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William Dudley Haywood - Unter Cowboys und Kumpels (1930)
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Siebentes Kapitel
Barackenelend und Unternehmerwillkür

Der Kampf um den Achtstundentag in Colorado zählt zu den härtesten, die die Organisation jemals zu bestehen hatte. Zum Kongress der Bergarbeiterföderation des Westens im Mai 1902 hatten die Verbände des Bezirks Cripple Creek einige ihrer besten Leute geschickt:
Sherman Parker, Bill Easterly, Dan Griffis, Bill Davis, Charles Kennison, D. C. Copley und John Harper. Von Telluride wurde St. John entsandt, von Silverton Frank Smeltzer. Die Schmelzarbeiter von Denver vertrat E. J. Smith. Der Kongress beschloss einstimmig, den Kampf um den Achtstundentag bis zum siegreichen Ende durchzuhalten, und erklärte sich mit dem Vorgehen der Schmelz- und Walzwerkarbeiter einverstanden. Im ganzen Staate, in Telluride, in Durango, Florence, Canon City, Pueblo, Idaho Springs und Denver ging die Agitation für den Achtstundentag weiter. Sie musste bald zu einem Ausbruch der gewerkschaftlichen Kämpfe in Colorado führen.
Der Kongress bestätigte noch einmal das uneingeschränkte Bekenntnis der Organisation zu den Prinzipien des Sozialismus. Die Politik und die Prinzipien der Bergarbeiterföderation des Westens machten den Bergwerksbesitzern des Westens viel zu schaffen, aber einige Sozialisten vom Schlage Victor Bergers sprachen in kindischer Weise von den sich entwickelnden Kämpfen als von „Grenzfehden", die für die Sozialistische Partei von keinem großen Interesse seien.
Der Kongress nahm auf meinen Vorschlag hin eine bedeutsame Resolution an, in der die Schaffung von Frauen-Hilfsgruppen gefordert und auf die Notwendigkeit hingewiesen wurde, die bestehenden Bezirksverbände zu festigen und neue zu organisieren. Die Hütten- und Walzwerkarbeiter von Colorado City organisierten sich Anfang 1902 als Verband der Bergarbeiterföderation des Westens. Die Angehörigen dieser kleinen Organisation waren sehr aktiv, ihre Mitgliederzahl erhöhte sich von einer Versammlung zur anderen. Moyer und ich suchten die junge Gruppe des Öfteren auf, um den neuen Mitgliedern bei ihrer Arbeit zu helfen.
In Colorado City befanden sich mehrere Werke, in denen die im Bezirk Cripple Creek gewonnenen Erze aufbereitet wurden. Nachdem das goldhaltige Erz die Scheideanstalten durchlaufen hatte, blieb wenig mehr als Abfall und Schlacke übrig. Von dem reinen Gold blieb nichts in Colorado City. Diese abseits gelegene kleine Industriestadt mit ihren Zelten, Blechbaracken, Hütten und Schornsteinen war von der großartigsten Natur umgeben. Sie lag im Schatten von Pike's Peak, nicht weit vom wundervollen „Garden of the Gods". Die Heilwässer von Manitou Springs lagen in der Nähe, fast als Vorstadt der vornehmen Wohnstadt Colorado Springs mit ihren schönen Häusern, in denen die Unternehmer, Fabrikleiter und andere hochbesoldete Angestellte lebten.
Die Beamten der Schmelzwerke waren den Arbeitern gegenüber anmaßend und feindselig. Sie hielten sich an das alte, seit den Tagen der „Molly Maguires" beliebte System und beschäftigten Pinkertondetektive, Geheimpolizisten und Lockspitzel. Die Gewerkschaften waren ihnen ein Gräuel. Von Anfang August 1902 bis Februar 1903 wurden einundvierzig Leute wegen ihres Beitritts zum Verband entlassen.
Der Verband Nr. 125 der Walzwerk- und Schmelzarbeiter von Colorado war zum Streik bereit, sandte den Hüttenbesitzern aber vorher noch ein Schreiben, in dem die Wiedereinstellung der wegen ihrer Zugehörigkeit zum Verband entlassenen Arbeiter verlangt und ein Lohntarif vorgeschlagen wurde. Es erfolgte keine Antwort. Die Gesellschaften blieben bei ihrem System der schwarzen Listen, bis am 14. Februar der Streik ausbrach, durch den alle Hütten stillgelegt wurden. Die Einwohner der Stadt hatten inzwischen den Pinkertondetektiv entdeckt, der die Werkspitzel in Colorado City leitete. Eines Tages
zog fast die ganze Bevölkerung auf die Straße und marschierte vor die Pension, in der dieser Halunke logierte. Er wurde aufgefordert, seinen Koffer zu packen und die Stadt zu verlassen, da die Bevölkerung ihn nicht länger in ihrer Mitte dulden werde. Man eskortierte ihn bis an den Stadtrand, und er kehrte nie wieder zurück. Die Hüttenbesitzer wurden von der Vereinigung der Grubenherren unterstützt und hatten auch den elenden Bürgerbund hinter sich. In geheimen Sitzungen dieser Organisationen wurden Pläne geschmiedet, die staatliche Miliz auf den Schauplatz zu bringen. Überall, wo dieser Bürgerbund bestand, war er ein Nest giftiger Verschwörer mit einem Bankier an der Spitze, einem Parasiten mit weichen Händen, in feinen Kleidern und weißem Kragen. Berufsspieler, faule Geistliche, unflätige Zuhälter und Geschäftsleute gehörten zu den Mitgliedern. Der Bürgerbund wurde von der Vereinigung der Grubenherren unterstützt, die auch die staatliche Miliz und die Bezirks-Sheriffs in der Hand hatte und durch diese so viel Hilfssheriffs, als sie brauchte, bekommen konnte. Die Polizisten und Gerichtsdiener der Städte und Grubenorte waren in der Regel ebenfalls bereit, den Anordnungen der Bergwerksgesellschaften Folge zu leisten. Man hätte glauben sollen, diese vereinten Kräfte wären stark genug für die Durchsetzung aller Absichten der Unternehmer; aber nein, sie mussten noch den Bürgerbund organisieren und ehemalige Sträflinge, Mörder und Revolverhelden dingen. In Cripple Creek war der Bankier A. E. Carton Vorsitzender des Bürgerbundes; auch im Bezirk San Juan war ein Bankier der Gründer der Organisation. Ein anderer Bankier wieder war der Führer der Bürgerschutzliga in Idaho Springs, einem kleinen Bergwerksstädtchen nicht weit von Denver.
Als die Hüttenbesitzer und Vertreter der Vereinigung der Grubenherren erkannten, dass die Streikenden Herr der Lage waren, ließen sie durch die Gemeindebehörden dem Gouverneur einen tendenziösen Bericht zugehen, der die Verwendung der staatlichen Miliz zur Niederknüppelung des Streiks rechtfertigen sollte. Der Gouverneur versicherte in seiner Botschaft an das Parlament des Bundesstaates nach Ablegung des Amtseides mit Nachdruck, „dass er Gesetz und Ordnung aufrechterhalten" werde. Diese Worte des Vertreters der obersten Exekutivgewalt im Bundesstaat wurden von den kapitalistischen Hüttenbesitzern ganz richtig ausgelegt. Sie wussten genau, dass der Gouverneur niemals die Staatsmiliz einberufen würde, um sie daran zu hindern, die Arbeiter zu Hungerlöhnen zu beschäftigen. Am 3. März zur Mittagszeit gab der Gouverneur, der bis vor wenigen Monaten vom Wucher gelebt hatte, einen Befehl heraus, der den Wunsch der Hüttenbesitzer erfüllte.
In Colorado City herrschte allgemeine Aufregung, als die Einwohner erfuhren, dass die staatliche Miliz vom Gouverneur einberufen und in ihre Stadt geschickt worden sei. Nicht nur die Hütten- und Schmelzarbeiter empörten sich dagegen, sondern auch andere Kreise, von denen wir es nicht erwartet hatten. Der Bürgermeister und die Mitglieder des Stadtrats hielten eine Versammlung ab und sandten an den Gouverneur folgendes Protesttelegramm:
„Gouverneur Peabody, es heißt, dass die Miliz in unsere Stadt beordert worden ist. Wir wissen nicht, zu welchem Zweck. Es herrscht hier keinerlei Unruhe. Seit Beginn des Streiks hat es hier außer einigen kleinen Streitigkeiten keine Unruhe gegeben. Wir protestieren mit der gebührenden Achtung dagegen, dass Militär bei uns stationiert wird. Morgen wird Sie eine Delegation vol Geschäftsleuten mit einem offiziellen Protest der Bürger der Stadt aufsuchen."
Dem Gouverneur wurde eine von über sechshundert Bürgern der Stadt unterzeichnete Petition vorgelegt, in der die Abberufung der Miliz gefordert wurde. Die Antwort des Gouverneurs lautete:
„Ich werde die Truppen nicht abberufen, solange der Streik nicht beigelegt ist. Diese Regierung wird nicht von Agitatoren geleitet... Wenn ein Mann arbeiten will, so hat er das Recht dazu, und die Truppen sollen dafür sorgen, dass jedermanns Rechte geschützt werden." Am 10. März ließ ich folgenden Artikel in den Blättern von Denver erscheinen:
„Das Recht der persönlichen Freiheit und der Redefreiheit ist verletzt. Die Streikposten werden auf städtischem Grund und Boden verhaftet, auch wenn sie gar nicht versucht haben, die Anlagen der Gesellschaft zu betreten. Sie dürfen nicht mit den Arbeitern in den Hütten sprechen, obzwar sie nur die friedliche Absicht haben, die Arbeiter zur Niederlegung der Arbeit zu veranlassen. Es haben bereits 'so viele gewerkschaftlich unorganisierte Arbeiter die Betriebe verlassen, dass die Gesellschaft jetzt zu verzweifelten Mitteln greift. Die Lage ist jetzt folgende: die Bergarbeiter dieses Staates beabsichtigen nicht, sich einer solchen Unterdrückung zu unterwerfen. Sie sind für Gesetz und Ordnung und werden nicht lange erlauben, dass diese verletzt werden, und sei es auch von der obersten Exekutive des Staates. Es besteht eine ernste Gefahr darin, die Unterdrückung zu weit zu treiben, und es ist sicher, dass die Bergarbeiter jetzt geneigt sind, zurückzuschlagen. Sie werden ihre Freiheiten schützen und ihre Rechte verteidigen, auch wenn es dazu notwendig ist, das Rote Meer der Revolution zu durchschreiten. Die Kolonisten hatten geringere Ursache, gegen die Autorität König Georgs zu rebellieren, als die Bergarbeiter in Colorado haben, der Unterdrückung des Gouverneurs Peabody Widerstand zu leisten."
Während des Streiks kamen die Reporter täglich in das Büro der Föderation und fragten mich, ob die Hüttenarbeiter von Colorado City einer Schlichtung der Differenzen auf dem Verhandlungswege geneigt seien. Ich antwortete den Zeitungsleuten, die Arbeiter würden meiner Ansicht nach alles tun, was vernünftigerweise möglich sei. Am 6. März sandte die „Denver Post" folgendes Telegramm an die Hüttenbesitzer von Colorado City:
„Sind Sie bereit, die Streitigkeiten zwischen Ihrer Gesellschaft und den von Ihnen beschäftigten Hüttenarbeitern einer Schlichtungskommission zu übergeben, die von den beiden Parteien ernannt werden soll? Rückantwort bezahlt die ,Denver Post'." Eine der eingelaufenen Antworten lautete: „Es bestehen keine Streitigkeiten zwischen unserer Gesellschaft und den von uns beschäftigten Hüttenarbeitern. Unsere Arbeiter waren und sind mit Löhnen und Behandlung vollkommen zufrieden. Bei uns sind höhere Löhne und geringere Arbeitszeit als in den Hüttenwerken, mit denen wir konkurrieren. Unsere Arbeiter verlangen keinen Schlichtungsausschuss. Unser Werk ist in vollem Betrieb, und alles, was unsere Arbeiter und Betriebsanlagen brauchen, ist Schutz vor Gewalttaten Außenstehender, die nicht bei uns beschäftigt sind. Wir Wären erfreut über den Besuch und eingehende Untersuchung unseres Werkes durch Ihre Vertreter.
C. E. MacNeil, Vizepräsident United Reduction and Refining Company."
In derselben Nummer, in der dieses Telegramm erschien, stand ein scharfer Leitartikel, den ich hier ausführlich zitiere, weil er die Gründe für die Unruhen darlegt, die damals in ganz Colorado ausbrachen.
„C. E. MacNeil, stehen Sie Rede und Antwort! Wurde dieses Ihr Telegramm nicht von den anderen Zechenbesitzern gutgeheißen? Ist es nicht richtig, dass es ein Täuschungsversuch ist?
Ist es nicht von Anfang bis Ende eine unverschämte Fälschung?
Ist es nicht ein sorgfältig formuliertes Telegramm, um die Bevölkerung von Colorado irrezuführen? Soll es nicht die Leute glauben machen, dass mehr gegen die Hüttenbesitzer gesündigt wird, als sie selbst sündigen?
Lachen Sie nicht selbst über Ihre List und Schlauheit, und bilden Sie sich nicht ein, dass Sie die Bevölkerung meisterlich an der Nase herumgeführt haben? Ihre Antwort auf jede dieser Fragen muss, wenn Sie ehrlich sind, ,Ja' lauten.
Lesen Sie Ihr eigenes Telegramm, Mr. MacNeil. ,Es bestehen keine Streitigkeiten zwischen unserer Gesellschaft und den von uns beschäftigten Hüttenarbeitern.' Ist es nicht eine Tatsache, dass Ihre Arbeiter streiken? Sie müssen antworten: ,Jawohl.'
,Unsere Arbeiter waren und sind mit Löhnen und Behandlung vollkommen zufrieden.'
Ist es nicht eine Tatsache, dass Ihre Löhne so niedrig waren, dass die Leute mehr als die halbe Zeit hungrig blieben?
Ist es nicht richtig, dass Ihre Arbeiter gezwungen waren, Versicherung und medizinische Einrichtungen zu bezahlen und in Ihren Läden einzukaufen?
Ist es nicht richtig, dass viele Arbeiter gezwungen waren,
in Zelten zu hausen, weil Sie ihnen nicht genug zahlten,
um eine Wohnung mieten zu können?
Sie müssen alle diese Fragen mit ,Ja' beantworten...
Sie sagen: ,Unsere Arbeiter verlangen keinen Schlichtungsausschuss.'
Ist es nicht eine Tatsache, dass die Arbeiter Verhandlungen angeboten haben und dass Sie ablehnten? Ist es nicht eine Tatsache, dass Sie diesen Männern sagen: ,Es gibt nichts zu verhandeln.'? Ist es nicht eine Tatsache, dass Sie versuchen, die Gewerkschaften zu zerschlagen?
Ist es nicht eine Tatsache, dass Sie es abgelehnt haben, das Koalitionsrecht der Arbeiter anzuerkennen, und dies auch weiter ablehnen?
Wissen Sie nicht, dass dieses Recht in der Verfassung der ereinigten Staaten garantiert wird, die jedermann das Recht auf Freiheit und Streben nach Glück garantiert? Wissen Sie nicht, dass Sie versuchen, diesen Männern ihre Freiheit und das Glück zu rauben, indem Sie sie auf das Niveau von Leibeigenen herabdrücken? Sie müssen diese Fragen bejahen, wenn Sie nicht bewusst lügen wollen.
Sie sagen: ,Unser Werk ist in vollem Betrieb, und alles, was unsere Arbeiter und Betriebsanlagen brauchen, ist
Schutz vor Gewalttaten Außenstehender, die nicht bei uns beschäftigt sind.'
Wissen Sie nicht, dass jedes Wort in diesem Satze von Lügen strotzt?
Wissen Sie nicht, dass dieser Satz die Bevölkerung von Colorado nicht irreführen wird, so geschickt Sie ihn auch formuliert haben?
Ist es nicht eine Tatsache, dass Ihre Betriebe nicht voll arbeiten?
Ist es nicht eine Tatsache, dass keine Gewalttätigkeiten vorgekommen sind?
Ist es nicht eine Tatsache, dass Sie die Truppen gerufen haben, um Leute einzuschüchtern, die nur verlangten, dass Sie ihnen für ihre Arbeit genug zahlen, damit sie anständig leben können?
Ist es nicht eine Tatsache, dass die Bürger von Colorado Springs und Colorado City zu Hunderten Petitionen an den Gouverneur Peabody unterschrieben haben, in denen sie erklärten, dass keine Gewalttätigkeiten vorgekommen sind?
Wissen Sie, dass diese Truppen den Staat Colorado pro Tag 2000 Dollar kosten und dass sie in Colorado City gänzlich überflüssig sind?
Ist es nicht eine Tatsache, dass Sie diese Truppen dort halten, um Gewalttätigkeiten zu provozieren? Sie müssen mit ,Ja' antworten. Ist es nicht richtig, dass Ihre Gesellschaft zwölf Millionen Dollar verwässertes Kapital hat und dafür auf Grund von Hungerlöhnen Dividenden auszahlt? Antwort: ,Ja.' Wissen Sie nicht, dass Sie all diese Fragen mit ,Ja' beantworten müssen?
Die Bergarbeiterföderation des Westens fordert: ,Einen den Gefahren unseres Berufes entsprechenden Lohn und das Recht, unseren Verdienst frei vom Diktat jeder beliebigen Person zu verwenden.' Verlangen Sie diese Dinge für Ihre eigene Person? Antwort: ,Ja.'
Besteht irgendein Grund, warum nicht jedermann dasselbe fordern sollte?
Sie müssen antworten: ,Nein.'
Die Bergarbeiter fordern weiter:
,Möglichst schnelle und bleibende Anerkennung unseres
Rechtes auf Bezahlung in gesetzlichem Geld für die geleistete Arbeit und Befreiung von dem ungerechten und unbilligen System, nach welchem wir unsere Löhne ausgeben müssen, wo und wie es unsere Unternehmer oder ihre Agenten oder Beamten bestimmen.' Ist das nicht gerecht?
Würden Sie zustimmen, dass Ihnen irgend jemand diktiert, wie und wo Sie Ihr Gehalt auszugeben haben?... Mr. MacNeil, antworten Sie... "
Ein solcher Leitartikel könnte heute nicht mehr in Amerika erscheinen. Damals war die Presse relativ frei und unbeeinflusst von Bankiers und Industriemagnaten, wenn auch die Inserenten eine gewisse Kontrolle über alle Zeitungen hatten. Die Zeitungen von Colorado waren in ihrem Absatz zum großen Teil von den Bergarbeitern abhängig. Vor fünfundzwanzig Jahren hatten die großen Konzerne ihre Einheitsfront im Kampf gegen die Arbeiterschaft noch nicht geschlossen, und man konnte hier und da eine Stimme des Protestes durch eine Lücke des eisernen Rings hören.
Der Gouverneur konnte seine Behauptung, dass es nichts zu verhandeln gebe, nicht länger aufrechterhalten. Die öffentliche Meinung äußerte sich so stark, dass er gezwungen war, die beiden Parteien zusammenzubringen. Der Gouverneur berief für den 14. März eine Konferenz der Hüttenbesitzer und der Vertreter der Bergarbeiterföderation in seinem Büro ein. Die Bergarbeiterföderation des Westens war durch Präsident Moyer, John Murphy und mich vertreten. Es herrschte eine feindselige Atmosphäre. Außer uns war nicht ein einziger Mann anwesend, der nicht ein bitterer Feind der Föderation war. MacNeil war ein flinkes kleines Männchen, ein typischer Vertreter der Kapitalistenklasse, ein Mann, der niemals in seinem Leben mit einem Arbeiter gesprochen hatte, es sei denn, um Befehle zu erteilen. Er benahm sich, als sei er an den Haaren zu dieser Sitzung herangezogen worden, gegen die er eingenommen war, bevor sie noch begonnen hatte. Fullerton von der Telluride-Hütte war vom selben Typ, aber jünger und geschmeidiger. Peck war ein Mann mit einiger Erfahrung und machte auf mich den Eindruck, als sei er selbst früher einmal Arbeiter gewesen; mit ihm einigten wir uns ohne große Schwierigkeiten. Die Konferenz dauerte von Sonnabend 2 Uhr nachmittags bis Sonntag morgens 3 Uhr, als wir mit Peck und Fullerton zu einem Einverständnis gelangt waren. Sie nahmen den Achtstundentag an, versprachen, keine Maßregelungen von Gewerkschaftern vorzunehmen und die streikenden Arbeiter wieder einzustellen. Ferner erklärten sie sich bereit, mit einem Komitee der Gewerkschaft über einen Lohntarif zu diskutieren. MacNeil blieb hartnäckig und verließ mit den Leitern der Portland- und Telluride-Werke unsere Konferenz. Auf Verlangen des Gouverneurs erklärte er sich jedoch einverstanden, uns am folgenden Tage zu treffen. Wir kamen mit MacNeil zur festgesetzten Zeit zusammen, aber er weigerte sich, Zusicherungen zu geben, dass er die Streikenden wieder einstellen, dass er mit einem Komitee der Gewerkschaft über Lohnfragen verhandeln oder den Achtstundentag anerkennen werde. Sechs Männer waren zu einem Einverständnis gelangt. Der Gouverneur hatte erklärt, dass er die Miliz sofort zurückziehen wolle. Aber ein elender Westentaschendiktator vermochte es, unsere Anstrengungen und unsere Bemühungen zunichte zu machen. Seine Halsstarrigkeit war verantwortlich für den Streik, der nun folgte. Allein hätte er sich gegen den Druck nicht halten können. Welche mächtige Stütze hielt ihn? Die Monopolgesellschaften? Die Kirche? Der Bürgerbund?
Er musste mit ganz bestimmten Instruktionen zu dieser Konferenz gekommen sein.
Über unsere Bemühungen, den Streik zu schlichten, wurden die Organisationen und die Presse durch eine längere Erklärung informiert.
Der Verband des Bezirks Cripple Creek Nr. 1 stand mit den Streikenden von Colorado City in engster Verbindung und war über die Anstrengungen, in Denver mit MacNeil zu einer Einigung zu kommen, und über die Abmachungen mit den Telluride- und Portland-Hütten genau informiert. Moyer war auf einer Konferenz des Bezirksverbandes Nr. 1 in Cripple Creek anwesend, auf der beschlossen wurde, die Arbeiter aller Gruben, die Erz für die Standard-Hütte lieferten, zum Streik aufzurufen. Dieser Beschluß wurde erst am 17. März vier Uhr nachmittags in Kraft gesetzt, da ein Komitee von Geschäftsleuten Zeit verlangt hatte, um mit MacNeil sprechen zu können und ihn zu ersuchen, die Bedingungen des entworfenen Abkommens anzunehmen. Die Intervention der Geschäftsleute war ohne Erfolg, und das Ultimatum des Bezirksverbandes Nr. 1 lief ab. Am gleichen Tag noch zog der Gouverneur die Truppen aus Colorado City zurück und entsandte eine Kommission zu MacNeil nach Colorado City, die im Laufe der Verhandlungen von diesem das Versprechen erhielt, das Achtstundengesetz anzunehmen und die Löhne entsprechend den Bedingungen der anderen Hütten festzusetzen. Obgleich diese Zugeständnisse nicht dem geforderten Abkommen entsprachen, beschloss der Bezirk Nr. 1 doch, einen Waffenstillstand bis zum 18. Mai einzugehen, um MacNeil Gelegenheit zu geben, die Bedingungen seines Abkommens mit der Kommission des Gouverneurs festzulegen. Die Nachricht von dem Waffenstillstand rief im Bezirk Cripple Creek allgemeine
Freude hervor. Die Zechen begannen sofort, Erz zu fördern, um die Betriebe der United States Reduction and Refining Company zu beliefern. Aber MacNeil schien vergessen zu haben, dass er der Kommission jemals ein Versprechen gegeben hatte. In den Hütten von Telluride und Portland betrug der Mindestlohn für Arbeit über Tag zwei Dollar und für Arbeit unter Tag zwei Dollar fünfundsechzig Cent. MacNeil hingegen fuhr fort, nur einen Dollar fünfundsechzig Cent zu zahlen. Der Bezirksverband Nr. 1 nahm die Auseinandersetzung mit diesem Scharfmacher wieder auf, entsandte Komitees, hielt Konferenzen mit ihm ab und versuchte, ihn zur Zahlung der höheren Löhne zu bringen. MacNeil gab zwar zu, dass kein Mensch seine Familie mit einem Dollar fünfundsechzig Cent am Tag erhalten könne, trotzdem weigerte er sich klipp und klar, die Forderung des Verbandes zu erfüllen. Der Hütten- und Schmelzarbeiterverband von Colorado City gehörte zum Bezirksverband Cripple Creek Nr. 1 der Bergarbeiterföderation des Westens. Die Mitglieder dieses Verbandes erkannten die Notwendigkeit, die Hüttenarbeiter zu unterstützen, deren Kampf auch der ihrige war. Am 12. August stellten sie in allen Gruben die Arbeit ein.
Wir hatten schon einmal die Erschütterungen des Ausnahmezustandes im Kampf um den Achtstundentag durchgemacht. Der Kampf hatte mit einem Teilsieg für die Arbeiter von Colorado City geendet. Der Kongress von 1903 erkannte einstimmig die erzielten Fortschritte an. Pläne für die Stärkung der Organisation wurden entworfen. Die Mitgliederzahl war von der Zeit, da ich zum Sekretär und Hauptkassierer gewählt wurde, bis 1903 von zwölftausendfünfhundert auf mehr als das Doppelte gestiegen. Ein größerer Reservefonds war vorhanden. Die Delegierten waren voller Zuversicht, dass die Mitglieder allen Anforderungen gewachsen sein würden.
Der Kampf, den wir mit allen Mitteln zu verhindern gesucht hatten, auf den wir aber dennoch vorbereitet waren, hatte begonnen.

 

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