Ein missglückter  Ausflug
    Beim Gastwirt hatte sich hoher Besuch eingefunden. Ein Feldwebel mit  seiner Frau hatte den Weg aus der Stadt nicht gescheut, sich die Gegend  draußen mal anzusehen und zugleich den Quartiermeister zu spielen. Er  war mit bei dem Kommando und wollte der Frau zeigen, wie sie in der  Lage waren, sich die beste Wohnung auszusuchen. Die älteren  Militärbeamten haben immer den leisen Verdacht, sie werden von ihren  Frauen verachtet. Sie sind das Befehlen gewohnt, von der Kaserne und  dem Depot her, und zu Hause, hört das meist sehr schnell auf. So  einfach lassen sich die Frauen nicht befehlen, besonders wenn sie an  ihren Männern sehen, dass deren Macht auf sehr tönernen Füßen steht. So  entsteht für diese leicht die Gefahr, sich lächerlich zu machen, und  meist werden sie dann auch als aufgeblasene Scharlatane und Maulhelden  entlarvt und sind froh, wenn die Frau nicht allzu schwatzhaft ist. Es  ist dies ein in der Entstehungsgeschichte der früheren Militäranwärter  notwendiges Missgeschick, das man bei der Mehrzahl unserer Beamten  heute noch verfolgen kann. Solcher lässt natürlich keine Gelegenheit  vorübergehen, seine Machtbefugnisse ins rechte Licht zu setzen. Zudem  bekam die sozusagen Dienstreise den Charakter eines angenehmen  Ausflugs. Der Frau gefiel die Gegend schon aus dem fahrenden Zug  heraus. Der Gastwirt war auch gerade der richtige Mann für die  Einholung von Erkundigungen. Nicht nur hatte er sehr bald begriffen,  worum es sich handelte, sondern er behandelte die beiden als liebwerten  Besuch aus der Stadt, und nicht so sehr als Gäste, wodurch der  Feldwebel manches sparte und dabei doch auf seine Kosten kam. Denn  jeder Polizeisoldat trinkt und insbesondere der Wachtmeister. Und wenn  es nur seiner Uniform zu Ehren und für den guten Ruf ist. Niemand will  Spaßverderber sein, und wer einen ausgeben will, dem sagt kein  ehemaliger Feldwebel nein, sondern er sorgt lieber dafür, dass der  andere dafür das rechte Verständnis bekommt. Lassen wir das es gehört  schließlich nicht hierher. Jedes Volk hat die Büttel, die es sich  selber bestellt. Der Wirt war mit der Entwicklung der Dinge sehr  zufrieden. Er beschrieb alles, so gut er es wusste und allzu viel war  das nicht und dachte bei sich, die Hauptsache ist, dass Ruhe und  Frieden bleibt, und er nahm sich selbst vor, wo es ginge den Vermittler  zu spielen. Sein Lokal wäre dafür der geeignete Ort. Er vergaß auch  nicht darauf hinzuweisen, was dem Feldwebel auch einleuchtete. Nach  einigen weiteren Schnäpsen waren sie soweit, dass der Feldwebel ein  paar Prozente erhandelt hatte von dem, was die Mannschaften beim Wirt  vertranken. Er wollte besondere Abende veranstalteten, denn der Wirt  machte einige Schwierigkeiten. Er wusste genau, dass sich die  Mannschaften nicht mehr so am Gängelbande führen lassen, wie früher.  Dafür sind es jetzt aber ganz junge vom Lande, sagte der andere, und  dann haben sie auch Geld genug. Wenn Sie nicht wollen, machen wir  selber eine Kantine auf. Das zog schließlich. Und sie wurden wieder ein  Herz und eine Seele. Die Frau hatte sich unterdessen im Hause umgesehen  und war auf die Wirtin gestoßen, mit der sie sich des langen und  breiten unterhielt. 
      Vieh unterhielten die Wirtsleute zwar nicht,  auf Milch und Butter und so etwas war nicht zu rechnen; dafür hatten  sie andere Quellen, und Versprechungen nach dieser Richtung wurden  viele gemacht. Wenn wir Gäste genug haben, dass sich auch warme Küche  lohnt, denn wissen Sie, hier draußen kann man daran etwas verdienen,  denn schließlich müssen wir doch andere Preise nehmen wie in der Stadt,  dann fällt schon etwas ab, verlassen Sie sich darauf — und sie schieden  in bestem Einvernehmen. Ein gut Teil der Zeit, die sie zur Verfügung  hatten, war schon vergangen, aber gut angebracht. Soweit war alles  klar. Sie wanderten jetzt behäbig und einträchtig, gut genährt und  getränkt, zufrieden mit sich und dem Herrn, der sie auf die Welt  gesetzt und ihnen einen wichtigen Posten gegeben hatte, Arm in Arm die  Straße entlang und der Kolonie zu. Die ersten Häuser traten ihm  entgegen, die Kiefern oben am Berg verneigten sich, die Wiese lächelte  ihnen freundlich zu, und ein Zicklein meckerte zum Willkommen. Das war  die Welt, die ihnen offen stand. 
      Man muss sagen, dass es ihnen ausnehmend gut gefiel. Die Häuser  schienen zwar ein wenig zu klein, doch sahen sie anders aus als ihre  Baracke, in der sie zwei Zimmer hatten, Gott sei Dank haben sie keine  Kinder. Die Gärten waren auch dürftig. Die Obstbäume sahen ja noch aus  wie die reinen Ziersträucher. Und die Erdbeeren überall so verwildert  der Boden war wohl nicht gut. Man muss halt sehen, zu tun wird es genug  geben, und solcher Seufzer mehr. Die Luft war rein und frisch. Es ließ  sich aushalten. Nur nicht zu viele von den Kameraden hier. Du musst  sehen, dass Du die möglichst in die weitere Umgebung legst, sagte die  Frau. Da gibt es ja noch mehr solche Siedlungen. Selbstverständlich, er  wird sich seine Leute nicht zu nahe auf den Hals laden. 
      Im Verwaltungsgebäude, das ihnen genau beschrieben war, und auf das sie  jetzt zuschritten, war Totenstille. Die Glocke schrillte zwar und nicht  zu knapp, denn mit der Zeit lernt man wie man auftreten muss, wenn man  sich gleich von Anfang an gut einführen will — aber es öffnete niemand;  unter Brummen über die Lotterwirtschaft machten sie sich selbst auf.  Sie blieben im Flur stehen, aber es zeigte sich keine Seele. Denn es  war niemand da. Sie warteten und traten dann zur rechten Hand in den  Büroraum; es sah alles sauber und aufgeräumt aus, machte einen  freundlichen anheimelnden Eindruck, aber von Arbeit schienen die hier  wenig zu halten — wird anders werden, brummte der Gewaltige. Und sie  standen noch eine Zeit, die Frau hatte sich schon gesetzt und warteten,  sprachen erst leise, dann lauter und heftig über die Art der Leute, das  Haus ohne Aufsicht zu lassen. Schließlich war kein offenkundiger Grund  vorhanden, jemanden besonders dafür verantwortlich zu machen. Wenn ich  das gewusst hätte, würde man sich haben anmelden lassen und sie  warteten noch wieder eine Zeit, denn wenn man schon einmal da ist, soll  man es auch ausnützen. Vielleicht kamen ihnen andere zuvor, durchs Haus  zu gehen trauten sie sich nicht. Endlich sagte die Frau, sie wird mal  in die Nachbarschaft gehen und sich erkundigen, jemanden wird sie doch  finden. Der Mann blieb. Es war in den frühen Nachmittagsstunden. Es  konnte noch mehrere Stunden dauern, bis die Männer aus der Arbeit  kamen. Das war ein verwünschtes Hindernis. Er lief missmutig auf und  ab. Abends hatte er wieder Dienst, und wer weiß, ob er noch mal  rauskommen konnte bis zur Übersiedlung. Ab und zu stampfte er auf, er  war doch dazu hier, sich sein Haus anzusehn und Angaben für die  antsprechende Herrichtung zu machen. Pech. Da kam seine Alte wie eine  wütende Sau angeschossen. Sie schrie schon von weitem, sie war noch gar  nicht im Hause: Friedrich, Friedrich — das sind ja hier nette Leute. So  ein Pöbelvolk, um Gotteswillen, Friedrich — willst Du denn nicht  herauskommen, und die Töne schraubten sich wie bei der Klarinette immer  weiter nach oben. Und Friedrich stürzte aus dem Haus. Was war, was war,  wer hat et cetera. Das eine Weib hatte die Tür vor ihr zugeschmissen,  und eine andere, der sie sagen konnte, warum sie überhaupt hergekommen  wären, hätte furchtbar angefangen zu toben und diese Ausdrücke,  Friedrich — mir zittern noch die Knie, jammerte sie. Und aus dem  Nachbarhaus, die hat gleich rausgeschrieen, sie wird mir einen Topf  kochendes Wasser auf den Kopf gießen, und dann der Haufe Kinder, der  gleich da war. — Und Friedrich, um zunächst Umschau zu halten, sich zu  zeigen, trat mitten auf die Straße und sah nach den Häusern. Aber er  sah noch nicht richtig, da traf ihn schon ein Ballen Pferdemist mitten  ins Gesicht. Dann hagelte es nur so, auch Steine darunter und lautes  Johlen. Die Frau schien zu denken, jetzt greift er ein. Ja, wie soll er  das. 
      Er fluchte zwar und schrie wilde Drohungen, aber soll er gegen das  ganze Dorf, er allein jedes Haus stürmen, wie sieht das aus. Nun,  Friedrich, schrie die Frau. Friedrich aber stieß sie in die Seite,  nicht zu sanft. Nu mach, dass Du weg kommst. Du siehst doch, wir können  doch jetzt nichts machen. Und als sie noch den Mund vor Staunen offen  hielt, vielleicht noch was sagen wollte, da hätte er sie beinahe in die  Fresse gehauen. Je mehr er gegen die Jungens und den Ort, desto lauter  schrieen die. Alle Morgen kam der Milchfuhrmann. Es war genug Mist da.  Und im Garten Steine. Die Frau kreischte hoch auf, als ihr einer direkt  an den Schädel flog. Es nutzte nichts, dass der Mann fortwährend seinen  Säbel in der Hand hielt, das sah lächerlich aus. Und sie schimpften  sich und stießen sich und drängten einander, bis sie außer Wurfweite  waren. 
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