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Takidji Kobajaschi - Krabbenfischer (1929)
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Hoihoo! Wir fahren zur Hölle!

 

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„Hoihoo! Wir fahren zur Hölle!" Nichts hätte die Stimmung der beiden Krabbenfischer an der Reling treffender ausdrücken können als dieser Ruf. Der ihn ausgestoßen hatte, starrte mit verbissener Miene auf das Häusermeer von Hakodate, das sich wie ein riesiges Reptil um die Bucht dieses größten Hafens der Insel Hokkaido im Norden Japans wand. Ein zerkauter Zigarettenstummel, gefolgt von einer Ladung Spucke, flog über die Reling, überschlug sich ein paarmal in der Luft und fiel neben der Bordwand in die Tiefe. Eine Schnapswolke umgab die beiden Männer. Vor ihnen breitete sich das Panorama des weiten Hafenbeckens aus. Da lag ein Dampfer mit einem rötlichen bauchigen Rumpf, daneben ein Schiff, das eben beladen wurde; es hatte Schlagseite wie ein Mensch, der mit nassen Kleidern aus dem Wasser steigt und einen triefenden Ärmel hinter sich herzieht. Steil ragten die gelben Schornsteine der Dampfer in die rauchige Luft. Rote Bojen hüpften wie schwingende Glocken um die Schiffsleiber. Zwischen ihnen flitzten, flink wie flüchtende Wanzen, die Hafenbarkassen hin und her. Die von kleinen
Wellen gekräuselte Wasserfläche, auf der sich das alles abspielte, sah aus wie ein buntes Stoffmuster, so viele Ölflecke, Brotreste und Obstabfälle schwammen auf ihr. Vom Wind zerfetzte Rauchfahnen flatterten darüber hin und trugen Ruß und Kohlegestank mit sich. Ladebäume ächzten und knarrten. Neben der „Hakkomaru" lag ein Schiff, dessen Anstrich verblasst war. Der Bug mit den Klüsen und der Ankerkette sah aus wie ein Ochsenmaul mit geblähten Nüstern. Es war das russische Schiff, das die „Hakkomaru" vor der Ausfahrt kontrollierte, da die Krabbenfanggründe in unmittelbarer Nähe der russischen Hoheitsgewässer lagen. Wie aufgezogene Tanzpuppen gingen zwei Posten auf dem Schiffsdeck auf und ab. Sie hatten, wie fast alle ausländischen Matrosen, Pfeifen im Mund. Dass der eine der beiden Krabbenfischer an der Reling so übelgelaunt war, hatte einen besonderen Anlass. „Verflucht", sagte er, „ich habe keinen Sen mehr in der Tasche. Da, fühl selbst!" Er packte die Hand seines Kameraden, drückte sie fest gegen seine Hosentasche und grinste. „Du hast wohl wieder gespielt?" Der andere lachte, er fühlte durch den Stoff der Hose die scharfen Kanten eines Päckchens Spielkarten. Der Kapitän der „Hakkomaru" ging an Deck spazieren. Seiner Haltung war anzusehen, dass er sich wie ein Admiral vorkam. Der Seewind blies ihm den Rauch seiner Zigarette unter der Nase weg. Holzpantinen klapperten an ihm vorbei, in der Kombüse war Essenempfang für die Mannschaft. Anschließend sollte die „Hakkomaru" zu neuem Fang auslaufen.
Die   beiden   Krabbenfischer   schlenderten   nach achtern, sie wollten einen Blick in das Logis der Saisonarbeiter werfen. Das Logis lag tief unten und war der finsterste Raum im Schiff. Es glich einem Nest voll eben ausgekrochener Küken, denn es wimmelte von Halbwüchsigen. Sie hatten sich je nach der Gegend, aus der sie stammten, auf die verschiedenen mit Schlafkojen und einigen Wandbrettern ausgestatteten Verschläge verteilt. „Hallo, ihr da! Woher seid ihr?" Mehrere antworteten auf einmal. Sie waren alle aus den Elendsquartieren von Hakodate und hatten sich auf dem Schiff gleich zu einer engen Gemeinschaft zusammengeschlossen. „Und woher sind die nebenan?" „Aus dem Süden, aus der Provinz Akita auf der Hauptinsel."
Bejammernswerte Gestalten waren unter den Halbwüchsigen. Einer hatte eitrigen Schorf auf der Nase, ein anderer rachitische Beine und rotumränderte Augen. Die meisten Leute aus Akita, dem schlimmsten landwirtschaftlichen Notstandsgebiet in Japan, boten einen ähnlichen Anblick.
In den Verschlägen roch es nach faulem Obst und nach dem eingesalzenen Fisch in den Fässern nebenan. Modergeruch und Latrinengestank füllten den Raum.
Der Krabbenfischer mit den Spielkarten in der Tasche rief einer Frau lachend zu: „Von jetzt an bringt Papa den Bengel zu Bett!" Es war eine Arbeiterfrau, bekleidet mit einem Kittel und Hosen, um den Kopf trug sie ein Tuch. Sie stand in einer dunklen Ecke neben einer der Kojen, gab ihrem Jungen, der in der Koje lag, Apfelstücke zu essen und steckte sich selbst die Schalen in den Mund. Mehrere Halbwüchsige waren von ihren Müttern an Bord der „Hakkomaru" gebracht worden. Einer von denen, um die sich keine Mutter kümmerte, kam einige Male in die Ecke und starrte die Frau an.
Die Mutter eines anderen Jungen gab allen von den Malzbonbons ab, die sie mitgebracht hatte. In ihrem schwarzen Haar klebte Zementstaub, ihre Hände waren hart und knochig wie Baumwurzeln. „Vertragt euch mit Kenkidji", sagte sie, als sie die Bonbons verteilte.
Manche Träne floss in diesem düsteren Raum. Die Mütter unterhielten sich. „Deiner ist schon groß..." — „Er ist zu schmächtig. Ich dürfte ihn noch gar nicht mitfahren lassen." — „Unsere Kinder sind unser einziger Besitz."
Die beiden Krabbenfischer atmeten auf, als sie wieder auf Deck standen. Sie wandten sich ihrem Logis im Vorderschiff zu. Es lag neben der Ankerklüse. Beim Fieren oder Hieven des Ankers wackelten alle Gegenstände im Logis. Die rasselnde Kette machte einen Lärm, dass man glaubte, in eine Mörtelmaschine geraten zu sein. Auch hier war es dunkel. Die Leute hausten zusammengepfercht wie das Vieh. Es roch wie in einem Schweinestall. Wenn man eintrat, blieb einem die Luft weg. „Ein Gestank! Zum Verrecken!" „Wir verkommen hier im Dreck, das muss ja stinken."
Ein Krabbenfischer mit einem kahlen Schädel, rot wie der Kopf eines Neugeborenen, goss eine Teeschale bis an den Rand voll Schnaps. Er biss große Stücke von einem gedörrten Schellfisch ab und trank dazu den Schnaps in großen Schlucken. Ein anderer, der neben ihm hockte, besah sich die Bilder einer Zeitschrift, deren Umschlagseite zerrissen war. Vier Männer saßen hier beisammen, ein fünfter drängte sich hinzu, er wollte etwas von dem Schnaps abhaben. „Die nächsten vier Monate sind wir auf Fahrt, so gemütlich werden wir es nicht mehr haben", sagte er.
„Dafür haben wir dann die Tasche voll Geld", entgegnete einer, der die Angewohnheit hatte, ständig an seiner Unterlippe zu lecken, und kniff die Augen zusammen. Er schwenkte vor den Augen der anderen einen kleinen Lederbeutel, der aussah wie ein flacher, runzliger Pfannkuchen, und sang:

„Ach! Mein Täschchen
! Kannst tanzen wie ein Mädchen,
und bis auf einen weißen Hals
ist alles an dir dran!"

„Hör mit deinen Zoten auf!"
Die Runde war geteilter Meinung, aber alle lachten. In der Koje gegenüber saß ein Krabbenfischer und sprach mit seiner Frau. Er lieferte ihr offenbar die Heuer ab, denn die beiden waren damit beschäftigt, Geld zu zählen, das auf einer Kiste vor ihnen ausgebreitet lag.
„Hm! Seht euch den guten Ehemann an!" Der Grunzende geriet auf einmal in Wut. „Ich habe auch Frau und Kinder zu Hause", platzte er heraus. Dann schwieg er und versank in Grübeln. Ein anderer war jetzt an der Reihe. Er war noch sehr jung, hatte aber schon ein vom Schnaps aufgedunsenes Gesicht. Seine Koje befand sich auf der anderen Seite des Ganges, er rief hinüber: „Wievielmal habe ich mir schon vorgenommen, nie mehr auf diesem verfluchten Kahn anzuheuern, und jetzt habe ich mir wieder ein paar Monate aufbrummen lassen. Alles nur, weil ich wieder mal pleite war." Er redete mit seinem Nachbarn weiter.
Plötzlich blickten alle nach der Einstiegluke. Dort wurden die Füße eines Mannes sichtbar. Er hatte Drillichhosen an und darüber eine Drillichjacke. Als er unten angelangt war, sah er sich um, offenbar suchte er einen Platz. Er schwang sich auf eine freie Pritsche und sagte: „Grüß euch, alle miteinander. Kann man sich bei euch hier niederlassen?" Als er nach allen Seiten mit dem Kopf nickte, sahen die anderen sein Gesicht. Es war dunkel und schien mit Öl eingerieben zu sein. Er stellte sich vor, indem er aus seinem Leben erzählte. „Tja, eigentlich gehöre ich gar nicht hierher. Bevor ich mich anheuern ließ, war ich sieben Jahre in den Gruben. Bei einem Schlagwetter hätte es mich beinahe erwischt. Hab ja schon öfter welche erlebt, aber beim letzten Mal hat mich das Grauen gepackt, da bin ich abgehauen. Als es losbrach, schob ich gerade eine Lore. Ich wollte zum Füllort. Plötzlich leuchtete eine Flamme auf, so hell wie Magnesiumlicht. Wie einen Fetzen Papier hat es mich weggeschleudert, ich sah gerade noch, dass meine Lore durch den Gasdruck wie eine Streichholzschachtel zusammengedrückt wurde. Ich weiß nicht, wie lange ich ohne Bewusstsein gelegen habe. Plötzlich wachte ich von meinem eigenen Stöhnen auf. Und jetzt sah ich etwas, was mir die Grube für immer verleidet hat. Sie mauerten auf Weisung des Inspektors den Stollen zu. Ich sprang auf und lief zu den Leuten hin. Sie sollten aufhören, sagte ich, ob sie denn nicht hörten, dass noch Kumpel in dem Stollen seien. Das verstünde ich nicht, antwortete der Inspektor, alles würde zugemauert, das Feuer richte sonst zu großen Schaden an. Aber sie müssen doch die Hilferufe gehört haben! Sie müssen doch gehört haben, dass die Rufe immer schwächer wurden! Ich habe geschrien und um mich geschlagen. Dann bin ich aufs Geratewohl den Stollen entlanggelaufen, habe mich mit den Händen weitergetastet und mir an der Zimmerung den Kopf blutig geschlagen. Ich war ganz mit Blut und Dreck beschmiert. Zuletzt bin ich wohl über eine Schiene gestolpert und mit dem Kopf auf das Eisen geschlagen. Dort haben sie mich gefunden."
„So, so", sagte einer der Fischer. „Da bist du hier ganz richtig, bei uns geht es auch nicht viel anders zu."
In den Augen des Bergmanns schimmerte es gelblich. Ein seltsames Licht ging von ihnen aus, als er sich umblickte. Er schien etwas fragen zu wollen, schwieg aber. Die Männer, die in seiner Nähe hockten, waren meist Bauern und Fischer aus den ärmsten Gegenden Japans, den Provinzen Akita, Aomori und Iwate. Manche von ihnen saßen mit untergeschlagenen Beinen auf ihren Händen, es sah aus, als säßen sie auf einem Hängesitz. Andere hielten mit den Armen ihre Knie umfasst und lehnten an den hölzernen Pfeilern. Sie schauten den lustigen Trinkern zu und hörten sich ihre Witze an. Ihre Gedanken aber waren in der Heimat. Aus Not hatten sie die Heimat verlassen. Nur der älteste Sohn war zu Hause geblieben, die jüngeren waren draußen in der weiten Welt, die Mädchen Fabrikarbeiterinnen in der Stadt. Aber auch so hatten sie nicht alle satt zu essen. Wie die Hitze beim Rösten die Bohnen von der Pfanne treibt, so hatte die Heimat sie von sich gestoßen. Sie waren in die Städte gekommen, um etwas Geld zu verdienen und dann zurückzukehren, denn der Heimat gehörte ihr Herz. Waren sie aber erst einmal in Hakodate oder Otaru, so kamen sie nicht mehr los. Sie blieben dort hängen wie Vögel an der Leimrute. Irgendwo in der Welt müsste man sein, nur nicht hier in Hokkaido, wo es so viel Eis und Schnee gab, dass man die längste Zeit des Jahres keine trockenen Füße hatte. Sie verkauften sich für einen Pappenstiel an einen Unternehmer. Jedes Jahr beschlossen sie, es sollte das letzte fern der Heimat sein. Jedes Jahr aber unterschrieben sie einen neuen erbärmlichen Arbeitsvertrag. Nun waren sie allmählich wie trotzige, unverbesserliche Kinder geworden, die aus Gewohnheit Böses tun. Eine Frau ging durch die Logis und verkaufte Naschwerk, ein Mann handelte mit Arzneimitteln, andere boten Dinge des täglichen Bedarfs an. Die
Händler waren das letzte Bindeglied zum Festland. Angelockt von ihren Rufen, krochen die Leute aus den Kojen, betrachteten die Sachen und mäkelten an ihnen herum. Manche kauften etwas, manche machten sich nur über die Händler lustig. „Deine Bonbons schmecken gut." „Pfui! Fass mich nicht an!" keifte die Frau und drehte sich um. „Was fällt dir ein, nimm deine dreckigen Pfoten weg!"
Aller Augen richteten sich auf den Übeltäter, der seelenruhig einen Bonbon zerkaute. Ein anderer kam eben vom Abort. Er war so betrunken, dass er sich kaum auf den Füßen halten konnte; trotzdem fand er Gelegenheit, der Frau, als er an ihr vorbeitorkelte, über die dicke rote Wange zu streichen. „Ei, ei, mein süßes Mädchen!"
„Eine Unverschämtheit, wie man hier behandelt wird!"
„Reg dich doch nicht so auf, Mädchen! Ich will ja nur mit dir schlafen."
Sie musste gute Miene zum bösen Spiel machen, zumal da jetzt einer aus dem Winkel im Hintergrund nach ihr rief, offenbar ein neuer Kunde. „Hierher bitte!"
„Ich komme ja schon." Seltsam klang die Frauenstimme an diesem Ort. Die Frau lächelte, aber man sah ihr an, dass es ihr nicht leichtfiel. „Was wünschen Sie? Von diesen hier? Ein oder zwei?"
„Ich wünsche süße Fleischpasteten, verstehen Sie, süße Fleischpasteten! Ja, Sie haben recht, am besten gleich zwei Stück." Schallendes Gelächter erklang. Auf einer früheren Fahrt", lallte der Betrunkene, ist einmal mein Freund Takeda... mit einer Marketenderin... nach unten verschwunden. Ja... der Takeda... das war einer..." Der Betrunkene arbeitete während der Wintersaison gewöhnlich in einer Gummifabrik. Wenn es Frühling wurde, ließ er sich auf einem Krabbenfangschiff anheuern und fuhr nach Kamtschatka. Jede Branche hatte in Hokkaido ihre Saison, dann wurde jeweils mit Hochdruck gearbeitet. So kam es in der Gummifabrik häufig vor, dass die Arbeiter gleich zwei Schichten hintereinander leisten mussten. Von der Gummifabrik hieß es: „Wer hier anfängt, lebt höchstens noch drei Jahre." Man sah ihm an, dass er aus der Gummifabrik kam. Sein Gesicht war totenbleich, seine Haut fühlte sich an wie Gummi und nicht wie lebende Haut.
Unter den Saisonarbeitern gab es einige, die vom „Zentralamt für die Erschließung Hokkaidos" angeworben worden waren, und andere, die sich als Streckenarbeiter für den Eisenbahnbau gemeldet hatten. Es gab Leute, denen jede Arbeit recht war, und andere, denen es nur darauf ankam, möglichst viel Schnaps zu trinken. Es gab gutmütige, unwissende Tölpel vom Lande unter ihnen, die stark waren wie Ochsen. Der Schulze ihres Dorfes, irgendwo in Aomori, hatte, gutgläubig wie sie selbst, sie ausgesucht und empfohlen. Gruppen von sieben oder acht aus verschiedenen Gegenden stammenden Arbeitern waren den Unternehmern am liebsten. Einige kühne Leute von der Gewerkschaft in Hakodate hatten versucht, die Kamtschatkafahrer zu organisieren. Auch die Gewerkschaften von Aomori und Akita bemühten sich, Verbindung mit den Krabbenfischern zu bekommen. Aber die Leitung der Fischereigesellschaft fürchtete solche Verbindungen wie die Pest und unternahm alles, um sie zu verhindern.
Der Steward des Schiffes, bekleidet mit einem weißen Frack, rannte geschäftig hin und her und brachte Flaschen mit Bier und Tablette mit Likör und Obst in die Offiziersmesse. Dort ging es hoch her. Der Direktor der Fischereigesellschaft, der Kapitän der „Hakkomaru", der Inspektor Asagawa, der Kommandant des Zerstörers, der in Kürze zum Patrouillendienst ins Ochotsker Meer auslaufen sollte, der Chef der Hafenpolizei und der Sekretär der Seeleutegewerkschaft hatten sich zu einem Gelage zusammengefunden. „Du glaubst nicht, was die vertragen können", flüsterte der Steward im Vorbeigehen einem der Krabbenfischer zu. In dem Logis, oder besser gesagt, in dem Loch, in dem die Saisonarbeiter hausten, brannte eine elektrische Birne mit trübem, rötlichem Licht. Tabaksqualm und menschliche Ausdünstungen verpesteten die Luft. Es stank wie in einer Latrine, und die Menschen in den Kojen waren die Schmeißfliegen darin. Plötzlich erschien Besuch.
Der Inspektor, als Vertreter der Fischereigesellschaft, der Kapitän, der Chef der Konservenfabrik und der Chef der Saisonarbeiter stiegen durch die Luke. Der Kapitän hielt sich ein Taschentuch vor die Nase.
Die Gänge sahen aus wie Müllgruben, Apfelgriebse und Bananenschalen, verfaulte Melonen, alte Stiefel und verbeulte Essgefäße lagen in ihnen herum. Die Menschen, die durch diese Gänge schlurften, hatten rote Trinkergesichter.
Der Inspektor blickte verächtlich auf den Schmutzhaufen, spuckte aus und rief mit schneidender Stimme: „Hallo! Mal alle herhören!" Er stellte einen Fuß auf den Rand einer Koje und schlug mit einer Weidengerte pfeifend durch die Luft. Steif und gereckt stand er da, sein Gesicht glich einer Maske, sein Mund einem dunklen Loch, aus dem abgehackte Worte bellten. Furcht und Schrecken verbreitete er um sich. „Ein für allemal lasst euch gesagt sein: Die Fahrt dieses Krabbenfangschiffes ist nicht nur ein geschäftliches Unternehmen. Sie wird Folgen von internationaler Bedeutung haben. Es geht darum, wer der Stärkere ist: Wir, das Volk des Kaiserreiches Japan, oder der Russe. Unser Unternehmen wird diese Frage entscheiden. Wenn wir dabei den Kürzeren ziehen, was nie geschehen darf, dann können wir für immer einpacken; dann bleibt uns allen nur übrig, uns den Bauch aufzuschlitzen und mit Mann und Maus auf den Grund des Ochotsker Meeres zu versinken. Man soll nicht länger über uns lächeln und uns für klein und unbedeutend halten! Wir werden den Barbaren schon zeigen, dass wir uns von ihnen nicht kleinkriegen lassen." Pfeifend sauste die Gerte durch die Luft. Die Zuhörer waren wie benommen von der Besessenheit dieser Worte. Die Stimme hinter der Maske nahm jetzt einen belehrenden Ton an. „In der Herstellung von Fischkonserven und in der Verarbeitung von Krabben und Lachs haben wir einen großen Vorsprung vor dem Ausland. Wir wollen diesen Vorsprung halten. Aber auch für Japan haben wir eine Mission zu erfüllen. Das hängt mit der Übervölkerung Japans zusammen, mit der Notwendigkeit, die Bevölkerung zu ernähren. Aber das versteht ihr nicht, dazu seid ihr zu dumm. Zum Schluss will ich nur noch eines sagen: Den Schutz unseres Schiffes, auf dem wir zum Wohle des Kaiserreiches Japan unter Einsatz unseres Lebens die Wogen des Nordmeeres befahren, hat die Kaiserliche Kriegsmarine übernommen. Wenn es unter euch welche geben sollte, die verseucht sind von modernen Ideen und in Russland ihr Vorbild sehen, so sind das Verbrecher, Verbrecher und Verräter des Kaiserreichs Japan, daran sollt ihr denken..." Die näselnde Stimme des Inspektors brach ab, statt weiterer Worte hörte man laute Rülpser.
Der Kommandant des Zerstörers torkelte wie eine hölzerne Puppe über das Deck und stieg das Fallreep hinunter in die neben dem Fangschiff liegende Barkasse; zwei Matrosen mussten ihn vorn und hinten halten wie einen mit Steinen gefüllten Sack. Aber sooft er auch aus dem Gleichgewicht geriet und hilflos mit den Armen fuchtelte, das Bewusstsein seines Ranges verlor er nicht; mit hochrotem Kopf brüllte er die Matrosen an, und sie mussten ihm, laut Vorschrift, das Gesicht zuwenden, auch wenn sie dabei von seinem spritzenden Geifer getroffen wurden.
„Der Alte hat ja mächtig Schlagseite", flüsterte der eine der beiden Matrosen, als er das Halteseil losmachte.
„Den hätten wir glücklich verladen", meinte der andere.
Dann wandten sie sich beide ab; sie konnten sich das Lachen nicht länger verkneifen.

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