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Klaus Neukrantz - Barrikaden am Wedding (1931)
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XII. „Der Polizeipräsident teilt mit... "

4. Mai 1929 (Polizeibericht).
„Im Laufe des Freitag und der Nacht zum Sonnabend sind schwerverletzt in die städtischen Krankenanstalten eingeliefert worden und später in den Krankenhäusern verstorben: Hermann Landenberger, 25 Jahre, Wohnung unbekannt, Brustschuß; Ernst Maschloch, 20 Jahre, Wohnung unbekannt, Bauchschuss; Martin Baledowski, 21 Jahre, Harzer Straße 2, Brustschuß; Otto Scherwat, 17 Jahre, Neukölln, Einhornstraße 7, Bauchschuss; Charl. Makay, Korrespondent der „Waitara Daily", New Zealand, 46 Jahre, Bauchschuss. Die vorgenannten Personen verstarben im Krankenhaus Buckow. Außerdem Otto Engel, 19 Jahre, Ackerstraße 45, Bauchschuss (im Virchow-Krankenhaus); Walter Bath, Neukölln, Wehnerstraße 37, Bauchschuss (im Urban-Krankenhaus).
Ferner wurden drei Personen direkt getötet. Die Krankenhäuser bezw. städtischen Rettungsstellen haben aufgenommen 29 Verwundete. Die Zahl der Getöteten hat damit 25 erreicht."

3. Mai 1929 („Vorwärts"):
„Der Polizeipräsident teilt mit: Der Polizeipräsident hat die Zeitungen „Die Rote Fahne" und „Das Volksecho" auf Grund der §§ 7, Ziffer 4, und 21, auf die Dauer von drei Wochen bis einschließlich 23. Mai verboten, weil diese Zeitungen durch ihre Schreibweise die Bestrebungen der Kommunistischen Partei Deutschlands, die verfassungsgemäß festgesetzte republikanische Staatsform des Reiches zu untergraben, durch die Tat unterstützt haben."

4. Mai 1929 („Hamburger Nachrichten"):
„Wir wollen an das Wort Napoleons erinnern, dass jeder getötete Rebell 100 000 gerettete Bürgerleben bedeutet. Wenn statt ein paar hundert Verhafteter und einiger weniger (! d. Verf.) Toter das Verhältnis umgekehrt gewesen wäre, so hätte das Bürgertum Zutrauen zu der heutigen Regierung haben können...

4. Mai 1929 („Vorwärts")
„Vorfrühling"
„... die Zeit der Liebe, der Schönheit des Duftes beginnt. Gebenedeit wir Glückseligen, wir Genießenden, wir Hoffenden, Erwartungsvollen.
Pan, fröhlicher Gott des Lebens, Dank sei dir, dass du uns zum Gegensatze, zum Abscheu, die Mönche der Askese, die verdorrten Winlerseelen mit ihrem seit Jahrtausenden eingefrorenen Lied auf dürre Steppe gesetzt hast. Lächelnd wirbelt der Reigen des wahren Lebens um sie herum, als weiße und rote Blüte, als helles und als dunkles Auge, als purpurne Wange und als verheißende geschwellte Lippe.
Vorfrühling, Lied unendlicher Lust, Meer uferloser Seligkeit, mit einem Jauchzen stürze ich in deine blauen Fluten. Lass sie über mir zusammenschlagen. Heinrich Bräm."

4. Mai 1929 (Extrablatt).
„Um die Unruhezentren Wedding und Neukölln, in denen es auch am gestrigen Abend und im Laufe der Nacht wieder zu schweren Zusammenstößen gekommen ist, zu beseitigen, habe i c h folgende Maßnahmen getroffen:
Von 9 Uhr abends bis 4 Uhr früh ist jeder Verkehr in den nachstehend verzeichneten Straßen verboten. Ausnahmen gelten nur für Ärzte, Hebammen und Sanitätspersonal. Jedes Umherstehen in den Hausfluren oder Hausnischen sowie Toreinfahrten ist verbeten. Die straßenwärts gelegenen Fenster müssen in der angegebenen Zeit geschlossen bleiben. Auch darf in den straßenwärts gelegenen Räumen während der angegebenen Zeit kein Licht brennen. Zuwiderhandelnde Wohnungsinhaber setzen sich der Gefahr aus, dass die Fenster von der Straße aus durch die Polizei unter Feuer genommen werden.
Am Tage darf in den in Betracht kommenden Bezirken und genannten Straßen, sowie in den Hausfluren, Hausnischen und Toreinfahrten keine Person stehen bleiben. Die Polizei wird besonders darauf achten dass sich niemand länger auf der Straße aufhält als unbedingt erforderlich ist. Personen die sich ohne festes Ziel auf der Straße bewegen, werden festgenommen. Zusammengehen von drei oder mehr Personen ist nicht gestattet. Jeder Radfahrverkehr ist untersagt. Die in den genannten Bezirken gelegenen Gastwirtschaften werden abends 9 Uhr geschlossen...
Alle Personen, welche diese Bestimmungen nicht beachten, setzen ihr Leben aufs Spiel.
Der Polizeipräsident.
gez.: Zürgiebel." (Stempel).

5. Mai 1929 {„Volkszeitung" — Mosse)
„... Die gestern angeordneten „besonderen Maßnahmen" des Polizeipräsidenten scheinen eine blinde Schießwut in der Polizei entfesselt zu haben, und dieses blinde Wüten der losgelassenen polizeilichen Kriegsmaschine ist — wir kommen um diese Feststellung leider nicht herum — zur öffentlichen Gefahr geworden... So wie bisher geht es jedenfalls nicht weiter."

6. Mai 1929 (Polizeibericht) „Der Polizeipräsident teilt mit:
„... Meine Warnung, das Sperrgebiet zu betreten und meinen Hinweis, dass jeder, der den getroffenen Anweisungen nicht folgt, sein Leben aufs Spiel setzt, haben verschiedene Personen missachtet und sind dabei zu Schaden gekommen... Von welcher Seite der tödliche Schuss abgefeuert worden ist, konnte nicht festgestellt werden... "

6. Mal (WTB.-Meldung)
„Die Berliner Staatsanwaltschaften haben beschlossen, die Leichen der Maifeier zu beschlagnahmen und die Genehmigung zur Beerdigung erst nach der gerichtlichen Leichenöffnung zu erteilen. Die Obduktionen sollen schon in den nächsten Tagen erfolgen.
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Die richterlichen Leichenöffnungen werden im Beisein des zuständigen Amtsrichters von Neukölln und Berlin-Wedding durch zwei Ärzte vorgenommen, von denen der eine Gerichtsarzt ist,"

14. Mai 1929 (Protokoll)
Es erscheint der Maschinensetzer Paul Walsowsky in Begleitung seiner Ehefrau Jenny, 54 Jahre alt bzw. 49 Jahre alt, wohnhaft Berlin SO 36, Harzer Straße 2, vorn 2 Treppen, ausgewiesen durch Straßenabonnementskarte, Mitglied der SPD., gewerkschaftlich zugehörig zum Verband der Deutschen Buchdrucker, und gibt, mit der Bereitwilligkeit, seine Angaben gegebenenfalls eidlich zu erhärten, wie folgt an:
Meine Frau ist Mitglied der Frauenhilfe Martin Luther II in Neukölln. Der Verein hatte am 3. 5. 29, abends um 7 Uhr, in Kliems Festsälen ein Frühlingsfest angesetzt, das jedoch von dem ersten Vorsitzenden, Pfarrer Leist, auf Veranlassung der Polizei abgesagt wurde. Wir beide begaben uns daraufhin in Begleitung von zwei Familien in die Konditorei Aschinger, am Kaiser-Friedrich-Platz in Neukölln. Als wir um etwa 11 Uhr unsere Wohnung betraten, war unser 20jähriger Sohn Martin, entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, nicht zu Hause. Am frühen Morgen des nächsten Tages hörten wir zu unserem furchtbaren Entsetzen, dass unser Sohn Martin von der Polizei erschossen worden war'(Rückenschuss). Nähere Angaben über die Umstände und wo dies geschehen war, fehlen uns bis heute. Wir wissen nur, und zwar von dem Arzt der Rettungswache in der Erckstraße in Neukölln, dass unser Sohn von vier Männern mit der Autodroschke um 9 Uhr 55 Minuten abends tot eingeliefert worden ist. Erst am 4. 5. 29, also am nächsten Tage zwischen 3 und 5 Uhr, fanden wir, als wir zu diesem Zeitpunkt unsere Wohnung betraten, einen Zettel vor, der von einem Polizeiwachtmeister unterschrieben war und auf dem uns mitgeteilt wurde, dass unser Sohn sich im Neuköllner Krankenhause befindet. Er ist von dort aus am Sonnabend, dem 11. 5., beerdigt worden (Jacobi Friedhof).
Ich bemerke noch, dass mir der Arzt der Rettungswache in der Erckstraße bei der Auseinandersetzung über den Befund nach der Einlieferung meines Sohnes erklärte, dass sogar ein Leichentransport in der Mainzer Straße in Neukölln beschossen worden ist.
Wir haben bis jetzt zwar die Papiere meines Sohnes, nicht aber die bei seinem Weggang mitgeführten Wohnungsschlüssel und sein Portemonnaie mit Geld zurückerhalten.
Ü ber meine eigene Beobachtung möchte ich wie folgt an-« geben:
Etwa um halb sieben Uhr abends sah ich in der Friedrichstraße in Neukölln, wie zwei Polizeibeamte, die sich auf einem Lastkraftwagen befanden, einem vorbeifahrenden Radfahrer, der eine rote Nelke im Knopfloch trug, mit der Faust ins Genick, schlugen, ohne dass der Radfahrer die geringste Veranlassung dazu gab.
Berlin, den 14. 5. 29.
V. G. U. gez. Paul Waldowsky
Jenny Waldowsky geb. Renfand."

Der Preußische Minister des Innern. II 1420 V.
Berlin, den 3. Mai 1929. An die
Bundesführung des RFB. Ausfertigung! Verfügung!
Auf Grund des § 14 in Verbindung mit § 7 des Gesetzes zum Schutz der Republik vom 21. Juli 1922/2. Juni 1927 (RGB1. i., Seite 585, Seite 125) in Verbindung mit der Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes vom 12. Februar 1926 (RGB1. I., Seite 100) und auf Grund des § 2 des Reichsvereinsgesetzes vom 19. April 1908 (RGB1. Seite 151) in Verbindung mit dem § 129 des Reichsstrafgesetzbuches wird für das Gebiet des Freistaats Preußen mit Zustimmung der Reichsregierung (Severing, Müller, Hilferding und Wisseil; d. Verf.) der Rote Frontkämpferbund e. V. einschließlich der Roten Jungfront und der Roten Marine mit allen seinen Einrichtungen aufgelöst, weil aus seinem Verhalten hervorgeht, dass sein Zweck im Widerspruch zu den genannten gesetzlichen Bestimmungen steht.
Das Vermögen der betreffenden Organisationen wird gemäß § 18 des Gesetzes zum Schutze der Republik und § 3 des Gesetzes vom 22. März 1921 zu Gunsten des Reiches beschlagnahmt.
Die Durchführung der Beschlagnahme und Einziehung obliegt den örtlichen Polizeiverwaltungen. (Stempel)
gez. Grzesinski.

Am 12. Mai erhielt die Unterbezirksleitung Nord der Kommunistischen Partei Deutschlands die Mitteilung, dass die Zelle Kösliner Straße in der vergangenen Woche 180 Neuaufnahmen in die Kommunistische Partei aus Bewohnern der Gasse vorgenommen hat. Die 5 Brüder des von der Polizei erschossenen Arbeiters Schäfer sind gleichfalls in die Partei eingetreten und haben am Grabe ihres Bruders ein feierliches Gelöbnis der Rache abgelegt. Die Gasse ist von der Bevölkerung mit trauerumflorten Fahnen geschmückt worden.

Va SReg. 903/29 Nr. 1
zu B I 759/29
Press-Sache.
Dresden, den 13. Mai 1929. Beschluß.
In der Strafsache gegen den unbekannten Verfasser der Druckschrift „Blutige Maitage in Berlin" von Werner Hirsch, Internationaler Arbeiterverlag, Berlin, wegen Hochverrats, Gefährdung des öffentlichen Friedens, wird hiermit auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden die Beschlagnahme der vorbezeichneten Druckschrift verfügt.
Nach dem Inhalt der erwähnten Druckschrift, deren entgeltliche bezw. unentgeltliche Verteilung begonnen hat, wird mehr oder weniger versteckt zur gewaltsamen Änderung der Verfassung des Deutschen Reiches aufgefordert und es werden in einer, den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegeneinander öffentlich angereizt.
So heißt es u. a. Blatt 27:
„Zörgiebel handelte im Auftrage der Sozialdemokratie. Das Verbrechen Zörgiebels war nicht das Verbrechen eines einzelnen Mannes. So sehr gerade dieser Mann, der, gleich Noske, den Typ des ehemaligen preußischen Feldwebels zu repräsentieren scheint, für seine Rolle als Bluthund alle notwendigen Eigenschaften mitbrachte, die skrupellose Brutalität wie die dumpfe, bornierte Rohheit, so wenig ist das Problem des vergossenen Arbeiterblutes dieser Berliner Maitage lediglich ein Problem Zörgiebel."
Blatt 28:
„Die SPD. wollte das Blutvergießen".
Blatt 29:
„Die KPD. und der bewaffnete Aufstand. Die Kommunisten haben es nicht nötig, mit ihren Absichten und Plänen Versteck zu spielen. Die Kommunistische Partei ist eine revolutionäre Partei, und sie macht kein Hehl daraus, dass ihr Ziel der Umsturz der kapitalistischen Ordnung und die Errichtung der proletarischen Diktatur als Vorbedingung für den Sozialismus ist."
Verbrechen nach § 81 Ziffer 2 RStGB. und § 86 RStGB.
Hierdurch und weil die Druckschrift als Beweismittel für das begangene Verbrechen bezw. Vergehen dient und der Einziehung unterliegt, rechtfertigt sich die verfügte Beschlagnahme. (§§ 94, 98 RStGB.) Das Amtsgericht Dresden, Abt. V.
gez. Busch".

24. Mai 1929 (Zeitungsbericht):
„Die Ortsgruppe Berlin-Lankwitz der Sozialistischen Arbeiterjugend (SPD.) nahm als Protest gegen den von der sozialdemokratischen Parteileitung verfügten Ausschluss des ehemaligen SPD.-Parteimitgliedes Otto Mücke, der sich an Maidemonstrationen beteiligt hatte, eine Resolution an, in der es u. a. heißt: „Wir billigen die Teilnahme unserer Vorstandsmitglieder und des Parteivertreters an der Maidemonstration. Die Hetze, die nach den blutigen Vorfällen am 1. Mai gegen die demonstrierenden Arbeiter von der SPD.-Presse betrieben wird, trifft auch uns. Wir sehen in dem Demonstrationsverbot (Zörgiebels, d. Verf.) keine Einzelerscheinung, sondern einen neuen Beweis dafür, dass die SPD.-Führer immer weniger die Interessen der Arbeiter, aber immer mehr die Interessen der Unternehmer wahrnehmen. Wir sind empört über diese Entwicklung der SPD. und erklären hiermit unseren Austritt aus der SAJ."

Bochum, den 24. Mai (eigener Drahtbericht).
„Das Mitglied des Gemeinderats der Gemeinde Werne bei Bochum und langjähriger Vorsitzender der dortigen sozialdemokratischen Ortsgruppe, Hugo Dreckmann, sandte der Redaktion des kommunistischen „Ruhrecho" sein sozialdemokratisches Mitgliedsbuch mit der Bitte um Aufnahme in die Kommunistische Partei, und einen Artikel zur Veröffentlichung, in dem er seinen Schritt ausführlich politisch begründet. Dreckmann ist seit dem 1. Oktober 1904, also seit 25 Jahren Mitglied der Sozialdemokratischen Partei."

26 Mai 1929 („Vorwärts"):
(Zur Eröffnung des Magdeburger SPD.-Parteitages) „... Da die Unzufriedenheit nun einmal zum Wesen der Sozialdemokratie gehört, gibt es sicherlich, wie noch stets, auch Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Parlamentspolitik. Aber es gibt in den Reihen der Partei auch nicht eine Spur des Gedankens, dass die Sache der Arbeiterschaft bei irgend einer anderen Partei, Gruppe oder Sekte besser aufgehoben sein könnte. Mag sich mancher die Partei in manchem anders wünschen, als sie ihm augenblicklich erscheint, so einigt doch alle die Überzeugung, dass sie und sie allein berufen ist, die Sache des arbeitenden Volkes zum Siege zu führen.
Friedrich Stampfer."

26 Mai 1929.
Der Polizeipräsident
Abteilung I A Tgb.-Nr, 458 IA 1/29
An die Redaktion „Die Rote Fahne"
Berlin C 25
Kleine Alexanderstraße 28
Anliegend überreiche ich beglaubigte Abschrift des heute an den Verlag und die Redaktion „Die Rote Fahne" abgesandten Schreibens von heute zur Kenntnis und Beachtung.
gez. Zörgiebel. beglaubigt: Peters Pol.-Kzl.-Assistent
(Stempel)
Hiermit verbiete ich auf Grund § 7 und § 21 des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 (Reichsgesetzblatt S. 585) die Zeitung „Die Rote Fahne" nebst ihren Kopfblättern „Das Volksecho" und die „Volkswacht" auf die Dauer von 4 Wochen bis einschließlich 22. Juni 1929. Das Verbot umfasst auch jede angeblich neue Druckschrift, die sich sachlich als die alte darstellt. Gegen diese Verfügung ist die Beschwerde binnen zwei Wochen vom Tage der Zustellung ab zulässig. Die Beschwerde ist unter Beifügung zweier Abschriften der Beschwerdeschrift bei mir einzulegen.
Gründe:
In Nr. 104 der „Roten Fahne" vom 25. Mai 1929 wird in dem Artikel „Moskau ist schuld?" in dem Absatz „Erlaubt oder verboten — der Kampf wird fortgesetzt" folgendes ausgeführt:
,„Die Kommunistische Partei und das revolutionäre Proletariat sind aus den Kämpfen des 1. Mai gestärkt hervorgegangen. Sie haben sich zu einer Entscheidungsschlacht nicht provozieren lassen, aber sie haben den Kampf aufgenommen und werden ihn mit allen Mitteln, ob erlaubt oder verboten, fortsetzen. Die Kommunistische Partei als Avantgarde der ausgebeuteten und unterdrückten Massen, erklärt in aller Offenheit, dass die Zörgiebel-Morde vom 1. bis 3. Mai eine neue Etappe des Klassenkampfes einleiten, in welcher die rücksichtslose Brutalität des Sozialfaschismus, der im Dienste des von der Geschichte zum Tode verurteilten kapitalistischen Systems handelt, auf die eiserne Entschlossenheit und Opferwilligkeit der Arbeiterklasse stoßen wird. Sie verkündet laut und offen, dass der gewaltsame Sturz des bürgerlichen Staates allein allen Schrecken des kapitalistischen Regimes, der Ausbeutung der Millionen Massen und den Greueln des herannahenden imperialistischen Krieges ein Ende setzen kann."
In der gleichen Nummer heißt es in dem Artikel Die Wahrheit über den Berliner Blut-Mai", in dem Absatz „Die Berliner Arbeiter demonstrieren":
„In Wirklichkeit war es gerade die heroische Kampfdisziplin, die unbeirrbare Standhaftigkeit der Arbeitermassen, die dem 1. Mai trotz des Polizeiterrors sein Gesicht gab. Die Polizei wütete, schlug, spritzte aus Hydranten — die Masse blieb. Die Polizeikordons trieben die angesammelten Arbeiter und Arbeiterfrauen mit der Brutalität sadistischer Kosaken von irgendeinem Platz herunter, ritten zu Pferde in die Menge hinein — Minuten später standen die Massen von neuem, hielten von neuem die Straße besetzt Der Heroismus der Berliner Arbeiterschaft feierte an diesem 1. Mai einen überwältigenden Triumph!"
Diese Ausführungen enthalten eine Verherrlichung des Widerstandes der Berliner Arbeiter gegen die vom Polizeipräsidium erlassenen Verordnungen. Sie sind eine folgerichtige Fortsetzung der von der Kommunistischen Partei vor dem 1. Mai in der „Roten Fahne" und anderwärts immer wieder erhobenen Forderungen, sich dem Demonstrationsverbot vom 13. 12. 1929 keinesfalls zu fügen, es vielmehr mit Gewalt zu brechen.
Durch derartige Forderungen ist dargetan, dass die Kommunistische Partei eine staatsfeindliche Organisation im Sinne des § 129 StGB. ist, weil es zu ihren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwaltung durch ungesetzliche Mittel, nämlich durch Gewalt, zu verhindern oder zu entkräften. Die Ausführungen, dass es nur auf gewaltsamem Wege möglich sei, allen Schrecken des kapitalistischen Regimes, der Ausbeutung der Millionen Massen und den Greueln des herannahenden imperialistischen Krieges ein Ende zu setzen, dienen der Untergrabung der verfassungsmäßig festgestellten republikanischen Staatsform, und darüber hinaus der Vorbereitung des gewaltsamen Umsturzes der Verfassung. Indem die „Rote Fahne" derartige Ausführungen der Kommunistischen Partei als deren Zentralorgan (vergleiche den Kopf des Blattes) in ihren Spalten veröffentlicht, unterstützt sie das Bestreben der staatsfeindlichen Organisation, der KPD., durch die Tat. Hiernach sind die Voraussetzungen der §§ 7 und 21 des Republikschutzgesetzes erfüllt. Das Verbot ist somit gerechtfertigt.
Für die Verbotsdauer war das Höchstmaß festzusetzen, weil die Zeitung aus gleichem Anlass erst vom 2. bis 23. Mai 1929 verboten war und trotzdem ihre Schreibweise fortgesetzt hat.
gez. Zörgiebel.
(Stempel des Polizeipräsidenten) Beglaubigt: (unleserlich)

 

 

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