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Upton Sinclair - Am Fliessband (1948)
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So wurde Abner Shutt ein Zahnrad in der Maschine, die Ford in seinem Hirn erdacht hatte und die jetzt Wirklichkeit wurde. Als er noch allein in seiner Werkstatt war, konnte er tun und lassen, was er wollte. Stets aber, wenn er sich mit anderen verbunden hatte, war er ein Teil ihrer Organisation geworden. Er musste tun, was sie wollten. Jetzt arbeitete er zum ersten Mal in seinem Leben mit seiner eigenen Gesellschaft. Andere Menschen hatten ihm zu gehorchen und nach seinen Anweisungen zu arbeiten.
Er musste jetzt nicht mehr nur für sich selbst denken, sondern auch für Abner - und das gefiel diesem ausgesprochen gut. Seine Selbständigkeit war begrenzt und sein Geist nicht geschult. Hätte er sich in dieser engen emsigen Werkstatt selbst nach Arbeit umsehen sollen, er wäre todunglücklich gewesen. Aber der Vorarbeiter zeigte ihm genau, was er zu tun hatte; Abner war dankbar dafür. Er brauchte jetzt nur noch etwas Zeit, um den Dreh zu lernen, danach arbeitete er unablässig. Je seltener er die Handgriffe verändern musste, desto besser gefiel es ihm. Der neue Chefingenieur hatte einen guten Griff getan, als er den Sohn der >Wahren Gläubigen< anstellte.
Die Werkstatt, in der Abner arbeitete, war eigentlich keine richtige Autofabrik. Hier gab es keine Maschinen, die Autoteile produzierten. Jedes Teil wurde in Fremdarbeit nach Fords Angaben hergestellt. Die frühere Zimmermannswerkstatt war nur der Platz, an dem man diese Teile montierte. Im ersten Jahr wurden in diesem Werk 1708 Wagen fertig gestellt - also an jedem Werktag sechs. So etwas hatte man bisher in der Industrie nicht gekannt. Das Problem für den Chefingenieur bestand darin, die Arbeit in eine Anzahl von Teilaufgaben aufzulösen, von denen jede aber noch groß genug sein musste, dass ein Arbeiter zehn Stunden daran zu tun hatte, wenn er so schnell arbeitete, wie er irgend konnte.
Auf Rollwagen, von Pferden gezogen, kamen ganze Ladungen bereifter Speichenräder. Abner fasste zwei Räder auf einmal und rollte sie zu einem Wagen, der fast fertig war. Er musste die Räder auf die Achse setzen und die Mutter an der Radnabe mit einer Zange anziehen. Das war seine Arbeit. Die Drehung musste behutsam angesetzt werden, um das Gewinde der Mutter nicht zu beschädigen, und er musste sie fest genug anziehen, damit der Fahrer nicht eines Tages ein Rad verlor und die Firma Ford blamiert war. Da Abner die Räder seines Fahrrades oft auf- und abmontiert hatte, lernte er diese Arbeit schnell. Doch als er in seiner Begeisterung einmal gezeigt hatte, wie schnell er sie verrichten konnte, wurde dieses Tempo die Norm. Blieb er dahinter zurück, gab es böse Blicke und hämische Fragen.
Als er seine Arbeit beherrschte, zeigte man ihm, wie das Signalhorn angebracht wurde, das vorn an jedem Wagen befestigt war. Dann lernte er die Laterne anzubringen, sie war größer als beim Fahrrad und wurde auf das Schutzblech montiert. Auch das waren Dinge, die Abner vom Fahrrad her kannte. Sie machten ihm keine Schwierigkeiten. Endlich wies man ihn an, die Polster für die Sitze heranzuschaffen, sie in den Wagen einzubauen, den Staub herauszuklopfen und Schrammen oder Schäden zu melden. Diese Aufgaben hielten ihn den ganzen Tag in Trab. Aber das machte ihm nichts aus, er bekam ja 17 und einen halben Cent in der Stunde. So viel hatte er vorher nie bekommen. Außerdem hatte Mr. Ford ihm versprochen, er würde befördert werden, wenn er nur fleißig arbeite. Konnte ein Arbeiter noch mehr verlangen?

Abner und die blauäugige Milly Crock fassten wieder Mut. Jetzt wurde ihr Leben doch besser. Sie hielten Hochzeit in ihrer weißen Kirche und machten eine Reise mit dem Dampfer zu den Niagarafällen. Es war ihr erster und letzter Urlaub. Sie ließen sich fotografieren, das große Naturschauspiel war der Hintergrund. Beide schauten feierlich und ernst auf den Bildern drein, Milly mit Puffärmeln, Abner mit Vatermörder und aufgebauschter Krawatte, die Spitzen seines Schnurrbartes steif vor Bartwichse. Das Bild kam ins Familienalbum, ihre Urenkel sollten es noch bewundern können.
Kaum ein Jahr später lieferte das gläubige Paar seinen ersten Beitrag zum Bevölkerungswachstum der aufblühenden Stadt. Es war ein Junge, und sie nannten ihn John Crock nach Millys Vater. Insgesamt bekamen sie sechs Kinder, von denen vier am Leben blieben, drei Jungen und ein Mädchen. Der Jüngste hieß Tom nach Abners Vater, aber sie nannten ihn Tommy, solange der alte Nachtwächter noch lebte.
Während Abner und Milly ihren Traum verwirklichten, war Ford mit seinem beschäftigt. Wenn all die kleinen Shutts aufgewachsen waren - und ebenso die kleinen Smiths, Schultzes, Slupskis und Steins -, so sollten sie Millionen kleiner Motorfahrzeuge vorfinden, deren Preis aus zweiter Hand für sie erschwinglich wäre. Zu jedem Platz des Kontinents sollten diese Wagen sie bringen, ein paar Berggipfel ausgenommen.
Ja, das war Fords Traum, das wollte er! Deshalb inspizierte er dauernd die ehemalige Zimmermannswerkstatt, in der sich jetzt zweihundert Arbeiter drängten. Er beobachtete, wo sie einander behinderten. Er arbeitete Pläne aus, dies zu vermeiden. Er prüfte Material, las Verträge, verhandelte über Verkaufsfeldzüge, bereitete Reklamen vor, die sich einfach und sinnfällig an den Verstand des Durchschnittsamerikaners wandten - und den kannte er genau. Vierzig Jahre war er selbst einer von ihnen gewesen. Wer im Geschäft Erfolg haben will, muss immer an den >Durchschnittsmenschen< denken, das war sein Grundsatz. Und er hatte ein halbes Leben lang danach gehandelt, bevor er diesen Satz predigte.
Im ersten Jahr brachten die Verkäufe der Ford-Motor-Company 1,5 Millionen Dollar, ein Viertel davon war Gewinn. Von nun an hatte Henry Ford sein Leben lang stets Geld genug, um seine Ideen durchzusetzen. Er verwaltete sein Geld gut und benutzte es nur für diesen Zweck.
Der erste Wagen, Modell A, war für 850 Dollar verkauft worden. Fords Plan war, den Preis weiter herabzusetzen und 1904 noch mehr Wagen zu verkaufen. Das führte zu Auseinandersetzungen mit seinen Gesellschaftern. Sie glaubten immer noch, das Auto sei ein Spielzeug für Reiche. Sie wollten die Preise erhöhen und diverse Luxusmodelle herausbringen, damit die Käufer größere Auswahl hätten. Mit den Autos wurde es jetzt wie mit Damenhüten und Kleidern. Jedes Jahr musste die Form geändert werden, so dass die Reichen, wollten sie mit der Mode gehen, sich rasch einen neuen Wagen kaufen mussten. Die Konstrukteure setzten hinten auf den Wagen einen Aufbau, den man das >Tonneau< nannte, das war eine Art Box mit zwei Extrasitzen. Heute zogen sie es tief herunter, im nächsten Jahr bauten sie es ganz hoch auf; heute stieg man von der Seite ein, im nächsten Jahr dagegen von hinten. In Paris hatten sie das Modewort >Automobil< aufgeschnappt, und jetzt gab es jeden Winter eine >Automobilausstellung< in New York. Dort versammelten sich die Verkäufer und überzeugten die Käufer davon, dass sie unbedingt kaufen müssten.
Auch Henry Ford wollte Wagen auf der Automobilausstellung verkaufen, aber dieses Geschäft sollte ebenso in Oshkosh und Topeka florieren, und er war überzeugt, das könne ihm einzig und allein durch einen niedrigen Preis gelingen. Er stritt mit seinen Gesellschaftern, und als es zur Abstimmung kam, wurde er überstimmt. Die Ford-Motor-Company baute jetzt nicht mehr das Modell A für 850 Dollar, sondern Modell C für 900 Dollar, Modell F für 1000 und Modell B für 2000. Die Verkaufszahlen fielen von 1708 im ersten Jahr auf 1695 im zweiten. Im nächsten Jahr lief das billigste Modell ganz aus, und die Verkäufe fielen auf 1599. Ja, sie machten Fortschritte, aber die Gewinne fielen.
Woran lag es? An dem hohen Preis, wie Henry Ford behauptete, oder an dem Fehlen neuer Modelle? Das behaupteten nämlich die Verkäufer und Teilhaber. Sie erklärten, seine Modellpolitik sei der Ruin. Aber an einem anderen Konzept hatte er kein Interesse. Er hielt seine Dividenden zusammen und nutzte jede Gelegenheit, die Aktien der unzufriedenen Aktionäre zu kaufen. Der erste war der Zimmermann Strelow, der Besitzer der Werkstatt. Er hatte fünftausend Dollar im Geschäft und erklärte, er würde sie lieber in eine Goldmine stecken. Als nächster war der alte Freund Malcolmson dran. Ford hatte erklärt, dass er mit diesem Kohlenhändler nicht zurechtkommen könne, und der Kohlenhändler war sich darüber klar geworden, dass er mit Ford nicht auskam. Er verkaufte. Nun hatte Ford die Majorität! Wer mit seiner Politik nicht einverstanden war, wurde hinausgesetzt. Das war von nun an Grundsatz der Gesellschaft: Wer Fords Anweisungen widersprach, wurde sofort gefeuert.
Die Ford-Motor-Company baute jetzt keine Tourenwagen mehr, wie die teuren Wagen genannt wurden. Sie baute Gebrauchswagen und Roadsters. Ihr teuerster Wagen wurde für 750 Dollar verkauft, es gab sogar einen,
der nur 600 Dollar kostete. Das Resultat sprach für sich: 1906 verkaufte man fünfmal soviel Wagen wie im Jahr vorher. Henry Ford hatte seinen Weg zum Erfolg angetreten.

Während all dies sich ereignete, arbeitete Abner treu ergeben in dem Werk. Er rollte Räder heran, entweder Drahträder oder hölzerne, wie sich eben die Mode änderte. Er schraubte also Achsenmuttern mit einem Rechts- oder einem Linksgewinde auf. Er befestigte Glocken und später ein Ding mit einem Gummiball - wenn man ihn drückte, gab es quäkende Töne von sich. Er schraubte Lampen an, zuerst Kerzenlampen und später solche mit Karbid, für das ein besonderer Behälter auf dem Armaturenbrett angebracht war. All diese Verrichtungen führte Abner geduldig aus. Er lief zum Schuppen und holte ein Räderpaar, er bückte sich tief beim Schrauben und achtete mit aller Aufmerksamkeit darauf, dass er ja nicht einmal eine Mutter mit einem Rechtsgewinde auf eine Achse mit Linksgewinde setzte.
Nun gab es diese Umstellung in der Gesellschaft. Natürlich klärte niemand Abner über derartige Dinge wie Aktienmehrheit und ähnliches auf. Er merkte nur, dass man die Modelle wechselte und billigere Wagen in weit größerer Zahl herstellte. Bald kam das neue Material heran. Abner musste zunächst noch schneller arbeiten, bis man herausfand, dass er für die Glocken keine Zeit mehr habe. Er gab diesen Posten an einen anderen Mann ab. Die Produktion wurde noch größer, und es erwies sich, dass er auch für die Lampen keine Zeit mehr hatte. Fast ohne es zu merken, war er der Spezialist für das Aufsetzen der Achsenmuttern im Fordwerk geworden.
Nie in seinem Leben würde Abner vergessen, wie er eines Tages allen Mut zusammennahm und nach Arbeitsschluss vor dem Werk wartete. Etwas knieweich stand er da, denn Henry Ford war jetzt ein mit Geschäften überhäufter Mann, und wenn man ihm in die Quere kam oder ihn in einem unpassenden Moment störte, konnte er verdammt heftig werden. Doch Abner hatte einen Monat lang hin und her überlegt, und sein Entschluss stand fest. Die Zeiten waren gut, und wenn er nicht befördert wurde - es gab auch anderswo Arbeit, die genauso gut war.
Da kam er! Abner nahm die Mütze ab und trat auf seinen Chef zu, der zu seinem Wagen ging. »Guten Abend, Mr. Ford, ich bin Abner Shutt.«
»Hallo, Abner«, sagte der Chef; er hatte ein gutes Gedächtnis. »Wie geht es Ihnen?«
»Kann nicht klagen, Mr. Ford. Aber ich muss Ihnen was über die Arbeit sagen, die ich da mache. Das müssen Sie unbedingt wissen. Wenn ein einfacher Arbeiter mal was dazu sagen darf.«
Es war Fords Mittagszeit. Aber seine Frau hatte längst begriffen, dass immer erst das Geschäft und dann das Vergnügen kam.
»Worum handelt sich's Abner?«
»Es wird hier immer größer, Mr. Ford, und es wird auch noch immer größer werden. Ich hör' ja, was die Leute sagen. Sie mögen Ihre Wagen alle und wünschten, sie könnten sich einen kaufen.«
»Ja, wirklich, Abner?« Das war der Weg zum Herzen des fleißigen Mannes.
»Deshalb werden Sie in meiner Abteilung mehr Leute brauchen, und dann könnte da eine Menge Schaden entstehen.«
»Schaden, Abner, was meinen Sie damit?«
»Nun, die Muttern für die Achsen kommen alle durcheinander an, rechte und linke vermischt. Ich hab' noch keine verdorben, aber irgendeinem wird das eines Tages passieren. Und dann - ich muss immer zum Schuppen laufen und mir die Räder holen. Sie müssten mir gebracht werden, weil das Aufsetzen der Schrauben eine Spezialarbeit ist - ist doch so. Ich könnte viel mehr tun, wenn ich nicht immer wegrennen müsste. Ich tu' ja, was ich kann, aber wenn Sie sich weiter vergrößern, dann brauchen Sie einen Mann für die rechten und einen für die linken. Dann wird es auch ein Arbeitsgang für sich sein, die Räder aufzusetzen. Das muss einer tun, der damit Bescheid weiß, das darf man nicht irgendeinem überlassen.«
»Das lässt sich hören, Abner. Werd' mir das morgen mal ansehen.«
»Ich arbeite jetzt drei Jahre für Sie, Mr. Ford, hab' noch nie einen Tag gefehlt, außer damals, als ich heiratete. Ich sagte Ihnen bei meiner Einstellung, auf mich könnten Sie sich verlassen, und Sie sagten, wenn ich fleißig wäre und gut arbeitete, würde ich auch vorwärts kommen. Das wollte ich Sie noch fragen, Mr. Ford« - Abner sprach atemlos weiter, denn dies war sein eigentliches Anliegen, zumindest der Teil, der ihm am meisten Furcht gemacht hatte, - »eines Tages werden Sie eine Abteilung haben, in der nur Räder aufgesetzt werden. Da möchte ich Ihnen nur sagen, ich hab' diese Arbeit gelernt, hab auch gezeigt, dass ich's kann, kann's auch jedem beibringen und beaufsichtigen. Da wollt ich Sie bitten, Mr. Ford, mir keinen andern vor die Nase zu setzen. Meine, ich selbst müsste der Vormann, oder was Sie da einsetzen müssen, sein.«
Nun war's raus! Mr. Ford wurde nicht böse, im Gegenteil, er schien ernsthaft darüber nachzudenken. Er sagte, er wollte sich die Sache ansehen. Nein, er würde Abner keinen andern vor die Nase setzen. Am nächsten Tag kam er und schaute Abner eine Weile bei der Arbeit zu. Abners Herz schlug wild, er konnte kaum atmen, aber Gott sei Dank beherrschte er seine Arbeit so gut, dass er sie im Schlaf konnte. Von nun an kamen die Muttern geordnet an, und ein Mann war jetzt da, der die Muttern brachte und die Räder aus dem Schuppen herbeischaffte. Das war das Ergebnis der Unterredung. Es dauerte nicht lange, da schraubte Abner nur noch rechte Muttern auf, und ein zweiter Mann war eingestellt, der die linken aufsetzte. Und wie stolz war Abner, als er ihm zeigte, wie man es machen musste!
Bald kam noch ein Fortschritt. Es gab jetzt zwei Arbeitsgänge, in denen die Achsenmuttern aufgeschraubt wurden, und in jedem Gang wurden auf einer Seite Muttern mit Rechtsgewinde und auf der anderen solche mit Linksgewinde aufgesetzt. Wieder war es Abner, der die Arbeit lehrte. Schließlich waren fünf Leute da: einer, der die anderen vier überwachte, der darauf achtete, dass sie schnell genug von einem Wagen zum anderen gingen, dass die Räder ihnen im rechten Augenblick gebracht wurden, dass sie die Windungen nicht beschädigten und die Kappen nicht verschrammten. Das war der größte Tag in Abners Leben, denn dieser höchst verantwortliche Mann war - Abner Shutt. Jetzt war er wirklich Vorarbeiter für das Aufsetzen der Achsenmuttern in der Ford-Motor-Company. Zwei Dollar und 75 Cents bekam er pro Tag - es war kaum zu glauben!

Als dies geschah, lebte Abner mit seiner wachsenden Familie im oberen Teil eines kleinen Hauses, der Hausbesitzer wohnte im Erdgeschoß. Mit drei Jungen und einem Mädel waren die Shutts arg beengt. Der neue Wohlstand und die Gewissheit, Ford würde sie schützen, gab ihnen den Mut, von einem eigenen Haus zu träumen. Abner fuhr eines Sonntags durch die Stadt und fand ein Haus mit fünf Zimmern, das man für neun Dollar im Monat mieten konnte. Es hatte fließend Wasser, die Toilette war im Hause. Das war für die bescheidene Familie wie eine Tür zur Zivilisation. Für mehrere Jahre wurde dieses Haus nun ihr Heim.
Henry Ford wurde um diese Zeit auch ein stolzer Vater. Seine Schöpfung war ein dreistöckiges Fabrikgebäude aus roten Ziegeln, an der Ecke Piquette und Beaubien Street. Er hatte es aus seinen Gewinnen bezahlt. Als das Werk aus der gemieteten Zimmermannswerkstatt, die kaum drei Zehntel eines Morgens Grundfläche hatte, in dieses neue Gebäude zog, das über zwei und einen halben Morgen groß war und in dem für eine Viertelmillion Dollar Maschinen steckten, da war Henry Ford zwar stolz, aber wohl kaum so aufgeregt und stolz wie sein ergebener Arbeiter. Sie beide hatten dieses Werk aus dem Nichts entstehen sehen, und jeder hatte sein Teil dazu getan, es voranzubringen.
Jedes und alles in diesem neuen Werk war im voraus geplant. Der Stand jeder Werkbank war mit Kreide auf den Boden gezeichnet. Sobald die Arbeit am letzten Wagen in der alten Werkstatt beendet war, wurden die Werkbänke und Werkzeuge in die neue hinübergeschafft. Die Männer transportierten sie selbst und waren schon bald am neuen Ort bei der Arbeit an neuen Wagen. Ford selbst war dabei und überwachte jeden Handgriff. »Herumschnüffeln« nannten es viele, aber so schuf er Erfolge.
»Mal los hier, beweg dich schneller, dass wir weiterkommen!« - Das waren die Redensarten in der Fabrik. »Ausruhen kannst du dich zu Hause, aber in der Arbeitszeit beziehst du Geld von der Gesellschaft, und das musst du mit deinem Schweiß verdienen.«
Henry Ford fuhr nach Florida zu einem Autorennen, wo einer seiner Wagen mitfuhr. Es gab einen Unfall, ein französischer Wagen wurde zertrümmert. Ford hob ein Stück von diesem Wagen auf - es war leichter und fester als jedes Metall, das er je in der Hand gehabt hatte. Er nahm es mit nach Hause und untersuchte es. Vanadiumstahl, eine neue Legierung, deren Zugfestigkeit dreimal so groß war wie die des Stahls, der in Amerika benutzt wurde. Das war das Richtige für Autos, jedenfalls für die Henry Fords. Er trieb in England einen Experten auf, dem es nach einigen Schwierigkeiten gelang, diesen Stahl herzustellen.
Damit begann eine neue Epoche. Jetzt würden die Wagen leichter, stärker und billiger werden. Sollten die Leute nur ihre Witze über die Fords machen. Henry kümmerte das nicht. Sie würden schon herausfinden, dass die Wagen in Ordnung waren - sie kauften sie, bezahlten mit barem Geld, und Henry scheffelte es. »Siehst du einen Mann behänd in seinem Geschäft, der wird vor den Königen stehen und wird nicht stehen vor den Unedlen«, sagt Salomon; Ford zitierte die Heilige Schrift nicht häufig, aber viele seiner Käufer kannten sie auswendig.

Auch im neuen Werk blieb Abner Shutts Stellung die gleiche; er war der Spezialist für das Verschrauben von Radnaben. Er arbeitete nicht mehr mit seinen Händen, außer wenn Not am Mann war oder wenn er einem zeigen musste, wie es gemacht wurde. Er ging von Wagen zu Wagen und beaufsichtigte die Arbeit der anderen. Das war noch, bevor das Montageband oder >Fließband< erfunden wurde. Man baute Wagen wie ein Haus: an einem Platz. Arbeitsmannschaften kamen mit den neuen Teilen, die montiert werden sollten, und die dafür notwendigen Werkzeuge brachten sie mit. Das bedeutete, viele Menschen mussten durcheinander eilen und behinderten sich. Jede dieser Behinderungen aber schlug sich in den Kosten der fertigen Wagen nieder.
Abner Shutt tat seine Aufsichtsarbeit gewissenhaft; aber ganz im Innern überwand er doch nie ein gewisses Unbehagen darüber, nicht selbst mit den Händen zu arbeiten. Wäre nicht der höhere Lohn gewesen, dann hätte er lieber einen Schraubenschlüssel in der Hand gehabt und Achsenmuttern angezogen wie früher. Er hatte Angst vor der Verantwortung und davor, Entscheidungen treffen zu müssen. Welch ein schwieriges Wesen war doch der Mensch! Er hatte bisher nichts davon gewusst und erkannte es erst heute, wo er mit Menschen statt mit Metallteilen umgehen musste. Diese waren alle gleich gewesen - und wenn sie es nicht waren, so war das nicht Abners Schuld.
Aber diese Arbeiter! Sie betranken sich, kamen mit Kopfschmerzen zur Arbeit und waren bissig. Sie verloren die Aufmerksamkeit für das, was sie tun sollten, und wies man sie zurecht, so gaben sie ihrem Vormann die Schuld, nie sich selbst. Abner war von Natur ein gutmütiger Kerl und hasste es, mit anderen Streit zu haben. Aber das ließ sich jetzt nicht mehr vermeiden, denn die Arbeit musste ordentlich getan werden. Er musste schimpfen, Hölle und Himmel in Bewegung setzen, ja, mit einem Donnerwetter dazwischenfahren, und wenn das alles nicht half, so musste er es Mr. Foster melden, der sie feuerte. Abner maßte sich nie das Recht an, selbst jemand hinauszuwerfen. Ihn verlangte gar nicht, noch höher zu steigen, nicht einmal höheren Lohn wollte er haben.
Im Herbst 1907 gab es wieder einen Bankkrach. Er brachte der Stadt viele arbeitslose, hungernde Menschen und lehrte jene Bescheidenheit, die ihre Arbeit behalten hatten. Die Umsätze der Ford-Werke fielen nur geringfügig, denn die Nachfrage nach diesem neuen Erzeugnis wurde immer größer. Unter den hundert Millionen Amerikanern gab es noch genug, die sich kaufen konnten, was sie wollten. Henry Ford plante unablässig und fand neue Wege, ihnen die Wagen noch billiger zu liefern. Im Jahr nach dem Krach lieferte er 6181 Wagen, etwa drei pro Arbeiter, und drei Jahre später konnte er schon 35000 Wagen mit sechstausend Arbeitern herstellen.
Natürlich kannte Abner Shutt diese Zahlen nicht. Sie hätten ihm auch wenig bedeutet. In diesen Jahren lernte Abner nur, für seinen Chef doppelt so viele Wagen zu bauen. Er bekam eine fünfzehnprozentige Lohnerhöhung und hielt sich für einen der glücklichsten Menschen in Amerika. Und wahrscheinlich war er das auch. In Detroit gab es zwei Winter lang Hungerschlangen. Sie mahnten ihn an die schrecklichen Jahre seiner Kindheit, die ihn an Körper, Geist und Seele geschwächt hatten.

Als Abner um ihre Hand anhielt, war Milly Crock hübsch. Sie war lustig, besaß lachende blaue Augen und blondes Haar, das keine Brennschere nötig hatte. Dann waren fünf Jahre des Wartens gekommen, danach die
sechs Jahre, in denen ihre Kinder geboren wurden und sie den Haushalt bewältigen musste. Nun waren die Reize verschwunden. Sie hatte oft Schmerzen, deren Ursache unerklärlich blieb. Stets hatte sie die vier Kinder um sich, und da sie kränkelte, war das recht beschwerlich. Ihr fünftes Kind war schwächlich, und der Arzt sagte ihr, es wäre besser, wenn sie nun keines mehr bekäme. Aber er sagte ihr nicht, wie sie das anstellen sollte. So etwas galt damals als unmoralisch. Das fünfte Kind starb, und bald danach kam ein sechstes. Es war dunkelblau bei der Geburt, und die Mutter hat es nie gesehen.
Seitdem hatte Milly eine Abneigung gegen ihren Mann. All ihre Fürsorge wandte sie nun ihren Kindern zu. Für Abner, der doch, so wie er es verstand, ein guter Ehemann gewesen war, war das schwer. Aber er fand sich damit ab -keinem wurden alle Wünsche erfüllt; es war das klügste, seine Pflicht zu tun und für die Zukunft vorzusorgen. Abner liebte seine Kinder und spielte gern mit ihnen, wenn er von der Arbeit nach Hause kam; aber oft musste er Millys Klagen über sie anhören und sie nach dem Kodex der Heiligen Schrift abstrafen.
Drei heranwachsende Jungen und ein Mädchen verschlangen eine Unmenge Nahrung und trugen einen Haufen Schuhe und Kleider auf. Milly kochte und stopfte, sie schrubbte und schalt und sehnte den Tag herbei, da diese immer hungrigen und fragenden Geschöpfe alt genug wären, dass sie zur Schule gingen. Dann war sie sie einige Stunden am Tag los. An sechs Tagen der Woche, ob im heißen Sommer oder im Schneesturm, stand Abner um halb sechs auf und stieg in seine Kleider. Er holte Kohlen und Feuerholz herein, machte Feuer an, aß seine Schüssel mit fettem Speck und Bratkartoffeln und trank heißen Kaffee mit etwas kondensierter Milch dazu. Schließlich bestieg er sein Fahrrad und fuhr zum Ford-Werk. Wie immer das Wetter auch war und wie es zu Hause auch gehen mochte, wenige Minuten vor der Zeit steckte Abner seine Karte in die Kontrolluhr und sorgte dafür, dass Mann und Werkzeug am richtigen Platz waren, wenn die Pfeife zum Arbeitsbeginn ertönte.
Dann kam Bewegung in Arbeiter und Maschinen, dann sprang das Hämmern und Dröhnen an. Dem Besucher mochte es als betäubender Lärm erscheinen, aber für Abner war es das normale Geräusch der Arbeit. Er kannte jeden Ton und hörte sofort, wenn irgendwo ein falscher oder gar ein gefährlicher Misston aufklang. Er verlangte nur, dass jedermann mitkam, dass die Achsen und Räder zur rechten Zeit da waren, dass kein Schraubenschlüssel abrutschte und keine Mutter herunterfiel, dass nicht geflucht oder gar über ihn, Mr. Ford oder die Fabrik und die Wagen geschimpft wurde. Nur eine fleißige und gewissenhafte Mannschaft wollte er haben, mehr verlangte er nicht. - War der lange Tag dann vorüber, befriedigte ihn das Gefühl, dass er wieder drei Dollar verdient hatte. Am Wochenende würde er Milly das Geld bringen. Für Miete, Gas, Heizung und Nahrung würden sie es verbrauchen.
Manche Menschen hätten so ein Leben nicht ausgehalten. Aber Abner kannte solche Menschen nicht und wusste nichts von ihren Gedanken. Er empfand das Ford-Werk nicht als riesigen berüchtigten Schwitzladen. Für ihn war es der Ort, wo er seine Pflicht tat und Arbeit hatte; dort machte er, was ihm aufgetragen war, und als Entgelt bekam er seinen Lebensunterhalt. Wenn man ihn gebeten hätte, sein Urteil über seinen Job abzugeben, so hätte ihn die Frage zunächst wohl erstaunt. Schließlich aber würde er erklärt haben, er arbeite an einem wunderbaren Ort, wo man aus fünftausend Teilen unterschiedlichster Größe und Form und aus den verschiedensten Materialien ein zauberhaftes Ganzes mache, in dem man überall hinfahren könne, wenn auch nicht gerade die Wand hoch. Hätte man ihn nach seinem größten Lebenswunsch gefragt, so hätte er wohl geantwortet, er möchte einmal Geld genug haben, um sich einen dieser Wagen kaufen zu können, einen gebrauchten natürlich, der aber noch gut liefe, damit er bei Regen trocken zur Arbeit käme. Sonntags würde er Milly und die Kinder hineinpacken und aufs Land fahren, wo sein ältester Bruder bei einem Farmer arbeitete. Dann könnten sie ihr Gemüse für die Hälfte des Preises einkaufen, den jetzt der Laden an der Ecke verlangte.

Bis jetzt hatte Henry Ford mit acht verschiedenen Modellen gearbeitet. Das erste Modell A hatte zwei Zylinder; der Motor war hinten montiert, es hatte Kettenantrieb. Nach und nach hatte man diese Technik aufgegeben, und ein Vierzylindermotor mit Kardanantrieb, vorn unter einer Haube montiert, war jetzt die Standardausführung. 1908 wagte er es, seine Lieblingsidee zu verwirklichen: nämlich nur einen einzigen billigen Wagen für die große Masse zu bauen. Ohne seinen Verkäufern vorher einen Wink zu geben, verkündete er: Von nun an ist es mit den Modellen A, B, C, F, N, R, S und K für immer vorbei. Ab heute gibt es nur den Fordwagen Modell T. Die Ankündigung schloss mit seinem berühmten Satz: »Jeder Käufer kann einen Wagen in der gewünschten Farbe haben - vorausgesetzt, sie ist schwarz.«
Es war ein ziemlich unansehnliches Modell, für das er sich entschieden hatte. Mit seinem hohen Aufbau sah es wie eine kleine Kiste auf Rädern aus. Aber es hatte Sitze, es gab ein Verdeck, das vor Regen schützte, und eine Maschine war darin, die laufen und nochmals laufen würde, sowie Räder, die sich drehten, unaufhaltsam drehten. Ford ging von dem Gedanken aus, dass die Masse der Amerikaner genauso dachte wie er und wenig Wert auf Schönheit, aber um so mehr auf Zuverlässigkeit legte. Sie wollten sich in einen Wagen setzen und damit irgendwohin fahren können. Vielleicht wussten sie nicht immer, wohin sie fahren wollten oder was sie an dem Ort eigentlich sollten, aber diese Probleme brauchten ja Henry Ford nicht zu kümmern.
Die Verkaufsabteilung war wie vor den Kopf geschlagen; der Automobilhandel sagte voraus, Henry Ford würde in sechs Monaten pleite sein. Er kaufte daraufhin sechzig Morgen Land in der Stadt Highland Park, zehn Meilen nördlich von Detroit, und begann mit dem Bau der größten Automobilfabrik, welche die Welt je gesehen hatte. Das war seine Antwort. Er setzte den Preis für den neuen Wagen auf 950 Dollar herunter und verkaufte achtzehntausend im Jahr. So verdiente er mehrere Millionen, mit denen er Land und Gebäude bezahlen konnte. Im nächsten Jahr ermäßigte er den Preis auf 750 Dollar, verkaufte das Doppelte und verdiente noch mehr Millionen.
Henry war ganz oben. Er hatte seinen Kampf gewonnen, er war der Boss. Er konnte den Menschen befehlen, und sie gehorchten. Er konnte etwas erzeugen und Maschinen bauen, um noch mehr zu erzeugen. Hundert Wagen am Tag, das war erst der Anfang, behauptete er. Bald würde er tausend am Tag bauen, und schon lange vor seinem Tode würde er eine Million Fords gebaut haben.
Er umgab sich mit Sachverständigen. Leute, die etwas von Metallen verstanden, wie man sie schmelzen, verbessern, legieren und bearbeiten konnte; Leute, die sich in Betriebsstoffen auskannten, die wussten, wie man höhere Hitzegrade bei geringeren Kosten herausholen konnte; Leute, die etwas von den hundert verschiedenen Materialien verstanden, die in einem Wagen vereint waren oder zum ersten Mal in einem Wagen verwandt wurden. Fachleute für Architektur, Herstellungsverfahren, Berechnungen, Transport und Reklame scharte er um sich - Fachleute für tausend Künste, die helfen sollten, Wagen zu bauen, zu verkaufen und Geld zu verdienen, um noch mehr Wagen zu bauen, sie wieder zu verkaufen und noch mehr Geld zu verdienen.
Man spottete zwar oft, wenn man über ihn sprach, aber das störte Henry Ford nicht im geringsten. Er kannte sein Ziel: Er wollte das Transportwesen Amerikas umgestalten. Er wollte seine Landstraßen wieder beleben und die Gewohnheiten der Menschen ändern. Er wollte sie zu Menschen machen, wie er selbst einer war. Sie sollten nüchterne, ehrliche und fleißige Arbeiter werden gleich ihm. Reich? Ja, auch das; vielleicht nicht ganz so reich wie er, aber so reich, wie es für sie gut war. Sie sollten hohe Löhne haben, und man würde sie lehren, jede Woche einen Teil davon zu sparen, bis sie Geld genug beisammen hatten, um die Anzahlung für einen Ford Modell T zu machen, den sie zehn, ja, zwanzig Jahre fahren konnten -man würde diese Wagen noch auf den Straßen sehen, wenn Fords Enkel erwachsen waren.
All dies begann in Highland Park. Er baute sein eigenes Kraftwerk, sein eigenes Stahlwerk, seine eigenen Hochöfen. Bald würde er auch seine eigenen Bergwerke haben, seine Kohlengruben, Schiffe und Eisenbahnen. Ein mächtiges Reich würde es sein und sich über die ganze Erde ausdehnen. Henry Ford würde sein Gründer und Beherrscher sein. Sein Geist, seine Weisheit und sein gesunder Menschenverstand würden es regieren. Dies war sein Lieblingssatz: »Ich habe nichts als gesunden Menschenverstand« - und das war seine tiefste Überzeugung.

Abner Shutt konnte von diesen Plänen nichts wissen, die im Kopf seines mächtigen Herrn Gestalt annahmen. Aber hin und wieder erfuhr er doch etwas davon. Er kaufte jeden Abend eine Zeitung, las noch ein bisschen darin, wenn er auch noch so müde war. Darin war er seinem Vater voraus. Dann und wann las er Berichte über das, was in dem neuen Werk vorbereitet wurde. Mit einigen Arbeitskollegen fuhr er eines Sonntags hinaus, um sich die Sache anzuschauen. Die ganze Woche über sprachen sie von dem, was sie gesehen hatten.
Die meisten dieser Menschen waren wie Abner stolz auf ihren Arbeitgeber und seinen Erfolg. Aber ein paar Neider gab es auch, ewige Widerspruchsgeister, die behaupteten, Fords Aufschwung sei aus ihrem Schweiß gemacht. Als ob sie sich dies ganze Geschäft hätten ausdenken können, meinte Abner. Als ob sie gewusst hätten, welchen Wagen man bauen musste! >Sozialisten< nannte er sie. Das Wort hatte er in den Zeitungen gelesen. Aber er wusste nicht recht, was es bedeutete. Gespräche über Politik waren im Werk nicht erwünscht, Mr. Ford hielt nicht viel von der Politik.
Am Anfang des Jahres 1912, als die Ford-Motor-Company mehr als zweihundert Wagen pro Tag ausstieß, war Abner zum ersten Mal ernstlich krank. Er legte sich nieder, weil er sich schlecht fühlte, und wachte mit hohem Fieber auf. Es war ein kalter Wintermorgen. Mühsam kletterte er aus dem Bett, um wie gewöhnlich Feuer zu
machen, doch Milly musste ihn wieder ins Bett bringen und noch Decken draufpacken, damit ihn nicht fror. Sie war aufgeregt und lief zum nächsten Arzt. Der kam und sagte, Abner habe die Grippe, es sei eine Epidemie im Ort. Abner musste im Bett bleiben, und man sagte ihm, es könne sein Tod sein, wenn er nicht gehorche.
Der Arzt gab ihm eine Medizin, die vielleicht seinem Körper half, aber nicht seinen Gedanken. Seit acht Jahren hatte er keinen Tag in seinem Dienst für Henry Ford ausgesetzt. Angst befiel sein Herz! Halb im Fieberwahn befahl er Milly, in den nächsten Laden zu laufen, das Büro anzurufen und seine Krankheit zu melden. Zugleich sollte sie bitten, man möchte ihm seine Arbeit nicht nehmen. Auch als der Beauftragte der Gesellschaft kam, sich vergewisserte, dass er wirklich krank sei, und versprach, man werde ihm seinen Platz erhalten, war er nur halb beruhigt. Er wusste genug über die Gepflogenheiten in diesem Werk. Er kannte die Gefahr, die darin bestand, dass man bemerken könnte, ein Mann sei zu entbehren. Klappte das Verschrauben von achthundert Achsen täglich eine Zeitlang auch ohne einen Vorarbeiter, warum dann noch drei Dollar hinauswerfen?
Sie hatten etwas Geld auf der Sparkasse. Abner gehörte außerdem einer Vereinigung an, die sich ABSABS nannte; es war die fortschrittliche philanthropische Vereinigung der Amerikanischen Beavers<. Sie hatten ein Vereinszimmer gemietet, hatten Fahnen, Schmuck und feierliche Satzungen. Einmal im Monat ließen sie ihre Frauen allein zu Haus, rauchten Zigarren und besprachen die Angelegenheit der Stadt, die sie besonders interessierten. Die Mitglieder waren Fabrikarbeiter wie Abner, außerdem ein paar kleine Kaufleute. Das Wichtigste an der Sache aber war, dass sie sehr zahlreich waren und jede Woche einen kleinen Betrag in ihre Kasse zahlten, damit die heranwachsenden Kinder ernährt werden konnten, wenn der Vater ohne Verdienst war.
So musste Abner nun liegen, bis die Natur ihn geheilt hatte, ob mit oder ohne Hilfe des Arztes, wer wollte das beurteilen. Er saß in seinem Sessel und war einige Tage noch sehr schwach. Jetzt hatte er einmal Zeit, seine Kinder kennen zu lernen. John, der älteste Junge, war sieben Jahre alt. Er ging zur Schule, wenn das Wetter es nur irgend zuließ. Er war ernst und gutartig. Der zweite hieß Henry Ford, folglich war er recht unternehmungslustig und von seiner Mutter schwer zu leiten. Daisy, das kleine Mädchen, war blond und zart; sie erinnerte Abner in vielem an ihre Mutter. Der kleine Tom war erst drei, und man konnte noch nicht viel über ihn sagen. Aber er wusste doch schon, dass er es gern hatte, wenn sein Vater ihm Puppen aus Zeitungspapier ausschnitt. Er malte sie mit Buntstiften an. An der Art, wie er das machte, glaubte Abner Talent zu erkennen.
Endlich durfte er wieder zur Arbeit, jedoch nicht mit dem Fahrrad durch den dicken Schnee. So fuhr er mit der überfüllten Straßenbahn. Er war mager geworden und sah zehn Jahre älter aus. Bei der Arbeit musste er sich öfters hinsetzen, was der Arbeitsdisziplin schadete. Doch die Kollegen waren nett zu ihm und taten nichts, was ihm Ärger gemacht hätte. Langsam kamen seine Kräfte wieder, doch diese Unterbrechung machte einen tiefen Eindruck auf ihn. Sie rief in ihm die graue Angst seiner Kindheit wieder wach.
Mehr denn je war er dem guten und mächtigen Mr. Ford dankbar, der ihm gesicherte Arbeit bot und ihm darüber hinaus einen Gewinnanteil von siebeneinhalb Prozent seines vorjährigen Lohnes zahlte. Für Abner waren das etwa siebzig Dollar, ein wahres Gottesgeschenk! Damit konnte er die Rechnungen des Arztes und andere Verluste bezahlen. Abner hatte keine Gelegenheit, Ford zu sagen, was er für ihn empfand. Offenbar erriet Henry Ford es, denn einige Jahre später schrieb er: Wenn er an die Tausende von Familien denke, die von seinem Unternehmen abhingen, so scheine es ihm, als ob die Ford-Motor-Company Segen verbreite.

In diesem Jahr war Präsidentenwahl. Der Rektor einer Hochschule namens Wilson stand auf der Liste der Demokratischen Partei und gab sich alle Mühe, Abner von seinen eingefleischten republikanischen Grundsätzen abzubringen. Er hielt gewandte Reden über die >neue Freiheit<. Abner las diese goldenen Worte in seiner Zeitung. Aber er las auch, dass schwere Zeiten kommen würden, wenn die Demokratische Partei ans Ruder käme. >Schwere Zeiten< aber fürchtete er mehr als jede Tyrannei. Der Hochschulrektor wurde gewählt - und es konnte keinen Zweifel geben, dass die Geschäfte von diesem Zeitpunkt an zurückgingen. Das genügte, um Abner ein für allemal zu belehren. Er sprach kaum über Politik, aber er ging von nun an zur Wahl und stimmte für Hughes, Harding, Coolidge, Hoover, Landon - von all den Gouverneuren, Senatoren und Kongressmitgliedern der >Großen Alten Partei< ganz zu schweigen.
Glücklicherweise taten die schweren Zeiten Henry Ford nur wenig Schaden. Er ermäßigte den Preis seines Wagens auf 600 Dollar und verkaufte täglich über fünfhundert Stück. Im nächsten Jahr setzte er den Preis auf fünfhundertfünfzig herunter und verkaufte täglich fast tausend. Seine Taktik, die Preise herabzusetzen, um die Verkäufe zu steigern, bewähre sich, behauptete Henry. Und die Leute bewiesen ihm, dass sie diesen Grundsatz billigten.
Die Menschen hatten plötzlich entdeckt, dass sie herumfahren und die Welt anschauen wollten. Ihre Großväter hatten den Kontinent in Planwagen durchquert und ein Jahr dafür gebraucht. Jetzt wollten die Enkel den Kontinent in einem Monat durchqueren. In wenigen Jahren würden sie sogar nur eine Woche brauchen. Die kleinen schwarzen Wanzen wimmelten überall auf den Straßen. Man erfand Scherznamen für sie: Sie hießen >Flivvers<, sie waren >Jitneys<, es waren >Blechbüchsen< oder manchmal auch >Henrys<. Die Leute erzählten Anekdoten über die >Karren<. Wo man ging und stand, hörte man >Fordwitze<. Die Pointe war immer dieselbe: Man hatte ein halbes Dutzend Blechkannen und eine Sprungfeder irrtümlich für einen Ford gehalten; man reparierte sie, und nun liefen sie ganz ausgezeichnet. Jeder dieser Witze war eine kostenlose Reklame für Mr. Fords Wagen.
Abner Shutt zog mit seiner Familie in die Nähe des neuen Werkes. Wohin der Herr ging, dahin würden sie folgen. Abner hatte noch immer seinen Posten beim Verschrauben der Achsen. Und eins war gewiss: So ein Mann hatte Verantwortung. Er musste ja überwachen, wie tausend Achsen pro Tag verschraubt wurden. Das Werk war jetzt so groß, dass kein Arbeiter viel von dem sah, was insgesamt vorging. Aber sie hörten hier und da davon, und es war, als nähmen sie teil an der Schöpfung der Welt. Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht. Henry Ford sprach, wir wollen >Flivvers< bauen. Ein Fordwitz erzählte von einem Mann, der durch das Highland-Park-Werk gegangen war. Als er herauskam, kratzte er sich den Kopf und sagte: »Hab so das Gefühl, die kleinen Dinger krabbeln überall an mir herum.«

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