9
Der Inspektor war rasend vor Wut. Die Fangergebnisse waren um die Hälfte niedriger als im Vorjahr. Andere Schiffe dagegen meldeten, dass sie ihre Fangleistungen gesteigert hatten. Asagawa war mit zweitausend Kisten im Rückstand. Meine Geduld ist erschöpft. Die weiche Behandlung hört jetzt auf.
Die „Hakkomaru" wechselte ständig ihren Fangplatz. Der Inspektor richtete sich nach den Meldungen, die der Funker über den Standort anderer Schiffe auffing. Wurden Netze anderer Krabbenfangschiffe gefunden, so ließ er sie an Bord ziehen. An einer Stelle, zwanzig Seemeilen südlich des Gebiets, das der „Hakkomaru" zugewiesen war, erbeuteten sie ein Netz, so voller Krabben, dass die Maschen kaum hielten. Obwohl es eindeutig die Zeichen eines anderen Schiffes trug, befahl Asagawa, es einzuholen.
„Diesen guten Fang haben wir dir zu verdanken", sagte der Inspektor zu dem Funker und klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. Ein solches Lob aus Asagawas Mund war etwas Ungewöhnliches.
Einige Male wurde die Barkasse beim Stehlen fremder Netze ertappt. Dann suchte sie schleunigst das Weite und versuchte es an einer anderen Stelle von neuem. Infolge dieser Raubzüge häufte sich auf der „Hakkomaru" die Arbeit.
Eines Tages hing an der Tür der Kombüse ein Blatt Papier mit folgender Aufschrift:
Wer sich der geringsten Faulenzerei schuldig macht, wird mit Brandmarken bestraft.
Wer durch Langsamarbeit sabotiert, wird zur Strafe „im Meer gebadet". Außerdem wird ihm der Lohn entzogen. Nach der Rückkehr wird der Betreffende der Polizei übergeben. Wer sich einer Anordnung des Inspektors widersetzt, wird erschossen.
Unterschrieben war dieser Aushang vom Inspektor und vom Chef der Saisonarbeiter. Asagawa trug seitdem ständig eine geladene Pistole bei sich. Manchmal schoss er während der Arbeit über die Köpfe der Arbeiter, um sie einzuschüchtern, nach Möwen oder nach Gegenständen auf dem Schiff. Höhnisch grinsend weidete er sich dann an ihrem Erschrecken.
Auch die Matrosen und Heizer standen völlig unter Asagawas Befehlsgewalt. Der Kapitän wagte nicht, dagegen Einspruch zu erheben. So war er lediglich noch ein Aushängeschild. Als er sich einmal unter
Berufung auf das internationale Recht sträubte, in die russischen Hoheitsgewässer zu fahren, erhielt er von Asagawa zur Antwort: „Das geht Sie gar nichts an! Danach hat Sie keiner gefragt!" Der Inspektor erteilte daraufhin selbst die erforderlichen Befehle. Als sie aber von einem russischen Vorpostenboot gestellt wurden und sich verantworten mussten, zog sich der Inspektor aus der Affäre und schob dem Kapitän die Schuld an dieser „Kursabweichung" zu.
Solche Zwischenfälle häuften sich, der Kapitän trug sich daher mit der Absicht, nach Hakodate zurückzufahren. Da er aber von den Konzernherren abhängig war, konnte er sich nicht entschließen.
„Das Schiff gehört der Gesellschaft. Haben Sie verstanden?" In dem fratzenhaft verzerrten Gesicht des Inspektors erschien wieder das dreieckige Loch. Unnahbar stand er da, um sich einen Bannkreis von Furcht und Schrecken verbreitend. Der Stotterer stieg in das Jauchefass, stolperte und stürzte, sich überschlagend, die letzten Stufen hinunter. Das brachte ihn völlig aus dem Konzept. Teilnahmsvoll umringten ihn die Kameraden. Er tat ihnen leid, gerade weil sie Vertrauen zu ihm hatten. Was sollte jetzt geschehen? Alle machten sich darüber Gedanken, aber keiner sprach ein Wort. Unter dem Eindruck von Asagawas Drohungen schien die
Organisation wieder zu zerfallen; es hatte ja alles keinen Zweck. Nur der Student, der den Plan entworfen hatte, bewahrte seine Fassung. Er sagte: „Wenn es soweit ist, wird die Organisation funktionieren. Es geht jetzt darum, den richtigen Augenblick abzupassen."
Sogar der Mann, der die Zähne gezeigt hatte, war bekümmert und fragte: „Wird es klappen? Haben wir nichts zu befürchten?"
„Warum soll es nicht klappen? Wir sind in der Überzahl. Je mehr sie uns reizen, desto erbitterter wird der Hass. Wie ein glimmendes Feuer wird er sich in die Herzen der Männer fressen, darauf können wir uns verlassen."
„Es hat keinen Zweck, sich Illusionen zu machen." Der Mann sah unruhig und voller Zweifel um sich.
„Meiner Ansicht nach ist keiner unter uns, der sich etwas vormacht. Wenn wir uns aber alle ins Bockshorn jagen lassen, dann kann es ja nicht klappen."
„Du bist der einzige, der noch Mut hat. Wenn es aber jetzt zu einem Zwischenfall kommt, dann geht es auf Leben und Tod."
„Damit magst du recht haben." Der Student senkte den Blick.
Der Inspektor kam neuerdings abends mehrere Male, begleitet von einigen seiner Leute, ins
Jauchefass, um die Krabbenfischer zu kontrollieren. Wenn er Männer in einer Gruppe beisammenstehen sah, schnauzte er sie an. Außerdem ließ er seine Spitzel im Jauchefass schlafen. Die Krabbenfischer trugen unsichtbare Ketten.
„Das habe ich satt bis oben hin!" sagte der Stotterer. „Wir sind ja unseres Lebens nicht mehr sicher. Es muss etwas geschehen!"
„Verdammt! So ist es. Wir sind unseres Lebens nicht mehr sicher!"
Der dies sprach, hieß Schibaura. Er sollte bei den kommenden Geschehnissen noch eine Rolle spielen. „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende! Sie tragen Pistolen bei sich, um zu zeigen, dass sie Macht über uns haben. Sie können es sich aber nicht leisten, uns alle abzuknallen. Ihr Ziel ist, uns einzuschüchtern und auszupressen, damit wir immer mehr arbeiten und sie immer mehr verdienen. Wir sind wie die Blätter des Maulbeerbaums, die man den Seidenraupen zum Fraße vorwirft. Ein Dreck sind wir in ihren Augen!"
Schibaura drückte mit den Fingern seiner klobigen Hand den Zigarettenstummel aus. Die „Hakkomaru" war zu weit nach Süden in ein Gebiet geraten, in dem es nur magere Krabbenweibchen gab. Als das Schiff wieder auf nördlichen Kurs ging, wurden die Fänge ergiebiger. Aber das brachte auch von neuem Überstunden. Endlos lang
zog sich der Arbeitstag hin.
„Ich bin fertig."
„Ich gehe vor die Hunde."
„Wer geht hier vor die Hunde? Soweit sind wir noch nicht!" Schibaura lachte. „So einfach lassen wir uns nicht abmurksen." Keiner antwortete.
„Aber darin habt ihr recht", stellte er nüchtern fest. „Wenn wir so weitermachen, dann leben wir höchstens noch fünf Tage."
Gelb und hohlwangig war das Gesicht des Mannes, der in die Koje über Schibaura kletterte. Er konnte nur mit Mühe die Beine heraufziehen, sie baumelten noch eine Weile über den Rand der Koje. Schibaura sprach mit dem Stotterer. „Sie können Schiffe kaufen, aber die Schiffe nutzen ihnen nichts, wenn sie keine Matrosen dafür finden. Auf dem Grunde des Meeres schwimmen Millionen Krabben, und sie können mit ihrem Geld Krabbenfangschiffe ausrüsten, aber kein Krabbenschwanz gelangt in ihre Hände, wenn sie keine Krabbenfischer finden, die für sie arbeiten. Sie verdienen durch uns an einem Schiff je Saison eine halbe Million, aber uns geben sie gerade so viel, dass wir nicht verhungern. Und wir sind so dumm und verschaffen ihnen immer noch mehr Geld. Verstehst du das? Von unserem Blut und Schweiß leben sie. Wir dürfen nicht weiter so dahinvegetieren, wir müssen uns aufraffen. Wir haben uns einschüchtern lassen, deshalb können sie so mit uns umspringen. Ohne Matrosen und Heizer kann kein Schiff fahren. Ohne uns Arbeiter kriegen sie nicht einen Jen."
Der Inspektor betrat den Raum. Die Fischer gingen rasch auseinander. |
Hinweis: Für die Korrektheit der Angaben in diesen Versionen und die Identität der Texte mit dem angegebenen Original wird keine Verantwortung übernommen. Eine Vervielfältigung der Dokumente zum Zwecke des Vertriebs ist nicht gestattet.
| |