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Ludwig Renn - Krieg (1928)
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Verwundet

Ich ging durch den toten Wald. Silbrig und kahl standen Bäume und Äste im Mondschein.
Ein Erdwall kam und ein öder Platz mit Krankentragen und Zeltbahnen darübergedeckt. Das waren Tote.
Roter Lichtschein kam aus einer Öffnung am Boden.
Über mich weg zischte ein Schrapnell.
Ich stieg die Treppe hinunter. Rechts waren zwei Ärzte bei hellweißen Karbidlampen mit einem entblößten Oberschenkel beschäftigt. Oberkörper und Kopf waren im Schatten.
Links stöhnte auf einem Schemel der Vizefeldwebel Hornung, wie es schien, ohne Verwundung, vielleicht verschüttet gewesen.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und blieb vor ihm stehen.
Er sah auf, sagte unnatürlich: „Guten Abend!" und begann sich wieder zu bewegen. Er war fast gut angezogen, obwohl lehmig. Ich liebte ihn nicht; er war gern höhnisch. „Ach, dieses Gefühl im Kopf! Alles dreht sich herum in mir."
Ich hörte das wie von ferne. Ich fühlte etwas herankriechen. Ein Schauder überrieselte mich.
„Ich sollte zur Kompanie zurück? Nein, ich meine nicht, dass ich vorn hin sollte; da war ich ja vorn." Spricht er nur mit mir? dachte ich und konnte doch nicht zuhören. „Als mir das kleine Brett auf dem Rücken lag, da wollte ich stürmen. Ach nein! Ich weiß natürlich, was ich meine!" Das klang boshaft und verächtlich. „Meine Gedanken sind immer fortgelaufen." Er machte mit dem Kopf eine Kreisbewegung. Die machte mein wanderndes Gefühl noch tuchiger.
Der Arzt trat zu Hornung. „Ich habe Ihnen etwas gegeben. Jetzt nehmen Sie sich zusammen! - Und Sie?" wandte er sich an mich. „Waren Sie nicht Ordonnanz bei Fabian? -Kommen Sie mal gleich her!"
Man setzte mich auf einen Schemel. Jemand machte die Sicherheitsnadel auf meiner Schulter los und zog mir Ärmel und Rock aus. Das Hemd wurde heruntergestreift. Ich fror.
„Ein tüchtiger Fleischschuss! Sie können von Schwein reden! Der Splitter hat ordentlich gefetzt - oder war es ein Schrapnell?"
„Nein, ein Gewehrschuss."
„Das muss aber dann sehr aus der Nähe gewesen sein." „Auf achtzig Meter, Herr Oberarzt!" „Ach, Sie haben den Sturm mitgemacht?"
„Nicht eigentlich. Ich wartete mit Herrn Oberleutnant auf die Reste der Kompanie." Es war grauer Nebel um mich. „Wie haben die Leute angegriffen?" „Vorzüglich, Herr Oberarzt! Sie waren ganz umgewechselt gegen vorher." „So? Es sind scheußliche Verwundungen drunter." Hinter mir murmelte Hornung etwas, aber es war im schwarzen Nebel verschlungen. Ich hielt mich ganz aufrecht, dass es nicht noch näher käme.
„Nun noch die Tetanusspritze! Waschen Sie ihm hier die Haut!"
Auf der rechten Brustseite wusch der Sanitätsunteroffizier mit etwas Kaltem einen kleinen Fleck. Der Arzt packte dort die Haut und stach die Spritze ein. Ich sah nichts mehr vor Schwärze und hielt mich ganz steif.
Ich erwachte. Ein Glück rieselte in mir. Ich hörte Stöhnen. Hornung saß über mir. Ich lag auf einer Trage. Meine Brust war fest beim Atmen.
Da fühlte ich einen breiten Verband.
„War ich lange bewusstlos?" fragte ich Hornung.
„Ich weiß nichts. Die Zeit ist ausgedehnt..."
Ich sah nach innen. Da saß es schrecklich mit dem Wolltuch. Was ist das! - Auf meiner Brust waren kühle Blasen. Steif tappten meine Finger darauf. Das kam heran, zum Entsetzen nah! - Jetzt...
Das Erwachen war lächelnd. Oh, dass alles vorüberging!
Hornung stöhnte: „Wenn ich mich nur übergeben könnte! Der Wurm im Kopf!"
Auf dem Verbandtisch brannten die beiden Karbidlampen. Der Oberarzt kam und trat mir vors Licht. „Nu, wie ist's Ihnen?"
„Gut, Herr Oberarzt!"
„Erzählen Sie noch etwas vom Sturm! War das nicht schrecklich?"
„Nein, es war herrlich, wie die vorstürmten, alle - die vorher im Tunnel klagten! Einer hat gesagt - ich hörte es im Vorübergehen -, es wäre ihm gleich, ob er gefangen würde. Und der ist vorgerannt und hingestürzt. Wahrscheinlich ist er tot."
„Aber das ist doch nicht herrlich!"
„Doch, Herr Oberarzt, wie sie auf einmal alle Angst verloren hatten! Dass es sie gepackt hatte und sie angriffen, das war unvergleichlich schön!"
Die Angst kam wieder, aber durchleuchtet von dem Gedanken an den herrlichen Angriff. Noch konnte sie nicht Herr werden.
„Und wie war es denn, als Sie ohnmächtig wurden?"
„Es kam so heran, und ich sah nur noch das Licht. Und dann packte es mich, und ich machte mich ganz steif, um es nicht heranzulassen. Dann wusste ich nichts mehr. Aber beim Aufwachen war es sehr schön."
„Und fühlen Sie sonst nichts?"
„Ich habe den ganzen Körper voller Blasen, und mein Mund ist geschwollen. Meine Finger sind auch steif."
Er murmelte etwas, auf das ich in dem grauen Ankriechen nicht hören konnte. Das wuchs und war so entsetzlich, so furchtbar tuchen. Ich musste mich innen in meinem Kopf zusammenziehen, ganz grau. Oben war noch ein Widerschein, sonst Tuchklumpen. Die Lippen. Hooch! Das kam grässlich, noch näher und noch grässlicher und wuchs bleiern. Aber ich wollte es bezwingen, mich fest machen! Noch näher und grässlicher! Nein!
Die beiden Ärzte flüsterten zusammen.
„Das ist es nicht, Herr Kollege. Ich halte es für Wundstarrkrampf. Haben Sie gehört, wie er von dem Angriff sprach? Das ist gewissermaßen eine positive Ekstase, die der negativen entspricht. Übrigens ist der Puls recht schwach. Ich werde mal sehen, ob er wieder zu sich gekommen ist."
Er kam zu mir.
„Ich werde Ihnen mal etwas Kognak geben." Er goss mir ein. Es durchfeuerte mich. „Nu, wie ist's jetzt mit Ihnen?"
„Es wird mir etwas schwer, zu sprechen, Herr Oberarzt, weil meine Lippen so dick sind. Auch die Blasen sind noch größer geworden. Aber sonst fühle ich mich sehr wohl."
„Es schießt übel draußen", sagte er. Ich merkte, dass er mich beobachtete. Er schien nicht mehr zu wissen, was er fragen könnte, und verließ mich.
Sonderbar, dass es mir begegnete, dass etwas an mir beobachtenswert war.
Ich lag froh.
Hornung stöhnte. Jemand wurde heruntergetragen, die zerrissenen Hosen zuerst. Die Ärzte hantierten. Eine Zeit verging.
Ich wurde wieder aufmerksam. Es war nur Atmen im Unterstand.
Der Oberarzt kam. „Wie steht es?" „Sehr gut, Herr Oberarzt."
„Es ist schon spät. Wir müssen sehen, dass Sie noch hinterkommen. Ich werde Ihnen den Sanitätsunteroffizier mitgeben für den Fall, dass Sie wieder einen Kollaps kriegen."
Ich wusste zwar nicht, was Kollaps heißt, sagte aber: „Es passiert nichts mehr!"
„Und Sie", wandte er sich an Hornung, „müssen auch fort."
„Ich kann nicht, Herr Doktor!"
„Das ist Unsinn! An der Luft werden Sie gleich freier." Ich stand auf. Hornung bewegte sich nur auf seinem Schemel.
„Jetzt stehn Sie auf!"
„Ich kann nicht!" hauchte er.
„Nehmen Sie ihn mal am Arm!"
Ich fasste ihn zögernd am Oberarm. Da stand er auf einmal leicht auf. Was war da geschehen? An der Unterstandstreppe musste ich ihn loslassen. Er stieg voraus. Auf einmal wankte er nach hinten. Wenn er auf mich fiel? Ich war hilflos mit dem eingebundenen Arm! Ich packte ihn rasch am Arm und schob ihn hinaus. Draußen schien der Mond auf die weißlichen Äste und auf die Toten.
„Jetzt rasch!" sagte der Sanitätsunteroffizier. „Hier schießen sie immer mit Schrapnellen her. Dort die Wiese hinauf!"
Wir begannen zu rennen. Hornung torkelte rechts an mir, und links war ich fest und hilflos. Ich versuchte, mit ihm in gleichen Schritt zu kommen, aber es ging nicht. Wir wankten den Hang hinauf und zwischen den Kreuzen des Friedhofs und unbeerdigten Toten durch.
Surr! ein Schrapnell dicht links.
Wir stockten vor einer querliegenden Leiche.
Surr! wieder eins.
„Was ist denn?" wandte sich der Sanitätsunteroffizier um und wollte Hornung am rechten Arm über die Leiche helfen.
„Lassen Sie mich!" sagte der gereizt.
Wir kamen an einen Graben. Ich konnte, eingebunden, wie ich war, nicht springen, und Hornung wurde an meiner Seite schlaff.
Der Sanitäter lief am Graben entlang. „Hierher!" rief er.
Hier war der Graben eingeschossen. „Jetzt weiter! Das ist die übelste Stelle!" Wir kamen in den Hohlweg.
„Hier in einem dieser Unterstände müssen Sie warten, bis ein Sanitätswagen kommt. - Gute Besserung!"
Vor uns war im Steilhang ein Treppeneingang, unten Licht. Beim Hinuntersteigen ächzte Hornung.
Unten arbeiteten drei Pioniere an einem Gang. Es lag ein Stoß Minierholz da, auf den sich Hornung setzte, ohne ein Wort zu sagen.
„Können wir hier bleiben, bis ein Sanitätswagen kommt?" fragte ich.
„'s wird euch aber zu kalt werden", antwortete einer, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
Hornung begann wieder mit seinen Bewegungen und schien keine Luft zu bekommen.
Die Feuchtigkeit des Holzes drang durch die Hosen. Mir stieg eine Übelkeit auf, die mich ganz beschäftigte. Nach einer Weile ließ es nach. Ich betastete auf meiner nackten linken Brustseite die großen Blasen. Ein Frostschauer nach dem andern überlief mich und ging bis in die Haarwurzeln.
Im Stollen arbeiteten sie.
„Noch eine Idee höher! Der Zapfen sitzt noch nicht. - So, jetzt!"
Plötzlich bemerkte ich etwas an Hornung. Seine Augen lagen im Schatten. Sein Gesicht sah merkwürdig braun und fremd aus. Er bewegte die Lippen und die Falten um den Mund, als ob er auf der Bühne spräche - er war ja Schauspieler. Mir fiel ein, wie unnatürlich er im Sanitätsunterstand gesprochen hatte, wie auf der Bühne.
„Du, trag mal die Säcke fort! Dann machen wir 'ne Pause." Sie schleppten die Säcke mit ausgekratztem Lehm an die
Treppe und lehnten sie an die Wand. Dann setzten sie sich auf einen Holzstoß und begannen Brot zu schneiden.
„Ich glaube, heute kommt kein Sanitätswagen mehr, das schießt zu elend auf die Straßen!"
Da können wir nicht hier bleiben, dachte ich und bewegte mich etwas. Ich fühlte mich durchkältet und musste ganz weit gähnen. „Herr Feldwebel!" sagte ich. „Wäre es nicht besser, wir versuchten selbst hinterzukommen?"
»Nee, das geht nicht", sagte einer der Pioniere. »Wisst ihr denn den Weg? Und 's ist recht kalt draußen."
„Das ist noch immer besser, als halb nackt hier unten sitzen."
Sie betrachteten von der Seite meine bloße linke Seite.
„Paul!" sagte der eine. »Musst du nicht jetzt hinter? Du könntest sie doch mitnehmen."
Hornung saß unbeweglich da und atmete schwer. Ich nahm ihn am Arm. Er stand schwer auf.
»Danke für die Aufnahme", sagte ich.
»Da ist nichts zu danken", murmelte einer.
Es war dunkel und still auf der lehmigen Straße. Als wir auf die Höhe kamen, sah ich noch einmal nach vorn. Weit rechts eine weiße Leuchtkugel. Ein einzelner Gewehrschuss verlor sich.
Der Pionier führte uns einen anderen Weg, als den wir vor einer Woche vormarschiert waren, eigentlich keinen Weg, sondern über einen alten Acker mit nassen Strünken. Wir kamen zu verfallenen Häusern. Aus einem Keller drang spärliches Licht. Ich fror an meinen Blößen neben dem Verband.
„Um das nächste Dorf", sagte der Pionier, „steht alles voll Batterien. Da schießt es viel hin."
Links kam ein schwarzer Graben, an dem wir auf zehn Schritt entlanggingen. Hinter uns kam es leise: S-ch-s-ch, ganz auf uns und wurde schärfer.
„Hinlegen!" brüllte der Pionier und lag dunkel am Boden.
Wir beide standen ohne Entschluss.
Sch! fuhr es herab.
Map-kremm! Ein brauner Baum sauste auf, fünf Schritt vor uns. Hornung neigte den Oberkörper.
Pu-pu-pu! fielen Lehmbatzen nieder. Ich bekam nassen Lehm in den offenen Kragen.
Der Pionier stand auf. »Das war verflucht nah!" Ein Abschuss gellte über uns weg.
„Wir müssen in den Graben", sagte der Pionier. Wir folgten ihm. Der Lehm rutschte mir tiefer und war kalt am Rücken.
Der Pionier rutschte in den Graben und streckte Hornung seine Hand hinauf. Der beugte sich und kam ungeschickt hinein. Ich fürchtete mich mit nur einem brauchbaren Arm und legte mich auf die rechte Seite. Der Pionier fasste mich vorsichtig an den Hüften.
Im Graben liefen wir schnell um die runden Lehmecken. Oben kamen Mauertrümmer. In einer Grabenerweiterung saß massig eine Haubitze, mit runden Geschoßkörben um sie.
Hinter dem Dorf hörte der Graben in einer Wiesenfläche auf. Hornung ging jetzt ohne Hilfe. Ich fühlte mich frisch zum Gehen.
Wir kamen auf eine Straße, dann durch ein wenig zerschossenes Dorf.
Die Dämmerung begann.
„Dort ist das Feldlazarett", sagte der Pionier und deutete auf einen großen Hof.
Als wir hineintraten, kam ein Arzt aus einem niedrigen Gebäude rechts. „Ich war gerade mit Verbinden fertig. Nu, Ihr Verband ist ja gut! Haben Sie Schmerzen?"
„Nein, Herr Doktor."
„Na, kommen Sie mal mit!" sagte er munter. Er brachte uns in ein niedriges Gebäude. Rechts und links lagen Verwundete dicht nebeneinander. Ich kam zwischen zwei, von denen der links die Decke über den Kopf gezogen hatte. Der rechts sah mich blass an. Ich ließ mich auf den rechten Arm nieder und legte mich behutsam auf den Rücken. Ein Krankenwärter brachte eine Decke und legte sie mir über.
„Brauchst du sonst was?"
„Nein, danke."
Das Tageslicht durch die Fenster störte mich. Die Wolldecke war mir an den bloßen Stellen rau. Ich schloss die Augen. Aber ich war sehr wach. Die Begebnisse der Nacht kamen mir in Bildern, aber unzusammenhängend und nackt: die Straße, auf der wir zuletzt kamen; wie sie beim Angriff hinfielen. Eilitz lag im Walde, an dessen Tod ich schuld war.
Und der Saal hier und die Decke! Neben mir rechts, der atmete unregelmäßig. Das quälte mich. Ich schielte nach ihm. Er bewegte ein Knie unter der Decke. Ich machte wieder die Augen zu und dachte: Ich müsste doch müde sein! Ich schlief ein.
Ich fuhr auf. Jemand hatte mich gefragt, ob ich aufstehen könnte. Ein Krankenwärter stand zu meinen Füßen und sah auf mich herunter.
„Ja", sagte ich und richtete mich auf.
Er zeigte nach dem Tisch rechts hinten. Dort gäbe es Frühstück. Ich erhob mich und ging verdächtig leicht hinüber.
An dem Tisch saßen mehrere, schmutzig und blass. Ich setzte mich auf einen Schemel. Ein paar redeten. Mich quälte es, zuzuhören.
Becher mit dünnem, heißem Kaffee wurden vor uns gesetzt. Dazu gab es eine Schnitte Brot. Ich hatte Hunger, aber es schmeckte mir an dem Tisch nicht. Ich stand bald auf. An der Wand hing ein Spiegel. Scheu warf ich einen Blick hinein und erschrak. Ich war wie eine weiße Fläche mit ein paar dunkeln Augen drin.
Gegen Abend wurde ich in ein Sanitätsauto verladen. Ich musste mich dazu auf eine Trage legen und bekam eine dünne Decke übergelegt. Man schob mich oben in den dunkeln Wagenraum. Unter mir lagen schon zwei. Dann kam rechts noch eine Trage mit einem darauf hereingefahren. Die Klappe hinten wurde zugemacht und verschlossen. Durch einen Ritz drang etwas fahles Licht.
Der Motor wurde angekurbelt. Es ratterte. Sie stiegen vorn auf. Plötzlich zog es an. Schwankend surrte das Auto fort. Ich wurde auf der gespannten Leinwand der Trage leicht in die Höhe geworfen und fiel schwer auf die Stangen der Trage, gerade mit der Wunde. Da hob es mich schon wieder in die Höhe. Die Straße musste sehr ausgefahren sein. Wenn wenigstens das Auto nicht so weiche Federn hätte! Es schwankte hin und her. Ich versuchte mich mit der freien Hand gegen die Decke zu stemmen. Dabei machte ich mich aber steif, und es wurde nur schmerzhafter. Auf die Seite konnte ich mich nicht legen; denn ich hätte mich nur auf den gesunden Arm legen können. So ließ ich mich wippen und fliegen und schloss die Augen. Da hatte ich wieder das Gefühl, ich könnte hinunterfallen. Unter der dünnen Decke war es kühl. Meine Blasen fühlten sich gänsehäutig an. Es ging um Ecken und wieder geradeaus. Wagen rumpelten. Infanteriekolonnen latschten vorbei. Ununterbrochene Stöße kamen: Steinpflaster.
Wir hielten. Stimmen. Jemand klapperte hinten am Schloss und öffnete. Tageslicht. Eine Trage wurde unter mir herausgezogen. Ein Frostschauer überfiel mich.
Man zog mich heraus. Ich sah ein Haus. Der Himmel, obwohl trübe, blendete mich. Sie trugen mich mit den Füßen zuerst eine Treppe hinauf. Das erheiterte mich ein wenig. Dann kam ein großes, helles Zimmer mit Betten.
Eine Schwester lächelte mich von oben an. „Können Sie allein aufstehen?"
Ich streifte die Decke zurück und erhob mich. Sie führte mich an ein weißes Bett. Ich knöpfte den Rock auf, soweit er zugeknöpft gewesen war. Dann trat ich die lehmigen Stiefel von den Füßen. Die waren sehr schmutzig. Ich schämte mich und deckte mich schnell zu.
„War es schlimm da vorn?"
„Nein - oder vielleicht doch."
Sie lächelte und ging zu dem, der eben hereingetragen wurde.
Eine Kälte durchschauerte mich. Die Angst kam wieder. Ein sprödes, dumpfes Ziehen und das grauenvolle Herankriechen. Meine Blasen waren noch größer geworden.
Nach einer Weile wich das Gefühl. Rechts im nächsten Bett bewegte sich einer stöhnend hin und her. Sein Gesicht war rund und rot.
Die Schwester kam zu ihm. „Nachher werden wir Ihren Rücken noch einmal mit Äther waschen. Jetzt gibt's zu essen - oder haben Sie keinen Appetit?"
Sie fühlte ihm die Stirn. Dann sah sie zu mir herüber. „Haben Sie Schmerzen?"
„Nein, aber Hunger!" Ich wurde auf einmal sehr vergnügt.
Am nächsten Tage wurde ich wieder in ein Auto verladen und auf den Bahnhof gefahren. Sie setzten mich auf meine Trage und dann in einen niedrigen Eisenbahnwagen mit vielen kleinen Fenstern.
Wir fuhren ab. Jedes Stoßen der Räder stieß mir in die Wunde. Dazu kam wieder die Angst und das Ziehen.
Wie viele Tage wir fuhren, weiß ich nicht. Manchmal stand ich auf, um nur nicht immer in die Wunde gestoßen zu werden. Ich bat, man möchte mich eine Nacht sitzen lassen. Aber die Schwester erlaubte es nicht, und es wäre auch nicht gegangen. Ich hatte Fieber und musste immerfort austreten. Die Schwester schien um mich besorgt zu werden. Immer wieder kam das Gefühl und war hässlich und spröde. Am Körper juckte es mich. Ich musste Läuse haben. Aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich dachte verzweifelt: Bleibt denn das immer so, dass dieses Gefühl wiederkommt? Wenn es aber vorbei war, dann war ich glücklich.
Es war Nacht. Unser Zug hielt. Ich beachtete es nicht mehr.
Krankenträger kamen herein und fassten meine Trage. Sie trugen mich vorsichtig hinaus, aber ich hatte Angst. Jetzt ging es über die Schienen. Wenn sie stolperten, das könnte ich nicht mehr ertragen! Wir kamen an ein großes Gebäude wie einen Speicher. Daran ging es entlang. Was wollten sie nur mit mir? Es ging mehrere Treppen hinauf. Weiße Gänge.
„Hier herein!" sagte eine alte Frauenstimme. Die Frau stand in der Tür mit auf dem Bauch gefalteten Händen und sah mich aus weißen, gestärkten Kopfbinden sehr gut an.
Man trug mich in einen Saal mit zwei Reihen Betten. Die Nonne half mir sanft aufstehen. Ich zitterte am ganzen Körper. Die Zähne schlugen mir aufeinander.
„Ich habe Läuse", sagte ich verzweifelt.
„Die werden wir bald los sein", lächelte sie. „Wo es sauber ist, gefällt's denen nicht."
Sie legte mich ins Bett und deckte mich zu. Ich zitterte und konnte es nicht verhindern.
Die Nonne kam mit einem Becken, nahm mir die Füße aus dem Bett und begann sie mit warmem Wasser zu waschen.
„Sie haben Fieber?" fragte sie mit etwas näselnder Stimme, die aber sehr gut war. „Ja, ich glaube", stotterte ich.
„Wir werden Sie gleich Herrn Doktor vorstellen. Wir haben hier einen sehr tüchtigen Arzt. Der ist unermüdlich vom Morgen bis in die Nacht."
Sie steckte meine Füße wieder unter die Decke.
Ein Wärter kam mit einem flachen Wagen auf Gummirädern. Darauf musste ich mich legen. Er fuhr mich hinaus in einen engen Raum. Auf einmal surrte es, und wir fuhren hinunter.
Er schob mich in einen Saal mit Becken und Instrumenten. Da setzte er mich auf einen weißbezogenen Tisch und zog mir das Hemd aus. Um die Hüften legte er mir die Decke, dass ich nicht ganz nackt dasäße. Dann wickelte er den Verband von Brust und Schulter. Ich zitterte und klapperte mit den Zähnen.
„Das hat aber geeitert!"
Jemand ging unruhig hinter mir auf und ab, blieb stehen und schien mich zu beobachten. Ein Arzt konnte es nicht sein. Der Mensch hier hatte Angst. Er ging wieder auf und ab, blieb stehen und machte wieder ein paar Schritte, schrecklich unruhig. Ich klappte verzweifelt mit den Zähnen. Wenn er mich nur nicht beobachtete!
Der Wärter hatte den Verband abgewickelt und warf ihn in einen Eimer. Fast alles war braun durchtränkt. War das alles Eiter?
Die Tür wurde rasch aufgemacht.
„Doktor Sand!"
„Lindkamp", sagte eine leise, tiefe Stimme. „Sie sind nicht verwundet, Herr Hauptmann?" „Nein, ich bin krank."
„Aber es fehlt die Überweisung vom Feldlazarett." „Ich bin nicht überwiesen."
„Dann dürfen wir Sie aber nicht aufnehmen, Herr Hauptmann."
Ich fror furchtbar an Brust und Rücken.
„Was soll ich denn tun?" murmelte der Hauptmann.
„Wir können Sie ja hier behalten, aber immer unter der Voraussetzung, dass wir Ihr Bett nicht anderweitig brauchen. - Wir müssen auch darüber berichten."
„Das ist Ihre Pflicht", murmelte der Hauptmann.
Rasche Schritte zu mir. Ein Mann im weißen Mantel, noch jung.
„Was haben Sie? - Wo sind die Instrumente, Schwester?" Instrumente klapperten hinter mir. Ich zuckte zusammen.
„Tat das weh?"
„Nein, Herr Doktor", stotterte ich. Es kamen welche zur Tür herein.
Die Wunde wurde mit etwas Kaltem betupft. Ich wollte mich zusammennehmen und hörte auf zu zittern. Da schlugen mir wieder die Zähne zusammen. Selbst das konnte ich nicht mehr! Ich fing krampfhaft an zu weinen. Es schüttelte mich vor Frost.
„Jetzt schnell verbinden und ins Bett!" sagte der Arzt und legte mir etwas Breites, Weiches auf die Wunde.
Der Wärter umwickelte mir die Brust mit einer breiten Binde und flüsterte: „Nicht Angst haben!"
Er fuhr mich auf den Gang. Ein kleiner Offizier sah mich mitleidig an. Ich konnte nicht sehen, was er für Abzeichen auf den Achselstücken hatte. Aber ich ahnte, dass es der Hauptmann war.
„Haben Sie große Schmerzen?"
„Nein. - Herr Hauptmann. - Mich friert-nur-so." Ich brachte es nur stockend heraus, so schüttelte mich der Frost.
Er sah weg und machte auf einmal eine verlegene Verbeugung. „Lindkamp."
O Gott! dachte ich, er hält mich für einen Offizier. Ich kann mich ihm doch nicht vorstellen.
„Ich bin nur Gefreiter, Herr Hauptmann."
Er sah mich traurig an und ging neben meinem Wagen her.
„Wie heißen Sie?" murmelte er. „Renn, Herr Hauptmann."
„Wenn Sie irgend etwas brauchen - ich liege im Zimmer 209."
Er wandte sich ab und blieb stehen. Ich wollte ihm gern etwas sagen. Aber ich war doch nur Gefreiter, und ich zitterte vor Frost und konnte nichts finden.
Man legte mich ins Bett. Die Nonne deckte mich zu.
„Morgen ist's schon besser", lächelte sie. „Das macht nur die lange Bahnfahrt."
Das machte mich wirklich ruhiger. Nur draußen fror ich und zitterte. Ich lag weiß und sauber im Bett. Irgend etwas war in mir sehr fröhlich.
Ich wachte auf von einem Gesang nebenan. Da musste eine Kapelle sein, und die Nonnen sangen.
Es war Tag und hell im Saal und ganz still. In allen Betten horchten sie.
Nach einer Weile kam die Nonne lächelnd mit gefalteten Händen. Sie war alt und voll Falten, aber die guten, etwas wässerigen Augen waren mir lieb. Sie ging die Betten ab.
„Nu, wie ist's heute?"
„Sehr gut", lachte ich.
Sie hob mich sacht empor. Auf meinem Kissen war ein kopfgroßer brauner Fleck.
„Es hat schon wieder den ganzen Verband durchgeeitert! Wir müssen noch dickere Bäusche unterlegen."
Zwei Mädchen brachten Frühstück herein. Es schmeckte mir, nur hatte ich noch mehr Hunger.
Am Nachmittag kam der Hauptmann und brachte mir zwei Taschentücher. Ich war verlegen. Ob das ein Geschenk sein sollte? Er saß auf meinem Bettrand und wurde auf einmal alt.
„Sind Sie schon lange im Westen?"
„Seit Kriegsbeginn, Herr Hauptmann."
„Ich war immer im Osten", sagte er verloren. „Und da kam ich nach dem Westen, gleich vor. Ich habe nicht einmal den Regimentskommandeur gesehen. - Mein Adjutant wollte mich nicht gehen lassen. Aber das geht doch nicht! sagte er immer wieder. - Aber ich konnte nicht. Ich saß immer nur im Unterstand und wusste gar nicht, was ich machen sollte. - Das können Sie natürlich nicht verstehen." Er sah mich sehr traurig an.
„Doch, Herr Hauptmann", murmelte ich.
„Aber ganz können Sie es nicht verstehen. Sie sind anders. - Ich habe Frau und Kinder zu Hause. Die würden sich freuen, Sie kennen zu lernen." Ein Schimmer von Freude kam in seine Züge. Wie entsetzlich! dachte ich. Er hat jeden Maßstab verloren, für sich und andere! Wenn es nur niemand gehört hat!
„Wenn Sie etwas brauchen - ich habe meine Koffer da."
Er gab mir die Hand und schlich hinaus.
Der Hauptmann kam noch ein paar Mal. Er erschien mir immer älter und unentschlossener. Ich überlegte wieder und wieder, was ich ihm sagen sollte, ob ich ihm vielleicht irgend etwas erweisen könnte, was ihm wohltäte? Aber ich fand nichts. Ich fand mich kalt und dachte, er müsste mich für herzlos halten. Die Kameraden im Saal witzelten über ihn. Vielleicht hatten sie recht, aber es verletzte mich. Dann blieb er aus.
Ich fragte die Schwester. Sie sah mich ernst an. „Es soll nicht bekannt werden; er hat sich das Leben genommen."
Merkwürdig! Ich war nicht einmal betroffen. Ich nahm es hin, nur als Tatsache.
Mir fiel Eilitz ein, den ich draußen hatte stehen lassen -und er war gefallen. Ich empfand keine Reue darüber, aber es bewegte mich.
Meine grässlichen Zustände wurden seltener und schwächer. Die Blasen gingen zurück. Nur die Wunde eiterte noch jede Nacht den Verband durch. Ich durfte schon stundenweise aufstehen. Mich mit einer Hand anzuziehen, lernte ich schnell. Es machte mir nur Schwierigkeiten, das Hemd in die Hosen zu stecken; denn entweder hielt ich die Hose fest, oder ich stopfte das Hemd hinein, und dabei rutschte mir die Hose hinunter, die auch zugeknöpft noch zu weit war. Deshalb lehnte ich mich gegen einen Bettpfosten und hielt so die Hose fest.
Eines Morgens kam der Doktor und betrachtete die Wunde.
„Jetzt können wir die Wunde zusammenziehen. Sie ist ganz schön sauber geworden. Haben Sie Mut dazu?" „Jawohl, Herr Doktor!"
„Gut! Bringen Sie ihn in den Operationssaal!"
Ich ging mit dem Wärter in den Raum, in dem ich in der ersten Nacht gewesen war. Man entblößte mir die Wunde. Eine Nonne wusch mir die Wundumgebung mit Äther.
Der Doktor kam.
„Drei Wundklammern! - Es ist kein angenehmes Gefühl. Wollen Sie lieber eine Spritze haben?"
„Nein, Herr Doktor. Ich fürchte mich mehr vor Spritzen als vor richtigem Schmerz."
„Dass Sie mir aber nicht schreien!" „Nein, Herr Doktor." Der Wärter fasste meine Handgelenke. Der Doktor klapperte hinter mir mit Instrumenten. „Jetzt geht's los!"
Er stach mir über der Wunde ins Fleisch. Das war so schlimm nicht. Dann darunter. Weiter links wieder oben und unten. Dann die dritte Klammer.
„So, jetzt kommt das Zusammenziehen."
Ich fühlte, wie sich die Stacheln tiefer hineinbohrten, als wollten sie das Fleisch ausreißen. Jetzt kam die nächste, und dann ... Das war nicht angenehm.
„Gut stillgehalten!"
Ich ging hinauf in den Saal. Die Schulter hielt ich etwas schief, aber ich war vergnügt. Ich legte mich ins Bett, hatte aber keine Ruhe und stand nach einer halben Stunde wieder auf und ging auf und ab. Es war, als schwölle das Fleisch immerfort und würde weher und weher von den Metallklammern.
Dann kam das Essen. Es widerstand mir, und ich aß nur wenig.
Dann legte ich mich ins Bett und schlief ein.
Ich wachte auf. Ungreifbare Vorstellungen wie durchsichtige Balken und Drähte waren noch quälend vom Traum da. Ich sah unruhig. Der Schmerz war nicht so schlimm wie das. Ich trank ein wenig Kaffee und ließ das Brot liegen.
Die Nonne kam besorgt. „Haben Sie keinen Appetit? Wir müssen einmal das Thermometer einlegen."
Ich lag still. Die Zeit floss zäh. Die Nonne nahm das Thermometer heraus und sah darauf. Ihre Augen waren wohl schon etwas schwach. Sie schüttelte es nach unten.
„Wir müssen noch einmal messen."
Ich wusste schon, dass ich Fieber hatte.
Sie ließ mich lange liegen. Dann zog sie es heraus und sah darauf.
„Wir müssen Herrn Doktor rufen."
Er war nach wenigen Minuten da und betrachtete die Wunde.
„Es ist alles in Ordnung. Aber es kann immerhin sein.
Wenn wir die Wundklammern herausnehmen, dann vergeht das Fieber. Aber die Heilung wird um Wochen, wenn nicht Monate verzögert." Er sagte das wie fragend zu mir.
„Ich will lieber das bisschen Fieber haben", sagte ich.
„Gut, geben Sie ihm eine Spritze für die Nacht, Schwester Brigitte!"
Zu Abend konnte ich nur einen Bissen essen und brachte ihn kaum hinunter. Dann wusch mir der Wärter eine Stelle am rechten Oberarm. Die Nonne kam mit einer gläsernen Spritze mit trüber Flüssigkeit. Sie zog die Haut ab und drückte das Zeug hinein. Es gab eine runde Erhöhung der Haut wie eine Beule. Der Wärter klebte ein kleines Pflaster auf den Einstich.
„Gute Nacht", sagte sie mit ihrer etwas weinerlichen Stimme und nickte lächelnd. Ich liebte sie sehr.
Ein Ziehen ging durch meinen Körper, als würde er ganz lang. Das Ziehen hielt an. Der Schmerz wurde ferner, als würde er abgelöst von der Schulter. Ich beobachtete in mir das Ziehen und lag ganz still.
Mitten in der Nacht wachte ich auf mit einem Begehren zu trinken. Ich hatte nichts da und wusste auch nicht, ob ich trinken dürfte. Es ließ mir keine Ruhe. Ich lag lange, zwar äußerlich still, aber innen peinlich bewegt. Eine elektrische Lampe brannte im Saal. Die war mir angenehm. Einige schnarchten. Einer bewegte sich unruhig und stöhnte.
Der Gesang nebenan weckte mich aus einer Unruhe. Der Schmerz haftete wieder nah und weh an der Schulter. Ein düsteres Licht war im weißen Saal. Ich wusste nicht, woher das kam. Fern schlug eine Tür zu. Ich hörte leise in den Doppelfenstern das Singen des Windes und ein fernes Dröhnen wie Donner.
Die Nonne kam herein und sah in dem fahlen Licht verwittert und gelb aus.
„Nun, wie war die Nacht?" lächelte sie. Da war sie mir am Klang der Stimme wieder bekannt.
„Nicht sehr schön. Ich möchte lieber nicht wieder Morphium haben."
Das Frühstück kam. Ich trank den Kaffee nicht aus und aß nur wenig. Ans Fenster prickelte es. Ein gelber Aufschein von einem Blitz. Jetzt hörte ich deutlich den Donner. Die Nonne legte mir das Thermometer in die Achsel. Mir war gar nicht wohl. Der Doktor kam.
Die Nonne flüsterte; ich verstand es: „Er hat fast vierzig Grad."
„Machen Sie mal den Verband ab!" Ich musste mich vorbeugen.
„Da ist eine leichte Rötung. Er muss allein gelegt werden, und Sie, Schwester Brigitte, übernehmen ihn allein, dass niemand angesteckt wird! Wir wollen hier keine Wundrose in den Saal kriegen!"
Der Wärter kam mit dem Wagen auf Gummirädern. Er fuhr mich einen Gang entlang nach der anderen Seite der eingebauten Kapelle. Jetzt lag ich isoliert.
Das Fieber stieg. Das Thermometer zeigte schon am Morgen vierzig Grad. Meine Phantasie fing an, sich heftig zu verwirren. Das Fieber stieg noch immer und hatte schon fast einundvierzig Grad erreicht. Zu essen bekam ich nur hie und da ein geschlagenes Ei mit Kognak. Das schmeckte süß und duftete. Meine Träume verwirrten sich immer mehr. Ich war fertig.
Die Zeit rann zäh. Das Fieber ließ langsam nach. Der Doktor fand die Wunde im besten Heilen, die Flecke darum aber recht rot. Ich fühlte mich schrecklich schwach. - Dann erklärte der Doktor eines Tages: „Die Sache sieht gut aus. Wir können jetzt die Wundklammern herausnehmen." Er griff nach dem Verbandwagen, und mit ein paar schnellen Griffen waren die Klammern fort.
Gegen Mittag erfuhr ich: ich war Unteroffizier geworden. Der Feldwebel hatte es geschrieben. Ich freute mich.
Am Nachmittag ging noch mal die Phantasie mit mir um. Aber am nächsten Morgen war ich fieberfrei. Ich schlief noch viel und wachte jeden Tag vergnügter auf.
Dann kam meine Versetzung ins Garnisonlazarett. Meine Wunde war zwar noch nicht ganz geschlossen, aber ich durfte den Arm schon etwas bewegen. Vorläufig konnte ich ihn nur zwei Handbreit von der Hüfte seitwärts führen.



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