| So wurde Abner Shutt ein Zahnrad in der Maschine, die Ford in seinem Hirn  erdacht hatte und die jetzt Wirklichkeit wurde. Als er noch allein in seiner  Werkstatt war, konnte er tun und lassen, was er wollte. Stets aber, wenn er  sich mit anderen verbunden hatte, war er ein Teil ihrer Organisation geworden.  Er musste tun, was sie wollten. Jetzt arbeitete er zum ersten Mal in seinem  Leben mit seiner eigenen Gesellschaft. Andere Menschen hatten ihm zu gehorchen  und nach seinen Anweisungen zu arbeiten.Er musste jetzt nicht mehr nur für sich selbst denken, sondern auch für Abner -  und das gefiel diesem ausgesprochen gut. Seine Selbständigkeit war begrenzt und  sein Geist nicht geschult. Hätte er sich in dieser engen emsigen Werkstatt  selbst nach Arbeit umsehen sollen, er wäre todunglücklich gewesen. Aber der  Vorarbeiter zeigte ihm genau, was er zu tun hatte; Abner war dankbar dafür. Er  brauchte jetzt nur noch etwas Zeit, um den Dreh zu lernen, danach arbeitete er  unablässig. Je seltener er die Handgriffe verändern musste, desto besser gefiel  es ihm. Der neue Chefingenieur hatte einen guten Griff getan, als er den Sohn  der >Wahren Gläubigen< anstellte.
 Die Werkstatt, in der Abner arbeitete, war eigentlich keine richtige  Autofabrik. Hier gab es keine Maschinen, die Autoteile produzierten. Jedes Teil  wurde in Fremdarbeit nach Fords Angaben hergestellt. Die frühere  Zimmermannswerkstatt war nur der Platz, an dem man diese Teile montierte. Im  ersten Jahr wurden in diesem Werk 1708 Wagen fertig gestellt - also an jedem  Werktag sechs. So etwas hatte man bisher in der Industrie nicht gekannt. Das  Problem für den Chefingenieur bestand darin, die Arbeit in eine Anzahl von  Teilaufgaben aufzulösen, von denen jede aber noch groß genug sein musste, dass  ein Arbeiter zehn Stunden daran zu tun hatte, wenn er so schnell arbeitete, wie  er irgend konnte.
 Auf Rollwagen, von Pferden gezogen, kamen ganze Ladungen bereifter  Speichenräder. Abner fasste zwei Räder auf einmal und rollte sie zu einem  Wagen, der fast fertig war. Er musste die Räder auf die Achse setzen und die  Mutter an der Radnabe mit einer Zange anziehen. Das war seine Arbeit. Die  Drehung musste behutsam angesetzt werden, um das Gewinde der Mutter nicht zu  beschädigen, und er musste sie fest genug anziehen, damit der Fahrer nicht eines  Tages ein Rad verlor und die Firma Ford blamiert war. Da Abner die Räder seines  Fahrrades oft auf- und abmontiert hatte, lernte er diese Arbeit schnell. Doch  als er in seiner Begeisterung einmal gezeigt hatte, wie schnell er sie  verrichten konnte, wurde dieses Tempo die Norm. Blieb er dahinter zurück, gab  es böse Blicke und hämische Fragen.
 Als er seine Arbeit beherrschte, zeigte man ihm, wie das Signalhorn angebracht  wurde, das vorn an jedem Wagen befestigt war. Dann lernte er die Laterne  anzubringen, sie war größer als beim Fahrrad und wurde auf das Schutzblech  montiert. Auch das waren Dinge, die Abner vom Fahrrad her kannte. Sie machten  ihm keine Schwierigkeiten. Endlich wies man ihn an, die Polster für die Sitze  heranzuschaffen, sie in den Wagen einzubauen, den Staub herauszuklopfen und  Schrammen oder Schäden zu melden. Diese Aufgaben hielten ihn den ganzen Tag in  Trab. Aber das machte ihm nichts aus, er bekam ja 17 und einen halben Cent in  der Stunde. So viel hatte er vorher nie bekommen. Außerdem hatte Mr. Ford ihm  versprochen, er würde befördert werden, wenn er nur fleißig arbeite. Konnte ein  Arbeiter noch mehr verlangen?
 Abner und die blauäugige Milly Crock fassten wieder Mut. Jetzt wurde ihr  Leben doch besser. Sie hielten Hochzeit in ihrer weißen Kirche und machten eine  Reise mit dem Dampfer zu den Niagarafällen. Es war ihr erster und letzter  Urlaub. Sie ließen sich fotografieren, das große Naturschauspiel war der  Hintergrund. Beide schauten feierlich und ernst auf den Bildern drein, Milly  mit Puffärmeln, Abner mit Vatermörder und aufgebauschter Krawatte, die Spitzen  seines Schnurrbartes steif vor Bartwichse. Das Bild kam ins Familienalbum, ihre  Urenkel sollten es noch bewundern können.Kaum ein Jahr später lieferte das gläubige Paar seinen ersten Beitrag zum  Bevölkerungswachstum der aufblühenden Stadt. Es war ein Junge, und sie nannten  ihn John Crock nach Millys Vater. Insgesamt bekamen sie sechs Kinder, von denen  vier am Leben blieben, drei Jungen und ein Mädchen. Der Jüngste hieß Tom nach  Abners Vater, aber sie nannten ihn Tommy, solange der alte Nachtwächter noch  lebte.
 Während Abner und Milly ihren Traum verwirklichten, war Ford mit seinem  beschäftigt. Wenn all die kleinen Shutts aufgewachsen waren - und ebenso die  kleinen Smiths, Schultzes, Slupskis und Steins -, so sollten sie Millionen  kleiner Motorfahrzeuge vorfinden, deren Preis aus zweiter Hand für sie  erschwinglich wäre. Zu jedem Platz des Kontinents sollten diese Wagen sie  bringen, ein paar Berggipfel ausgenommen.
 Ja, das war Fords Traum, das wollte er! Deshalb inspizierte er dauernd die  ehemalige Zimmermannswerkstatt, in der sich jetzt zweihundert Arbeiter  drängten. Er beobachtete, wo sie einander behinderten. Er arbeitete Pläne aus,  dies zu vermeiden. Er prüfte Material, las Verträge, verhandelte über  Verkaufsfeldzüge, bereitete Reklamen vor, die sich einfach und sinnfällig an  den Verstand des Durchschnittsamerikaners wandten - und den kannte er genau.  Vierzig Jahre war er selbst einer von ihnen gewesen. Wer im Geschäft Erfolg  haben will, muss immer an den >Durchschnittsmenschen< denken, das war  sein Grundsatz. Und er hatte ein halbes Leben lang danach gehandelt, bevor er  diesen Satz predigte.
 Im ersten Jahr brachten die Verkäufe der Ford-Motor-Company 1,5 Millionen  Dollar, ein Viertel davon war Gewinn. Von nun an hatte Henry Ford sein Leben  lang stets Geld genug, um seine Ideen durchzusetzen. Er verwaltete sein Geld  gut und benutzte es nur für diesen Zweck.
 Der erste Wagen, Modell A, war für 850 Dollar verkauft worden. Fords Plan war,  den Preis weiter herabzusetzen und 1904 noch mehr Wagen zu verkaufen. Das  führte zu Auseinandersetzungen mit seinen Gesellschaftern. Sie glaubten immer  noch, das Auto sei ein Spielzeug für Reiche. Sie wollten die Preise erhöhen und  diverse Luxusmodelle herausbringen, damit die Käufer größere Auswahl hätten.  Mit den Autos wurde es jetzt wie mit Damenhüten und Kleidern. Jedes Jahr musste  die Form geändert werden, so dass die Reichen, wollten sie mit der Mode gehen,  sich rasch einen neuen Wagen kaufen mussten. Die Konstrukteure setzten hinten  auf den Wagen einen Aufbau, den man das >Tonneau< nannte, das war eine  Art Box mit zwei Extrasitzen. Heute zogen sie es tief herunter, im nächsten  Jahr bauten sie es ganz hoch auf; heute stieg man von der Seite ein, im nächsten  Jahr dagegen von hinten. In Paris hatten sie das Modewort >Automobil<  aufgeschnappt, und jetzt gab es jeden Winter eine >Automobilausstellung<  in New York. Dort versammelten sich die Verkäufer und überzeugten die Käufer  davon, dass sie unbedingt kaufen müssten.
 Auch Henry Ford wollte Wagen auf der Automobilausstellung verkaufen, aber  dieses Geschäft sollte ebenso in Oshkosh und Topeka florieren, und er war  überzeugt, das könne ihm einzig und allein durch einen niedrigen Preis  gelingen. Er stritt mit seinen Gesellschaftern, und als es zur Abstimmung kam,  wurde er überstimmt. Die Ford-Motor-Company baute jetzt nicht mehr das Modell A  für 850 Dollar, sondern Modell C für 900 Dollar, Modell F für 1000 und Modell B  für 2000. Die Verkaufszahlen fielen von 1708 im ersten Jahr auf 1695 im  zweiten. Im nächsten Jahr lief das billigste Modell ganz aus, und die Verkäufe  fielen auf 1599. Ja, sie machten Fortschritte, aber die Gewinne fielen.
 Woran lag es? An dem hohen Preis, wie Henry Ford behauptete, oder an dem Fehlen  neuer Modelle? Das behaupteten nämlich die Verkäufer und Teilhaber. Sie  erklärten, seine Modellpolitik sei der Ruin. Aber an einem anderen Konzept  hatte er kein Interesse. Er hielt seine Dividenden zusammen und nutzte jede  Gelegenheit, die Aktien der unzufriedenen Aktionäre zu kaufen. Der erste war  der Zimmermann Strelow, der Besitzer der Werkstatt. Er hatte fünftausend Dollar  im Geschäft und erklärte, er würde sie lieber in eine Goldmine stecken. Als  nächster war der alte Freund Malcolmson dran. Ford hatte erklärt, dass er mit  diesem Kohlenhändler nicht zurechtkommen könne, und der Kohlenhändler war sich  darüber klar geworden, dass er mit Ford nicht auskam. Er verkaufte. Nun hatte  Ford die Majorität! Wer mit seiner Politik nicht einverstanden war, wurde hinausgesetzt.  Das war von nun an Grundsatz der Gesellschaft: Wer Fords Anweisungen  widersprach, wurde sofort gefeuert.
 Die Ford-Motor-Company baute jetzt keine Tourenwagen mehr, wie die teuren Wagen  genannt wurden. Sie baute Gebrauchswagen und Roadsters. Ihr teuerster Wagen  wurde für 750 Dollar verkauft, es gab sogar einen,
 der nur 600 Dollar kostete. Das Resultat sprach für sich: 1906 verkaufte man  fünfmal soviel Wagen wie im Jahr vorher. Henry Ford hatte seinen Weg zum Erfolg  angetreten.
 Während all dies sich ereignete, arbeitete Abner treu ergeben in dem Werk.  Er rollte Räder heran, entweder Drahträder oder hölzerne, wie sich eben die  Mode änderte. Er schraubte also Achsenmuttern mit einem Rechts- oder einem  Linksgewinde auf. Er befestigte Glocken und später ein Ding mit einem Gummiball  - wenn man ihn drückte, gab es quäkende Töne von sich. Er schraubte Lampen an,  zuerst Kerzenlampen und später solche mit Karbid, für das ein besonderer  Behälter auf dem Armaturenbrett angebracht war. All diese Verrichtungen führte  Abner geduldig aus. Er lief zum Schuppen und holte ein Räderpaar, er bückte  sich tief beim Schrauben und achtete mit aller Aufmerksamkeit darauf, dass er  ja nicht einmal eine Mutter mit einem Rechtsgewinde auf eine Achse mit  Linksgewinde setzte.Nun gab es diese Umstellung in der Gesellschaft. Natürlich klärte niemand Abner  über derartige Dinge wie Aktienmehrheit und ähnliches auf. Er merkte nur, dass  man die Modelle wechselte und billigere Wagen in weit größerer Zahl herstellte.  Bald kam das neue Material heran. Abner musste zunächst noch schneller  arbeiten, bis man herausfand, dass er für die Glocken keine Zeit mehr habe. Er  gab diesen Posten an einen anderen Mann ab. Die Produktion wurde noch größer,  und es erwies sich, dass er auch für die Lampen keine Zeit mehr hatte. Fast  ohne es zu merken, war er der Spezialist für das Aufsetzen der Achsenmuttern im  Fordwerk geworden.
 Nie in seinem Leben würde Abner vergessen, wie er eines Tages allen Mut  zusammennahm und nach Arbeitsschluss vor dem Werk wartete. Etwas knieweich  stand er da, denn Henry Ford war jetzt ein mit Geschäften überhäufter Mann, und  wenn man ihm in die Quere kam oder ihn in einem unpassenden Moment störte,  konnte er verdammt heftig werden. Doch Abner hatte einen Monat lang hin und her  überlegt, und sein Entschluss stand fest. Die Zeiten waren gut, und wenn er  nicht befördert wurde - es gab auch anderswo Arbeit, die genauso gut war.
 Da kam er! Abner nahm die Mütze ab und trat auf seinen Chef zu, der zu seinem  Wagen ging. »Guten Abend, Mr. Ford, ich bin Abner Shutt.«
 »Hallo, Abner«, sagte der Chef; er hatte ein gutes Gedächtnis. »Wie geht es  Ihnen?«
 »Kann nicht klagen, Mr. Ford. Aber ich muss Ihnen was über die Arbeit sagen,  die ich da mache. Das müssen Sie unbedingt wissen. Wenn ein einfacher Arbeiter  mal was dazu sagen darf.«
 Es war Fords Mittagszeit. Aber seine Frau hatte längst begriffen, dass immer  erst das Geschäft und dann das Vergnügen kam.
 »Worum handelt sich's Abner?«
 »Es wird hier immer größer, Mr. Ford, und es wird auch noch immer größer  werden. Ich hör' ja, was die Leute sagen. Sie mögen Ihre Wagen alle und  wünschten, sie könnten sich einen kaufen.«
 »Ja, wirklich, Abner?« Das war der Weg zum Herzen des fleißigen Mannes.
 »Deshalb werden Sie in meiner Abteilung mehr Leute brauchen, und dann könnte da  eine Menge Schaden entstehen.«
 »Schaden, Abner, was meinen Sie damit?«
 »Nun, die Muttern für die Achsen kommen alle durcheinander an, rechte und linke  vermischt. Ich hab' noch keine verdorben, aber irgendeinem wird das eines Tages  passieren. Und dann - ich muss immer zum Schuppen laufen und mir die Räder  holen. Sie müssten mir gebracht werden, weil das Aufsetzen der Schrauben eine  Spezialarbeit ist - ist doch so. Ich könnte viel mehr tun, wenn ich nicht immer  wegrennen müsste. Ich tu' ja, was ich kann, aber wenn Sie sich weiter  vergrößern, dann brauchen Sie einen Mann für die rechten und einen für die  linken. Dann wird es auch ein Arbeitsgang für sich sein, die Räder aufzusetzen.  Das muss einer tun, der damit Bescheid weiß, das darf man nicht irgendeinem  überlassen.«
 »Das lässt sich hören, Abner. Werd' mir das morgen mal ansehen.«
 »Ich arbeite jetzt drei Jahre für Sie, Mr. Ford, hab' noch nie einen Tag  gefehlt, außer damals, als ich heiratete. Ich sagte Ihnen bei meiner  Einstellung, auf mich könnten Sie sich verlassen, und Sie sagten, wenn ich  fleißig wäre und gut arbeitete, würde ich auch vorwärts kommen. Das wollte ich  Sie noch fragen, Mr. Ford« - Abner sprach atemlos weiter, denn dies war sein  eigentliches Anliegen, zumindest der Teil, der ihm am meisten Furcht gemacht  hatte, - »eines Tages werden Sie eine Abteilung haben, in der nur Räder  aufgesetzt werden. Da möchte ich Ihnen nur sagen, ich hab' diese Arbeit  gelernt, hab auch gezeigt, dass ich's kann, kann's auch jedem beibringen und beaufsichtigen.  Da wollt ich Sie bitten, Mr. Ford, mir keinen andern vor die Nase zu setzen.  Meine, ich selbst müsste der Vormann, oder was Sie da einsetzen müssen, sein.«
 Nun war's raus! Mr. Ford wurde nicht böse, im Gegenteil, er schien ernsthaft  darüber nachzudenken. Er sagte, er wollte sich die Sache ansehen. Nein, er  würde Abner keinen andern vor die Nase setzen. Am nächsten Tag kam er und  schaute Abner eine Weile bei der Arbeit zu. Abners Herz schlug wild, er konnte  kaum atmen, aber Gott sei Dank beherrschte er seine Arbeit so gut, dass er sie  im Schlaf konnte. Von nun an kamen die Muttern geordnet an, und ein Mann war  jetzt da, der die Muttern brachte und die Räder aus dem Schuppen  herbeischaffte. Das war das Ergebnis der Unterredung. Es dauerte nicht lange,  da schraubte Abner nur noch rechte Muttern auf, und ein zweiter Mann war  eingestellt, der die linken aufsetzte. Und wie stolz war Abner, als er ihm  zeigte, wie man es machen musste!
 Bald kam noch ein Fortschritt. Es gab jetzt zwei Arbeitsgänge, in denen die  Achsenmuttern aufgeschraubt wurden, und in jedem Gang wurden auf einer Seite  Muttern mit Rechtsgewinde und auf der anderen solche mit Linksgewinde  aufgesetzt. Wieder war es Abner, der die Arbeit lehrte. Schließlich waren fünf  Leute da: einer, der die anderen vier überwachte, der darauf achtete, dass sie  schnell genug von einem Wagen zum anderen gingen, dass die Räder ihnen im  rechten Augenblick gebracht wurden, dass sie die Windungen nicht beschädigten  und die Kappen nicht verschrammten. Das war der größte Tag in Abners Leben,  denn dieser höchst verantwortliche Mann war - Abner Shutt. Jetzt war er  wirklich Vorarbeiter für das Aufsetzen der Achsenmuttern in der  Ford-Motor-Company. Zwei Dollar und 75 Cents bekam er pro Tag - es war kaum zu  glauben!
 Als dies geschah, lebte Abner mit seiner wachsenden Familie im oberen Teil  eines kleinen Hauses, der Hausbesitzer wohnte im Erdgeschoß. Mit drei Jungen  und einem Mädel waren die Shutts arg beengt. Der neue Wohlstand und die  Gewissheit, Ford würde sie schützen, gab ihnen den Mut, von einem eigenen Haus  zu träumen. Abner fuhr eines Sonntags durch die Stadt und fand ein Haus mit  fünf Zimmern, das man für neun Dollar im Monat mieten konnte. Es hatte fließend  Wasser, die Toilette war im Hause. Das war für die bescheidene Familie wie eine  Tür zur Zivilisation. Für mehrere Jahre wurde dieses Haus nun ihr Heim.Henry Ford wurde um diese Zeit auch ein stolzer Vater. Seine Schöpfung war ein  dreistöckiges Fabrikgebäude aus roten Ziegeln, an der Ecke Piquette und  Beaubien Street. Er hatte es aus seinen Gewinnen bezahlt. Als das Werk aus der  gemieteten Zimmermannswerkstatt, die kaum drei Zehntel eines Morgens  Grundfläche hatte, in dieses neue Gebäude zog, das über zwei und einen halben  Morgen groß war und in dem für eine Viertelmillion Dollar Maschinen steckten,  da war Henry Ford zwar stolz, aber wohl kaum so aufgeregt und stolz wie sein  ergebener Arbeiter. Sie beide hatten dieses Werk aus dem Nichts entstehen  sehen, und jeder hatte sein Teil dazu getan, es voranzubringen.
 Jedes und alles in diesem neuen Werk war im voraus geplant. Der Stand jeder  Werkbank war mit Kreide auf den Boden gezeichnet. Sobald die Arbeit am letzten  Wagen in der alten Werkstatt beendet war, wurden die Werkbänke und Werkzeuge in  die neue hinübergeschafft. Die Männer transportierten sie selbst und waren  schon bald am neuen Ort bei der Arbeit an neuen Wagen. Ford selbst war dabei  und überwachte jeden Handgriff. »Herumschnüffeln« nannten es viele, aber so  schuf er Erfolge.
 »Mal los hier, beweg dich schneller, dass wir weiterkommen!« - Das waren die  Redensarten in der Fabrik. »Ausruhen kannst du dich zu Hause, aber in der  Arbeitszeit beziehst du Geld von der Gesellschaft, und das musst du mit deinem  Schweiß verdienen.«
 Henry Ford fuhr nach Florida zu einem Autorennen, wo einer seiner Wagen  mitfuhr. Es gab einen Unfall, ein französischer Wagen wurde zertrümmert. Ford  hob ein Stück von diesem Wagen auf - es war leichter und fester als jedes  Metall, das er je in der Hand gehabt hatte. Er nahm es mit nach Hause und  untersuchte es. Vanadiumstahl, eine neue Legierung, deren Zugfestigkeit dreimal  so groß war wie die des Stahls, der in Amerika benutzt wurde. Das war das  Richtige für Autos, jedenfalls für die Henry Fords. Er trieb in England einen  Experten auf, dem es nach einigen Schwierigkeiten gelang, diesen Stahl  herzustellen.
 Damit begann eine neue Epoche. Jetzt würden die Wagen leichter, stärker und  billiger werden. Sollten die Leute nur ihre Witze über die Fords machen. Henry  kümmerte das nicht. Sie würden schon herausfinden, dass die Wagen in Ordnung  waren - sie kauften sie, bezahlten mit barem Geld, und Henry scheffelte es.  »Siehst du einen Mann behänd in seinem Geschäft, der wird vor den Königen  stehen und wird nicht stehen vor den Unedlen«, sagt Salomon; Ford zitierte die  Heilige Schrift nicht häufig, aber viele seiner Käufer kannten sie auswendig.
 Auch im neuen Werk blieb Abner Shutts Stellung die gleiche; er war der  Spezialist für das Verschrauben von Radnaben. Er arbeitete nicht mehr mit  seinen Händen, außer wenn Not am Mann war oder wenn er einem zeigen musste, wie  es gemacht wurde. Er ging von Wagen zu Wagen und beaufsichtigte die Arbeit der  anderen. Das war noch, bevor das Montageband oder >Fließband< erfunden  wurde. Man baute Wagen wie ein Haus: an einem Platz. Arbeitsmannschaften kamen  mit den neuen Teilen, die montiert werden sollten, und die dafür notwendigen  Werkzeuge brachten sie mit. Das bedeutete, viele Menschen mussten durcheinander  eilen und behinderten sich. Jede dieser Behinderungen aber schlug sich in den  Kosten der fertigen Wagen nieder.Abner Shutt tat seine Aufsichtsarbeit gewissenhaft; aber ganz im Innern  überwand er doch nie ein gewisses Unbehagen darüber, nicht selbst mit den  Händen zu arbeiten. Wäre nicht der höhere Lohn gewesen, dann hätte er lieber  einen Schraubenschlüssel in der Hand gehabt und Achsenmuttern angezogen wie  früher. Er hatte Angst vor der Verantwortung und davor, Entscheidungen treffen  zu müssen. Welch ein schwieriges Wesen war doch der Mensch! Er hatte bisher  nichts davon gewusst und erkannte es erst heute, wo er mit Menschen statt mit  Metallteilen umgehen musste. Diese waren alle gleich gewesen - und wenn sie es  nicht waren, so war das nicht Abners Schuld.
 Aber diese Arbeiter! Sie betranken sich, kamen mit Kopfschmerzen zur Arbeit und  waren bissig. Sie verloren die Aufmerksamkeit für das, was sie tun sollten, und  wies man sie zurecht, so gaben sie ihrem Vormann die Schuld, nie sich selbst.  Abner war von Natur ein gutmütiger Kerl und hasste es, mit anderen Streit zu  haben. Aber das ließ sich jetzt nicht mehr vermeiden, denn die Arbeit musste  ordentlich getan werden. Er musste schimpfen, Hölle und Himmel in Bewegung  setzen, ja, mit einem Donnerwetter dazwischenfahren, und wenn das alles nicht  half, so musste er es Mr. Foster melden, der sie feuerte. Abner maßte sich nie  das Recht an, selbst jemand hinauszuwerfen. Ihn verlangte gar nicht, noch höher  zu steigen, nicht einmal höheren Lohn wollte er haben.
 Im Herbst 1907 gab es wieder einen Bankkrach. Er brachte der Stadt viele arbeitslose,  hungernde Menschen und lehrte jene Bescheidenheit, die ihre Arbeit behalten  hatten. Die Umsätze der Ford-Werke fielen nur geringfügig, denn die Nachfrage  nach diesem neuen Erzeugnis wurde immer größer. Unter den hundert Millionen  Amerikanern gab es noch genug, die sich kaufen konnten, was sie wollten. Henry  Ford plante unablässig und fand neue Wege, ihnen die Wagen noch billiger zu  liefern. Im Jahr nach dem Krach lieferte er 6181 Wagen, etwa drei pro Arbeiter,  und drei Jahre später konnte er schon 35000 Wagen mit sechstausend Arbeitern  herstellen.
 Natürlich kannte Abner Shutt diese Zahlen nicht. Sie hätten ihm auch wenig  bedeutet. In diesen Jahren lernte Abner nur, für seinen Chef doppelt so viele  Wagen zu bauen. Er bekam eine fünfzehnprozentige Lohnerhöhung und hielt sich  für einen der glücklichsten Menschen in Amerika. Und wahrscheinlich war er das  auch. In Detroit gab es zwei Winter lang Hungerschlangen. Sie mahnten ihn an  die schrecklichen Jahre seiner Kindheit, die ihn an Körper, Geist und Seele  geschwächt hatten.
 Als Abner um ihre Hand anhielt, war Milly Crock hübsch. Sie war lustig,  besaß lachende blaue Augen und blondes Haar, das keine Brennschere nötig hatte.  Dann waren fünf Jahre des Wartens gekommen, danach diesechs Jahre, in denen ihre Kinder geboren wurden und sie den Haushalt  bewältigen musste. Nun waren die Reize verschwunden. Sie hatte oft Schmerzen,  deren Ursache unerklärlich blieb. Stets hatte sie die vier Kinder um sich, und  da sie kränkelte, war das recht beschwerlich. Ihr fünftes Kind war schwächlich,  und der Arzt sagte ihr, es wäre besser, wenn sie nun keines mehr bekäme. Aber  er sagte ihr nicht, wie sie das anstellen sollte. So etwas galt damals als  unmoralisch. Das fünfte Kind starb, und bald danach kam ein sechstes. Es war dunkelblau  bei der Geburt, und die Mutter hat es nie gesehen.
 Seitdem hatte Milly eine Abneigung gegen ihren Mann. All ihre Fürsorge wandte  sie nun ihren Kindern zu. Für Abner, der doch, so wie er es verstand, ein guter  Ehemann gewesen war, war das schwer. Aber er fand sich damit ab -keinem wurden  alle Wünsche erfüllt; es war das klügste, seine Pflicht zu tun und für die  Zukunft vorzusorgen. Abner liebte seine Kinder und spielte gern mit ihnen, wenn  er von der Arbeit nach Hause kam; aber oft musste er Millys Klagen über sie  anhören und sie nach dem Kodex der Heiligen Schrift abstrafen.
 Drei heranwachsende Jungen und ein Mädchen verschlangen eine Unmenge Nahrung  und trugen einen Haufen Schuhe und Kleider auf. Milly kochte und stopfte, sie  schrubbte und schalt und sehnte den Tag herbei, da diese immer hungrigen und  fragenden Geschöpfe alt genug wären, dass sie zur Schule gingen. Dann war sie  sie einige Stunden am Tag los. An sechs Tagen der Woche, ob im heißen Sommer  oder im Schneesturm, stand Abner um halb sechs auf und stieg in seine Kleider.  Er holte Kohlen und Feuerholz herein, machte Feuer an, aß seine Schüssel mit  fettem Speck und Bratkartoffeln und trank heißen Kaffee mit etwas kondensierter  Milch dazu. Schließlich bestieg er sein Fahrrad und fuhr zum Ford-Werk. Wie  immer das Wetter auch war und wie es zu Hause auch gehen mochte, wenige Minuten  vor der Zeit steckte Abner seine Karte in die Kontrolluhr und sorgte dafür,  dass Mann und Werkzeug am richtigen Platz waren, wenn die Pfeife zum  Arbeitsbeginn ertönte.
 Dann kam Bewegung in Arbeiter und Maschinen, dann sprang das Hämmern und  Dröhnen an. Dem Besucher mochte es als betäubender Lärm erscheinen, aber für  Abner war es das normale Geräusch der Arbeit. Er kannte jeden Ton und hörte  sofort, wenn irgendwo ein falscher oder gar ein gefährlicher Misston aufklang.  Er verlangte nur, dass jedermann mitkam, dass die Achsen und Räder zur rechten  Zeit da waren, dass kein Schraubenschlüssel abrutschte und keine Mutter  herunterfiel, dass nicht geflucht oder gar über ihn, Mr. Ford oder die Fabrik  und die Wagen geschimpft wurde. Nur eine fleißige und gewissenhafte Mannschaft  wollte er haben, mehr verlangte er nicht. - War der lange Tag dann vorüber,  befriedigte ihn das Gefühl, dass er wieder drei Dollar verdient hatte. Am Wochenende  würde er Milly das Geld bringen. Für Miete, Gas, Heizung und Nahrung würden sie  es verbrauchen.
 Manche Menschen hätten so ein Leben nicht ausgehalten. Aber Abner kannte solche  Menschen nicht und wusste nichts von ihren Gedanken. Er empfand das Ford-Werk  nicht als riesigen berüchtigten Schwitzladen. Für ihn war es der Ort, wo er  seine Pflicht tat und Arbeit hatte; dort machte er, was ihm aufgetragen war,  und als Entgelt bekam er seinen Lebensunterhalt. Wenn man ihn gebeten hätte,  sein Urteil über seinen Job abzugeben, so hätte ihn die Frage zunächst wohl  erstaunt. Schließlich aber würde er erklärt haben, er arbeite an einem  wunderbaren Ort, wo man aus fünftausend Teilen unterschiedlichster Größe und  Form und aus den verschiedensten Materialien ein zauberhaftes Ganzes mache, in  dem man überall hinfahren könne, wenn auch nicht gerade die Wand hoch. Hätte  man ihn nach seinem größten Lebenswunsch gefragt, so hätte er wohl geantwortet,  er möchte einmal Geld genug haben, um sich einen dieser Wagen kaufen zu können,  einen gebrauchten natürlich, der aber noch gut liefe, damit er bei Regen  trocken zur Arbeit käme. Sonntags würde er Milly und die Kinder hineinpacken  und aufs Land fahren, wo sein ältester Bruder bei einem Farmer arbeitete. Dann  könnten sie ihr Gemüse für die Hälfte des Preises einkaufen, den jetzt der  Laden an der Ecke verlangte.
 Bis jetzt hatte Henry Ford mit acht verschiedenen Modellen gearbeitet. Das  erste Modell A hatte zwei Zylinder; der Motor war hinten montiert, es hatte  Kettenantrieb. Nach und nach hatte man diese Technik aufgegeben, und ein  Vierzylindermotor mit Kardanantrieb, vorn unter einer Haube montiert, war jetzt  die Standardausführung. 1908 wagte er es, seine Lieblingsidee zu verwirklichen:  nämlich nur einen einzigen billigen Wagen für die große Masse zu bauen. Ohne  seinen Verkäufern vorher einen Wink zu geben, verkündete er: Von nun an ist es  mit den Modellen A, B, C, F, N, R, S und K für immer vorbei. Ab heute gibt es  nur den Fordwagen Modell T. Die Ankündigung schloss mit seinem berühmten Satz:  »Jeder Käufer kann einen Wagen in der gewünschten Farbe haben - vorausgesetzt,  sie ist schwarz.«Es war ein ziemlich unansehnliches Modell, für das er sich entschieden hatte.  Mit seinem hohen Aufbau sah es wie eine kleine Kiste auf Rädern aus. Aber es  hatte Sitze, es gab ein Verdeck, das vor Regen schützte, und eine Maschine war  darin, die laufen und nochmals laufen würde, sowie Räder, die sich drehten,  unaufhaltsam drehten. Ford ging von dem Gedanken aus, dass die Masse der  Amerikaner genauso dachte wie er und wenig Wert auf Schönheit, aber um so mehr  auf Zuverlässigkeit legte. Sie wollten sich in einen Wagen setzen und damit  irgendwohin fahren können. Vielleicht wussten sie nicht immer, wohin sie fahren  wollten oder was sie an dem Ort eigentlich sollten, aber diese Probleme  brauchten ja Henry Ford nicht zu kümmern.
 Die Verkaufsabteilung war wie vor den Kopf geschlagen; der Automobilhandel  sagte voraus, Henry Ford würde in sechs Monaten pleite sein. Er kaufte  daraufhin sechzig Morgen Land in der Stadt Highland Park, zehn Meilen nördlich  von Detroit, und begann mit dem Bau der größten Automobilfabrik, welche die  Welt je gesehen hatte. Das war seine Antwort. Er setzte den Preis für den neuen  Wagen auf 950 Dollar herunter und verkaufte achtzehntausend im Jahr. So  verdiente er mehrere Millionen, mit denen er Land und Gebäude bezahlen konnte.  Im nächsten Jahr ermäßigte er den Preis auf 750 Dollar, verkaufte das Doppelte  und verdiente noch mehr Millionen.
 Henry war ganz oben. Er hatte seinen Kampf gewonnen, er war der Boss. Er konnte  den Menschen befehlen, und sie gehorchten. Er konnte etwas erzeugen und  Maschinen bauen, um noch mehr zu erzeugen. Hundert Wagen am Tag, das war erst  der Anfang, behauptete er. Bald würde er tausend am Tag bauen, und schon lange  vor seinem Tode würde er eine Million Fords gebaut haben.
 Er umgab sich mit Sachverständigen. Leute, die etwas von Metallen verstanden,  wie man sie schmelzen, verbessern, legieren und bearbeiten konnte; Leute, die  sich in Betriebsstoffen auskannten, die wussten, wie man höhere Hitzegrade bei  geringeren Kosten herausholen konnte; Leute, die etwas von den hundert  verschiedenen Materialien verstanden, die in einem Wagen vereint waren oder zum  ersten Mal in einem Wagen verwandt wurden. Fachleute für Architektur,  Herstellungsverfahren, Berechnungen, Transport und Reklame scharte er um sich -  Fachleute für tausend Künste, die helfen sollten, Wagen zu bauen, zu verkaufen  und Geld zu verdienen, um noch mehr Wagen zu bauen, sie wieder zu verkaufen und  noch mehr Geld zu verdienen.
 Man spottete zwar oft, wenn man über ihn sprach, aber das störte Henry Ford  nicht im geringsten. Er kannte sein Ziel: Er wollte das Transportwesen Amerikas  umgestalten. Er wollte seine Landstraßen wieder beleben und die Gewohnheiten  der Menschen ändern. Er wollte sie zu Menschen machen, wie er selbst einer war.  Sie sollten nüchterne, ehrliche und fleißige Arbeiter werden gleich ihm. Reich?  Ja, auch das; vielleicht nicht ganz so reich wie er, aber so reich, wie es für  sie gut war. Sie sollten hohe Löhne haben, und man würde sie lehren, jede Woche  einen Teil davon zu sparen, bis sie Geld genug beisammen hatten, um die  Anzahlung für einen Ford Modell T zu machen, den sie zehn, ja, zwanzig Jahre  fahren konnten -man würde diese Wagen noch auf den Straßen sehen, wenn Fords  Enkel erwachsen waren.
 All dies begann in Highland Park. Er baute sein eigenes Kraftwerk, sein eigenes  Stahlwerk, seine eigenen Hochöfen. Bald würde er auch seine eigenen Bergwerke  haben, seine Kohlengruben, Schiffe und Eisenbahnen. Ein mächtiges Reich würde  es sein und sich über die ganze Erde ausdehnen. Henry Ford würde sein Gründer  und Beherrscher sein. Sein Geist, seine Weisheit und sein gesunder  Menschenverstand würden es regieren. Dies war sein Lieblingssatz: »Ich habe nichts  als gesunden Menschenverstand« - und das war seine tiefste Überzeugung.
 Abner Shutt konnte von diesen Plänen nichts wissen, die im Kopf seines  mächtigen Herrn Gestalt annahmen. Aber hin und wieder erfuhr er doch etwas  davon. Er kaufte jeden Abend eine Zeitung, las noch ein bisschen darin, wenn er  auch noch so müde war. Darin war er seinem Vater voraus. Dann und wann las er  Berichte über das, was in dem neuen Werk vorbereitet wurde. Mit einigen  Arbeitskollegen fuhr er eines Sonntags hinaus, um sich die Sache anzuschauen.  Die ganze Woche über sprachen sie von dem, was sie gesehen hatten.Die meisten dieser Menschen waren wie Abner stolz auf ihren Arbeitgeber und  seinen Erfolg. Aber ein paar Neider gab es auch, ewige Widerspruchsgeister, die  behaupteten, Fords Aufschwung sei aus ihrem Schweiß gemacht. Als ob sie sich  dies ganze Geschäft hätten ausdenken können, meinte Abner. Als ob sie gewusst  hätten, welchen Wagen man bauen musste! >Sozialisten< nannte er sie. Das  Wort hatte er in den Zeitungen gelesen. Aber er wusste nicht recht, was es  bedeutete. Gespräche über Politik waren im Werk nicht erwünscht, Mr. Ford hielt  nicht viel von der Politik.
 Am Anfang des Jahres 1912, als die Ford-Motor-Company mehr als zweihundert  Wagen pro Tag ausstieß, war Abner zum ersten Mal ernstlich krank. Er legte sich  nieder, weil er sich schlecht fühlte, und wachte mit hohem Fieber auf. Es war  ein kalter Wintermorgen. Mühsam kletterte er aus dem Bett, um wie gewöhnlich  Feuer zu
 machen, doch Milly musste ihn wieder ins Bett bringen und noch Decken  draufpacken, damit ihn nicht fror. Sie war aufgeregt und lief zum nächsten  Arzt. Der kam und sagte, Abner habe die Grippe, es sei eine Epidemie im Ort.  Abner musste im Bett bleiben, und man sagte ihm, es könne sein Tod sein, wenn  er nicht gehorche.
 Der Arzt gab ihm eine Medizin, die vielleicht seinem Körper half, aber nicht  seinen Gedanken. Seit acht Jahren hatte er keinen Tag in seinem Dienst für  Henry Ford ausgesetzt. Angst befiel sein Herz! Halb im Fieberwahn befahl er  Milly, in den nächsten Laden zu laufen, das Büro anzurufen und seine Krankheit  zu melden. Zugleich sollte sie bitten, man möchte ihm seine Arbeit nicht  nehmen. Auch als der Beauftragte der Gesellschaft kam, sich vergewisserte, dass  er wirklich krank sei, und versprach, man werde ihm seinen Platz erhalten, war  er nur halb beruhigt. Er wusste genug über die Gepflogenheiten in diesem Werk.  Er kannte die Gefahr, die darin bestand, dass man bemerken könnte, ein Mann sei  zu entbehren. Klappte das Verschrauben von achthundert Achsen täglich eine  Zeitlang auch ohne einen Vorarbeiter, warum dann noch drei Dollar hinauswerfen?
 Sie hatten etwas Geld auf der Sparkasse. Abner gehörte außerdem einer  Vereinigung an, die sich ABSABS nannte; es war die fortschrittliche  philanthropische Vereinigung der Amerikanischen Beavers<. Sie hatten ein  Vereinszimmer gemietet, hatten Fahnen, Schmuck und feierliche Satzungen. Einmal  im Monat ließen sie ihre Frauen allein zu Haus, rauchten Zigarren und  besprachen die Angelegenheit der Stadt, die sie besonders interessierten. Die  Mitglieder waren Fabrikarbeiter wie Abner, außerdem ein paar kleine Kaufleute.  Das Wichtigste an der Sache aber war, dass sie sehr zahlreich waren und jede  Woche einen kleinen Betrag in ihre Kasse zahlten, damit die heranwachsenden Kinder  ernährt werden konnten, wenn der Vater ohne Verdienst war.
 So musste Abner nun liegen, bis die Natur ihn geheilt hatte, ob mit oder ohne  Hilfe des Arztes, wer wollte das beurteilen. Er saß in seinem Sessel und war  einige Tage noch sehr schwach. Jetzt hatte er einmal Zeit, seine Kinder kennen  zu lernen. John, der älteste Junge, war sieben Jahre alt. Er ging zur Schule,  wenn das Wetter es nur irgend zuließ. Er war ernst und gutartig. Der zweite  hieß Henry Ford, folglich war er recht unternehmungslustig und von seiner  Mutter schwer zu leiten. Daisy, das kleine Mädchen, war blond und zart; sie  erinnerte Abner in vielem an ihre Mutter. Der kleine Tom war erst drei, und man  konnte noch nicht viel über ihn sagen. Aber er wusste doch schon, dass er es  gern hatte, wenn sein Vater ihm Puppen aus Zeitungspapier ausschnitt. Er malte  sie mit Buntstiften an. An der Art, wie er das machte, glaubte Abner Talent zu  erkennen.
 Endlich durfte er wieder zur Arbeit, jedoch nicht mit dem Fahrrad durch den  dicken Schnee. So fuhr er mit der überfüllten Straßenbahn. Er war mager  geworden und sah zehn Jahre älter aus. Bei der Arbeit musste er sich öfters  hinsetzen, was der Arbeitsdisziplin schadete. Doch die Kollegen waren nett zu  ihm und taten nichts, was ihm Ärger gemacht hätte. Langsam kamen seine Kräfte  wieder, doch diese Unterbrechung machte einen tiefen Eindruck auf ihn. Sie rief  in ihm die graue Angst seiner Kindheit wieder wach.
 Mehr denn je war er dem guten und mächtigen Mr. Ford dankbar, der ihm  gesicherte Arbeit bot und ihm darüber hinaus einen Gewinnanteil von  siebeneinhalb Prozent seines vorjährigen Lohnes zahlte. Für Abner waren das  etwa siebzig Dollar, ein wahres Gottesgeschenk! Damit konnte er die Rechnungen  des Arztes und andere Verluste bezahlen. Abner hatte keine Gelegenheit, Ford zu  sagen, was er für ihn empfand. Offenbar erriet Henry Ford es, denn einige Jahre  später schrieb er: Wenn er an die Tausende von Familien denke, die von seinem  Unternehmen abhingen, so scheine es ihm, als ob die Ford-Motor-Company Segen verbreite.
 In diesem Jahr war Präsidentenwahl. Der Rektor einer Hochschule namens  Wilson stand auf der Liste der Demokratischen Partei und gab sich alle Mühe,  Abner von seinen eingefleischten republikanischen Grundsätzen abzubringen. Er  hielt gewandte Reden über die >neue Freiheit<. Abner las diese goldenen  Worte in seiner Zeitung. Aber er las auch, dass schwere Zeiten kommen würden,  wenn die Demokratische Partei ans Ruder käme. >Schwere Zeiten< aber  fürchtete er mehr als jede Tyrannei. Der Hochschulrektor wurde gewählt - und es  konnte keinen Zweifel geben, dass die Geschäfte von diesem Zeitpunkt an  zurückgingen. Das genügte, um Abner ein für allemal zu belehren. Er sprach kaum  über Politik, aber er ging von nun an zur Wahl und stimmte für Hughes, Harding,  Coolidge, Hoover, Landon - von all den Gouverneuren, Senatoren und  Kongressmitgliedern der >Großen Alten Partei< ganz zu schweigen.Glücklicherweise taten die schweren Zeiten Henry Ford nur wenig Schaden. Er  ermäßigte den Preis seines Wagens auf 600 Dollar und verkaufte täglich über  fünfhundert Stück. Im nächsten Jahr setzte er den Preis auf fünfhundertfünfzig  herunter und verkaufte täglich fast tausend. Seine Taktik, die Preise  herabzusetzen, um die Verkäufe zu steigern, bewähre sich, behauptete Henry. Und  die Leute bewiesen ihm, dass sie diesen Grundsatz billigten.
 Die Menschen hatten plötzlich entdeckt, dass sie herumfahren und die Welt  anschauen wollten. Ihre Großväter hatten den Kontinent in Planwagen durchquert  und ein Jahr dafür gebraucht. Jetzt wollten die Enkel den Kontinent in einem  Monat durchqueren. In wenigen Jahren würden sie sogar nur eine Woche brauchen.  Die kleinen schwarzen Wanzen wimmelten überall auf den Straßen. Man erfand  Scherznamen für sie: Sie hießen >Flivvers<, sie waren >Jitneys<, es  waren >Blechbüchsen< oder manchmal auch >Henrys<. Die Leute  erzählten Anekdoten über die >Karren<. Wo man ging und stand, hörte man  >Fordwitze<. Die Pointe war immer dieselbe: Man hatte ein halbes Dutzend  Blechkannen und eine Sprungfeder irrtümlich für einen Ford gehalten; man  reparierte sie, und nun liefen sie ganz ausgezeichnet. Jeder dieser Witze war  eine kostenlose Reklame für Mr. Fords Wagen.
 Abner Shutt zog mit seiner Familie in die Nähe des neuen Werkes. Wohin der Herr  ging, dahin würden sie folgen. Abner hatte noch immer seinen Posten beim  Verschrauben der Achsen. Und eins war gewiss: So ein Mann hatte Verantwortung.  Er musste ja überwachen, wie tausend Achsen pro Tag verschraubt wurden. Das  Werk war jetzt so groß, dass kein Arbeiter viel von dem sah, was insgesamt  vorging. Aber sie hörten hier und da davon, und es war, als nähmen sie teil an  der Schöpfung der Welt. Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht. Henry  Ford sprach, wir wollen >Flivvers< bauen. Ein Fordwitz erzählte von einem  Mann, der durch das Highland-Park-Werk gegangen war. Als er herauskam, kratzte  er sich den Kopf und sagte: »Hab so das Gefühl, die kleinen Dinger krabbeln  überall an mir herum.«
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