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Walter Müller – Wenn wir 1918 … (1930)
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Vierter Teil
Der Wirtschaftskrieg

Vorwärts - 15. März 1924

Die Pläne für den Wirtschaftskrieg

Genau zehn Jahre nach dem Beginn des imperialistischen Weltkrieges wird der sozialistische Wirtschaftskrieg beginnen, und am zehnten Jahrestage der deutschen Revolution soll er beendet sein. Ebenso lange wie damals das sinnlose Zerstören dauerte, soll jetzt, zehn Jahre später, der gesteigerte Kampf für den sozialistischen Aufbau dauern. Am 4. August 1914 begann der Todeskampf des Kapitalismus. Zehn Jahre später beginnt der Kampf um den sozialistischen Endsieg. Wir werden weitere Opfer bringen in diesem neuen schöpferischen Krieg. Keine weitere Lohnerhöhung, keine weitere Arbeitszeitverkürzung soll in dieser Zeit eintreten. Der geplante Übergang zur dreitägigen Arbeitswoche wird noch nicht stattfinden. Die Rückzahlung von Anleihe wird beschränkt. Nur Anleihen, die vor mindestens drei Jahren gezeichnet worden sind, werden zurückgezahlt, und zwar nur bis zum Höchstbetrage von 120 Stundenmark (Normalmonatslolm). Die für dieses Jahr getroffene Urlaubsregelung bleibt in Kraft. Vom 1. Januar ab beträgt jedoch der Höchsturlaub nur noch 2 Monate (1 Monat ordentlicher Urlaub, 1 Monat Anleiherückzahlungsurlaub). Bis zum Ende des Wirtschaftskrieges wird die Vollkommunisierung auf folgenden Gebieten restlos durchgeführt:
1. Fleisch bis zur ärztlich empfohlenen Höchstgrenze.
2. Sonstige Lebensmittel und giftfreie Genussmittel sowie alle alkoholfreien Getränke, die in Klubs, Werkspeisehäusern, Erholungs-, Wochenend- und sonstigen Heimen verzehrt werden.
3. Mieten.
4. Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel von der "Wohnung bis zur Arbeitsstätte, bis zum Klub und bis zu den Wochenend- und Tageserholungsheimen.
5. Krankenhilfe und Krankenpflege.
6. Gesundheitspflege und hygienischer Bedarf.
Vom 1.Januar 1927 ab soll der jährliche Mindestbedarf an Kleidung und Schuhwerk unentgeltlich geliefert werden. Von diesem Tage ab wird die Produktivität unserer Wirtschaft ungefähr dreimal so hoch sein wie die ausgezahlten Einzellöhne, so dass wir uns allmählich das Rechnen mit Geldbeträgen abgewöhnen können. Nach Abzug der Milliardensummen für die Beschaffung der kommunisierten Gegenstände usw. bleiben also noch gewaltige Summen für die sozialistische Akkumulation übrig. Insgesamt sollen während des Wirtschaftskrieges für 1250 Milliarden Mark Investitionen erfolgen, die zu 60% aus der natürlichen Akkumulation und zu 40% aus Anleiheaufkommen stammen.
Man rechnet damit, dass diese 500 Milliarden Mark Anleihe aufzubringen sind, wenn jeder Werktätige durchschnittlich ein Sechstel seines Geldlohns zeichnet. Die beschränkte Rückzahlung alter Anleihen erfolgt aus laufenden Etatsmitteln.
Die Welt wird neu gegliedert. Für die gewaltigen neuen Aufbaupläne sind die alten Föderationen zu eng geworden. Vier neue große Wirtschaftsgebiete werden gebildet.
1. Eurasien (Osteuropa, Russland, Persien, westl. Vorderindien).
2. Eurafrika.
3. Ostasien (Sibirien, China, östl. Indien).
4. Australozeanien.
Mit Ausnahme des letzten Wirtschaftsgebietes sollen die neuen großen Wirtschaftsprovinzen, die alle Zonen umfassen, zu 90% autark werden und bis zum Abschluss des "Wirtschaftskrieges ihren Aufbau so weit vollenden, dass die Grundlagen der statischen Wirtschaft geschaffen sind. Alle veralteten Werke sollen bis dahin restlos durch neue ersetzt werden. Die neuen Werke sollen allen Anforderungen der sozialistischen Dauerwirtschaft entsprechen. Sie werden erbaut, wo die besten Voraussetzungen für die Ausnutzung der natürlichen Kraftquellen vorhanden sind. Was bedeutet das für uns Europäer? Das bedeutet, dass in Europa fast überhaupt keine neuen Industrieanlagen mehr entstehen. Nach und nach wird ein großer Teil unserer Industrie nach Afrika verpflanzt. Über 200 Milliarden Mark werden in Zentralafrika investiert. Zentralafrika besitzt 43% aller Wasserkräfte der ganzen Welt (das Kongogebiet allein fast 30%). Diese Naturkraft wollen wir restlos ausnützen. An der westafrikanischen Küste entstellt das Hauptindustriegebiet der neuen Welt. Die neuen Fabriken werden den heutigen sehr wenig ähneln. In hellen, sauberen, luftigen Sälen werden wenige Arbeiter und Ingenieure den Gang der fast restlos automatisierten und mechanisierten Produktion überwachen. Die Stundenleistung von 100000 Arbeitern wird gleich derjenigen von 3 Millionen vor dem Kriege sein. Alle Produktionsvorgänge, in denen die Warme eine wesentliche Rolle spielt, sollen sich im Tropengebiet abwickeln, soweit Transportüberlegungen nicht dagegen sprechen. Auch die Getreideproduktion wird mehr und mehr nach tropischen und subtropischen Gebieten verlegt. Der Charakter der Landwirtschaft wandelt sich in den nächsten Jahren grundlegend. Die vollständige Industrialisierung ist nur der Anfang. Der Gehalt des Bodens an Nährstoffen und Bakterien wird ständig untersucht und verbessert. Der Etat für bakteriologische und chemische Institute und Fabriken soll in den nächsten beiden Jahren um 100 Millionen Mark erhöht werden. Durch die bakteriologische und chemische Bodenbearbeitung wird die jetzige Qualität des Bodens zu einer fast nebensächlichen Angelegenheit. Eine viel wichtigere Rolle als die ursprüngliche Bodenqualität haben in Zukunft die beiden Faktoren: Sonne und Wasser. Die Getreidegroßproduktion ist in Zukunft unter Anwendung der modernsten Methoden im Tropengebiet auch bei schlechterer Anfangsqualität des Bodens immer noch rationeller als auf gutem Boden in der gemäßigten Zone. Wir brauchen aber gar nicht auf den schlechten Boden im Tropengebiet zurückzugreifen. Wir müssen einen gewissen Waldbestand im Tropengebiet erhalten. Dieser Wald soll auf schlechtem Boden, der in den nächsten Jahren aufgeforstet wird, entstehen. Auf den guten Böden wird dagegen der Urwald ausgerodet und macht hochmodernen Getreidefabriken Platz. Fast unsere ganze Getreidefabrikation und ein Teil unserer industriellen Produktion wird künftig im tropischen Afrika erfolgen. Nur wenige Millionen Menschen sind dann noch nötig, um die ganze Menschheit mit den Gegenständen des notwendigsten Bedarfs zu versorgen. Die Wohngebiete sollen dagegen auch in Zukunft größtenteils in der gemäßigten Zone liegen. Das Mittelmeergebiet wird zweifellos stärker besiedelt werden. In Italien sollen während des Wirtschaftskrieges neue Wohnstätten für 20 Millionen Menschen entstehen. Millionen werden nach Schluss des Wirtschaftskrieges der Lockung des Südens folgen und sich an den Ufern des Mittelmeers ansiedeln. Vorläufig aber sind wir noch an unsere Scholle gefesselt. Während der Dauer des Wirtschaftskrieges müssen wir unsere Produktionseinrichtungen restlos ausnützen, alle Kraft zusammennehmen und weitere Opfer bringen, damit wir unsere Pläne durchführen können. Die großen Mittelmeerpläne (Soermusplan) werden zunächst noch zurückgestellt. Die künstliche Abschließung des Mittelmeers durch Staudämme bei Konstantinopel, Gibraltar und am Suezkanal ist eine Aufgabe, die wir leicht durchführen können. Anders steht es dagegen um die vollständige Verlegung aller Häfen im Mittelmeergebiet, die durch die natürliche Verdunstung des Mittelmeeres und die Senkung des Wasserspiegels notwendig würde. Hierzu wären große Kapitalinvestitionen notwendig, die wir uns sparen können. Die späteren Generationen wollen auch noch etwas zu tun haben. Die Forschungsarbeiten für diesen gewaltigen Plan werden jedoch fortgesetzt. Die Pläne für die Erschließung und teilweise Bewässerung der Sahara wurden auch noch zurückgestellt. Vorläufig sind nur zwei Vegetationsgürtel mit Eisenbahnen und Straßen durch die Sahara vorgesehen. Spätere Generationen können diese Wüste in ein fruchtbares Gebiet verwandeln, wenn sie wollen. Eine Notwendigkeit dafür besteht nicht. Wahrscheinlich würde die vollständige Aufforstung der Sahara und die Verwandlung ihrer 3o m unter dem Meeresspiegel liegenden Teile in ein Verdunstungsgebiet sogar schädliche Folgen für das Klima Europas haben.
Vielleicht werden die jüngeren von uns noch die Verwirklichung dieser Pläne erleben. Wir haben vorläufig Wichtigeres zu tun und mussten deshalb in den Plänen des Wirtschaftskrieges diese Dinge unberücksichtigt lassen.
Was wird aus Nordeuropa?
Nordeuropa bleibt der Hauptwohnsitz von vielen Millionen. Der Anbau von Kartoffeln, Rüben und anderen Pflanzen mit verhältnismäßig hohem Gewicht wird auch weiterhin hier erfolgen, ebenso der Gemüse- und Obstanbau und die Viehzucht. Zum Getreideanbau sollen nur noch die besten Bodenarten benutzt werden. Die Wald- und Parklandschaft wird vorherrschen. Ganz Mesopotamien wird bis zur Beendigung des
Wirtschaftskrieges bewässert und in ein fruchtbares Gartenland verwandelt.
Der Himalaja wird das zweite Hauptkraftzentrum der Welt. Gewaltig sind schon die Energiemengen, die künftig am Südabhang des Himalaja gewonnen werden sollen. Aber diese riesigen Elektrizitätswerke sind ein Nichts im Verhältnis zu denen, die im Gebirge selbst am Oberlauf des Indus und Brahmaputra entstehen sollen. Der ursprüngliche Plan sah von 5ooo m Höhe abwärts Staustufen in regelmäßigen Abständen mit einer durchschnittlichen Fallhöhe von 100 m vor. Dadurch würde eine fast restlose Ausnutzung der Energie möglich. Die beiden Flusstäler würden auf einer Strecke von rund tausend Kilometern in riesige Stauseen verwandelt, in denen Straßen, Dörfer und Klöster verschwänden. Der neue Plan der indischen Genossen geht aber noch viel weiter. Seine Autoren behaupten, dass er wirtschaftlicher und trotz der Milliardenkosten billiger sei als der ursprüngliche Plan. Die Energie des obersten Indus wollen sie in fünf gewaltigen Staustufen ausnützen. Oberhalb Skardo, in einer Höhe von 2700 m soll dann ein 2400 m tiefer senkrechter Schacht in das Gebirge gebohrt werden. Von der Ebene aus, oberhalb von Sialkot soll gleichzeitig ein wagerechter Tunnel durch das Gebirge vorgetrieben werden und am Schnittpunkt von Schacht und Tunnel soll tief im Innern des Gebirges das gigantische Elektrizitätswerk entstehen, das die Wasserkraft des oberen Indus in einem Fall von 2300 m ausnutzt Das unterhalb der Durchbruchsstelle zufließende Wasser soll dann in kleineren Staustufen ausgenützt werden. Für den Brahmaputra liegt ein Parallelprojekt vor (Schachtausgangsstelle westlich des Yamdroktso, Tunnelausgang östlich Darjiling), eine Entscheidung über dieses Projekt wurde noch nicht getroffen. Nach den bisherigen Berechnungen scheint jedoch die Durchführung dieser Mammutpläne tatsächlich um einige hundert Millionen billiger zu sein als das Projekt der vielen Staustufen. Im Fall der Annahme soll die erste Sprengung am 4. August erfolgen.
Den Kernpunkt des russisch-asiatischen Ausbaus bilden die beiden großen Kanalprojekte. Zunächst wird die direkte Verbindung des Schwarzen Meers mit dem Kaspischen Meer hergestellt, damit der große Umweg über den Wolga-Donkanal fortfällt. Die ziemlich hohen Baukosten werden zu einem Teil durch Ausnutzung des Wassergefälles amortisiert. (Der Spiegel des Kaspischen Sees liegt 26 m unter dem des Schwarzen Meers.) Der Kanal spielt aber auch eine große Rolle in der planmäßigen Bewässerung des nordkaukasischen Gebietes mittels Verdunstungsanlagen. Dasselbe gilt von dem Verbindungskanal Kaspisches Meer—Aralsee. Der Aralsee liegt 74 m über dem Spiegel des Kaspischen Meeres, so dass auch hier eine Ausnutzung der Wasserkraft erfolgen kann. Der Kirgisenkanal verbindet den Aralsee mit dem Ischin, dem Ob und dem mittelasiatischen Kanalsystem. Im Laufe des Wirtschaftskrieges soll noch der obere Irtysch mit dem Ob und mit dem Jenissei an der Mündung der oberen Tun-guska verbunden werden. Für später ist eine Verbindung der oberen, steinigen und der unteren Tunguska mit der Lena und eine Verbindung des Lenanebenflusses Maja mit dem Ochotskischen Meer geplant.
In zehn Jahren kann man vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean auf Flüssen und Kanälen fahren, ohne das offene Meer zu berühren. Ein Teil dieser „Schiff-Fahrt" wird allerdings unseren gewohnten Vorstellungen nicht entsprechen. Einige Gebirgszüge werden nicht durch Kanäle, sondern durch Förderbänder überwunden, auf denen kleinere, besonders festgebaute Schiffe eingeklemmt und bis zum nächsten Wasserarm transportiert werden. Diese Förderanlagen sind bedeutend billiger als die Kanalbauten, verbrauchen aber größere Energiemengen. Durch rationelle Ausnutzung der Schwerkraft auf dem Talwege werden immerhin über 50% der beim Bergtransport angewandten Energie wiedergewonnen.
Die Ausführung dieser gewaltigen sibirischen Kanalprojekte erfordert so große Summen, dass die Wirtschaftlichkeit auf den ersten Augenblick zweifelhaft erscheint; sie ist jedoch eine Voraussetzung für die restlose Erschließung Sibiriens. Im Gegensatz zum europäischen Russland ist Sibirien sehr reich an Bodenschätzen, sie liegen aber teilweise sehr weit voneinander entfernt und müssen durch billige Verkehrswege miteinander verbunden werden. Die großen sibirischen Ströme sind die Einfallspforten nach Norden. Die Summen, die für Flusskanalisierung und Vergrößerung des Schiffsparks ausgegeben worden sind und weiter ausgegeben werden, sind aber auch nach sozialistischen Gesichtspunkten wenig rentabel angelegt, da ein Teil dieser Ströme fast während der Hälfte des Jahres nicht schiffbar ist. Durch die neuen Kanalbauten wird also nicht nur der Anschluss dieser Ströme an das Weltwasserstraßennetz erreicht; wir haben dadurch auch die Möglichkeit, den Schiffspark während des ganzen Jahres voll auszunutzen und die Schiffe den Schäden der harten Wintermonate zu entziehen. Auf den sibirischen Flüssen werden zehn Schiffs-Fabriken zur Herstellung von Papier und Zellulose eingesetzt, die in den Sommermonaten nach Norden vorstoßen und sich im Winter südwärts zurückziehen, so dass die Produktion während des ganzen Jahres im Gang bleiben kann. Die Transportschiffe verkehren in den Sommermonaten zwischen Nordsibirien und den waldarmen Gebieten Zentralasiens und tauschen Holz- und Holzprodukte gegen Nahrungsmittel und Industrieerzeugnisse aus. Im Winter stoßen sie in das waldarme Mittelmeergebiet vor und kehren mit Südfrüchten beladen im Frühjahr zurück. 3oo Straßenbau- und Ausholzungskolonnen stoßen quer durch die Taiga in jedem Frühjahr nordwärts vor. In vier Jahren wird ganz Sibirien mit Ausnahme der großen
Naturschutzgebiete nach den modernsten Grundsätzen forstwirtschaftlich genutzt werden. Nordsibirien wird auch in Zukunft das Land ohne Eisenbahnen bleiben. Im Sommer beherrschen Automobile und Traktoren, im Winter die Propellermotorschlitten das Feld. In diesem Winter nehmen 30 Propellertraktoren-Schleppzüge ihre Tätigkeit auf. In vier Jahren sollen es 5000 sein. Am Jahrestage der Oktoberrevolution wird die erste elektrische Schlittenlinie in Betrieb genommen. Die motorlosen Personen- und Lastschlitten werden auf dieser Linie von kleinen Elektrolaufkatzen gezogen, die sich an der Montageleitung entlang bewegen. Alle Gerüstmontagen sind transportabel und können in jedem Sommer verlegt werden. Die neue 500 km lange Elektroschlittenlinie deckt den ganzen Holzbedarf der größten Papierfabrik der Welt bei Naryn am Ob. Jedes Jahr wird sie um 1 km seitwärts verlegt. Der Urwald rechts und links der Linie wird durch Abholzkommandos, die mit den neuesten Baumfällmaschinen ausgerüstet sind, rasiert. Traktoren und Raupenschlepper bringen das Holz bis an die Elektrolinie heran, auf der es dann im Winter bis in die Fabrik geschleppt wird. Im nächsten Sommer beginnt die Wiederbepflanzung des rasierten Gürtels. Sun Yat-sen, der rastlose Revolutionär, ist mit seinem gewaltigen Aufbauwerk immer noch nicht zufrieden. Seine früheren Riesenpläne, die von seinen Gegnern als eine Ausgeburt des Wahnsinns hingestellt wurden, sind längst überholt. Er plant jetzt nicht weniger als die völlige Kultivierung und Erschließung ganz Zentralasiens, der Wüsten sowohl als auch der Hochebenen. Trotz der allgemeinen Hochachtung, der sich der große chinesische Revolutionär erfreut, ist sein Antrag im Zentralwirtschaftsrat der S.U. mit 243 gegen 127 Stimmen abgelehnt worden. Die Durchführung seiner Pläne würde weit über 100 Milliarden Mark kosten und in den nächsten Jahrzehnten keinen greifbaren Nutzen bringen. Diese gewaltige Aufgabe können wir ruhig späteren Generationen überlassen, denn die Nahrungsmittel- und Rohstoffbasis der sozialistischen Welt ist mehr als hinreichend. Die Durchführung dieser Pläne widerspricht auch dem Sinn des Wirtschaftskrieges. Im Wirtschaftskriege soll doch die sozialistische Wirtschaft unter Anspannung aller Kräfte so weit ausgebaut werden, dass Amerika hoffnungslos hinter uns zurückbleibt. Die Riesensummen, die wir in die Wüsten und Hochebenen stecken müssten, wären als Fehlinvestitionen zu betrachten, denn sie steigern unsere Wirtschaftskraft in absehbarer Zeit nicht. Der Zentralwirtschaftsrat musste also diesen Plan ablehnen. Zum Zeichen unserer unveränderten Hochachtung vor dem großen Revolutionär ist jedoch beschlossen worden, den Etatsbetrag für die gründliche Erforschung und erste Erschließung der Wüstengebiete und Hochebenen von 2 auf 3 1/2 Milliarden Stundenmark zu erhöhen. Außerdem soll die Hälfte der Raukosten für die Eisenbahnlinie und Autostraße Samarkand—Kanton aus dem Etat des Wirtschaftskrieges bestritten werden. Sun hat schließlich die Berechtigung unseres Standpunktes eingesehen. Er will trotzdem nicht locker lassen und ganz China für seinen neuen Plan mobilisieren. Die Voraussetzungen dafür sollen in China selbst geschaffen werden. Innerhalb des allgemeinen Wirtschaftskrieges proklamiert er einen besonderen chinesischen Wirtschaftskrieg mit der Parole: China überholt Europa. Ob es ihm gelingt? Alle chinesischen Werktätigen müssen ebenso wie wir ein Sechstel ihres Lohnes als Anleihe zeichnen. Bei der Bedürfnislosigkeit der Chinesen und infolge der fast abgöttischen Verehrung, die Sun in China genießt, ist es immerhin möglich, dass er seine Pläne durchführt. Die durchschnittliche Produktivität der chinesischen Wirtschaft pro angewandte Arbeitskraft ist jetzt fast fünfmal so hoch wie vor dem Kriege. In den Produktionsziffern ist übrigens die Landwirtschaft mit enthalten, in der nur eine Produktivitätssteigerung von etwa 88% erreicht worden ist. Die Industrialisierung Chinas wird auch weiterhin in rasendem Tempo fortgesetzt. Der Anteil der industriellen an der Gesamtproduktion steigt nach wie vor. Das Lebenshaltungsniveau der chinesischen Bevölkerung ist jedoch nur um 100 bis 200 % gestiegen, da alle Proletarier und werktätigen Bauern während des ganzen Fünfjahresplans sehr hohe Anleihesummen zeichnen mussten. Es wird also auch in Zukunft möglich sein, sehr große Mehrbeträge an Anleihen in China aufzubringen; damit rechnet Sun Yat-sen. Auf Malaga, Sumatra, Borneo, Java, Celebes, Neu-Guinea und auf den Philippinen wird am 4. August die dreitägige Arbeitswoche (drei Tage Arbeit, drei Tage Ruhe) eingeführt. In allen tropischen Gegenden darf diese Verordnung in der industriellen Produktion auf keinen Fall überschritten werden. In der Landwirtschaft und auf den Plantagen sind in der Saison Ausnahmen zulässig, doch darf die Gesamtzahl der Arbeitstage 180 im Jahr nicht überschreiten. Das Südseeparadies wird also Wirklichkeit. Die Hölle, zu der die kapitalistischen Sklavenhalter diese Gebiete einst gemacht haben, ist verschwunden. Auch Indien, früher das Land des allergrößten Elends und der schlimmsten Raubwirtschaft und Ausbeutung, wird jetzt bald das Märchenland sein, das es früher nur in der Phantasie der belogenen Europäer war.
Wir bauen neu die alte Welt. In harter, planmäßiger, zielbewusster Arbeit schaffen wir das Paradies auf Erden. Hammer und Sichel sind unser Zeichen, Turbine und Traktor unsere Waffen im Wirtschaftskrieg gegen den Kapitalismus. Der Sozialismus marschiert!


Vorwärts - 15. April 1924

Amerika schließt sich ab
Unsre Antwort: Kündigung der Anleihen!

Die nordamerikanische Union erhöht nochmals die Zollsätze. Obwohl die kapitalistische Hochkonjunktur immer noch anhält, machen sich schon die ersten Anzeichen der Absatz- und Anleihekrise bemerkbar. Milliardensummen sind in Mittel- und Südamerika, in Kanada und vor allem in den Südstaaten der Union investiert worden, wo mit großer Geschwindigkeit ein neues Industrierevier aus dem Boden wächst. Gewaltige Produktionsanlagen sollen Amerika völlig von unserer Einfuhr unabhängig machen. Der Kapitalismus kann aber nur dann neue Investitionen vornehmen, wenn nach kapitalistischen Gesichtspunkten eine Rentabilität gewährleistet ist, mit anderen Worten also, wenn genügend Mehrwert aus den beschäftigten Proletariern herausgeholt werden kann, und wenn eine Realisierungsmöglichkeit durch Absatzsicherung besteht. Diese Absatzsicherung soll durch die neuen Zollschranken erreicht werden. Das ist natürlich vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft aus sehr kurzsichtig. Wir werden nach wie vor nur so viel Waren aus Amerika beziehen, wie wir dort absetzen. Während also der Absatz für die neuen Produktionsanlagen gesichert wird, geht gleichzeitig der Absatz derjenigen Unternehmer zurück, die bisher die für die S. U. bestimmten Waren geliefert haben. Ein Ausgleich soll allerdings durch die neuen Riesenanlagen erfolgen, die der amerikanische Kapitalismus in Süd- und Mittelamerika errichten will. Eine Zeitlang wird er hierdurch die drohende ökonomische Krise hinausschieben können. Der Zusammenbruch wird dann aber um so furchtbarer sein. Beschleunigen wird den Eintritt der Krise die Kündigung unserer Anleihen. Je ein Viertel der gesamten Anleihesumme wird zum 1. Januar 1925, zum 1. Juli 1925, zum 1. Januar 1926 und zum 1. Januar 1927 gekündigt. Wie wird Amerika das aushalten? In welcher Form wird es die Anleihesummen zurückfordern? Wie sollen die gewaltigen Warenmassen zurückgenommen werden, ohne eine Massenarbeitslosigkeit in Amerika hervorzurufen? Die kapitalistische Regierung muss sich jetzt schon mit hohen Zollschranken gegen unsere Einfuhr wehren. Vergeblich! Wir haben bis jetzt die amerikanischen Preise nicht wesentlich unterboten und dadurch Milliardensummen für unseren Aufbau gewonnen. Wenn wir jedoch die Verkaufspreise unserer Erzeugnisse für den amerikanischen Markt auf die Gestehungs- plus Transportkosten herabsetzen, so können wir die inländische Konkurrenz auf dem amerikanischen Markt auch bei Zollsätzen von 50% auf fast allen Gebieten schlagen. Ob wir so vorgehen, ist noch die Frage. Wir brauchen Amerika nicht mehr. Der sozialistische Aufbau geht unaufhaltsam vorwärts. Bald hat die Sterbestunde des Kapitalismus auch auf dem amerikanischen Kontinent geschlagen.


Vorwärts - 3. August 1924

Die „Kriegserklärung"

Auch vor zehn Jahren zogen begeisterte Menschen durch die Straßen. Damals herrschte ein fast ebenso großer Jubel wie heute. Aber welch ein gewaltiger Unterschied besteht zwischen 1914 und 1924! Damals schickte die Menschheit sich an, sich selbst zu zerfleischen. Millionen Menschen wurden dem Produktionsprozess entzogen und von den kapitalistischen Herrschern auf die Schlachtbank geführt. Trotzdem wurde die Produktion noch ausgedehnt.
Aber fast die Hälfte aller Menschen produzierte mittelbar oder unmittelbar für die Zerstörung. Milliardenwerte wurden vernichtet, Milliardenwerte zum Zweck der Zerstörung produziert, 25 Millionen Menschen wurden getötet oder verwundet.
Heute marschieren wir abermals in den Krieg. Aber es ist ein anderer Krieg, den wir beginnen. Der Krieg des Aufbaus, der heilige Krieg des Sozialismus! Eine Milliarde Menschen marschieren heute unter den roten Bannern auf, um ihre Kampfentschlossenheit zu zeigen. Von den Lippen einer Milliarde erklingt heute der Schwur:
„Ich gelobe, meine ganze Kraft in den Dienst des sozialistischen Aufbaus zu stellen. All mein Sinnen und Trachten sei während des Wirtschaftskrieges dem großen Ziele geweiht. Alle persönlichen Wünsche will ich in dieser Zeit zurückstellen. An meinem Arbeitsplatz will ich dafür sorgen, dass die Produktion gesteigert und verbilligt wird. In meiner Freizeit will ich freiwillig Aufgaben übernehmen, die zum Wohl der Allgemeinheit notwendig sind. Ich will dafür sorgen, dass während des Wirtschaftskrieges alle hauptamtlichen Kräfte aus dem Verwaltungs- und Verteilungsapparat entfernt und durch ehrenamtliche Kräfte ersetzt werden. In allen Gemeinschaften will ich dafür sorgen, dass keine kommunisierten Lebens- und Genussmittel vergeudet oder verdorben werden, dass alle geeigneten Abfälle der tierischen Ernährung zugeführt und alle sonstigen Abfälle sachgemäß verwendet werden. Ich will mit all meinen Kräften den Kampf gegen Schmutz und Unsauberkeit, gegen Schlendrian und Bürokratismus, gegen Rückständigkeit und Unwissenheit unterstützen. Alle Missstände will ich bekämpfen und sie — wenn keine Abhilfe geschaffen wird — ohne Rücksicht auf persönliche Freundschaft den Kontrollausschüssen melden. Ich will mich körperlich, geistig und moralisch gesund erhalten, mich weiterbilden und allen Genossen und Kindern bei diesem Bestreben behilflich sein. Den schlimmsten Feind der Menschheit, den Eigennutz, will ich an mir und anderen bekämpfen.
Ich will mich militärisch weiterbilden und an den Mobilmachungsvorbereitungen mitarbeiten. Ich schwöre, dass ich im Ernstfalle weder meine Kraft noch mein Leben schonen, sondern mich rücksichtslos einsetzen will im Kampf um die Verteidigung der Sozialistischen Union."
Dieses Bekenntnis ist beim größten Teil der Bevölkerung der S.U. kein Lippenbekenntnis mehr. Der kapitalistisch denkende Mensch stirbt bei uns allmählich aus. Der Eigennutz wird von allen als Todsünde empfunden, auch von denen, die ihn noch nicht restlos abgestreift haben. Jeder Mensch, der heute noch versucht, für seine Person besondere Vorteile irgendwelcher Art zu erlangen, fällt der allgemeinen Verachtung anheim. Die Eigentumsdelikte sind fast ganz verschwunden. Privateigentum bringt keine Vorteile mehr. Was sollte ein Verbrecher heute mit gestohlenem Geld anfangen? Er kann es ja kaum los werden! Alle Nahrungs- und Genussmittel stehen mit wenigen Ausnahmen allen Werktätigen zur Verfügung. Auch ein starker Raucher kann heute nicht sein ganzes Geld ausgeben. Lohnt es sich aber zu stehlen, um sich an teurem Schnaps bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken? Oder wird heute ein normaler Mensch etwa stehlen, um sich ein Dutzend besonders teurer Anzüge in den Schrank zu hängen, wenn durch den Besitz dieser Anzüge sein Ansehen bei den Mitmenschen eher fällt als steigt? Ein Mensch, der heute über einen größeren Besitz an Luxusgegenständen verfügt, degradiert sich in den Augen aller, denn er demonstriert nur seine moralische Minderwertigkeit. Er ist, auch wenn er nicht gestohlen hat, in den Augen aller anderen Menschen ein Verbrecher, der seine Pflichten gegenüber der Allgemeinheit nicht erfüllt und nicht so viel Anleihe gezeichnet hat, wie er konnte. Wer heute noch nach alter Mode geschniegelt und gebügelt statt im gesunden Waschanzug im Wochenendheim oder im Sommerlager erschiene, könnte sich vor dem Spott seiner Mitmenschen nicht mehr retten. Wird es heute noch jemand geben, der es wagt, mit einer goldenen Uhr, mit echten Ringen oder ähnlichem „Schmuck" zu protzen? Geltung hat heute nur derjenige, der Körper und Geist gesund erhält, ordentlich Anleihe zeichnet und seine ganze Kraft in den Dienst des sozialistischen Aufbaus stellt.
Am Ende des Wirtschaftskrieges wird nicht nur die vollkommene sozialistische Wirtschaft, sondern auch die sozialistische Gesellschaft und der sozialistische Mensch stehen.


Vorwärts - 12. August 1924

Sun Yat-sen schlägt los

Gestehen wir es ruhig ein: China ist nicht nur im Begriff, uns einzuholen, es hat uns bereits überholt. Die Mobilisierung ist Sun Yat-sen in vollem Umfange gelungen. Während wir uns vom Fünfjahresplan ausruhten und Kräfte sammelten für den Wirtschaftskrieg, hat China mit Hochdruck weitergearbeitet. 20 Milliarden Sonderanleihen sind in diesem Jahr in China eingezahlt worden. Die Kapitalakkumulation ist noch bedeutend größer. Überall, wo es möglich ist, wird in Acht- statt in Sechsstundenschichten gearbeitet. Der zweite Feiertag in der Sechstagewoche wird nur dort innegehalten, wo noch nicht genügend Produktionsmittel vorhanden sind. Für alle Jugendlichen vom achtzehnten bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres ist in China die Arbeitspflicht eingeführt worden. Es haben sich aber auch Hunderttausende von älteren Genossen freiwillig gemeldet, um in den „Matten"-fabriken und in den Wüstengebieten zu arbeiten. In der Arbeitsarmee ist der Kommunismus fast restlos durchgeführt. Die Angehörigen der Arbeitsarmee erhalten nur noch ein Taschengeld von monatlich 10 Mark. Etappenkolonnen der Arbeitsarmee haben jetzt auch den Gespinstanbau, den Fronttransport und die Fabrikation von Pumpen, Röhren, Windmotoren und „Wüstenmatten" übernommen. Wie ist dieser ungeheure Erfolg möglich geworden in einem Lande, das vor kurzem noch vollkommen in mittelalterlichen Anschauungen befangen war? Die persönliche Initiative Sun Yat-sens hat Wunder gewirkt. Sein Wort ist für jeden Chinesen ein Befehl. Die Begeisterung und Opferfreudigkeit für den neuen Aufbauplan ist in China, so unglaublich es auch klingen mag, noch weit größer als bei uns. Die Erfolge der bisherigen Arbeiten sind aber gerade in China trotz allen Opfern, die Sun von den Chinesen verlangt, so auffällig, dass niemand sich dem Aufbaufieber entziehen kann. Ganz China debattiert jetzt schon den neuesten Plan Sun Yat-sens. Sun hat dem australischen Zentralrat den Vorschlag gemacht, 100 Milliarden Mark für die restlose Erschließung Australiens auszugeben und 20 Millionen Chinesen in Australien anzusiedeln. Wir sind neugierig, ob die australischen Genossen endlich ihren Rassedünkel aufgeben werden.


Vorwärts - 1. September 1924

Eine Gnadenfrist für Amerika
Die Bemühungen der amerikanischen Kapitalisten um Zurücknahme der Anleihekündigung haben nun doch noch Erfolg gehabt. Sun Yat-sen will diese Riesensummen für seine erweiterten Pläne verwenden und die ganze Verpflichtung für zwei Jahre auf die Ostasiatische Föderation übernehmen. Die übrigen Föderationen sollen ihren Anteil an den amerikanischen Krediten direkt (in Waren) an die Ostasiatische Föderation zurückzahlen. Die Amerikaner bemühten sich, 3% Zinsen herauszuholen. Sun war großzügig und gewährte ihnen 2%, obwohl sie vielleicht auch mit 1% abgeschlossen hätten; denn wo sollen sie mit den Waren hin? Alle Rückzahlungstermine werden um 3 Jahre verschoben.
Europafrika liefert an Ostasien während des Wirtschaftskrieges eine Million Traktoren und Lastautomobile und für 10 Milliarden Mark Röhren, Eisenbahnschienen, Lokomotiven und Waggons, Windmotoren, elektrische Maschinen und Drahtleitungen.
Auch Russindien will sich mit 100000 Traktoren und weiteren 10 Milliarden Mark sowie durch Stellung von zwei Millionen Winterfreiwilligen an der gewaltigen Aufgabe beteiligen. In Sibirien sollen im nächsten Jahre zwei Millionen Hektar Steppenland mit Gespinstpflanzen bestellt werden, die sich zur Herstellung von so genannten Wüstenmatten eignen. Die größte Bedeutung für die Wüstenbepflanzung in Zentralasien ha aber die neue, von den russischen Genossen konstruierte Holzfasermatte. Russland wird während des Wirtschaftskrieges für fünf Milliarden solcher Holzfasermatten produzieren. China beteiligt sich dafür mit derselben Summe am beschleunigten Ausbau des transasiatischen Kanalsystems.

An der chinesischen Front
Im Flugzeug über der Wüste Gobi

Wenn es einem nicht bekannt wäre, so käme man nicht auf den Gedanken, dass Gobi eine Wüste ist. Niemals sahen wir ein so eindringliches Bild menschlicher Tätigkeit wie hier. Überall Bohrtürme, Schacht- und Straßenbaukolonnen, Traktorenzüge und einmal sogar eine Eisenbahnlinie. In regelmäßigen Abständen wird ganz Zentralasien bis auf 2000 m Tiefe angebohrt. Wichtige Funde sind bisher gemacht worden: Metalle, Salze, Kohle, Gold und sogar ein noch viel wertvollerer, — Wasser. Wasser! Leider nicht so viel, wie die Optimisten hofften. Wo immer man auf Wasser stößt, wird es heraufgeholt, und wenn es aus 2000 m Tiefe ist. In drei Jahren ist Zentralasien das Land der Windmotore. Hunderttausende von Windmotoren heben das Wasser aus dem Erdinnern und aus den nordchinesischen und sibirischen Staubecken empor. In sechs Jahren soll Gobi das bestbewässerte Land der Welt sein. In zehn Jahren soll der natürliche Wasserreichtum so groß sein, dass die meisten Windmotoren ihrer jetzigen Funktion enthoben und in den Dienst der Elektrizitätserzeugung gestellt werden können. In drei Jahren schon, so versichern die Sachverständigen, wird der Wolkenreichtum über der „Wüste" Gobi ebenso groß sein wie in Europa, wird es keine eisigen Nächte und glutheißen Tage mehr geben. Dann ist die weitere Erschließung ein Kinderspiel. Wie ein Kinderspiel sieht von unserer Höhe aus das lustige Treiben heute schon aus. Als wir aber landeten, sahen wir, dass hier nicht Kinder spielen, sondern junge Menschen mit fanatischem Eifer daran arbeiten, unserem Planeten ein neues, ein sozialistisches Gesicht zu geben.
Wir gehen neben einer Zeltstadt nieder. Eine Zeltstadt mitten in der Wüste! Der Regimentskommandeur empfängt uns; er erklärt, weshalb die Stadt gerade hier angelegt worden ist. Von zwölf Bohrungen, die auf 10 Kilometer im Quadrat niedergetrieben wurden, hat nur diese eine reichlich Wasser gegeben.
Im Umkreis von 5 km sind weitere zwölf Bohrungen an geologisch aussichtsreichen Stellen geplant. Der Regimentskommandeur hofft, so viel Wasser zu finden, dass der Anschluss dieses Gebietes an das Zentralröhrensystem unterbleiben kann. Wir befragen ihn über die Aufgaben seines Regimentes.
„Weshalb wird es gerade hier, mitten in der Wüste, eingesetzt?"
„Unser Regiment ist ein Rohr- und Mattenkombinat. Die Mattenkolonnen werden nur in völlig vegetationslosen Gebieten eingesetzt. An den Randgebieten und auf den Landstrecken, wo schon geringe Ansätze einer Vegetation vorhanden sind, wird mit weniger kostspieligen Methoden gearbeitet. Wir müssen Wasser suchen und fördern, Oasen anlegen und Wolken fabrizieren." „Wolken fabrizieren?"
Ja, die zu starke Erhitzung am Tage und die furchtbare Abkühlung in der Nacht muss gemildert werden, damit erst einmal normale Vegetationsbedingungen entstehen. Die Hauptaufgabe fällt natürlich den zwölf Röhrenmattendivisionen zu. Sie legen zwölf Vegetationsstrecken durch die Wüste, zehn in nordsüdlicher, zwei in ostwestlicher Richtung. Diese zwölf Strecken sind das Vegetationsgerippe. Von dort aus werden dann nach und nach die Innenflächen der Vierecke bewässert und angebaut. Die Hauptsache ist aber zunächst die Wolkenfabrikation. Sobald wir genügend Wolken und Luftfeuchtigkeit haben, kann der planmäßige Anbau mittels Wechselmatten beginnen, durch den ungefähr 20% der Wüstenoberfläche erfasst werden sollen. Dann können wir auch die Gebiete mit spärlicher Vegetation weiter anbauen und aufforsten. Diese Gebiete sind viel größer als bisher angenommen wurde. Viele Landstrecken, die als vegetationslos galten, zeigen in der Regenzeit Vegetationsspuren, sind also nach Veränderung des Klimas ohne allzu hohe Kosten anbaufähig."
In diesem Augenblick kommt ein Traktorenschleppzug an und hält dicht vor uns. Der riesige Raupenschlepper hat zwanzig Walzen mitten durch die Wüste herangeschleppt. Jede Walze hat einen Durchmesser von 4 m und ist 6 m breit. Vom Lager her naht eine Hundertschaft. Je fünf Mann beschäftigen sich mit einer Walze. Im Nu sind die Verbindungsstege ausgehakt, die Walzen gedreht und abmontiert. Die 20 Ballen werden nebeneinander abgerollt. Je fünf Mann stoßen einen riesigen Mattenballen vor sich her. Auf dem Wüstensand, auf dem wir eben noch standen, wird in einigen Tagen die erste Vegetation sprießen. Wir sehen uns die Matten an. Sie sind sechs Zentimeter dick und bestehen scheinbar nur aus einem filzigen Schwamm. Der Führer erklärt uns aber, dass jede Matte auch Nährsubstanzen und Samen enthält. In Abständen von je 10 m werden quer über den neu gelegten 120 m breiten Mattenstreifen durchlochte Wasserleitungen gelegt. Der Schwamm saugt das Wasser auf und verteilt es gleichmäßig über die ganze Fläche. Ein großer Teil des Wassers verdunstet. Bei starker Bewässerung sickert Wasser in den Boden. In einigen Tagen gehen die ersten der in der Matte enthaltenen Samen auf; sie finden in der Matte selbst genügend Nährstoffe. Dann beginnt das Wachstum des Mooses. Die Ernährung des Mooses erfolgt durch Chemikalien, die dem Wasser beigemischt werden. Erst die dritte und vierte Samensorte senkt nach dem Aufgehen die Wurzeln in den Boden. Drei bis vier Jahre lang schützt die Matte die jungen Pflanzen vor zu strenger Hitze am Tage und den Boden vor zu starker Abkühlung in der Nacht; dabei verdunstet unaufhörlich Wasser. Dann beginnt die Matte langsam zu verfaulen und düngt hierbei die Pflanzen, die sich unter ihrem Schutze festgesetzt haben. Nach Fertigstellung der zwölf durch Leitungen bewässerten Vegetationsbezirke werden täglich gewaltige Wassermengen verdunsten. Diese Arbeit wird durch die Bohrmattenkolonnen und -regimenter unterstützt, die die unterirdischen Wasserschätze heben. „Wie lange ist die Arbeitszeit?"
„Acht Stunden. Meine Jungens arbeiten aber meistens freiwillig zwölf Stunden mit Unterbrechungen. Wir stehen im sozialistischen Wettbewerb mit dem zwölften Regiment. Und die Zwölften sind gute Arbeiter. Wir haben einen harten Stand."
„Ist denn diese lange Arbeitszeit gestattet?" „Nein, es darf eigentlich nicht länger als zehn Stunden gearbeitet werden, aber unsere Freiwilligen halten sich nicht daran. Wir haben Mühe, sie zur kulturellen Arbeit ins Versammlungszelt zu bekommen. Sie halten die praktische Arbeit für wichtiger. Das Aufbaufieber hat sie erfasst." Wir besichtigen noch die Bücherei und die Küchenräume. Es ist gleich 18 Uhr. Die Stunde Sun Yat Sens. Die Genossen gehen ins Lagerzelt, wo schon der Lautsprecher angestellt ist. Zehn Minuten später schweben wir wieder über der Wüste. In Abständen von 50—100 km sehen wir immer wieder neue Zeltstädte. Dann überfliegen wir einen Hauptarbeitsstreifen, der vorläufig nur durch die Häufigkeit der Zeltstädte zu erkennen ist. Bald werden die ersten Röhrenleitungen gelegt, und in einigen Jahren wird die Wüste anfangen zu leben. Die Menschheit ist jung geworden. Sie stellt sich, wie die Jugend stets, kühne, gewaltige Aufgaben. Aber sie werden gelöst. Mensch sein heißt — Schöpfer sein.


Vorwärts - 11. September 1924

Ultimatum Japans?

Der japanische Botschafter ist in Berlin vorstellig geworden und hat die Auslieferung der 3ooo japanischen Meuterer verlangt, die auf Neuguinea landeten, nachdem sie den Kapitän und die Offiziere des Transportschiffes „Yatakama" überwältigt und das Schiff durch Umstellen zweier Buchstaben auf den Namen des japanischen Revolutionärs „Katayama" umgetauft hatten. Die Auslieferung ist natürlich verweigert worden. Das Schiff steht zur Verfügung der japanischen Regierung; der Zentralrat der S.U. verlangt jedoch vor Herausgabe des Schiffes eine Untersuchung über die amerikanischen „Werbemethoden" in Japan und sofortige Freilassung aller dort in Haft befindlichen Revolutionäre.
Die ganze Menschenladung des „Katayama" war zur Auswanderung nach Amerika gezwungen worden. Viele Arbeiter wurden sogar gewaltsam abtransportiert, obwohl sie sich allen Drohungen und Zwangsmaßnahmen zum Trotz geweigert hatten, einen Revers zu unterzeichnen, wonach sie freiwillig auswanderten.
Der japanische Menschenexport ist bereits der reinste Sklavenhandel. Er soll der immer stärker werdenden Abwanderung aus Amerika nach der S. U. entgegenwirken. Die amerikanische Regierung traut sich nicht, die Auswanderung weißer Arbeitskräfte zu verbieten. Auch unter der farbigen Bevölkerung wird die Auswanderungsneigung immer stärker. Der Aufbau Afrikas hat schon Zehntausende von farbigen Arbeitern, Ingenieuren und Technikern angelockt. Unsere Werbung von Freiwilligen in Mittel - und Südamerika macht bereits böses Blut, denn die Bevölkerung Amerikas nimmt merkbar ab. Wie soll aber der amerikanische Kapitalismus seine Kapitalakkumulation unterbringen, wenn das Ausbeutungsmaterial fehlt? Immer mehr Chinesen wandern zurück, obwohl sie von den Yankees jetzt nicht mehr, wie früher, verachtet, sondern umschmeichelt und umworben werden. Japan ist noch das einzige Menschenreservoir des amerikanischen Kapitalismus. Eine Zeitlang ging alles gut. Dank den großen Versprechungen und den glänzenden Werbemethoden der Yankees wanderten dreimal soviel Japaner nach Amerika wie in die Sozialistische Union. Langsam änderte sich das Verhältnis. Die große Erdbebenkatastrophe des Jahres 1923 brachte einen völligen Umschwung. Unsere großzügige Hilfe öffnete den japanischen Arbeitern die Augen und zeigte ihnen den Unterschied zwischen sozialistischer Solidarität und kapitalistischer „Unterstützung". Seitdem haben sich die innerjapanischen Verhältnisse ständig verschlimmert. Die Agitation für die Auswanderung nach der S.U. wurde verboten und streng bestraft. Die Fiktion der Auswanderungsfreiheit wurde aber zunächst noch gewahrt. Wer sich durch Scherereien, Plackereien und Repressalien von seinem Vorhaben nicht abbringen Kess, erhielt schließlich doch die Ausreiseerlaubnis. Das ist jetzt vorbei. Der Sklavenhandel, der am Anfang des amerikanischen Kapitalismus stand, ist auch das Sinnbild der letzten kapitalistischen Epoche. Die versteckte Sklaverei weicht wieder der offenen. Der Kapitalismus zeigt unverhüllt seine brutale Fratze. Die reichen Übergewinne des amerikanischen Kapitalismus ermöglichten eine ständig steigende Kapitalakkumulation bei gleichzeitig steigenden Löhnen und bei steigender Kaufkraft der Gesamtbevölkerung. Amerika hätte längst zu einer starken Verkürzung der Arbeitszeit und zu weiteren Lohnsteigerungen übergehen können. Das widerspricht aber dem Wesen des kapitalistischen Systems, das die konkurrierenden Betriebe und Konzerne nicht zwingen kann, diesbezügliche Vereinbarungen zu treffen und — dann auch zu halten. Amerika muss versuchen, den Kreis der Ausbeutung immer weiter zu ziehen, damit die Verzinsung des ständig steigenden Kapitals gewährleistet wird. Die übrige Welt ist der amerikanischen Kapitalexpansion verriegelt. Die Anlagemöglichkeiten in Amerika sind trotz großen Neuanlagen im Süden fast restlos erschöpft. Nur ein Menschenzuwachs in Amerika selbst kann noch neue Anlagemöglichkeiten bringen. Bald wird aber auch diese Reserve verloren gehen. Mit Naturnotwendigkeit muss in Amerika eine Massenarbeitslosigkeit eintreten, sobald alle Möglichkeiten der Kapitalsanlage erschöpft sind. Daran wird auch der Menschenhandel aus Japan nichts ändern. Die Stimmung in Japan gegen die Auswanderung nach Amerika nimmt übrigens immer mehr zu. Japan wird die Auswanderungsfreiheit nach der S. U. wiederherstellen müssen, oder es wird über kurz oder lang eine Revolution erleben. Wir bleiben jedenfalls hart und liefern die 3000 Rebellen auf keinen Fall aus.


Vorwärts - 12. Januar 1925

Klassenkämpfe in Japan

Der Klassenkampf in Japan nimmt immer schärfere Formen an. Die japanische Regierung hat sich deshalb genötigt gesehen, die Auswanderungsfreiheit offiziell wieder einzuführen. In Wirklichkeit benutzt sie jedoch diese Maßnahme nur dazu, einige tausend revolutionärer Arbeiter nach der S.U. abzuschieben. Japan und die nordamerikanische Union haben gleichzeitig die weitere Herausgabe der Konsulatszeitungen verboten. Die Konsulatszeitungen waren in den kapitalistischen Ländern unser einziges Mittel, objektive Nachrichten über die S. U. zu verbreiten. Diese Zeitungen wurden in Japan von über 300000, in Amerika von fast 2 Millionen Menschen gelesen.


Vorwärts - 26. Januar 1925

Erneuerung der Handelsverträge?

Die Verhandlungen mit den ABC-Staaten und mit Mexiko sind immer noch nicht abgeschlossen. Wir sind nach wie vor bereit, diesen Staaten so viel Waren zu liefern, wie sie haben wollen, und den Gegenwert in Landesprodukten zu entnehmen. Wir wollen jedoch für diese Waren frei Ankunftshafen nicht mehr als die Gestehungskosten in unserem Bundesgebiet bezahlen. Die ABC-Staaten müssen also entweder Grundrente und Unternehmerprofit beschneiden oder die Löhne kürzen. Die Handelskammern dieser Staaten haben jetzt folgendes Projekt ausgearbeitet: Die billigen Waren aus der S. U. werden zu den höheren Verkaufspreisen der nordamerikanischen Union abgesetzt. Die Differenzbeträge sollen dazu benutzt werden, den Lieferanten der für die S. U. bestimmten Waren ein Aufgeld zu bezahlen, das sie für den Verlust durch die Lieferungen an uns entschädigt. Die Befürworter dieses Projekts glauben, auf diese Weise ließen sich Rente und Unternehmerprofit auch bei Annahme unserer Bedingungen über Mindestlohnhöhe usw. aufrechterhalten. Die wahren Beherrscher Süd- und Mittelamerikas, die Herren der Wallstreet, haben ihre Zustimmung gegeben. Der Vertrag darf mit ihrer Erlaubnis auf zwei Jahre abgeschlossen werden. In dieser Zeit aber soll die süd- und mittelamerikanische Wirtschaft so weit umgestellt werden, dass sie von der Ausfuhr nach der S.U. unabhängig wird. Wir nähern uns dem Zustand der sozialistischen und kapitalistischen Autarkie.


Vorwärts - 25. April 1925

Der Festtag der Donau-Balkan-Föderation

In keiner anderen Föderation ist die ganze Arbeit aller Einwohner so sehr auf einen Punkt konzentriert worden wie in der Donau-Balkan-Föderation. Keine andere Föderation hat sich so ausschließlich mit sich selbst beschäftigt wie diese.
Und trotzdem kann gesagt werden, dass in keiner anderen europäischen Föderation mehr gearbeitet wurde. Donau und Wasserwirtschaft, — das waren die Pole, um die sich das Leben in der Donau-Balkan-Föderation gedreht hat. In den Gebirgen begann die Arbeit. Zuerst wurden die Wasserkräfte mit verhältnismäßig großer Fallhöhe ausgenutzt. Bald aber bewegten sich die Baukolonnen und die Armeen der Zeitfreiwilligen weiter talwärts. Den Abschluss des ersten Abschnittes bildete die Vereinigung des Donausystems mit dem Oder- und Weichselsystem. Während die Arbeit an den Nebenflüssen munter fortschritt, begann schon im oberen Abschnitt die Fesselung der Donau, deren Wasserkräfte jetzt von einer Meereshöhe von 6oo bis 220 m restlos ausgenutzt werden. Am 1. Mai 1919 fielen westlich Linz die ersten Sprengschüsse im Tal des großen Rodl. Am 1. Mai 1920 begannen die Wasser zu steigen. Monat um Monat, Jahr um Jahr stieg das Wasser und füllte das geräumte Tal. Am 1. Mai 1922 war die Moldau oberhalb Budweiß von 385 bis 550 m Seehöhe in steinerne Bänder gelegt. Am 1. Mai 1924 begegneten sich die Wasser der Elbe und der Donau 560 m über dem Meere. Die Donau war jetzt mit dem westlichen Mittelmeer, mit dem Atlantischen Ozean und zweifach mit Nord- und Ostsee verbunden. Am selben Tage wurden auch die 3—6 m hohen Staustufen oberhalb und unterhalb Wien—Pressburg und Budapest eingeweiht. Im Unterlauf 100 bis 76 m über dem Meere, südlich von Budapest bis Belgrad, wird nur etwa ein Drittel der Wasserkraft durch eine Reihe von Doppelwasserradstauwerken ausgenutzt. Diese geringe Ausnutzung war unvermeidlich. Die Anlage fester Staudämme und Schleusen hätte unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht und wäre auch nach sozialistischen Grundsätzen unrentabel gewesen. Der große Schlussstein in diesem gewaltigen Gebäude ist nun nach mehr als fünfjähriger Arbeit gesetzt worden. Von o bis 70 m Meereshöhe werden vier Siebentel der ganzen Wasserkraft durch drei Riesenwerke ausgenutzt. Durch den gewaltigen Staudamm bei Tschernawoda und den Kanal Tschernawoda—-Konstanza wird zwar nur eine Fallhöhe von
5 m gewonnen, aber bei den ungeheuren Wassermassen der unteren Donau wäre die Rentabilität auch dann außer Zweifel, wenn diese Riesenanlage nicht noch folgende gewaltige Vorteile brächte: Der Schifffahrtsweg wird um über 200 km verkürzt. Die nördliche Dobrudscha und das Donaudelta werden entwässert und mit Hilfe der großen Energiemengen des Tschernawodawerkes in ein elektrisch-agrarisches Musterland verwandelt. Die Bagger- und Kanalisierungsarbeiten in der Donau von Tutrakan bis Orjechowa wurden Anfang vorigen Jahres beendet und brachten eine Senkung des Wasserspiegels auf 23 m bei Orjechowa. Von Orjechowa bis Lom-Palanka konnte der Wasserspiegel um 4 bis
6 m gesenkt werden, während die Flusssohle durchschnittlich nur um 3—5 m gesenkt werden musste. Vor einem Jahre wurde der Abkürzungskanal Cetatea—Lom-Palanka in Betrieb genommen. Der Wasserspiegel dieses Kanals bei Cetatea liegt jetzt nur noch 32 m über dem Meeresspiegel, also 8 m tiefer als früher. Der Wasserspiegel oberhalb Cetatea liegt jedoch jetzt nach Fertigstellung des neuen Staudamms 2 m höher als früher. Das Kraftwerk Cetatea arbeitet also mit einer Fallhöhe von 10 m. Der große Donaubogen Cetatea—Lom-Palanka ist stillgelegt und in eine Kette von Fischzuchtteichen verwandelt worden. Bei außerordentlichem Hochwasser kann er als Reservebecken verwandt werden. Das wird jedoch nach menschlichem Ermessen kaum eintreten.
Von der Mündung und vom Meere her wurde der gewaltige Fluss in Fesseln geschlagen und gezwungen, uns dienstbar zu sein. Beendet wird nun dies Riesenwerk durch die Mammutkraftzentrale bei Brsha-Palanka. Von Mitte 1919 bis Anfang 1920 dauerte die Fehde, die innerhalb und außerhalb der Partei in der Donau-Balkan-Föderation geführt wurde. Nach den Angaben eines Statistikers soll dieser Streit über 150000 kg Papier verschlungen haben. Drei Parteien standen sich in diesem Meinungskampf gegenüber. Die Turnupartei wollte bei Turnu—Severin einen Staudamm errichten und das ganze Tal unter Wasser setzen. Die Tunnelpartei wollte den Donaubogen als Hauptschifffahrtsweg beibehalten und nur einen Teil der Wassermassen durch einen Tunnel von Doljni nach Brsha-Palanka leiten. Die siegreiche Kanalpartei hatte zuerst nur wenig Anhänger. Es stand zwar von Anfang an fest, dass das Kanalprojekt Dolnji—Brsha-Palanka die größte Energieausnutzung verspreche. Doch die Kosten erschienen unverhältnismäßig hoch. Nun wurden aber an der unteren Donau für die Kanalisierung, für Flussbauten und für die beiden großen Staudämme gewaltige Steinmassen gebraucht, deren Gewinnung auch an anderen Stellen mit sehr hohen Kosten verbunden gewesen wäre. Bei der großzügigen Durchführung des Kanalprojektes ließen sich diese Steinmassen so nebenbei mit gewinnen, so dass schließlich der Plan in noch viel großartigerer Form zur Ausführung kam, als es die Befürworter selbst zuerst verlangt hatten. Der große Donaubogen ist jetzt stillgelegt. Nordöstlich Doljni ist das frühere Flussbett nur noch für Boote befahrbar. Erst von Alt-Orsowa ab wird der Fluss durch das Wasser der Cerna auch für größere Barken wieder schiffbar. Das Eiserne Tor, früher der Schrecken der Schiffer, ist jetzt das Idealgebiet für unsere Paddelbootfahrer. Bei Doljni hält ein gewaltiger Staudamm den gewaltigen Strom auf und leitet ihn in den breiten durch das Gebirge gehauenen Kanal nach Brsha-Palanka, wo seine Energie in einem Fall von 70 auf 45 m Höhe ausgenutzt wird. Oberhalb Dolnji ist jetzt das ganze Gebirgstal vom Wasser ausgefüllt. Alle Ortschaften sind darin verschwunden. Die Eisenbahnlinie und Autostraße führt 80 km lang auf dem Grunde des Wassers durch einen hellerleuchteten Tunnel und kommt erst bei Dolnji wieder ans Tageslicht. Auf der Donaustrecke Brsha-Palanka bis Radujewatz mussten umfangreiche Bagger-, Kanalisierungs- und Verbreiterungsarbeiten zur Senkung des Wasserspiegels bei Brsha-Palanka durchgeführt werden, damit die projektierte Fallhöhe von 25 m erreicht wurde.
Das gigantische Werk ist vollendet. Am 1. Mai wird zum ersten Mal die gewaltige Wassermasse 25 m tief herabstürzen und Elektrizität erzeugen. Zum ersten Mal wird das Schiffshebewerk in Tätigkeit treten. Zum ersten Mal werden eine Stunde lang alle Maschinen in den zehn neuen Riesenfabriken laufen. Zum ersten Mal werden alle elektrischen Lampen in der neuen Donaustadt, der modernsten Stadt der Welt, erstrahlen. Hunderttausend neue Häuser werden bezogen. Eine Million Menschen haben einen neuen idealen Arbeitsplatz und eine ideale Wohnung erhalten. Die Donau-Balkan-Föderation ist restlos elektrifiziert. Gewaltige Naturkräfte wurden von der sozialistischen Menschheit bezwungen. Wir werden sie neuen und noch größeren Aufgaben dienstbar machen.


Vorwärts - 12. März 1926

Keine Verlängerung der amerikanischen Anleihen!

Die Bemühungen der amerikanischen Bankiers sind erfolglos geblieben. Das erste Viertel der Anleihesumme, das am 1. Januar 1927 rückzahlbar ist, wird von diesem Tage ab nicht mehr verzinst. Trotz allen Aufforderungen haben die Amerikaner bisher nur ganz geringe Aufträge zur Abdeckung der Anleihen erteilt (einige Milliarden für Diamanten, Edelmetalle, Seide, Reis und Tropenerzeugnisse). In der amerikanischen Finanzwelt haben sich zwei Parteien gebildet. Die eine Partei ist an den Anleihen stark beteiligt und will die ganze fällige Summe ohne Rücksicht auf die einheimische Industrie in Waren zurücknehmen. Die andere Partei verlangt Annullierung der Anleihen zur Sicherung der amerikanischen Produktion und völligen Abbruch aller wirtschaftlichen Beziehungen zur S. U. Um der immer mehr anschwellenden Auswanderungsbewegung Einhalt zu tun, sind die Löhne abermals erhöht worden. Die kürzeste Arbeitszeit beträgt jedoch nach wie vor 40 Stunden pro Siebentagewoche. Diese Arbeitszeit wird nur einem verschwindend kleinen Bruchteil der amerikanischen Arbeiterschaft zugestanden. Bei uns beträgt dagegen die Höchstarbeitszeit in der gemäßigten Zone 24 Stunden pro Sechstagewoche und in den Tropen 18 Stunden. Die allgemeinen Lebensbedingungen sind überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Der Fall, dass ein farbiger Arbeiter seinen Wohnpalast in Zentralafrika verlässt, um in die amerikanischen Slums zurückzukehren, wird niemals eintreten. Von den 10 Millionen Negern, die in Nordamerika lebten, sind über 4 Millionen jetzt schon in die Heimat ihrer Väter zurückgekehrt. Wird es den Amerikanern gelingen, die übrigen 6 Millionen zurückzuhalten? Die Amerikaner bereiten jetzt ein Gesetz vor, wonach das Vermögen von Auswanderern zugunsten des Staates (lies: des Bankkapitals) beschlagnahmt wird. Die Yankees täuschen sich jedoch, wenn sie glauben, durch diese Maßnahme die Auswanderungsbewegung eindämmen zu können. In der S.U. braucht man kein Vermögen, um seine Existenz zu finden.


Vorwärts - 4. August 1926

Stiche in den Globus

Der Tunnelbau Calais—Dover wird zwei Monate früher vollendet als im Generalkriegsplan vorgesehen. Durch die zunehmende Verwendung von Diamanten ist die Leistungsfähigkeit der Bohrmaschinen um etwa 30% gesteigert und ihre Lebensdauer fast verdoppelt worden.

Die Himalaja-Kraftwerke
werden ebenfalls durch stärkere Verwendung von Diamanten vorplanmäßig beendet. Die Inder begnügen sich nicht mit der Ausnutzung der vorhandenen Wasserkräfte. Sie beginnen schon jetzt, an allen niederschlagsreichen Abhängen des Himalaja waagerechte Auffangrinnen anzulegen. Der russindische Windmotorentrust liefert jährlich 50000 Windmotoren; mehr als die Hälfte werden in den riesigen zentralasiatischen Hochebenen eingesetzt. Das Land der Stürme ist zum Land der Elektrizität geworden. Über 100 Tiefbohrungen werden zur Zeit in Zentralasien niedergetrieben. Der Lauf der unterirdischen Ströme aus dem abflusslosen" Gebiet ist jetzt zum größten Teile bekannt. Die leitenden Genossen hoffen, dass es in einigen Jahren gelingen wird, die gewaltigen, bisher ungenutzten Wasserkräfte der Menschheit dienstbar zu machen.

Hinein ins Erdinnere!
Ü berall stoßen unsere Tiefbohrungen ins Erdinnere vor. An der alten Donaumündung begannen die Arbeiten am 1. Mai vorigen Jahres. Ein Mündungsarm wurde abgesperrt und ausgepumpt. Der Anfangsschacht wurde mit einem Durchmesser von 100 m begonnen. In dieser Ausdehnung arbeitete man, bis man durch das Schwemmland hindurch war und auf Felsen stieß. Dann wurde mit 80 m Durchmesser weitergearbeitet. Jetzt, in 2000 m Tiefe, sind wir bei 5o m angelangt. Ein Weiterarbeiten mit den bisherigen Methoden ist jedoch nicht möglich. Wir müssen mit der eigentlichen Bohrung beginnen. 3ooo m unter der Erdoberfläche wird dann der gewaltige Kraftwerkfahrstuhl eingebaut, der nicht nur die gesamte Energie für die weiteren Bohrungen liefert, sondern sogar schon gewaltige Energiemengen abgeben kann, sobald die hundert Seitenstollen ausgebaut sind. Auf dem Raume eines Quadratkilometers wird der ganze Grund systematisch nach Bodenschätzen abgesucht. Die Stollen werden dann mit Wasser gefüllt, das auf 80 Grad vorgewärmt und dem Tiefkraftwerk zugeführt werden soll. Die Fallhöhe des Nutzwassers von 3000 m wird im Fahrstuhlkraftwerk ausgenutzt.
Von 3000 m Tiefe ab wird nach folgendem System weitergearbeitet: Zwölf Röhrenbohrungen, die zusammen einen Kreis von 30 m Durchmesser bilden, werden gleichzeitig niedergetrieben. Begonnen wird mit Röhren von 2 m Durchmesser, die sich bei fortlaufender Bohrung bis zu 40 cm verjüngen. Während der Bohrungen wird ständig gespült. Der entstehende Dampf wird auf der 3ooo m Sohle aufgefangen und an die Erdoberfläche geleitet. Neues Flusswasser stürzt 3ooo m hinab, wird in den Turbinen ausgenutzt, in den Seitenstollen auf 80 Grad Celsius vorgewärmt und dann in die Bohrlöcher geleitet. Sobald 4000 m Tiefe erreicht sind, sollen alle Röhren gezogen werden. Der Grund der zwölf Bohrlöcher wird mit Sprengstoff gefüllt, das Fahrstuhlwerk an die Erdoberfläche geschafft und der Schacht teilweise mit Wasser gefüllt. Nach erfolgter Sprengung und Verdampfung des Bremswassers beginnen die Zerkleinerungsmaschinen und Baggerkräne ihr Werk, um für die Zementierungsmaschinen Platz zu machen. In Höhenabständen von je 1000 m werden weitere Zwischenkraftwerke eingerichtet. In 10000 m Tiefe (voraussichtliche Wärme 300 Grad Celsius) soll das Hauptkraftwerk angelegt werden. Von dieser Sohle aus wird horizontal dauernd weiter gearbeitet.
Durch ständige Spülung mit Kühlwasser hofft man, die Temperatur in den Arbeitsstollen auf unter 50 Grad halten zu können.
Im Laufe der Jahre werden sich 20 Hauptstollen und unzählige Seitenstollen nach allen Richtungen hin Hunderte von Kilometern weit ins Erdinnere hineinfressen. An einzelnen Stellen werden neue Kraftwerke im Bauch der Erde entstehen, welche die bei den weiteren Tiefbohrungen gewonnenen Energiemengen verwerten. Welche Schätze werden wir im Erdinneren entdecken? Werden wir die fehlenden Elemente finden? Viele Frage, die bisher keine Lösung fanden, können vielleicht schon in wenigen Jahren beantwortet werden. In 10000 m Tiefe schon ist der Wert der gewonnenen Energiemengen größer als derjenige der Investierungen, die zur Fortsetzung der Bohrarbeiten auf 20 Stellen notwendig sind. Damit wäre sogar nach kapitalistischen Grundsätzen eine Rentabilität gewährleistet. Die beiden Tiefschachtanlagen an der Mündung der Kura und des Terek in das Kaspische Meer sind bisher auf 1000 m Tiefe angelangt. Diese beiden Stellen wurden gewählt, weil wir hier 20 m unter dem Spiegel des Mittelländischen Meeres anfangen konnten und weil hier ebenso wie im Donaudelta eine gute Verwendungsmöglichkeit für die gewaltigen Erdmassen vorhanden ist. In diesen Tagen beginnen die Arbeiten an den Tiefschachtanlagen bei Konstantinopel und Gibraltar. Die Erd- und Gesteinsmassen sollen hier zur Zuschüttung der Meerengen verwendet werden. Der Soermusplan selbst (Senkung des Wasserspiegels des Mittelländischen Meeres zwecks Ausnützung der Fallenergie des zuströmenden Ozeanwassers) wird wahrscheinlich nach Beendigung des Wirtschaftskrieges durchgeführt.

Der Reichtum des Toten Meeres
Die Trockenlegung des Toten Meeres ist eine der Hauptaufgaben, die sich die frühere Mittelmeerföderation gestellt hat. Im Jahre 1920 begannen die Arbeiten am Jordanstaudamm bei Jericho. 1921 war der Wasserzufluss von Nord und Süd abgesperrt. Das Wasser des Jordan fand in den Bewässerungsanlagen eine bessere Verwendung, und der Spiegel des Toten Meeres senkte sich durch natürliche Verdunstung. 1923 begannen die Kreiselpumpen ihr Werk und förderten das Wasser auf die großen Verdunstungspfannen. Millionen Tonnen Brom, Chlor, Natrium, Magnesium, Kalium und Kalzium werden jährlich gewonnen. Die Kraftanlagen und Verdunstungsgebiete werden ständig vergrößert. Bisher ist der Spiegel des Toten Meeres um 106 m gesenkt worden. Er liegt also jetzt schon 5oo m unter dem Spiegel des Mittelländischen Meeres. In zwei Jahren ist das Tote Meer verschwunden und hat seine fast unermesslichen Reichtümer freigegeben. Die gewaltigen Kraftanlagen, die rings um das Tote Meer entstanden sind, werden dann für eine noch größere Aufgabe frei: in einem Abstand von je 30 km werden sich drei Riesenschächte von je 1000 m Anfangsdurchmesser in die Erde hineinbohren, die alle 1000 m durch Tunnel miteinander verbunden werden sollen. Durch das Libanongebirge wird ein 5om breiter Kanal gelegt, der das Verdunstungswasser heranführen soll. Dieses wird also, noch bevor es in den Schacht hinabstürzt, in einem Fall von fast 800 m ausgenutzt. Ein Teil der Verdunstungspfannen wird bestehen bleiben und erst nach Senkung des Mittelmeerspiegels aufgeschüttet werden. Sobald das Senkungsgebiet von den geförderten Erdmassen ausgefüllt ist, werden die weiteren Erdmassen durch diesen Kanal ins Mittelmeer geführt.
Eine gewaltige Aufgabe! Was für Aufgaben können wir uns erst stellen, wenn wir den Aufbau der S. U. beendet haben?


Vorwärts - 11. August 1926

Amerika verbietet die Auswanderung

Nachdem in diesem Jahre allein aus der U.S.A. über eine Million Arbeiter ausgewandert sind, davon mehrere Hunderttausend aus dem früheren Kanada, hat das Weiße Haus jegliche Auswanderung verboten. Das Verbot der Konsulatszeitungen erwies sich als wirkungslos. Die Wahrheit über die Verhältnisse in der S.U. lässt sich nicht mehr verheimlichen. Auch in Mittel- und Südamerika wurde die Auswanderung verboten, weil sie in letzter Zeit „beängstigende Formen" annahm. Besonders die farbige Bevölkerung hat ein wahres Auswanderungsfieber erfasst. Dabei veranlasst die „Logik" der kapitalistischen Produktionsweise die widerspruchvollsten Maßnahmen: die brasilianische Regierung ging bekanntlich den Herren im Norden voran und verbot schon vor einigen Wochen die Auswanderung. Als aber kurz darauf im Kolonisationsgebiet des Amazonenstroms der Generalstreik ausbrach, schob sie selbst zweitausend „landfremde Hetzer" in die Union ab. (Die streikenden Arbeiter verlangten unter gleichen Bedingungen zu arbeiten wie unsere Tropenarbeiter: auf jeden Arbeitstag einen Ruhetag und Einführung des Sechsstundentags.) Es ist daraufhin und dank den Bemühungen der reformistischen Gewerkschaftler tatsächlich gelungen, die Arbeiter durch eine Lohnzulage zu beschwichtigen. Nach Verhaftung der „Hetzer" (durchwegs oppositionelle Gewerkschaftsmitglieder) hatten die Behörden leichtes Spiel: Wer sich auf Grund der revolutionären Parole „Auswanderung ist Fahnenflucht" der Deportation widersetzte, wurde ohne Gerichtsverfahren ins Zuchthaus geschickt. Alle revolutionären Organisationen wurden verboten. Argentinien und Chile folgten diesem Beispiel.
Der Zentralrat der S. U. hat daraufhin sofort alle Bestellungen in den ABC-Staaten widerrufen und den völligen Abbruch der Handelsbeziehungen schon vor Ablauf der Handelsverträge angekündigt.
Besonders stark macht sich der Arbeitermangel in Argentinien bemerkbar. Die italienischen Saisonarbeiter bleiben aus. Über zwei Millionen Auswanderer (meist Italiener und Spanier), also mehr als ein Fünftel der ganzen Bevölkerung haben bereits das Land verlassen. Durch immer stärkere Mechanisierung der Landwirtschaft mittels amerikanischer Kredite konnte dieser Ausfall allerdings fast wettgemacht werden. Im übrigen plant man Einschränkung der Produktion, um dem drohenden Absatzmangel vorzubeugen.


Vorwärts - 13. September 1926

Keine Hungersnot in Asien!

Die Nahrungsmittelknappheit in Indien und China hat Anlass zu wilden Gerüchten gegeben. Die amerikanischen Zeitungen, die über Asien erstaunlich gut unterrichtet sind, berichten von großen Hungersnöten. Diese Meldungen sind natürlich stark übertrieben. Die Hauptursache der bestehenden Nahrungsmittelknappheit ist ja gerade die Tatsache, dass einige Hundert Millionen Menschen, die sich früher in ihrem ganzen Leben nicht ein einziges Mal satt essen konnten, jetzt daran gewöhnt sind, besser und doppelt so viel zu essen als vor der Machtübernahme. Dadurch sind viele Millionen, die sonst bei einer Missernte wie der diesjährigen sicher Opfer des Hungertodes oder der Unterernährung und Überarbeitung geworden wären, am Leben geblieben. Unsere hygienischen Maßnahmen sind zuerst auf harten Widerstand gestoßen. In den letzten Jahren jedoch haben sie sich allgemein eingebürgert. Dadurch sind weitere Millionen vor dem sicheren Tode gerettet worden. Die Bevölkerung nimmt rapid zu. Trotz gewaltiger Steigerung der Anbaufläche ist infolgedessen die Landwirtschaft Asiens, wie sich jetzt herausstellt, bei schlechter Ernte nicht imstande, den Mehrverbrauch zu decken. Es wurde zu optimistisch disponiert. In allen Gebieten der Union hat man beträchtliche Landstrecken aufgeforstet. Viele Millionen Hektar wurden mit Gespinstpflanzen bestellt, die zur Wüstenbekämpfung gebraucht werden. Große Landflächen, die früher der Ernährung dienten, sind für den Anbau von Kulturpflanzen verwandt worden, die nur in tropischen und subtropischen Gebieten gedeihen. In der chinesischen Planwirtschaft sind nach dem Tode Sun Yat-sens besonders schwere Fehler begangen worden, die schleunigst korrigiert werden müssen. Aber auch die Zentralplankommission hat nach den Feststellungen des Kontrollausschusses große Fehler gemacht. Die Schuld an der Knappheit in Asien ist zu einem nicht geringen Teil auch in Europa zu suchen. Der Plan des Wirtschaftskrieges sah die Verwandlung großer Landstrecken in Westeuropa, die bisher der Nahrungsmittelerzeugung gedient hatten, in Wälder, Weiden, Gärten, Parks und Spielplätze vor. Diese Umwandlung hätte nicht so schnell vollzogen werden dürfen, da der Aufbau der zentralafrikanischen Landwirtschaftsgebiete sich verzögerte.
Die Amerikaner triumphieren. Sie schreiben von roter Misswirtschaft und kündigen den baldigen Zusammenbruch der sozialistischen Experimente an.
Sie täuschen sich. Wir haben große Fehler gemacht, aber wir werden sie schleunigst korrigieren.
Die Herstellung von Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen wird weiter gesteigert. In Mittelasien, Sibirien und vor allem im fernen Osten sollen noch in diesem Herbst große Landstrecken erstmalig unter den Pflug genommen werden.
Trotz alledem sind Zwangsmaßnahmen nicht zu umgehen. Scharfe Rationierungsmaßnahmen treten in den dichtbevölkerten asiatischen Gebieten sofort in Kraft. Dazu brauchen wir Tausende von geschulten Bureaukräften. Wir zweifeln nicht, dass sich nach Erscheinen des ersten Aufrufs sofort Zehntausende melden. Bisher haben wir wiederholt die Erfahrung gemacht, dass leichter zehntausend Freiwillige für Asien und Afrika zu finden sind als tausend für Rumänien oder ein anderes europäisches Land. Diesmal sieben wir jedoch ganz besonders scharf. Die Genossen müssen über gute soziologische und volkswirtschaftliche Kenntnisse verfügen. Sie müssen in der Lage sein, Aufklärung über die wirklichen Ursachen der Knappheit zu geben. Kenntnis einer asiatischen Sprache ist nicht unbedingt erforderlich. Vollkommene Beherrschung des Esperanto ist jedoch Bedingung. Entgegen allen Erwartungen breitet sich die Welthilfssprache in Asien viel schneller als in Europa aus.
Die Freiwilligen nach Australien haben beschlossen, sich für die Notstandsgebiete in China und Indien zur Verfügung zu stellen.
Als dies bekannt wurde, hat die amerikanische Regierung das Auswanderungsverbot (allerdings nur für Weiße) aufgehoben. Wir wissen nicht, was die Yankees plötzlich so menschenfreundlich stimmt. Nun, bei Gelegenheit werden sie schon ihre Rechnung präsentieren. Der Zuzug nach Australien kommt uns jedenfalls sehr gelegen. Fast hunderttausend Amerikaner, darunter viel frühere Farmer, sind bereits nach Australien unterwegs. Die Mannesmannröhrenwerke haben Auftrag erhalten, die Röhrenproduktion sofort zu steigern, damit die großen australischen Bewässerungsarbeiten schneller fortschreiten können. Auch die neuen Kanalbauten, die auf unvorhergesehene Schwierigkeiten gestoßen sind, werden beschleunigt. Die australische Landwirtschaft hat bei Überwindung der Nahrungsmittelknappheit eine außerordentlich bedeutungsvolle Aufgabe zu erfüllen. Nur bei schärfster Anspannung aller Kräfte sind die gestellten Ziele zu erreichen.

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