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Takidji Kobajaschi - Krabbenfischer (1929)
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Einige Männer liefen zum Hinterdeck. Wo die Reling einen Knick macht, hielten sie an und beugten sich über das Geländer. Weiter vorn, bei der Offiziersmesse, arbeitete der Zimmermann. Er blickte den Männern nach, konnte aber nichts erkennen, weil seine Augen vor Kälte tränten. Am Heck quietschte die Winde des Ankerdavits. Was ist denn dort los? dachte der Zimmermann verwundert. Die Fangboote sind doch alle ausgefahren. Er bemerkte, dass das Seil der Winde hin und her pendelte, etwas Schweres musste daran hängen. Wenn ich nur wüsste, was da an dem Seil hängt! Fluchend schnäuzte sich der Zimmermann durch die Finger. In der Eile hatte er vergessen, sich aus dem Wind zu drehen, der ganze Dreck aus seiner Nase klatschte ihm auf die Hose.
Ach, sie lassen wieder einmal einen zur Strafe baumeln...
Als er sich mit dem Ärmel die Augen gewischt hatte, konnte er genau sehen, was geschah. Vor der glitzernden Fläche des Meeres und der grauen Regenwand im Hintergrund zeichneten sich deutlich die gebogenen Davits ab. Am Ende des Seils hing, gefesselt und zusammengeschnürt, ein Krabbenfischer. Er wand und drehte sich und strampelte mit den Beinen in der Luft wie eine Fliege, die sich in einem Spinnennetz gefangen hat. Dann versperrten die Deckaufbauten dem Zimmermann die Sicht, er konnte nur noch sehen, dass sich das Seil wie eine Schaukel hin und her bewegte. Immer wieder musste er sich das Wasser aus den Augen wischen und sich schnäuzen. Nach einer Weile hielt es ihn nicht mehr. Er musste selbst nachsehen, was dort am Heck geschah. Das Seil bewegte sich heftig, als rüttelte und zerrte jemand kräftig daran. Der Zimmermann blickte über die Reling. Der „Gehängte" schwang an der Leine dicht über der Wasseroberfläche. Plötzlich wurde sein Gesicht totenblass, aus seinem Munde trat Schaum, er stöhnte gequält.
Oben an der Reling stand der Chef der Saisonarbeiter, leicht gebückt und in den Knien etwas eingeknickt. Er hatte seinen Stock unter den Arm geklemmt und schlug, als wäre nichts geschehen, sein Wasser ab, direkt ins Meer. Der Seewind spritzte den Urin gegen die Bordwand.
Er hat ihn vorher auch noch geprügelt, dachte der Zimmermann.
In diesen Tagen fiel den Männern das Aufstehen am Morgen besonders schwer. Der Inspektor erschien gewöhnlich mit einem leeren Benzinkanister im Jauchefass, trommelte darauf und hielt ihn dabei den Schlafenden dicht an die Ohren. Die Männer fuhren hoch und sprangen aus den Kojen. Häufig geschah es, dass einer der Beriberikranken mühsam den Kopf hob und ein paar Worte stammelte. Aber der Inspektor sah sich nicht einmal nach ihm um und trommelte weiter auf den Kanister. Die Stimme des Kranken ging unter im Lärm der Trommel, seine Lippen bewegten sich wie das Maul eines Goldfisches, der nach Luft schnappt. Dann hörte der Inspektor auf zu trommeln und brüllte mit donnernder Stimme: „Ich werde euch schon das Aufstehen beibringen! Ihr seid hier in einem Staatsbetrieb. Hier ist es genauso wie an der Front, es geht um Leben und Tod! Hier wird gearbeitet, verfluchte Aasbande!" Er riss den Kranken die Decken weg und trieb sie nach oben. Die Beriberikranken, denen die Beine nicht gehorchten, stolperten mühselig die Stufen hinauf. Sie klammerten sich mit einer Hand am Geländer fest und bückten sich, um mit der anderen Hand die Füße von Stufe zu Stufe zu heben, bis sie keuchend und außer Atem oben ankamen.
Dem Inspektor und seinen Antreibern waren Kranke ein Dorn im Auge. Sie behandelten sie schlechter als die Arbeitsfähigen. Die Kranken wurden von einer Arbeit zur anderen getrieben, sie mussten Konservenbüchsen anfertigen, auf dem kalten Deck die Krabben häuten, Etikette aufkleben und andre Hilfsarbeit leisten. Sie stolperten in den dunklen, feuchten Arbeitsräumen umher, in dauernder Angst, auszurutschen. Wenn sie es fertigbrachten, sich eine Weile auf den Füßen zu halten, wurden ihnen die Beine steif und gefühllos wie Holzklötze. Sie knickten in den Knien ein, sackten zusammen und hockten plötzlich auf dem Boden, ohne es zu merken.
Der Student fasste sich bei der Arbeit in der Krabbenschlächterei plötzlich an den Kopf, schwankte und fiel auf einen Stapel Konservenbüchsen, der laut polternd zusammenstürzte. Da das Schiff etwas Schlagseite hatte, rollten die Büchsen über das Deck, zwischen die Kisten und Geräte. Einige Arbeiter bemühten sich, den Studenten aufzuheben und in eine Kajüte zu bringen, da eilte der Inspektor herbei. „Wer wagt es hier, seinen Arbeitsplatz zu verlassen?"
„Wer?" wiederholte einer der Arbeiter empört. „Du unverschämter Patron wagst es noch, mich nachzuäffen!" Der Inspektor riss seine Pistole aus der Tasche und fuchtelte mit ihr herum. Sein Mund verzog sich und sah wieder aus wie ein dreieckiges Loch. Er warf sich in die Brust, stieß mit dem Fuß nach dem Bewusstlosen und brüllte: „Einen Eimer Wasser her!"
Er schüttete dem Studenten einen vollen Eimer Wasser ins Gesicht. „So! Das wird ihm aufhelfen! Was steht ihr da und gafft? An die Arbeit!" Als die Arbeiter am nächsten Morgen die Arbeitsräume betraten, fuhr ihnen der Schreck in die Glieder: Der Student war an den Pfeiler einer Bohrmaschine gebunden, sein Kopf hing wie bei einem geschlachteten Huhn so tief auf die Brust, dass der oberste Halswirbel sich scharf unter der Haut abzeichnete. Auf seiner Brust war wie ein Kinderlätzchen ein Stück Papier befestigt, darauf stand, von Asagawa geschrieben: „Dies ist ein Simulant. Es ist verboten, ihn loszubinden!" Schlagartig verstummten die Arbeiter, sobald sie den Raum betraten und ihren gefesselten Kameraden sahen. Seine Stirn fühlte sich eiskalt an. Erst als sie Asagawa herunterkommen hörten, gingen sie an ihre Plätze. Es war, als flösse ein angestautes Wasser plötzlich nach zwei Seiten ab, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Unfälle bei der Arbeit waren an der Tagesordnung. Da schlug sich einer einen Zahn aus und spuckte die ganze Nacht Blut, ein anderer glitt aus und verstauchte sich ein Bein. Ein dritter bekam einen Bluterguss im Auge, andere wieder verloren infolge der Ohrfeigen, die ihnen die Aufseher versetzten, das Gehör. Die Arbeit erschöpfte die meisten so, dass sie völlig apathisch wurden. Sie lebten nur am Ende der Arbeitszeit etwas auf und fielen dann gleich wieder in ihren Dämmerzustand. Eines Tages, als sie sich schon auf den Feierabend freuten, kam kurz vor Arbeitsschluss der Inspektor und brüllte sie an: „Heute wird bis neun Uhr gearbeitet. Sieh einer die Halunken an! Wenn die Arbeit aus ist, sind sie gleich dabei." So flott sie vorher gearbeitet hatten, so langsam und schleppend ging es jetzt. Sie waren erschöpft und hatten keine Kraft mehr.
„Hört alle her! An eine solche Fangstelle kommen wir so bald nicht wieder. Das Krabbenfischen lässt sich nicht auf bestimmte Zeiten festlegen. Wir wären schön dumm, wenn wir schon nach zwölf oder dreizehn Stunden Arbeit aufhörten. Wir arbeiten ja nicht immer so lange. Wenn eine Flaute kommt, könnt ihr meinetwegen etwas bummeln." Asagawa versuchte es mit allen Mitteln. Eines Tages kam er sogar ins Jauchefass, um sie zur Mehrarbeit anzuspornen. „Seht euch die Russen an", sagte er. „Mögen die Fischschwärme noch so groß sein, wenn Feierabend kommt, schmeißen sie die Arbeit hin. Überlasst das den Russen, wir Japaner machen es anders."
Unter den Krabbenfischern gab es viele, die seine Bauernfängerei durchschauten. Aber die Prahlereien des Inspektors über die Tüchtigkeit der Japaner beeindruckten doch manchen. Sie fühlten sich geschmeichelt, ein Heldennimbus schien über ihrer harten Fron zu schweben.
Ein Ereignis in ihrem gleichförmigen Tagewerk war es, wenn fern am Horizont ein japanischer Zerstörer vorbeifuhr. Dann konnte man sehen, dass der eine oder der andere der Männer sich die Augen wischte. Sie schwenkten die Mützen und dachten dabei: Das sind unsere Jungens! Manche sagten auch laut: „Verflucht! Heulen könnte man, wenn man das sieht!" Sie blickten dem Schiff nach, bis es immer kleiner wurde und schließlich in einer Rauchwolke verschwand.
Nach getaner Arbeit schlichen die Krabbenfischer müde und zerschlagen in ihre Logis. Sie fühlten sich wie ausgewrungene Scheuerlappen, nicht wie Menschen. Wie auf Verabredung trugen sie alle dasselbe Wort auf der Zunge: „Verfluchte Scheiße!" In ihrem trübseligen Dahindämmern klang es wie das Aufbrüllen eines zur Raserei getriebenen Stiers. Auf wen oder auf was sie fluchten, wussten sie selbst nicht. Wenn zweihundert Männer, in einem engen und dunklen Raum wie dem Jauchefass zusammengepfercht, täglich dieselben Gesichter um sich sehen und dauernd zu enger körperlicher Berührung gezwungen, doch aufeinander angewiesen sind, dann gleichen sich ihre Gedanken, ihre Worte, ihre Taten einander an, so langsam, aber auch so sicher, wie eine Schnecke ihres Weges zieht. Und selbst die Außenseiter, die es in dieser Menschenmasse gab, Männer wie „der Ältere", der Mijagutschi angezeigt hatte, konnten sich dem nicht entziehen. Eines Morgens sagte der aus dem Bergwerk, als er langsam die Stiege hinaufkletterte: „Ich mache nicht mehr mit!" Tags zuvor hatten sie bis zehn Uhr gearbeitet. Ihre Körper waren wie ausgeleierte Maschinen. Als er in den Arbeitsraum hinunterstieg, blickte er verstohlen um sich. Die hinter ihm kamen, ächzten und stöhnten, sie hielten sich mit Mühe und Not auf den Beinen und legten sich, kaum im Fabrikraum angekommen, wieder hin. Ihre Gesichter waren starr und gelb. „Ich mache nicht mehr mit! Ich arbeite langsamer." Zunächst antwortete keiner, nur ihre Gesichter bewegten sich unmerklich. Endlich sagte ein Krabbenfischer: „Hast du keine Angst, mit dem Eisen gebrannt zu werden?" „Ich sabotiere ja nicht aus Faulheit, ich kann einfach nicht mehr." Er krempelte die Ärmel hoch und hob die Hände an die Augen, als schaute er nach jemandem aus. „Ich arbeite auch nicht mehr so lange. Aber aus Faulheit sabotiere ich nicht." „Hm."
Der Inspektor stolzierte wie ein gereizter Kampfhahn durch die Fabrikräume. „Was ist denn heute los?" fragte er immer wieder. Da aber nicht nur der eine oder der andere, sondern alle langsam arbeiteten, konnte er nichts ausrichten. Nie zuvor hatten die Krabbenfischer und Matrosen ihn so in Wut gesehen wie an diesem Tag. Dabei wimmelte es auf dem Oberdeck von Krabben. Sie quollen aus den Netzen und krochen über die Planken, so dass es überall raschelte; es war wie auf einer verkehrsreichen Straße am Meeresgrund. Die Arbeit türmte sich zu Bergen. Aber selbst der Knüppel des Inspektors half nichts.
Nach der Arbeit trockneten sich die Krabbenfischer mit den zerschlissenen Handtüchern Gesicht und Hals ab und gingen in das Jauchefass. Sie sahen einander an und lachten zum ersten Mal befreit, ohne recht zu wissen, warum.
Die neue Arbeitsweise machte Schule und griff auch auf die Matrosen über. Seid doch nicht so dumm! schienen die Blicke der Krabbenfischer zu sagen. Auch sie fingen an, langsam zu arbeiten. Was wir gestern zu viel gearbeitet haben, das arbeiten wir heute weniger, wurde auch ihre Parole. Sie nannten es „Sabotieren", in Wirklichkeit ließen sie ihrem Körper endlich das zukommen, was er brauchte. Wenn sie so weitergearbeitet hätten, wäre es um sie geschehen gewesen. Alle waren überzeugt, aus Notwehr zu handeln.
„Das Postschiff ist da!" schallte es eines Tages über das Deck. Mit Windeseile drang dieser Ruf in die entferntesten Winkel des Schiffes. Die Krabbenfischer sprangen aus ihren Kojen und liefen, wie sie waren, nach oben.
In den Träumen der Krabbenfischer und Matrosen spielte das Postschiff eine gewichtige Rolle, es kam sogar vor den Frauen. Auf dem Postschiff stank es nicht immer nur nach Salz, auf ihm war noch der Geruch der Erde, die sie seit vielen Hundert Tagen nicht mehr betreten hatten. Außerdem brachte das Postschiff lang ersehnte Briefe, Pakete und Zeitungen.
Mit ihren nach Krabbenfleisch stinkenden Händen packten die Männer, sobald ihr Name aufgerufen wurde, ihre Pakete und rannten wie die Wilden in das Jauchefass zurück. Dort setzten sie sich mit gekreuzten Beinen auf ihre Kojen, klemmten die Pakete zwischen die Schenkel und knoteten die Schnüre auf. Handtücher kamen zum Vorschein, Zahnbürsten, Zahnpasta, Wäsche, Kleidungsstücke und von ungelenker Kinderhand geschriebene Briefe, denen man anmerkte, dass die Mutter danebengestanden und die Worte diktiert hatte. Auf einmal waren sie alle wie verzaubert. Die Heimat war zu ihnen gekommen, ihr Duft umschwebte sie. Sie fühlten sich in den Kreis ihrer Familien versetzt und spürten die Nähe ihrer Frauen. Die Männer, die keine Post erhalten hatten, steckten ihre Hände in die Hosentaschen, gingen mit langen Schritten auf und ab und bekamen von manchem spöttische Bemerkungen zu hören. „Da hat sich wohl ein anderer rangemacht..." In einer Ecke saß ein Mann still für sich allein, ohne auf den Lärm der anderen zu achten. Er krampfte seine Finger zusammen und streckte sie wieder. In dem Brief, den ihm das Postschiff soeben gebracht hatte, stand die Nachricht vom Tod seines Kindes. Es war ja schon vor zwei Monaten gestorben, aber er hatte es jetzt erst erfahren. „... wir hatten nicht genug Geld für ein Funktelegramm", hieß es in dem Brief. Wenn man den Mann so sitzen sah, hätte man zweifeln können, dass er zu der rauen Schar der Krabbenfischer gehörte.
Anderen brachte der Brief aus der Heimat große Freude. Einer zeigte die Fotografie eines pausbäckigen Säuglings, der aussah wie ein eben aus dem Wasser gezogener Tintenfisch. „Da, seht ihn euch an!" sagte der junge Vater voll Stolz, „auf dem Bild ist er erst ein paar Tage alt."
Die Männer schmunzelten und reichten das Kinderbild weiter. Die Pakete enthielten keine besonders wertvollen Gegenstände, aber sie hatten alle eine Beziehung zur Frau. Den Männern schlug das Herz wild in der Brust, alle beseelte der eine Gedanke: Man müsste nach Hause fliegen können! Das Postschiff hatte auch ein Wanderkino an Bord. Sobald die Konservenkisten auf das Postschiff verladen waren, sollte eine Filmvorstellung beginnen.
Drei junge Männer in Hosen mit breiten Aufschlägen, die Mützen keck auf dem Kopf, bunte Fliegen unter dem Kinn, kletterten das Fallreep hoch. Sie schleppten schwere Koffer und Kisten. Kaum hatten sie das Schiff betreten, da beschwerten sie sich bereits über den Fischgestank. Dann zogen sie ihre Mäntel aus und machten sich pfeifend an ihre Arbeit. Sie stellten die Leinwand auf und machten den Projektionsapparat bereit. Die Krabbenfischer und Matrosen standen staunend dabei. Diese Männer hatten gar nichts mit Seefahrern gemein. Der Älteste von ihnen trug einen goldumrandeten Kneifer auf der Nase, er stellte sich wichtigtuerisch neben die Leinwand und strich sich über den Kopf, als schwitzte er vor lauter Anstrengung. Einer der Krabbenfischer sagte zu ihm: „Herr Filmerklärer, gehen Sie lieber da weg, sonst kriegen Sie Läuse!"
Da sprang der Mann zur Seite, als wäre er auf glühendes Eisen getreten; die Krabbenfischer lachten schallend. „Mir scheint, ich bin hier in ein Dreckloch geraten", sagte er beleidigt. „Herr Filmerklärer", antwortete einer, „wenn Sie wüssten, was die Firma an uns verdient, dann würden Sie uns etwas nobler behandeln. Fünf Millionen Jen in sechs Monaten, macht zehn Millionen im Jahr! Eine Menge Geld, was? Die Aktionäre bekommen fünfundzwanzigeinhalb Prozent Dividende im
Jahr. Das will was heißen! Ihr zieht alle Nutzen daraus, dass wir hier im Dreck verkommen." Die Kinovorstellung fand am Abend im Rahmen einer Feier aus Anlass der Ablieferung der ersten zehntausend Kisten Konserven statt. Es gab ein Festessen mit Klippfisch, gemischtem Gemüse, Gebratenem, Konfekt, Reiswein und Schnaps. Ausgelassene Stimmung herrschte auf dem Schiff. Die Krabbenfischer und Matrosen trugen Ringkämpfe aus. Plötzlich klatschten in der ersten Reihe ein paar Männer in die Hände. Ohne zu wissen, warum, klatschten alle anderen mit. Dann erst merkten sie, wem der Beifall galt. Der Inspektor war vor die Leinwand getreten. Breitbeinig stand er da, die Hände auf dem Rücken. Er sagte Worte, die man sonst nie von ihm zu hören bekam: „meine Wenigkeit" und „meine Herren". Dann verfiel er wieder in einen lehrhaften Ton und sprach von den „Söhnen Japans" und dem „Wohl des Staates". Die meisten hörten nicht zu. Sie aßen ihren Klippfisch und kauten so kräftig, dass sich ihr ganzes Gesicht bis an die Schläfen hinauf bewegte. Plötzlich ertönte von hinten: „Aufhören!" — „Verdufte!" — „Wir haben an einem Filmerklärer genug!" — „Gib uns eine Vorstellung mit dem Knüppel!" Lautes Lachen erscholl, zwischendurch wurde gepfiffen und geklatscht. In diesem Trubel konnte sich der Inspektor nicht mehr durchsetzen. Rot vor
Verlegenheit, sagte er noch einige Worte, die aber in dem allgemeinen Lärm untergingen, und verschwand schließlich vom Podium. Die Filmvorstellung begann. Aufnahmen vom Kaiserschloß, von Mitsuschima, Enoschima, Kioto glitten über die Leinwand. Leider wackelten die Bilder oft, manchmal überdeckten sich auch zwei oder drei Bilder, so dass es den Zuschauern vor den Augen flimmerte. Dann wieder riss plötzlich der Film, und man sah nur die grellweiße Wand. Von den beiden Spielfilmen war der eine ein ausländischer, der andere ein japanischer. Es „regnete" stark, auch fehlten Stücke, so dass die Darsteller auf der Leinwand komische Sprünge machten. Trotz dieser Mängel folgten die Zuschauer gespannt dem Ablauf des Geschehens. Wenn eine fremdländische Schönheit zu sehen war, gaben einige der Krabbenfischer grunzende Laute von sich, und der Erklärer hörte jedesmal vor Ärger auf zu reden.
In dem amerikanischen Film wurden die Leiden und Mühsale gezeigt, denen die amerikanischen Pioniere bei der Erschließung des Westens im Kampf mit den Indianern und den Naturgewalten ausgesetzt waren. Beim Eisenbahnbau entstanden an den Knotenpunkten manchmal beinahe über Nacht neue Siedlungen, die sich rasch vergrößerten. Immer tiefer stießen die Linien ins Land, bald reihte sich eine Stadt an die andere. Dies Geschehen war der
Hintergrund für eine Liebesgeschichte zwischen einem Arbeiter und der Tochter eines Direktors. Der Film schloss damit, dass die Tochter des Direktors und der Arbeiter, aus dem inzwischen ein vollendeter Gentleman geworden war, einander in den Armen lagen. Der Erklärer sagte pathetisch: „Von opfermütiger Jugend erbaut, ist diese Hunderte von Kilometern lange Bahnlinie nunmehr wie eine Schlange, die sich über Berge und Täler windet. Das, was gestern noch Prärie war, hat sich in blühendes Land verwandelt."
Nach einem humoristischen Streifen endete die Veranstaltung mit einem japanischen Spielfilm. Der Held dieses Films war ein Junge, der seinen Weg als Bohnenquarkverkäufer, Zeitungsbote und Schuhputzer begann, „Musterarbeiter" in einer Fabrik wurde und schließlich ein reicher Mann war. „Hier zeigt sich, wie man durch Fleiß und Arbeitsamkeit zum Erfolg gelangt", rief der Filmerklärer aus.
Die jüngeren Saisonarbeiter klatschten Beifall, aber aus den Reihen der älteren Krabbenfischer und Matrosen kam ein Zwischenruf: „So ein Quatsch! Wenn das so wäre, müsste ich längst Fabrikdirektor sein."
Später gestand der Filmerklärer, dass er von der Direktion Anweisungen erhalten habe, moralische Lehren einzuflechten.
Nach der Vorstellung bekamen die Männer als Belohnung für die zehntausend Kisten Konserven eine Sonderzuteilung Schnaps. Bald waren fast alle betrunken. Anfangs verhielten sie sich noch ruhig. Die Erschöpfung machte sich bemerkbar. Schnapsdunst zog durch den Raum, atemberaubender Gestank herrschte, das matte Licht der Glühlampen konnte die stickige Luft kaum durchdringen. Es war heiß, die Krabbenfischer zogen sich bis aufs Hemd aus. Zuletzt hatten sie nur noch einen Lendenschurz um. Sie streckten die Füße weit von sich, rot glänzten ihre Schenkel. Der Schnaps verdrängte die Müdigkeit, sie fingen an, miteinander zu streiten. Noch lange nach Mitternacht erscholl wüster Lärm.
Ein Krabbenfischer aus Hakodate, der an Beriberi erkrankt war und sich seit langem nicht aus seiner Koje erheben konnte, ließ sich von einem Kameraden das Kopfkissen höher legen, um zu sehen, was die anderen trieben. Sein Kamerad und Landsmann leistete ihm, an den Pfeiler der Koje gelehnt, Gesellschaft und stocherte sich mit einem Streichholz in den Zähnen.
Ein Krabbenfischer, voll wie eine Haubitze, torkelte in das Jauchefass. Was er noch an Kleidung trug, war mit Blut beschmiert, ebenso seine rechte Hand. „Ein Messer! Ein Messer!" schrie er. „Gebt mir ein Messer! Asagawa ist nirgends zu finden. Wo ist er? Ich will ihm die Kehle durchschneiden!"
Er war einer von denen, die von Asagawa geschlagen worden waren. Schließlich ergriff er den Feuerhaken, der hinter dem Ofen lag. Seine Augen funkelten vor Rachgier, er lief zur Tür hinaus. Keiner machte den Versuch, ihn zurückzuhalten. Der Kranke und sein Landsmann sahen einander an, und der am Pfeiler sagte: „Wer weiß, was der Kerl anstellt, der ist zu allem fähig." Am nächsten Morgen erzählte der Steward, dass jemand in Asagawas Kajüte das Fenster eingeschlagen und den Tisch mit allem, was darauf stand, demoliert habe. Asagawa sei aber nicht in seiner Kajüte gewesen, daher sei ihm nichts geschehen.

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