamen hatten die beiden sicher noch von ihrem Jugendalter her. Niemand, nicht einmal ihre Arbeitgeber, die beiden Agenten Don Ramon und Don Gabriel, kannten ihre richtigen Namen, und niemand wusste, wo sie eigentlich zu Hause oder aus welchem Gefängnis oder aus welchem Gefangenentransport sie entwichen waren.
El Zorro kletterte auf sein Pferd, ritt einige hundert Schritte weit zurück, um zu sehen, ob nicht etwa einer der Burschen sich nach hinten weggeschlichen habe, und kam dann angetrabt, den abmarschierenden Schwanz aufzurütteln und ihm glühende Asche unter die Fußsohlen zu blasen. Er sah Celso auf einem Stein hocken, immer noch beschäftigt mit dem Zurechtkneten des Verbandes und mit den Versuchen, wie er am besten auftreten und laufen könne, ohne dass sich der Verband verschob.
»Andele, Chamula, alte stinkige Mula«, rief El Zorro Celso an, »andele, andele, willst wohl hier schlafen gehen und von Weibern träumen. Los, vorwärts, die anderen sind schon in der Monteria.«
Weil Celso nicht gleich auf den Füßen stand und seinen Packen hoch hatte und weil El Zorro dem Celso, dem er seiner rebellischen Widerreden wegen nicht sehr zugetan war, wieder einmal zeigen wollte, wer hier das Recht hatte zu kommandieren, darum hieb er ihm ein paar kräftige Hiebe mit der Peitsche über das Gesicht.
»Damit du nicht vergisst, Chamula«, sagte er, »dass ich der Ladino und du der dreckige Chamula bist.«
Celso hatte seinen Packen nun hoch und war dicht hinter dem Pferd des El Zorro, als er sagte: »Diese Hiebe haben mir gefehlt zur Abrechnung, und die Quittung bekommst du heute, Cabron, bei der Heiligen Allerreinsten Gottesmutter.«
Celso hatte das in seiner indianischen Sprache, in Tsotsil, gerufen.
El Zorro verstand nur gerade einen Brocken oder zwei, mit denen er aber nichts zu beginnen wusste.
Aber er verstand Hurensohn und wusste, dass ihm Celso keine Schmeichelei gesagt hatte.
»Ich werde dir den Cabron, den du mir jetzt angepfeffert hast, schon noch reichlich wiedergeben, mein Brüderchen«, rief er, »lass uns nur erst einmal recht schön und niedlich in der Monteria und mich dann vielleicht bestellt sein, die Fiesta abzuhalten. Dich nehme ich dann zuerst vor, wenn ich noch die volle
Kraft in den Armen habe. Auf dich warte ich schon lange. Du bist mir zu frech und hetzt auch noch alle anderen auf. Dich und den Tseltalburschen, den Carretero, euch werde ich mir schon vornehmen.«
»Wenn du bis zur Monteria kommst, du Hundesäugling einer Dreckhure«, antwortete darauf Celso. Er ging immer noch dicht hinter dem Pferde. El Zorro hielt seine Reden nach rückwärts gewandt, einmal, damit er sicher sei, dass Celso kein Wort davon verliere, zum anderen, weil er hoffte, er könne sich an
dem verängstigten oder wütenden Gesicht des indianischen Peons weiden. So gab er nicht acht auf den Weg. Das Pferd stolperte über eine Wurzel. Pferde haben die Gewohnheit, auf diesen langen, einsamen Wegen über Steppen, durch Busch, Dschungel und Urwald aufmerksam zu werden und hinzuhören, wenn der Reiter spricht. Sie drehen die Ohren herum und wenden zuweilen auch noch den Kopf zur Seite. Sie wissen ja nicht, ob nicht die Rede für sie bestimmt und in der langen Rede vielleicht ein Kommandowort für sie enthalten ist, dem sie folgen sollen, und wenn sie nicht rasch genug folgen, einen übergerissen bekommen. Reiter sind auf diesen langen Reisen oft tagelang völlig allein mit ihrem Pferde, und wie Menschen, die allein leben, sich angewöhnen, mit ihrem Hunde zu sprechen, als wäre er ein menschlicher Genosse, so verfallen auch einsame Reiter in die Gewohnheit, auf dem Marsche, und selbst am Lagerfeuer, zu ihrem Pferde zu sprechen. Das Pferd, sich gleichfalls nach Gesellschaft sehnend, hört nach einiger Zeit ebenso aufmerksam und scheinbar verstehend zu, wie es Hunde so vortrefflich können.
Das Pferd des El Zorro hatte mehr auf die Reden geachtet, weil es glaubte, es möchte darin ein Kommando enthalten sein, als dass es genau und sorgsam hingesehen hätte, wo es marschierte. El Zorro, der mit seinem Pferde sowenig Erbarmen hatte wie mit den Indianern, die er einfing, auf den Märschen trieb und in den Monterias dann im Monatslohn auspeitschte, hieb dem Tiere tief die Sporen in die Seiten, und gleichzeitig zwitschte er ihm einen brennenden Pfeifer über den rechten Schinken. Der Hieb war eigentlich mehr für Celso gemeint gewesen als für das Pferd; denn alle seine Wut war auf den Burschen gerichtet, und das Pferd, weil es einen kleinen Fehler beging, bekam die Wut zu fühlen.
Das Pferd, gleichzeitig die Sporen in den Weichen und den weit ausgeholten Hieb auf dem Schinken, bäumte auf vor Schmerz und legte gleichzeitig aus zur linken Hand, weil der Hieb auf der rechten brannte. Die Wege durch den Dschungel können nicht im Trabe geritten werden, von einigen kurzen Strecken vielleicht abgesehen. Die Wege sind so beschaffen, dass ein Tier seinen Weg unausgesetzt fühlen muss. Es kann abrutschen zur Seite, nach hinten, nach vorn; es sind große und kleine Steine im Wege, die kollern oder nachgeben; es stehen Wurzeln kreuz und quer hervor; ganze Bäume liegen längs oder in der Quere zum Wege; es geht steil auf und es geht steil ab; bald zur einen Seite tiefe Schluchten, bald zur anderen Seite. Aber das Böseste sind die tiefen Löcher im Wege, Löcher, die alle möglichen Ursachen haben und die gewöhnlich mit Laub, Reisern, Morast und Wurzeln leicht überdeckt sind, einer Decke, die von der Natur geschaffen wird.
Das Pferd des El Zorro, durch den Schmerz der eingehauenen Sporen und den grausamen Hieb völlig aus der Fassung gebracht, verlor jegliche Vorsicht. Es sprang zur Seite des Weges und sprang so heftig auf, dass es mit beiden Vorderbeinen in Löcher versank. Da sich das im Springen ereignete, schlugen die Hinterbeine hoch. Das Tier versuchte, sich zu wenden, und fiel auf die Seite. Das linke Vorderbein drehte sich aus dem Loch heraus, während das rechte tiefer einsank. Das Tier arbeitete wie toll, sprang und schlug um sich und brachte endlich auch das rechte Vorderbein aus dem Loch heraus.
Es stand dann keuchend und zitternd eine Weile an der Stelle und wartete geduldig darauf, dass sich sein Reiter wieder aufsetzen werde.
Der Reiter war, als das Tier so ganz unerwartet in die Löcher sank, über den Kopf des Pferdes gesaust. Er geriet dabei mit dem Gesicht in ein Morastloch, krabbelte sich heraus und bekam von dem schlagenden Tier einen Huftritt gegen den Bauch. Er fiel wieder zurück, fluchte und begann, sich den
Schlamm aus dem Gesicht zu wischen.
Als das Pferd in die Löcher sank, ließ Celso sofort seinen Packen vom Rücken gleiten und sprang zur Seite, um zu verhüten, dass er von dem erschrockenen Tier geschlagen oder, sobald es sich befreit hatte, überrannt werde.
El Zorro konnte gerade einen Blinzer aus den verschlammten Augen tun, als er auch schon schrie:
»Komm her, du Chamula! Siehst du nicht, dass ich hier in der Schitt sitze. Hilf mir 'raus! Und gib acht, dass die Bestia nicht davonjagt. Halte sie fest! Los, du Stinkfurz von einem Chamula!«
Während El Zorro das sagte, schabte und klitschte er den Morast aus den Augen und aus dem Haar, spuckte, und halb dumm von dem Fall, schmierte er sich den Morast wieder zurück ins Gesicht, merkte es und schleuderte nun die Schitt von den Händen. Er versuchte sich aufzurichten, aber teils von dem Huftritt des Pferdes, den er gegen den Bauch bekommen hatte, teils weil er mit einem Fuß in eine Liane gekommen war, die ihn festhielt, und teils weil er so wütend war, dass er keinen Gedanken zu einer bestimmten Handlung fassen konnte, kam er nicht hoch.
»Du gottverlassener Hund, komm her und zottele mich hier endlich heraus!« schrie er wie besessen.
»Ya me voy«, sagte Celso, »ich komme ja schon, und ich komme diesmal gut und reichlich.«
Er hatte das Pferd an einen Baum gebunden. Als er den Zügel, der am Boden schleifte, aufheben wollte, sah er da einen kräftigen Ebenholzast liegen. Er hob ihn auf, nahm ihn gut in die Faust und kam auf El Zorro zu.
El Zorro suchte nach seinem Taschenmesser, um die Liane, in der sich sein Bein verfangen hatte, durchzuschneiden. Er hatte sie mit bloßen Händen nicht zerreißen können. Er sah Celso mit dem Ast näher kommen.
Celso zögerte nur eine Sekunde. Er hörte hin, ob, nach den Rufen der Maultiertreiber zu urteilen, der Trupp so weit voran und so verdeckt von dem dichten Dschungel war, dass niemand sehen oder hören konnte, was hier geschah.
»Wozu brauchst du denn den Palo, den Knüppel?« fragte El Zorro. Seine Augen weiteten sich, sein Mund blieb offen stehen, und sein Gesicht verfärbte sich grün vor entsetzlichem Schreck. Das Bein immer noch in der Liane steckend, drehte er sich halb um und kam auf die Knie. Beide Hände hielt er hoch und öffnete die Finger weit, wobei ihm das Taschenmesser aus den Händen fiel.
Celso traf ihn zwischen die beiden Hände und genau da, wo er hingezielt hatte. Er hob das Taschenmesser auf, das noch nicht aufgeklappt war, und steckte es dem El Zorro wieder in die Hosentasche. Dann holte er das Pferd herbei.
Er hob das Bein des El Zorro auf. Ob er tot war oder nicht, darum kümmerte sich Celso nicht weiter.
Er wollte dem Pferd einen Teil der Ehre lassen, den Rest gegenüber seinem Peiniger zu besorgen, damit das Gleichgewicht in der Welt wiederhergestellt werde.
Celso quetschte den Fuß des El Zorro in den Steigbügel, riemte den Sporn an dem Fuße gut fest und schob den Sporn geschickt in einen Schlitz des Steigbügels, dergestalt, dass der Fuß auf keinen Fall aus dem Steigbügel rutschen konnte, vorausgesetzt, dass der Riemen des Sporns nicht riss. Dann bog er, um ganz sicher zu gehen, die Fußspitze so in den Steigbügel ein, dass der Fuß in ihm wie in einer Schlinge hing. Da der Steigbügel nach mexikanischer Art einen Vorschuh aus Leder hatte, so erweiterte Celso die
bereits halb aufgerissene Vordernaht genügend, um den Fuß so einzuquetschen, dass man eher den Fuß hätte abschneiden oder den Steigbügel hätte zersägen müssen, ehe es möglich gewesen wäre, das Bein
nach außen hin zu befreien.
Darauf beschäftigte er sich mit dem Lasso am Sattelknopf.
Als das alles getan war, zog er das Pferd auf den Weg, gab ihm einen leichten Hieb auf den Schinken, und das Pferd trabte los.
Der Körper des El Zorro schleifte mit dem Kopfe auf dem Erdboden entlang. Der Körper geriet beim Laufen des Tieres immer etwas unter den Leib des Pferdes. Dabei presste sich der Sporn in die Weiche des Pferdes, und das Pferd trabte an, den Körper hinter sich und halb unter sich herschleifend.
Das Tier wurde erregt und begann nun rascher zu laufen. Dabei hämmerte der Kopf des El Zorro über die Steine und Wurzeln und gegen die Bäume. Immer wenn das Pferd langsam zu gehen begann, schob sich der Körper unter den Leib des Pferdes, der Sporn presste sich in die Weiche, und das Pferd fing wieder an zu rennen. Celso ging ruhig seines Weges. Das Pferd war nun so weit voraus, dass er es nicht mehr sehen konnte.
Er kannte den Weg genügend; denn er war ihn ja bereits zweimal marschiert. Einmal hin und einmal zurück. Und als er mit jenem kleinen Händler als dessen Begleiter marschierte, hatte er gut auf den Weg achten müssen. Der Weg wand sich in Hunderten von Spiralen weiter infolge des bergigen Geländes und infolge von Seen, Flüssen und Sümpfen, denen der Weg auswich, weil es keine Brücken gab und man nur dort die Flüsse kreuzen konnte, wo sie nicht zu breit und zu reißend waren.
Celso kam jetzt an eine lange Biegung des Weges, der sich hier um einen hohen Berg wand, den die Tragtiere nicht auf geradem Wege gehen konnten, weil er zu steil und voll Röllgestein war.
Celso nahm alle seine Kräfte zusammen. Wie eine Ziege zwängte er sich seitlich durch das dichte, dornige Gestrüpp und kletterte auf Händen und Füßen den Berg hinauf. Er glaubte nicht, es schaffen zu können.
Jeden Augenblick war es ihm, als überspringe sein Herz mehrere Schläge und bleibe stehen, dann wieder schien es ihm, als wollten seine Lungen explodieren.
Triefend von Schweiß und keuchend mit weit aufgerissenem Munde und flatternder Nase, erreichte er die Bergkuppe.
Er ließ sich fallen, ließ den Packen hinuntergleiten, wischte sich den salzigen Schweiß aus den Augen, die sich zu verkleben schienen, rieb sich Nacken und Kehle heftig, rieb sich die linke Brust und schlug sie mit der Faust, holte einige Male tief schnaufend Atem und nahm dann seinen Packen wieder auf.
Beim Hinuntermarsch auf der anderen Seite des Felsens kugelte er viele Male gleich zwanzig Meter weit.
Aber er raffte sich auf und sprang in Sätzen voran, sich fallen und kugeln lassend, wo er glaubte, er könne es tun, ohne zerschunden zu werden, und wo er sah, dass in einiger Entfernung Sträucher und Bäume waren, an die er sich klammern konnte, falls er in diesem sturmraschen Laufen nicht einhalten und in den Abgrund stürzen könne.
Er langte auf dem Wege an, als dort der Vortrupp gerade vorübergezogen war und die marschierenden Arbeiter krümelnd, einer nach dem anderen, hinterher zogen.
Er ging nicht geradeswegs aus dem dichten Dschungel auf den Weg hinaus. Ganz dicht kam er an den Weg heran und hielt sich eine kurze Weile hinter einem Gebüsch verborgen. Er ließ den Packen hinuntergleiten und zog die Hosen ab.
Mit halb heruntergezogenen Hosen trat er dann aus dem Gebüsch hervor und kam in den Weg. Hier zockelte und zupfte er an seinen Hosen herum, zog sie hoch und wickelte sie wieder fest.
»Einen guten und gesunden Schitt gemacht, verflucht noch mal«, sagte er lachend, als die nächste Gruppe herankam. Einige der Burschen warfen ihre Packen ab, um einige Minuten zu rasten, sich den Schweiß aus den brennenden Augen zu wischen und um zu neuem Atem zukommen. Celso keuchte mit vollen Lungen. Aber das fiel keinem unter den rastenden Burschen besonders auf. jeder hatte mit seinen eigenen Mühen genug zu tun.
Dann sagte Celso: »Ich war hinter einem jungen wilden Schweinchen her. Ich glaubte schon sicher, es zu haben, aber dann wischte es mir doch noch fort und auch gleich in so niedriges Dornengestrüpp hinein, dass ich es aufgeben musste.
Was für einen herrlichen Braten das heute Abend gegeben hätte.
Dieses kleine Biest hat mir die Beine unter die Hinterbacken gepfeffert. Verflucht noch mal, wie so ein junges Ding doch rennen kann. Bin noch ganz leer in der Windpfeife und muss pusten wie ein altes Mule, hinter dem ein Tiger her war. Hätte ich den Schritt vorher machen können, bei der heiligen Purisima, ich hätte den Puerco doch noch aufgehakt. Aber so hatte ich den ganzen Bauch voll bis an den Hals hinauf.«
»Ja, da denkt ihr alle vielleicht, so ein kleines Häufchen von einem wilden Ferkel kann nicht rennen «, sagte einer der Burschen, »aber ich weiß das. Ich bin auch einmal hinter einem hergewesen, zwei oder drei Stunden lang, bis ich mich ganz und gar in der Seiva, in diesem verfluchten Dschungel, verlaufen
hatte, aber das Ferkel habe ich nicht gekriegt.«
Jeder der Burschen begann gleich eine eigene Jagdgeschichte zu erzählen, um zu offenbaren, dass er kein Junge mehr war.
Celso zerrte seinen Packen aus dem Gebüsch hervor, zog eine Zigarre aus einer Falte seines Packens, zündete sie an, nahm seinen Packen hoch und sagte: »Ich muss mich auf die Sohlen machen, Muchachos, ich gehöre da vorn zu der Gruppe, wo meine Companeros, meine Kameraden, sind. Die sind nun sicher
ein gutes Stück voraus.«
Der Trupp erreichte den Lagerplatz gegen vier Uhr nachmittags. Die Nachzügler, die Erlahmten und die Burschen, bei denen sich bereits Fieber eingestellt hatte, kamen gegen fünf Uhr an.
Es fiel niemand auf, dass El Zorro fehlte. Da er meist beim Schwanz war, um die Trägen aufzumuntern, und oft eine Viertelstunde hinter dem letzten Nachzügler ritt, um ganz sicher zu sein, dass niemand zurückblieb, vermissten ihn die Agenten nicht.
Dann aber kam ein Bursche atemlos angelaufen. Aufgeregt rannte er auf das Feuer zu, an dem die Agenten und die Händler hockten: »Patroncito, da weiter oben am Wege ist das Pferd des El Zorro an einem Baumstumpf festgehakt, und El Zorro ist heruntergefallen.«
»Wenn der Hurensohn vom Pferde fällt, wird er ja auch wieder 'raufkommen können, er ist ja kein Säugling«, sagte Don Ramon.
Niemand nahm den aufgeregten Burschen ernst. Und was kümmerten sich auch schon die Agenten sehr um das Wohlergehen der Zutreiber. Wenn ein Treiber vom Pferde herunterfallen kann, ist er sowieso nichts wert. Wahrscheinlich wieder besoffen. Weiß der Henker, wo er den Tequila her hat.
Die Agenten und die Händler hatten Wichtigeres zu tun, als sich um El Zorro zu kümmern. Von dieser Sorte konnten sie in jedem Städtchen gleich zwei Dutzend haben, wenn sie wollten.
»Ob wir im nächsten Jahr wieder einen so großen und guten Trupp zusammentreiben können wie diesmal, Don Gabriel, das kann uns nicht einmal Don Porfirio versprechen, viel weniger der Gobernador«, sagte Don Ramon, als er sich die Frijoles in heißen Brocken Totopostles aufschaufelte. »Auch dieses Geschäft wird mit jedem Tage schlechter und elender.«
Don Gabriel sah das Geschäft bei weitem weniger pessimistisch an. Verglichen mit seinen früheren Geschäften, war dies hier eine Goldmine. Auf dem ganzen langen Marsch dachte er nur immer an dies eine: wie er das Geschäft Don Ramon abnehmen und wie es vielleicht geschehen könne, dass auf dem
Rückwege Don Ramon verunglücke, und so verunglücke, dass bei der Abrechnung niemand zugegen sei, der mit gutem Gewissen beschwören könnte, dass Don Ramon nicht fünftausend Pesos dem Don Gabriel
schulde, die Don Gabriel dem Don Ramon im Laufe der Aufkäufe von Peones geborgt hatte.
Sollte es sich aber nicht ereignen, dass Don Ramon verunglückte, dann würde der Verdienst des Don Gabriel nicht den dritten Teil von fünftausend Pesos ausmachen, und Don Gabriel würde noch einige Jahre hart arbeiten müssen, ehe er das Geschäft allein und nur zu seinen eigenen Gunsten würde führen
können.
»Un accidente, ein Unglück, ein großes Unglück!« schrie da aus dem schnatternden Geschwätz der abkochenden Burschen heraus eine Stimme. Don Gabriel, unausgesetzt an ein Unglück denkend, das seinen Geschäftsteilhaber treffen sollte, erbleichte, als er das Geschrei hörte. Aber dann sah er Don Ramon vor sich hocken, ruhig essend und zwischendurch redend, und dadurch kam er wieder zurück zur Wirklichkeit.
Die Caballeros hier am Feuer regten sich durch das Geschrei von dem Accidente, dem Unglück, nicht auf. Sie warteten erst einmal ab, bis ein genauer Bericht kam. Wahrscheinlich war es nur ein Peon, der in eine Schlucht gerutscht war, oder es war ein Mule, das gefallen war, oder es war ein Pferd oder eine Mule, das einen Burschen geschlagen hatte. Wollte man sich auf diesen Märschen aufregen des Geschreis eines Indianers wegen, dann käme man nie zu einer ruhigen Minute.
Die Peones waren von ihren Feuern fortgelaufen und standen nun in einem dichten Haufen beisammen.
Der Haufen kam näher zum Platz. Und als er nur noch zwanzig Schritt vom Feuer der Caballeros entfernt war, öffnete er sich und ließ eine Gasse frei. Die Caballeros standen nun gemächlich auf und gingen auf den Haufen zu. Da war ein Bursche, der das Pferd des El Zorro am Zügel hielt. Das Pferd war auf seinem Wege mehrere Male mit den herunterhängenden Riemen und Strippen an Gebüschen und Baumstümpfen hängen geblieben. Aber es hatte sich offenbar immer wieder befreien können, wenn das auch seinen Marsch wesentlich verzögert hatte.
»Das ist ja der El Zorro«, sagte Don Ramon. »Was hat denn der gemacht? Wird der nicht mit einem Pferde fertig? Verteufelt, er ist übel zerschunden. Man kennt ihn nicht mehr. Es könnte gut jemand anderes sein. Aber es ist seine Hose, es sind seine Stiefel und seine trockenen und verschrumpften Ledergamaschen, und es ist sein Pferd.«
Die Caballeros kamen nun ganz nahe heran.
Das Pferd war über und über mit Schweiß bedeckt. Es zitterte, und seine Augen waren groß und voll Entsetzen. Man fühlte, dass es glücklich war, unter lebenden, schwatzenden und gestikulierenden Menschen zu sein, dass es die anderen Tiere in der Nähe roch und dass es sich in einer Umgebung befand, die ihm gewohnt war und die es erlöste von der entsetzlichen, gespenstischen Furcht, die es in den letzten Stunden durchlebt hatte.
»Wie hat der Hurenknecht denn das nur fertig gebracht, so unter die Bestia zu geraten?« sagte Don Alban, einer der Händler. »Er verdirbt mir den ganzen Appetit. Dank der Santisima Virgen, dass wir ein paar Flaschen Comiteco mit uns haben, oder ich würde die ganze Nacht hindurch diese Erscheinung nicht los.«
Der Sattel war heruntergerutscht, so, dass der Sitz seitlich am Bauch des Pferdes klebte. El Zorro hatte seinen Fuß im Steigbügel. Wahrscheinlich hatte er sich, auf dem Pferde sitzend, mit dem Oberkörper nach hinten wenden wollen, um Zurückgebliebene zu kommandieren, und dabei hatte er sich den Fuß im
Steigbügel so verdreht, dass der Fuß bei einem Scheuen des Pferdes nicht freikommen konnte.
Die Kleidung des El Zorro war völlig zerfetzt und zerrissen von dem Entlangschleifen an den Bäumen und Gebüschen.
Das Gesicht war unkenntlich. Der Kopf war eine dreckige Masse. Kaum noch irgendwelches Fleisch war am Schädel und nur einige Büschel Haare. Das Genick war wie ein Waschlappen.
»Schneidet ihn ab vom Sattel, wenn ihr ihn nicht aus dem Bügel herausbekommt«, sagte Don Ramo. »Legt ihn da drüben hinter den Sträuchern hin. Wir werden ihn später eingraben. Sattelt das Pferd ab und führt es zu den anderen Tieren. Pobre bestia; armes Tier.«
Die Caballeros gingen zurück zu ihrem Feuer. Die Lust zum Essen war ihnen vergangen. Sie redeten von allen möglichen Dingen. Gelegentlich von anderen Unglücksfällen, die sie gesehen hatten oder von denen man ihnen erzählt hatte.
»Raus mit dem Comiteco, Don Alban«, sagte Don Gabriel. »Ich hoffe, Sie werden uns unter solchen Umständen doch nicht trocken sitzen lassen.«
»Sicher nicht, Caballeros, der Comiteco gehört Ihnen sowohl wie mir. Bedienen Sie sich. Nur nicht kleinmütig und zaghaft. Ich habe eine gute Batterie mit mir. Was wir hier trinken, brauche ich in den Monterias nicht zu verkaufen. Salud, caballeros.«
Don Ramon rief den Burschen, der für ihn und Don Gabriel das Kochen besorgte: »Ausencio, ruf mir den El Camaron heran, ich habe mit ihm zu reden.«
»Orita, patroncito«, erwiderte der Bursche und schrie dann: »El Camaron! El Camaron! Al Patron.«
Er musste ihn suchen gehen und fand ihn in der Gruppe der Arrieros und Muletreiber. Die Arrieros waren die soziale Schicht in dem Trupp, der er zugehörte. Es war die Schicht der Unteroffiziere dieser Armee.
»Ya me voy. Ich komme schon«, sagte El Camaron und folgte dem Bursche.
»El Zorro ist dein Companero, he?« fragte ihn Don Ramo.
»Companero? Nun ja. Wie das so ist, Companero««, sagte El Camaron. »Ich kenne ihn auch nicht weiter als eben gerade hier, so, dass wir zusammen bei Ihnen arbeiten, Patron.«
»Du weißt doch aber wenigstens, wo er zu Hause ist?«
»Wie soll ich denn das wissen, Jefe?« erwiderte El Camaron.
»Wo hast du ihn denn getroffen?«
»Im Calabozo in Tullum, im Gefängnis, Jefe.«
»Schöne Brüder«, lachte Don Alban. »Komm her, El Camaron, nimm einen Schluck!«
»Muchas gracias, vielen Dank, Patron«, sagte El Camaron und hob einen gigantischen Schnapper aus der gereichten Flasche. Er wusste ja nicht, ob man ihm die Flasche noch ein zweites Mal anbieten würde, und was man im Bauche hat, kann einem niemand mehr stehlen.
»In der Carcel in Tullum also«, sagte Don Ramon nickend.
»Ich war aber völlig unschuldig drin, Jefe, das dürfen Sie mir glauben, das kann ich schwören bei der Jungfrau und bei dem Kinde.« Als er das sagte, machte er einige geübte Kreuze über den Mund und küsste seinen Daumen zur Bekräftigung seines Schwurs.
»Warum saß denn El Zorro in der Carcel?« fragte Don Alba. »Das war so eine Sache, Patron, Sie wissen ja, was ich meine«, antwortete El Camaron mit breitgezogenem Munde. »Was für eine Sache?« wollte Don Ramon wissen.
»El Zorro hatte da ein Mädchen, eine Criada, ein Dienstmädchen. Er behauptete, sie habe sich mit einem Carretero eingelassen. Er hat sich darum mit der Muchacha elendiglich gezankt, wie das so geht, und als er dann näher hinsah, da war die Muchacha nicht mehr am Leben. Und da war ein großes Geschrei, und da haben sie ihn einfach in den Calabozo gesteckt.«
»Haben sie ihn denn nicht drinbehalten in der Carcel?« fragte Don Gabriel.
»Que va, no. Es hat ja niemand gesehen, ob er das Mädchen erschlagen hat oder ob ihr ein Stein vom Dach auf den Kopf gefallen war. Geld hatte er keinen Cent. Da hat sich niemand darum gekümmert, ob er in der Carcel bleibt. Und da hat man ihn nach einigen Wochen wieder gehen lassen.«
»Seid ihr zusammen herausgekommen?« fragte Don Ramon.
»No, ich kam viel früher 'raus; ich hatte ja nichts getan; ich war ganz unschuldig drin.«
»Du hast doch in Tullum beim Don Eliseo gearbeitet als Mozo, als Helfer«, sagte Don Ramo.
»Richtig, Jefe, es la verdad.«
»Don Eliseo hat in Tullum eine Botica, ist mein Compadre«, erklärte Don Ramon den Caballeros.
Er wandte sich wieder an El Camaron: »Don Eliseo hat dich hinter die Rejas, hinter die Gitter, sperren lassen, weil du bei ihm Medizinen gestohlen hast, wenn du die Kisten aufmachtest, und du hast dann die Medizinen an den Don Ismael, den türkischen Händler, verkauft, der auf die Märkte und Ferias mit
seinem Kram zieht.«
»Das sind Mentiras, gemeine Lügen, Jefe. Ich habe nie etwas angefasst, was meinem Patron gehörte.«
»Versuche nur einmal, etwas anzufassen, was uns hier gehört, du Cabron, du Hurenjunge. Wir stecken dich nicht in die Carcel, wir pfeffern dir eine in die Eingeweide«, sagte Don Ramon. Dann fuhr er fort:
»Sage uns, wo El Zorro her ist, damit wir seine Mutter oder seine Brüder oder was er haben mag benachrichtigen können.«
»Vielleicht ist er von Pichucalco«, antwortete El Camaron. »Er hat einmal so etwas Ähnliches gesagt. Aber bestimmt weiß ich es nicht.«
»Ja, dann«, sagte nach einer Weile Don Ramon, »bleibt uns nichts weiter zu tun übrig als ihn einzugraben. Kommen Sie, Caballeros!«
Die Männer standen auf.
Es wurden Kienfackeln gebracht, und die Männer suchten einen geeigneten Platz, etwa fünfhundert Schritte vom Lagerplatz entfernt.
»Unangenehmes Gefühl«, sagte Don Ramon, »einen Begrabenen zu dicht beim Lagerplatz zu haben.
Wer weiß, wie oft wir noch in unserem Leben hier werden lagern müssen. Dann ist es eine große Beruhigung, den Cementerio, den Friedhof, nicht zu nahe zu haben und vielleicht gar auf den Kadaver zu treten, wenn man die Hosen 'runterlassen muss.«
Einige der Burschen hatten den Leichnam herangeschleppt. Einige andere Burschen waren mitgekommen, um zuzusehen.
Im Trupp waren Äxte, Kletterhaken, Ketten, Drahtseile, Stacheldraht, schwere eiserne Klammern, Bandeisen, Hebezeuge und manche anderen Dinge, wie sie in den Monterias gebraucht wurden und von den Verwaltungen der Monterias bestellt worden waren und nun von Transportunternehmern auf den Rücken von Tragtieren mitgeführt wurden.
Aber im ganzen großen Trupp war nicht ein einziger Spaten und nicht eine einzige Schaufel. Denn das waren Gegenstände, die in einer Monteria nicht gebraucht wurden. Vielleicht war in der einen oder anderen Monteria ein Spaten vorhanden, den man fand, wenn man lange genug suchte, und der vielleicht hier einmal hergekommen war, als die ersten Entdecker und Forscher so nebenbei Gold zu suchen gedachten. Im Trupp jedenfalls war kein Spaten.
Die Burschen fragten auch gar nicht nach einem Spaten. Sie machten sich sofort mit ihren Macheten an die Arbeit, eine Höhlung in die Erde zu kratzen. Als die Höhlung etwa einen halben Meter tief war, wurde der Boden zu hart. Das wartete Don Ramon aber nicht erst ab. Als er sah, dass tief genug ausgekratzt war, um dem Körper gerade Platz zu geben, sagte er: »Legt ihn 'rein! «
Als die Burschen den Körper hochhoben, rief er: »Augenblick, un momento. Sucht einmal erst die Taschen alle durch. Zieht ihm die Stiefel aus und seht, ob er etwas in den Stiefeln hat. Den Ring lasst ihm nur am Finger, es ist nur Messing mit einem Glasstein.«
Die Burschen fanden in seinen Taschen zwölf Pesos und einige Centavos, Zigarettentabak in einem Säckchen und gewöhnliches weißes Papier, das er sich selbst zugeschnitten hatte, ferner ein kräftiges Taschenmesser und das übliche Feuerzeug, das alle Leute mit sich führen, die durch den Dschungel und
den Busch reisen müssen. Das Feuerzeug ist ein Stück Stahl, ein Stück Feuerstein und eine Lunte.
Kein Mensch, der den Dschungel in Zentralamerika kennt und dort gewandert ist, macht sich auf den Weg, ohne ein solches Feuerzeug mitzunehmen, auch wenn er nebenbei hundert Schachteln von guten, modernen Zündhölzern im eisernen Tropenkoffer mit sich führen sollte.
»Du bist ja wohl hier der einzige berechtigte Erbe des El Zorro«, sagte Don Ramon zu El Camaron, »und da nimm das hier nur alles an dich.«
»Mill gracias, jefe«, sagte El Camaron zufrieden und steckte die Sachen und das Geld ein. »Aber mit Ihrer Erlaubnis, Jefe, vielleicht kann ich mir doch dann den Ring auch noch nehmen. Der Hombre braucht ihn nicht mehr, und der Ring ist ja noch ganz gut, auch wenn er wie Messing aussieht, aber die Mädchen wissen das ja nicht, und sie denken, es ist Gold.« Ohne die Erlaubnis seines Patrons abzuwarten, hockte sich El Camaron nieder und streifte dem Leichnam den Ring ab. Die Hände, die wie der Kopf ebenfalls den Weg entlanggeschleift worden waren, sahen so zerschunden aus, so widerlich, und sie waren so flappig, dass man sich entsetzen konnte, wenn man sie länger als mit einem kurzen Blick ansah. Da die Finger von dem Aufschlagen und Entlangschleifen verquollen waren, so vermochte El Camaron den Ring nur dadurch abzustreifen, dass er reichlich Spucke gebrauchte und den Finger des Toten renken, verdrehen und zerquetschen musste. Sobald er den Ring herunter hatte, steckte er ihn gleich an seinen eigenen Finger, rieb ihn am Hemdsärmel ab und ließ ihn in dem flackernden Schein der Kienspäne glitzern.
»Nun könnt ihr ihn in das Grab legen«, sagte Don Ramon zu den Bursche.
Die Peones hoben den Körper in die Höhlung und wollten sie gleich zuscharren.
»Un momento, einen Augenblick, Muchachos!« rief Don Ramon. »Caballeros, er war ja ein Schuft, ein Bandit und ein Mörder und was weiß ich sonst noch alles, aber er war ja trotzdem ein menschliches Wesen und ein Christ. Lassen Sie uns für seine Seele ein Ave-Maria beten.« Die Caballeros und die Burschen nahmen ihre Hüte ab, und alle begannen zu leiern: »Ave Maria, Santa Purisima, Santa Madre de Dios, salvenos, ora pro nobis, Santa Purisima, Santa Madre de Dios, ora pro nobis. Amen.«
So gedankenlos, wie ihnen als Kinder die Gebete eingedrillt worden waren ohne Sinn und ohne Überlegung und ohne Nachdenken, so gedankenlos schnurrten sie die Gebete jetzt auch herunter. Darum kam es ihnen gar nicht in den Sinn, wie widerspruchsvoll ihr Verhalten war. Sie hatten die Absicht und den guten, ernsten Willen, für die Seele des Verunglückten zu beten, aber es kam so heraus, dass sie die Heilige Jungfrau darum baten, beim lieben Gott um das Heil ihrer eigenen Seelen zu bitten. Da aber der liebe Gott alle Dinge weiß, die im Herzen des Menschen sind, so wird er ja diese Gebete für die arme Seele des zu Tode Geschleiften so aufgenommen haben, wie sie von den Betenden gemeint waren, trotz der Kirche.
Als das Gebet vorüber war, hoben die Caballeros einige Brocken Erde auf und warfen sie auf den Körper. Don Alban zog sein rotes Taschentuch aus der Hosentasche und breitete es über den abgescheuerten Teil des Schädels, der einst das Gesicht des El Zorro gewesen war. Dann machte er drei Kreuze über das Tuch und sagte: »Ahora, muchachos, nun könnt ihr zuscharren.«
Die Peones kratzten die aufgeworfene Erde teils mit ihren Füßen, teils mit den Macheten, teils mit Ästen über den Körper. Da der Körper die Höhlung völlig ausfüllte, so bildete die ausgeworfene Erde, die über den Leichnam gescharrt wurde, einen Hügel.
Mehrere Burschen liefen mit ihren schmockenden Kienspänen im Dschungel hin und her und schleppten Steine herbei, die sie auf dem Hügel ausbreiteten. Dann streuten sie darüber Äste und Zweige und abermals einige Steine, um zu verhindern, dass die Äste beim ersten Winde fortgeweht würden.
Der Körper war keineswegs so gut gesichert, dass nicht für Wildschweine oder hungrige Tiger die Möglichkeit bestand, den Leichnam auszukratzen.
Es war kein Zweifel, dass Tiger die Spur aufnahmen und verfolgten, wo der Körper des El Zorro entlanggeschleift worden war. Die Tiger folgten mit Sicherheit sogar Karawanen, die erlegtes Wild mit sich führten, auch wenn das Wild bereits zerlegt war und das Fleisch in den Packen und Kochkesseln
transportiert wurde.
Wurde das Grab aber nicht von den Tieren aufgerissen, so vermoderten die aufgelegten Äste und Zweige rasch, bildeten neue reiche Erde, einige der frisch gebrochenen Äste schlugen Wurzel und nach wenigen Wochen konnte niemand mehr das Grab finden, sosehr er es auch suchen mochte. Es wäre um so schwerer zu finden gewesen, weil die Eingrabung in tiefer Nacht beim Schein der schmockenden Kienspäne erfolgt war, die der Umgebung ein Aussehen gaben, dessen sich niemand am hellen Tage in Einzelheiten hätte erinnern können.
»Macht ihm ein Kreuzchen und steckt es auf!« sagte Don Ramo.
Und Don Alban fügte hinzu: »Ihr, die Muchachos, die den Hombre hier hergebracht und ihn eingegraben haben, kommt zu unserem Feuer und nehmt einen Schluck, damit ihr nicht die ganze Nacht davon träumt.«
An den Feuern der Peones wurde der Fall eingehend besprochen, denn er war das frischeste Ereignis, und es war gleichzeitig ein Erlebnis, das keiner bis an den letzten Tag seines Lebens vergessen würde.
Die Muchachos, die beim Begräbnis geholfen hatten, bekamen ihre Flasche des gewöhnlichen Aguardiente von Don Alban. Sie waren damit zufrieden, denn sie waren an diese Sorte besser gewöhnt als an den Anejo, den die Caballeros tranken und der sie nicht genug in der Kehle gekratzt haben würde, um als wohlverdienter Lohn für ihre unangenehme Extraarbeit betrachtet zu werden.
Don Alban, dem das Leben und Sterben des El Zorro ganz und gar gleichgültig war, weil er ja nicht sein Muchacho gewesen, hatte alle Kosten des Begräbnisses zu tragen. Denn als er die Ausgaben überrechnete, fand er, dass ihn der Unfall des El Zorro zwei Flaschen gewöhnlichen Aguardiente und vier
Flaschen Comiteco gekostet hatte. Bei der einen Flasche für die Peones war es nicht geblieben. Er musste noch eine zweite Flasche opfern, weil sich nach einer Weile noch andere Burschen einfanden, die mit Recht behaupten konnten, dass sie gleichfalls an dem Verunglückten herumhantiert hätten und dass sie in den nächsten Wochen nicht mehr essen könnten, wenn sie nicht die Pest mit einem guten Schluck hinunterspülen würden.
An dem Feuer, an dem Celso, Andres, Paulino und Santiago hockten und kochten, saßen auch noch einige andere Burschen, die sich im Laufe des Marsches den vier Kameraden zugesellt hatten.
Keiner aus dieser Gruppe hatte sich um das Ereignis gekümmert. Sie waren nur für einen Augenblick hingelaufen, als das Pferd mit dem verunglückten Zutreiber in das Lager gekommen war. Nach einigem Zusehen waren sie zurückgegangen zu ihrem Feuer.
Celso hatte gesagt: »Geht aus dem Wege. Hier gibt es Extraarbeit. Lasst euch nicht in der Nähe sehen.«
Keiner von ihnen war zum Begräbnis gegangen. Aber es ergab sich von selbst, dass darüber geredet wurde.
Paulino, der weise und erfahrene Indio, mit guter Kenntnis des Lebens und Geschehens in den Monterias, sagte: »Hombres, was für ein Glück ihr habt, wisst ihr gar nicht. Dieser Cabron, dieser hundsgemeine Hurensohn, ich meine den El Zorro, dass der jetzt unter dem Dreck liegt, ist etwas, wofür ihr alle San José danken könnt. Diesen Burschen und den anderen Henkersknecht, den El Camaron, in der Monteria zu haben und noch dazu als Capataz, Hijitos, meine Söhnchen, da habt ihr nichts zu lachen.
Da habt ihr nur eine Menge Gelegenheit, heftig zu heulen. Dass ihr den einen los seid, dafür dankt allen Heiligen im Himmel. Das einzige Unglück, das heute geschah, war, dass nicht El Camaron im anderen Steigbügel seines Pferdes hing. Und wenn ich ihm das besorgen könnte, ich würde das viel lieber tun als
zwei Botellas Aguardiente auszutrinken. Wenn ihr an die Heiligen glaubt, so betet nur recht fest und nachhaltig heute Nacht, dass El Camaron morgen ebenfalls eingegraben wird. He dicho, ich habe gesprochen.«
Andres sah Celso an. Celso nahm den Blick auf, zuckte aber gleichgültig die Schultern. Was ging ihn denn das an, was Paulino über das Schicksal des El Camaron dachte.
Ein wenig später ging Celso mit seinen Töpfen zum Fluss, um sie auszuwaschen, den Mund zu spülen und die Zähne mit seinem Zeigefinger zu polieren.
Andres folgte ihm, um das gleiche zu tun.
Als sie am Ufer hockten, nebeneinander, und Andres sah, dass sonst niemand in der Nähe war, sagte er: »Wie konntest du denn das wissen, dass El Zorro vom Pferde geschleift werden würde?«
»Das habe ich nicht gewusst«, erwiderte Celso gleichmütig, »ich habe nur in den Sternen gelesen, dass er umkommen wird. Auf welche Weise der stinkige Hund verrecken würde, das haben mir die Sterne nicht verkündet. Auch seine Hände nicht. Um solche Kleinigkeiten kümmere ich mich nicht. Du kennst meine Geschichte bis auf das letzte Pünktchen.«
»Sie ist mir ja ausführlich erzählt worden, als du mich erschlagen wolltest, ohne mich zu kennen«, sagte Andres lachend.
»Und glaubst du denn, das Schicksal lässt es zu, dass zwei so hundsniederträchtige Halunken für eine so gotterbärmliche, stinkige und höllengiftige Gemeinheit, wie sie sie mit mir verübt haben, um sich drei Pesos zu verdienen, am Leben bleiben, sich an der Sonne freuen und sich jeden Tag daran ergötzen können, mich schuften zu sehen, und noch obendrein das Recht haben, mich auspeitschen zu dürfen? So ein Schicksal, das so etwas zulassen würde, gibt es nicht. Der andere Hurensohn kommt auch nicht bis zur Monteria. Vielleicht wird der andere gar nicht einmal mit einem Ave-Maria eingegraben.
Der andere Cabron wird wahrscheinlich von den Geiern und Schweinen aufgefressen. Ich kann daran gar nichts tun. Das ist seine Bestimmung und sein Schicksal.«
Andres lachte und sagte: »Das Schicksal macht zuweilen recht sonderbare Fehler.«
»Wie meinst du denn das, Andresillo?«
»Als heute am Nachmittag das Pferd des El Zorro hier im Paraje ankam, da hast du nicht weiter hingesehen und dich um nichts gekümmert. Niemand hat sich um etwas im einzelnen gekümmert. Alle waren so aufgeregt, so erschreckt, so entgeistert, dass sie nur auf den hängenden und schleifenden Kadaver des stinkigen Hundes sahen. Der Anblick war entsetzlich genug. «
»Ja, und was denn nun weiter? Um mir das zu erzählen, spare dir nur die Worte. Das interessiert mich doch nun gar nicht. Ob der Hund so oder so aussah, hat nicht das geringste mit seinem Schicksal zu tun.«
»Ich habe aber doch genauer hingesehen, gerade darum, weil du das alles richtig voraus geweissagt hattest. Und da wollte ich sehen, wie das Schicksal arbeitet. Aber«, und nun platzte Andres lachend heraus, »ich möchte doch das Schicksal kennen, das einen erfahrenen Jinete, einen erfahrenen Pferdeburschen, wie El Zorro einer war, mit dem linken Fuß im rechten Steigbügel hängen lässt. Wie El Zorro auf seinem Pferd gesessen haben muss, um den linken Fuß im rechten Steigbügel einzuquetschen, das kann mir kein Schicksal klarmachen.«
»Lagarto, lagarto«, rief Celso aus, »verflucht noch mal! Ja, wenn ich so jetzt darüber nachdenke, ich glaube, du hast recht, Andresillo.«
»Freilich habe ich das. Ich war ja auf das Schicksal vorbereitet und habe mich nicht aufgeregt, und darum habe ich manches gesehen, was die anderen nicht gesehen haben.«
»Bist du sicher, dass niemand sonst das bemerkt hat?«
»Nicht einmal Don Ramon. Ich will dir sagen, warum. Der Sattel war beinahe ganz unter dem Bauch des Pferdes. In dieser Lage des Sattels sah es natürlich so aus, als ob der richtige Fuß im richtigen Steigbügel
hinge. Jeder, der herumstand, sah sich nur den zerschundenen Schädel des El Zorro an, weil das viel interessanter war. Der Cabron wurde auch so rasch aus dem Steigbügel herausgeschnitten, dass niemand Zeit hatte, daran zu denken, welcher Fuß in welchem Steigbügel hing.«
Nun lachte auch Celso und sagte: »Gut gesehen und gut geurteilt. Aber so leicht fangen, wie du glaubst, kannst du mich doch nicht, Brüderchen, Manito. Nicht du. Und kein Agent. Viel weniger ein Polizeichef.« »Ich spreche gar nicht von dir, Celso.« »War ich vielleicht beim Schwanz?«
»Lass mich mal nachdenken. Nein, das ist richtig. Du warst nicht im Nachzug.«
»Stimmt, Söhnchen. Richtig und gut beobachtet. Ich war auf dem ganzen Marsch mit den Burschen von Cahancu, noch weit voraus vor der Mitte, wo die Mules der Händler marschieren.
Frage einen einzigen von den Cahancu-Muchachos, und die werden dir sagen, dass es so ist. Was habe ich dann mit dem Kadaver zu tun, wenn der am Schwanz war und ich im ersten Zug des Trupps?«
Andres schwieg für eine Weile. Dann sagte er: »Da will ich doch aber gleich von einem Hammel vergewaltigt werden, wenn ich mir das alles zusammenreimen kann. Ich habe ganz im Ernst geglaubt, dass du dem Schicksal hier auf die Beine geholfen hast.«
»Ich? Ja, Andresillo, was denkst du denn eigentlich von mir? Ich? Diesen elenden Coyote? Da hast du einmal ganz und gar vorbeigeraten. Dir könnte ich es ja gut sagen, Brüderchen. Zu dir habe ich Vertrauen. Aber, was ich nicht getan habe, dafür kann ich keinen Dank beanspruchen.« |
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