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Karl Grünberg - Brennende Ruhr (1928)
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12. KAPITEL

Die Nachmittagskundgebung auf dem Hindenburgplatz war womöglich von einer noch größeren Menschenmenge als die des vergangenen Sonnabends besucht. Die Nachrichten vom Angriff der Watterschen in Westfalen taten ihre Schuldigkeit. Umso enttäuschter waren die Arbeiter, als sie wiederum nur allgemeine politische Redewendungen hörten. Nach Schluss der Ansprachen bildeten sich überall lebhaft diskutierende Gruppen. Meiring hatte mehrere hundert Zuhörer um sich.
„Brüder", rief er in seiner von Fanatismus durchglühten Art, „in Dortmund und Remscheid kämpfen unsere Brüder auf Leben und Tod, und wir halten die Hände im Schoß und lassen uns mit Redensarten besoffen machen. Der Aktionsausschuss tut nichts als quatschen und nochmals quatschen. Wo bleiben denn die Taten? Wir wollen endlich Taten sehen, ehe es wieder zu spät ist."
„Was machst du denn, Köbes, du quatschst doch auch bloß den ganzen Tag; wo sind denn deine Taten?" fragte ein stämmiger Westfale vortretend.
Meiring wurde vor Wut kreidebleich, nur seine Augen funkelten wie die einer Katze. „Ich, Genossen? – Ihr kennt mich doch. Ich rüttle die Massen auf, jawohl, damit sie nicht einschlafen."
„Aufhetzen tust du sie, Köbes, Uneinigkeit säst du wieder, warum bringst du keine praktischen Vorschläge?" fragte der andere furchtlos, obwohl sich drohende Fäuste gegen ihn erhoben.
Wir haben Bewaffnung des Proletariats und Aufruf der ,Roten Armee' verlangt", schrie Meiring gereizt.
„Verlangt? Verlangen kannst du alles. Hast du auch was besorgt? - Aber wir haben uns Waffen besorgt! Von der Einwohnerwehr, sind denn das keine Taten? Und damit werden wir uns auch wehren, wenn es drauf ankommt. Oder willst du mit dem Flugzeug nach Dortmund fliegen, um dort zu helfen? Die werden sicher allein fertig", entgegnete der Westfale unerschütterlich.
Es bildeten sich zwei Parteien, eine für, die andere gegen den Aktionsausschuss. Plötzlich turnte ein Arbeiter auf die Schulter des anderen.
„Genossen", schrie er mit überlauter Stimme, „ich bin zwar noch nicht lange in Swertrup, aber ich wundere mich, dass ihr so ruhig bleibt. Bei uns in Oberschlesien geht das ganz anders. Da reden die Bergsklaven nicht lange, sondern schlagen dazwischen. Ihr seid ja doch keine Kinder! Aber ihr lasst euch wie Kinder behandeln. Meiring hat vollkommen Recht, der Aktionsausschuss ist keinen Schuss Pulver wert. Wir wollen frei sein! Wir brauchen keine Bonzen! Wir wollen eine rote Ruhrrepublik, eine Räteregierung, wie in Russland! Wir streiken und streiken, dabei kommt doch nichts heraus! Derweil wir verhungern, halten es die Dickköpfe noch immer aus. Die haben Küche und Keller voll und lachen sich ins Fäustchen. Warum gehen wir nicht hin und nehmen uns das, was sie uns gestohlen haben? - Wer will uns denn daran hindern? - Der Aktionsausschuss mit seiner roten Einwohnerwehr? Diese Hampelmänner sollen nur kommen!"
„Bravo! Bravo!" tönte es von mehreren Seiten. Der Sprecher glitt aalglatt von seiner lebenden Kanzel herab.
„Verdammt, wenn das nicht ein Spitzel ist", knirschte der Westfale und schob sich näher heran.
„In vielem hast du ja recht, Kollege. Wo arbeitest du eigentlich?"
„Ich? - Ich bin erst hier hergekommen", stotterte der andere und suchte seine Hand freizubekommen.
„Ja, das merkt man, fragt sich bloß, wer dich Luder geschickt hat, uns hier gegeneinander zuhetzen", rief der Westfale.
„Was willst du von dem Kollegen?" - „Lass den Mann los!" - „Recht hat er!" -
Der Westfale sah sich von drohenden Gestalten umringt.
„Ein Lockspitzel ist es, den müssen wir feststellen", rief er, aber ein wuchtiger Faustschlag unter den Ellbogen zwang ihn, loszulassen.
„Ihr Esel, haltet den Kerl, er ist ein Agentprovokateur, seht euch nur seine Hände an, die haben ihr Leben lang noch keine Haue angefasst", fluchte der Arbeiter, sich seinen vor Schmerz gelähmten Arm haltend. Alles rief und lief durcheinander, und in dem Tumult gelang es dem Spitzel und seinen Helfern, unterzutauchen.
Vor der Villa des Zechendirektors Buchterkirchner standen noch immer die beiden vom Aktionsausschuss bestimmten Arbeiterposten mit geladenen Gewehren. Die Villa selbst, ein protziger Barockbau mit überdachter Autoauffahrt, lag in schweigendem Dunkel. Nur in einem Zimmer der oberen Etage schimmerte schwacher Lichtschein.
So ausgestorben wie die Villa von unten erschien, war sie aber in Wirklichkeit gar nicht. In dem durch eine Kerze dürftig erleuchteten Herrenzimmer der ersten Etage saßen um einen mit Papieren bedeckten Tisch drei Männer, die auf etwas zu warten schienen. Keiner sprach ein Wort, aber ihre Augen gingen immer wieder unruhig nach der gleichmäßig tickenden Kaminuhr.
„Gleich acht Uhr, Kuhlenkamp lässt auf sich warten", sagte schließlich ein hochgewachsener Mann mit herrischem Gesichtsausdruck und befehlsgewohnter Stimme, fortwährend auf den Tisch trommelnd.
„Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen. Ich halte das Ganze überhaupt für äußerst gefährlich, Herr Oberst", bemerkte sein Gegenüber, der eine Zigarre nach der anderen rauchte.
Der Oberst meckerte ein Lachen. „Gefährlich, mein lieber Neuhaus, ist alles, was mit Krieg und zumal mit Bürgerkrieg zusammenhängt. Etwas Mut und Geschicklichkeit, verbunden mit Hingabe zur nationalen Sache sind dabei eben unentbehrlich; aber daran hapert es hier in Swertrup noch sehr."
Neuhaus fuhr gereizt empor, aber der kaltlächelnde Blick des anderen entwaffnete ihn. „Sie brauchen das absolut nicht persönlich aufzufassen, das liegt im System der Einwohnerwehren, deren Organisation ich für durchaus verkehrt halte. Sie sind bei Tage unzuverlässig und bei Nacht nicht zu gebrauchen; so ist es überall. Die Arbeiter holen sich von ihnen mühelos die Waffen. Aber man wird ja daraus lernen, für künftige Fälle."
Er stand auf und begann mit großen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen.
„Wollen Sie sich nicht lieber setzen, Sie wissen doch, wir werden bewacht", warnte Neuhaus.
Der Dritte am Tisch, ein Herr Anfang der Vierziger, mit graumeliertem Vollbart und goldenem Kneifer, hatte bisher in Aufzeichnungen geblättert. Jetzt stand auch er auf und trat vorsichtig hinter den Fenstervorhang.
„Unsere Ehrenposten stehen noch ruhig da, meine Herren, bei diesem kümmerlichen Licht ist von unten nichts zu sehen", sagte er, an den Tisch zurücktretend. „Eigentlich, Herr Direktor, muss ich sagen - verzeihen Sie den Ausdruck - ist es ein freches Stück, dass wir unsere konspirative Tätigkeit noch extra von diesem Aktionsausschuss bewachen lassen. Aber Recht haben Sie. In ganz Swertrup sind wir wohl nirgends vor Beobachtungen und Überraschungen so sicher wie gerade hier. Hier vermutet uns kein Mensch", lachte der Offizier fröhlich. „Übrigens, weiß Herr Kuhlenkamp Bescheid über den Weg, den er zu nehmen hat?"
Buchterkirchner nickte. - „Kuhlenkamp ist vorsichtig und geht durch mehrere Häuser, die er hintenheraus verlässt, ehe er sich uns nähert. Hinten an der Gartenmauer steht mein Chauffeur mit der Leiter, um ihn herüberzuholen. "
„Ihr Chauffeur? Ist der denn zuverlässig?" „Keine Sorge, ehemaliger Offizier und Mitglied im Rugard", beruhigte der Industrielle. „Das sonstige Personal haben wir bis auf die Hausdame, die streng national ist, beurlaubt."
Plötzlich fuhren alle drei in die Höhe. Auf der Treppe ertönten Schritte.
„Das ist er!" rief Neuhaus und öffnete die Tür. Mit einem „Guten Abend, meine Herren" trat der Bergassessor, der einen verschossenen Gummimantel und unförmigen Filzhut trug, über die Schwelle. Auf seinem hochnäsigen Akademikergesicht lag ein stiller Triumph. ,Sie blieben lange, haben Sie denn wenigstens was Brauchbares mitgebracht?" fragte der Offizier, der seine Ungeduld nur noch schwer meisterte.
„Ich musste mehrere große Umwege machen, denn mir schien, als ob ich verfolgt wurde. Aber im Hause des Friseurs Silbergleit wurde ich sie los."
„Das machen wohl Ihre Schmisse, Herr Assessor! Sie können sich verkleiden wie Sie wollen, den Arbeitern werden Sie immer verdächtig erscheinen", bemerkte Neuhaus ironisch.
„Ich kann mir doch deshalb nicht den Kopf abschneiden. - Ja, jemand anders schicken? Wo wir in jedem beinahe einen Verräter sehen müssen? Bitte, lesen Sie", antwortete Kuhlenkamp ärgerlich.
Alle Anwesenden sahen sich bestürzt an.
„Zeigen Sie her!" Mit unsicheren Fingern entfaltete der Offizier die mit Maschine beschriebenen Blätter.
„,Fünf Kompanien Arbeiterwehr beschlossen' - hm, das weiß ich schon seit sechs Uhr. ,Bewaffnung noch nicht feststehend' - so genau wollen wir das gar nicht wissen. »Verbindung nach außerhalb aufgenommen" -das kann ich mir allein denken. ,Führer ein höherer österreichischer Offizier?' - Wenn das man kein Russe ist? - Aber Namen nennt Ihre Gewährsperson ebenso wenig wie genaue Details. Das scheint mir keine fünfhundert Mark wert zu sein", sagte er, Kuhlenkamp scharf ansehend.
„Verzeihung, Namen werden auch genannt, allerdings aus wenig erfreulichem Anlass", bemerkte der Assessor, ein anderes Blatt überreichend.
„Was?... "
Der Offizier schrie so erschrocken auf, dass alle Anwesenden zusammenfuhren. „Das ist ja doch..., ja, da sind wir ja keinen Augenblick unseres Lebens sicher!" -
„Was gibt's denn, was ist denn passiert?" fragte Buchterkirchner mit vor Angst bebender Stimme.
Der Oberst lachte höhnisch auf. „Das also ist Ihr wunderbarer Nachrichtenapparat, über den so viel Wesen gemacht wurde? Ein Dreck ist er wert, wenn so etwas möglich ist! Wenn der Aktionsausschuss der Roten fortwährend über uns Informationen erhält, wenn nicht nur die Einwohnerwehrliste, sondern auch Waffendepots verraten werden. Das sind Ihre Rugard-Helden, Herr Assessor, lassen sich mit russischen Rubeln bestechen!"
„Verzeihen Sie, Herr Oberst, ich übernahm diesen Posten erst vertretungshalber vor zwei Tagen, ich bin selber auf das höchste schockiert", verteidigte sich Kuhlenkamp etwas kleinlaut.
„Und wer hatte vorher den Nachrichtendienst? Sofort muss der Betreffende Rede und Antwort stehen!"
Kuhlenkamp blickte sich hilflos um, aber Ingenieur Neuhaus kam ihm mit der Antwort zuvor.
„Die Zenk also, hm - kenne ich auch, sonst ja ein sehr vorsichtiges und überlegenes Frauenzimmer, aber... Kennen Sie denn den Kerl, dieses infame Schwein da?" fragte der Oberst, dessen Gesicht einen grauenerregenden Anblick darbot.
„Fräulein Zenk könnte über ihn am ersten Auskunft geben. Sie hat ihn während ihrer Volontärzeit bei Flaschner geworben, aber sie ist noch nicht von Düsseldorf zurück. Ich kenne ihn nur oberflächlich, ein junger Mensch von vielleicht zwanzig Jahren. Mir kam er, offen gestanden, von Anfang an nicht ganz geheuer vor, da er seine Nase in alles steckte", antwortete der Bergassessor.
„Und falsche Nachrichten über die Roten haben wir auch erhalten, wird hier angegeben. Nun, das haben wir schon selber zur Genüge bemerkt. Bloß jetzt weiß man es, wo sie herkommen: Firma Kuhlenkamp und Zenk", höhnte Neuhaus, der weiter gelesen hatte.
„Nun, was das anbetrifft, Herr Neuhaus, da darf ich bloß an Ihre Einwohnerwehr mit der Angst vor den Minenwerfern erinnern, die die Arbeiter angeblich in ihren Klosetts versteckt halten. Das kam aber nicht von ,Firma Kuhlenkamp und Zenk'. Kümmern Sie sich nur etwas besser um Ihre Leute! Was die da heute nachmittag für Dummheiten auf dem Hindenburgplatz anstellten, das ist einfach hahnebüchen. Wenn die Arbeiter den Schwindel nicht sofort durchschaut hätten, wären sie vielleicht dem Rate Ihrer Provokateure gefolgt und hätten die Villen gestürmt. Ich glaube, eine der ersten wäre diese hier gewesen, was uns wohl ein bissel ungelegen gekommen wäre. Sie sehen also, lieber Neuhaus, so ganz ohne zuverlässige Späher sind wir nun doch gerade auch nicht", gab Kuhlenkamp spitz und eisig zurück.
„Sie werden beleidigend!"
„Ich stehe zur Verfügung!" Buchterkirchner legte sich ins Mittel.
„Kein Streit, meine Herren, um Gottes willen, nur das jetzt nicht! Wir müssen ruhig Blut behalten. Fehler kann ja jeder machen, und in der Aufregung fallen auch mal Worte, die nicht so genau zu nehmen sind. Vor allem müsste dieser - wie heißt doch der Kerl - dieser Peikchen isoliert werden."
„Das können Herr Direktor dem Rugard-Bund überlassen, der solche nun leider mal nicht auszurottende Fälle in seiner Verfassung wohl vorgesehen hat", sagte Kuhlenkamp; seine wässrigblauen Augen funkelten kalt und böse.
Alle blickten jetzt auf den Oberst, der sich erhoben hatte.
„Also, meine Herren, um es kurz zusammenzufassen", begann er langsam und mit Betonung jedes einzelnen Wortes. „Nach dem heute nachmittag erhaltenen Funkspruch scheinen sich die Dinge überall so zuzuspitzen, dass man möglicherweise das ganze Gebiet zwischen Ruhr und Lippe preisgeben muss. Was sich in Wetter und Herdecke ereignete" - er biss auf den blutlosen Lippen herum -, „jedenfalls hat kein Mensch damit gerechnet, dass der Pöbel so viel Courage haben wird. Aber das bringt den Stein ins Rollen und schafft uns die Möglichkeit, endlich einmal gründlich - ganz gründlich - auszukehren."
„Auch in Swertrup?" fragte Buchterkirchner lauernd. - Sein Spitzbart zitterte sichtbar.
„Auch in Swertrup und hier ganz besonders, meine Herren", bekräftigte der Offizier. „Dieser Prozess wird gar nicht so lange auf sich warten lassen. Truppen und Zeitfreiwillige haben wir genug, auch die entsprechenden Waffen. Es ist nur noch zweierlei notwendig: erstens, dass der Generalstreik aufhört und wir die Eisenbahnen benutzen können, zweitens, dass die Entente uns erlaubt, in die 50-Kilometer-Zone einzudringen. Für beide Voraussetzungen sind - das glaube ich sagen zu dürfen -die Aussichten nicht ungünstig. Die Herren Rechtssozialisten kriegen nämlich schon selber Angst vor den Geistern, die sie gerufen. Regierungskommissar Mehlich zum Beispiel hat öffentlich erklärt, dass die selbständige Bewaffnung der Arbeiter unzulässig sei und deshalb Militär ins Industriegebiet müsse. Seine radikalen Brüder von links denken darüber natürlich ganz anders, und so glaube ich, dass dieser Punkt die Herrschaften sehr schnell wieder veruneinigen wird. Meine Anwesenheit hat hier unter diesen Umständen keinen Wert mehr. Ihre Aufgabe kann jetzt nur darin bestehen, Ihren Nachrichtenapparat zu reinigen, um uns laufend gute Informationen zu geben. Die Ausstreuung von Gerüchten und Vermutungen ist natürlich ebenfalls geeignet, unsere Aufgabe zu erleichtern. Und dann vor allem noch eins. Sie kennen die Hauptunruhestifter, meine Herren. Stellen Sie uns eine zuverlässige Liste zusammen, denn diesmal werden wir dieser Revolutionshydra ein für allemal den Kopf abschlagen."
„Für die Liste werde ich sorgen, da können Sie sich drauf verlassen", knirschte Buchterkirchner, und dann geleitete er seinen Gast persönlich die dunkle Treppe hinunter bis an die bewusste Leiter.
Was der Offizier des Generalkommandos bei der geheimen Besprechung in der Wohnung des Zechendirektors andeutete, wurde bereits über Nacht blutige Wirklichkeit. Solange sich die bewaffnete Konterrevolution zurückhielt, bewahrten auch die streikenden Arbeiter des Industriegebietes bewunderungswürdige Ruhe. Dass man sich nicht allein auf die passive Waffe der verschränkten Armee verließ, war nur ein Beweis dafür, dass die Arbeiter aus den Ereignissen Lehren gezogen hatten. Man holte sich die Waffen von den Einwohnerwehren, Krieger- und Schützenvereinen und aus den aufgespürten Geheimdepots der illegalen Militärverbände. So fiel allein in Bochum den Arbeitern eine Bahnsendung von zweitausend Gewehren in die Hände. Aber obwohl diese Waffen nirgends zu irgendwelchen Gewalttaten benutzt wurden, erhob sich sofort ein großes Geschrei. Nicht nur bei den mit Kapp liebäugelnden Reaktionären, sondern auch bei den so genannten Republikanern! „Waffen in Arbeiterhänden?" -
Das war in den Augen der Ebert-Bauer eine ebenso große Gefahr wie in denen der Kapp-Lüttwitz. Beide Parteien, die sich soeben noch drohend gegenüberstanden, wurden sich sofort klar, dass dieses „Verbrechen" verhindert werden musste.
Hatten die Kappisten zu Beginn ihres übereilten Putsches noch gehofft, die revolutionäre Arbeiterschaft durch Versprechungen wenigstens so lange zu neutralisieren, bis man das Staatsruder fest in der Hand habe, so änderten sie doch sofort die Taktik, als sie auf den entschlossenen Kampfwillen der Arbeiter stießen. Am 13. März begann der Putsch - und wenige Stunden später brach der Generalstreik aus, aber bereits am Tage darauf ordnete das Generalkommando Münster den militärischen Aufmarsch gegen die Ruhrstädte an. Nicht, ohne sich vorher des stillschweigenden Einverständnisses der in Frage kommenden sozialdemokratischen Regierungskommissare Severing und Mehlich zu versichern. Dieses Vorgehen fand später auch die volle Billigung der alten Regierung.
Über Nacht war vergessen, dass diese Truppen ja am ersten und gründlichsten Ruhe und Ordnung gestört hatten. Aber die Erwartung, dass die Arbeiterschaft sich von den in noch blutiger Erinnerung stehenden Truppen des Generals Watter widerspruchslos entwaffnen und damit auf Gnade oder Ungnade ausliefern würde, fand eine überraschende Enttäuschung. Am 16. März wurden Teile des Freikorps Lichtschlag bei Wetter und Herdecke vernichtend geschlagen. Mit Hilfe der erbeuteten Waffen gelang es, am Tage darauf in Dortmund das Gros des Freikorps und die mit ihm verbündete Polizei und Einwohnerwehr zu zersprengen.
Gleichzeitig kam es in Verden, Lennep, Barmen, Essen, Heiligenhaus und anderen Orten zu spontanen Kämpfen; überall blieb die Arbeiterschaft Sieger. In Reinscheid, wo das Freikorps Lützow mit klingendem Spiel einen herausfordernden Parademarsch unter schwarzweißroten Fahnen durch die Stadt unternahm, wurden die Kappbanditen nach achtzehnstündigem Kampf in das von den Engländern besetzte Gebiet gejagt. Überall hatten die Truppen schwere blutige Verluste, fielen den Arbeitern mit zahlreichen Gefangenen große Mengen schweren und leichten Kriegsmaterials in die Hände.
Damit war die Lage für die in Mülheim, Duisburg und Hamborn liegenden Truppen des Freikorps Schulz ebenso unhaltbar geworden wie für die in Düsseldorf und Essen stationierten Kontingente. Unter dem Druck der bewaffneten Arbeiter zogen sie sich nach Norden auf die Festung Wesel zurück, nicht ohne noch auf dem fluchtartigen Rückzug in schwere Kämpfe verwickelt zu werden, wo weiteres Kriegsmaterial in Händen der Arbeiter blieb.
In wenigen Tagen war die Säuberung des gesamten Industriegebiets von konterrevolutionären Freikorpsbanden ebensolche Tatsache wie die Bewaffnung des Proletariats. Mitten im Kampf formierten sich die Arbeiterbataillone, den flüchtenden Gegner bis unter die Mauern der Festung Wesel verfolgend. In Westfalen stießen bewaffnete Arbeitertruppen über die Lippe bis sieben Kilometer vor Münster nach. Da aber im Rücken der geschlagenen Truppen alles ruhig blieb, gelang es ihnen, an der Lippe wieder Fuß zu fassen. So bildete sich hier von Hamm bis Wesel eine regelrechte Kampffront aus.
Auch Swertrup, das an der Rückzugsstraße nach Wesel lag, wurde in diese Kämpfe auf das schwerste hineingezogen. Die hier besonders aktiven Berg- und Hüttenarbeiter hatten, entgegen dem Widerspruch einiger Aktionsausschussmitglieder, durchgesetzt, dass man zur Bildung einer Arbeiterwehr aufrief. Fünf Kompanien zu je hundert Mann, die sich um ihre Arbeitszentren gruppierten, sollten aufgestellt werden, aber die vierfache Anzahl drängte sich zu den Einschreibestellen. Nur die knappe Hälfte konnte mit Gewehren bewaffnet werden, einige weitere Stoßtrupps mit Pistolen, Seitengewehren und Handgranaten. Alles drängte darauf, so schnell wie möglich irgendwohin geführt zu werden, um die Kräfte mit den Konterrevolutionären zu messen, ihnen weitere Waffen zu entreißen.
„Was die Dortmunder Kumpels können, können die Swertruper auch", - das war die allgemeine Stimmung.
Bürgermeister Dr. Livenkuhl hatte auf Reeses Veranlassung die Geschäfte im Rathaus wieder aufgenommen. Jeitner und Reese, die beiden Vorsitzenden des Aktionsausschusses, begaben sich Freitag früh zu ihm, um wegen der zunehmenden Lebensmittelschwierigkeiten Rücksprache zu nehmen. Die Lager nahmen infolge der stockenden Zufuhr sehr rasch ab. Bei den Kaufleuten verschwanden, ungeachtet aller Erlasse, die vorhandenen Lebensmittel spurlos. Man machte sich kein Hehl daraus, dass ein Versagen der Versorgung eine ernste Gefahr für die erfolgreiche Durchführung des Generalstreiks mit sich bringen müsste.
Vor dem Rathaus stießen die beiden Funktionäre auf eine große Menschenansammlung, deren Mittelpunkt ein über und über mit Kot bespritztes Militärauto war, das vorn am Kühler eine weiße Flagge trug. Der Chauffeur, mit Unteroffizierslitzen an der Lederjacke, saß mit steinernem Gesicht am Steuer, neben sich hatte er drei gespannte Karabiner und eine offene Kiste mit wurfbereiten Handgranaten.
Das Auftauchen der bekannten Arbeiterführer brachte Bewegung unter die in feindseligem Schweigen harrende Menge.
„Beim Bürgermeister drinnen sind zwei Offiziere", riefen ihnen mehrere Stimmen entgegen.
„Da müssen wir nach dem Rechten sehen", sagte Jeitner und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Freitreppe hinauf, gefolgt von Reese und dem soeben noch eingetroffenen zur Linden.
Zu jeder anderen Zeit hätte sich Dr. Livenkuhl wohl das Betreten seines Allerheiligsten ohne Anmeldung und Anklopfen energisch verbeten, jetzt aber ging er den Eindringenden entgegen und streckte ihnen jovial beide Hände entgegen.
„Das ist gut, meine Herren, dass Sie kommen. Soeben wird mir mitgeteilt, dass in einer halben Stunde das Mülheimer Regiment bei uns durchmarschiert", sagte er, dabei auf die beiden am Fenster stehenden Offiziere weisend. „Die Herren sind nämlich vom Aktionsausschuss", setzte er, zu den Offizieren gewendet, hinzu.
Der ältere der Offiziere, der auf den Schulterstücken Hauptmannesterne trug, hob die rechte Hand an seine Mütze, tat einen Schritt näher und sagte mit müde klingender Stimme, wobei er vermied, jemanden anzusehen: „Es handelt hier sich für Swertrup um keine Besetzung, sondern lediglich um einen notwendigen Durchmarsch. Uns kommt es darauf an, Zusammenstöße mit den Arbeitern zu vermeiden."
„Das liegt auch ganz in unserer Absicht, Herr Hauptmann", beeilte sich Reese zu beteuern, wobei er sich leicht zum Fenster hin verbeugte.
„Das käme wohl immerhin noch drauf an, aus welchem Grunde das Regiment in diesen Tagen hier durchmarschiert, und zu welcher Regierung es hält", funkte Jeitner, durch Reeses Voreiligkeit gereizt, dazwischen.
„Es handelt sich um eine anbefohlene Bewegung, über deren Zweck Auskunft zu erteilen ich nicht befugt bin. Was die politische Stellungnahme anbetrifft" - der Hauptmann machte eine kleine Atempause - „wir sind Soldaten, kümmern uns um keine Politik und kennen nur die Befehle unserer Vorgesetzten!"
Jeitner wusste im Moment nicht, was er auf diese diplomatische Erklärung antworten sollte, und auch zur Linden blickte sich ratlos nach seinen beiden Genossen um. Woraufhin Reese erklärte, dass die hiesige Arbeiterschaft für Ruhe und Ordnung sei und der Aktionsausschuss dafür sorgen werde, dass es zu keinen feindlichen Handlungen der Bevölkerung kommen werde. „Gestatte mal, Genosse Reese, der Aktionsausschuss bist du doch nicht alleine; wenn die Herren verhandeln wollen, müssen sie sich schon nach dem Volkshaus bemühen", platzte jetzt zur Linden in ehrlicher Entrüstung heraus. Die Offiziere blickten den Arbeiter mit einem Ausdruck hasserfüllten Staunens an.
„Wir sind", sagte der Hauptmann, „nicht zu Verhandlungen mit irgendeinem Aktionsausschuss, sondern lediglich zwecks einer Mitteilung zur Bürgermeisterei gekommen. Außerdem fehlt uns zu weiteren Erörterungen die Zeit. Ich hörte schon, dass Sie hier eine bewaffnete Arbeiterwehr haben, unsere Leute sind friedlich, aber aufs Äußerste gereizt!"
„Das sind wir auch", unterbrach ihn zur Linden.... aufs Äußerste gereizt", fuhr der Offizier in schärferem Ton fort. „Bei einem etwaigen Überfall schießen wir mit Kanonen."
„Das ist wenigstens deutlich, aber wir lassen uns nicht mehr drohen; die Zeiten sind vorbei", schrie der Bergarbeiter aufgebracht.
„Das ist keine Drohung, sondern nur eine Warnung, in Anbetracht gewisser Erfahrungen", erwiderte der Hauptmann mit eiserner Ruhe.
„Aber meine Herren, bedenken Sie doch, wenn so etwas in unserer lieben Stadt vorkäme, die Folgen wären ja unübersehbar", versuchte der Bürgermeister einzulenken.
„Sie kennen doch unsere Kumpels", sagte Jeitner. „Die Herren da vermeiden jede eindeutige Erklärung über ihre Stellung zur Regierung. Sie verstecken sich hinter ihrem Vorgesetzten, General Watter. Soviel mir bekannt ist, hat sich Watter für Kapp-Lüttwitz erklärt, das müssen Sie doch auch wissen."
Die beiden Epaulettenträger sahen sich vielsagend an, streiften sich dann die wildledernen Handschuhe wieder über. Der Ältere lächelte hämisch, so dass man die großen Goldzähne in seinem Gebiss sehen konnte.
„Wenn Exzellenz Watter sich für Kapp-Lüttwitz erklärt haben, so stehen wir natürlich auch demgemäß!" „Das genügt; dann haben wir uns weiter nichts zu sagen", sagte Jeitner und ging, gefolgt von Reese und zur Linden, ohne Gruß zur Tür hinaus. Die Kappisten knallten vor dem Bürgermeister die Hacken zusammen, verbeugten sich, die Hand an die Mützenschirme legend, und stiegen sporenklirrend die Treppe hinunter.
Als sie auf dem Hof zwischen Freitreppe und Gittertor sichtbar wurden, erhob sich in der inzwischen auf mehrere hundert Köpfe angewachsenen Menge lautes Johlen und Pfeifen, so dass sie erschrocken stehen blieben. Eben räumten Arbeiter die Waffen aus dem Auto.
„Wir sind Parlamentäre; wir verlangen Schutz und freies Geleit", sagte der junge Leutnant erbleichend zu dem ihnen nachgeeilten Bürgermeister. Livenkuhl erwischte Jeitner noch beim Rockschoß.
„Herr Stadtrat, so geht das doch nicht! Sorgen Sie um Gottes willen für die Unverletzlichkeit der Parlamentäre", keuchte er. Auch Reese versuchte zu vermitteln.
„Es tut ihnen ja keiner was. Aber man kann ihnen ja einige Leute zur Stadt hinaus mitgeben", antwortete Jeitner mit verächtlichem Blick.
„Sie sind für unsere Sicherheit verantwortlich, mein Herr", zischte der Hauptmann, der ein grünliches Gesicht bekommen hatte. „Wir kamen als Parlamentäre. Veranlassen Sie bitte sofort, dass unsere Waffen zurückgegeben werden."
„Parlamentäre und Waffen? Das reimt sich wohl schlecht zusammen. Wenn Arbeiter als Parlamentäre zu Ihnen mit Waffen kämen, stellten Sie sie sicher sofort an die Wand. Seien Sie. zufrieden, wenn wir Sie nach Ihren eindeutigen Erklärungen ungeschoren wieder fortlassen", antwortete Jeitner kalt.
Der Offizier biss sich auf die Lippen und wartete schweigend, bis es gelungen war, den Raum zwischen Gitter und Auto frei zu machen. Dann stiegen sie schnell ein, und von je einem bewaffneten Arbeiterwehrmann auf den Trittbrettern flankiert, nahm das Auto seinen Weg langsam über die südliche Ratinger Straße zurück, begleitet von abermaligem Johlen und Pfeifen. Die Insassen starrten mit verglasten Augen und fest zusammengepressten Lippen geradeaus ins Leere.
Im Volkshaus, wo die Kunde vom Anmarsch der Truppen bereits die Mehrzahl der Aktionsausschussmitglieder versammelt hatte, herrschte ein wirres Durcheinander. Keiner war zunächst imstande, irgendwelche Anordnungen zu treffen.
„Die Arbeiterwehr muss alarmiert werden!" - „Wir müssen Barrikaden bauen." - „Wo ist Ruckers?" so rief es durcheinander, aber kein Mitglied des Sicherheitsausschusses war zu sehen.
Reeses Stimme durchdrang den Tumult.
„Seid ihr verrückt geworden? Mit euren paar Flinten könnt ihr doch nicht gegen ein ganzes Regiment ankämpfen. Die Hacketäuer schießen mit Kanonen. - Ihr legt die ganze Stadt in Trümmer", brüllte er, dass ihm der Speichel in den wohlgepflegten Spitzbart troff.
„Sollen wir etwa warten, bis uns dein Genosse Noske auch Kanonen gibt?" fragte der Bergmann Felgentreu höhnisch und zog sich kampfentschlossen den Leibriemen hoch.
„Ihr wisst nicht, was ihr tut! Denkt doch an eure Frauen und Kinder", beschwor der Gewerkschaftssekretär, der mit Erschrecken die Grenzen seiner Beredsamkeit feststellte.
„Eben daran denken wir", antwortete sein Parteigenosse Schmidt.
Jeitner fühlte mit Zentnerschwere die auf ihm ruhende Verantwortung, unter deren Last auch er völlig den Kopf verlor. „Was sollen wir denn bloß tun? Die Arbeiter werden sich nicht aufhalten lassen", sagte er tonlos.
Reese raffte sich zusammen. „Wir müssen die Seitenstraßen der Ratinger Straße durch unsere Arbeiterwehr absperren, mindestens je zweihundert Meter tief, damit es zu keinen Zusammenstößen kommt", rief er mit alles übertönender Stimme.
„Dazu ist wohl die Arbeiterwehr nicht geschaffen, außerdem möchte sich wohl dazu kein bewaffneter Prolet hergeben. Die Straße ist unser", erklang von der Tür ein bekanntes Organ. Die drei Obleute des Sicherheitsausschusses wurden sofort umringt. „Ruhe", gebot Ruckers, und sofort wurde es still.
„Eben kam die Nachricht, dass die Truppen bereits in allen Orten in Kämpfe verwickelt wurden. Abziehen dürfen sie unter keinen Umständen, denn es besteht kein Zweifel, dass sie verstärkt und vermehrt wiederkommen werden. Unsere Leute brennen darauf, anzugreifen. Die vierte Kompanie steht unter Gewehr auf dem Hof der ,Beate', die andern sind noch nicht alarmiert, aber..."
„Was, noch nicht alarmiert? Ja, wie zum Teufel denkt ihr euch denn das?" fragte Kösfeld.
Ruckers winkte ab. „Das Alarmieren ist nicht so schwer, unsere Kumpels schlafen mit der Knarre unterm Kopfkissen. Aber das Wiedernachhauseschicken, Genossen, das ist nicht so einfach, gesetzt den Fall, ihr seid nicht gewillt, die Opfer zu bringen. Darüber dürft ihr euch nicht im Zweifel sein, dass der Kampf nicht nur auf die Arbeiterwehr, sondern auch auf die gesamte Bevölkerung übergreift und große Opfer kosten wird, auch unter Nichtkämpfern, Frauen und Kindern!"
„Das sagt Kollege Reese auch fortwährend, aber ihr lasst ihn ja nicht ausreden", rief der alte Küpper. Jeitner sah sich hilflos um. „Genossen, ich bin kein Soldat, mir fehlen die Sachkenntnisse in derlei Dingen. — Wenn also der Sicherheitsausschuss, der ja dafür zuständig ist, meint - das heißt, die eine Frage müsst ihr beantworten, ob bei dem Kräfteverhältnis ein Angriff unsererseits überhaupt einen Sinn, eine Aussicht auf Erfolg hat, und nicht schließlich nur eine blutige Geste bleibt?"
Auf Ruckers' Stirn vertieften sich die Falten noch mehr. „Rein militärisch sind uns die anderen überlegen, zumal wir auch noch mit den Essener und Düsseldorfer Truppen rechnen müssen. Irgendwelche Garantien kann da kein Mensch übernehmen, das liegt ganz bei dem Elan unserer Leute einerseits, bei der Moral der Truppen andererseits."
„Aber die Waffen! Ihr habt doch nicht genügend Waffen!" schrie Reese, mit der Faust auf den Tisch schlagend.
Felgentreu tippte sich an die Stirn. „Die in Wetter haben sich auch erst die Kanonen erobert, und wir werden es ebenso machen, ich glaube, wir haben sogar für den Anfang mehr als die Genossen irgendwoanders."
„Also, Genossen, entscheidet euch, die Zeit drängt. Bei so widerstreitenden Ansichten kann ich allein die Verantwortung nicht tragen", drängte Ruckers, dessen Nerven jetzt auf das Äußerste gespannt waren. „Entweder werfen wir unser Leben in die Waagschale und kämpfen bis aufs Messer, oder - wir gehen hübsch brav in die Betten."
Es war plötzlich ganz still geworden. Jeder blickte, von der Verantwortung gedrückt, zu Boden. Dann ertönte, wie aus nebelhafter Ferne, eine von schlecht verhehlter Erregung stockende Stimme:
„Ich meine, Genossen, dass man in Anbetracht der ungleichen Kräfte doch wenigstens von einem Kampf in der Stadt absehen sollte!"
Es war der Straßenbahner Schmidt.
„Dann lasse ich abstimmen, also wer dafür ist, dass wir nicht angreifen, der hebe die Hand", rief Jeitner entschlossen.
Eine Anzahl Arme gingen in die Höhe.
„Die Gegenprobe?"
„Arme hoch", riefen Grothe und Felgentreu zugleich. -
„Zweifelhaft!"
„Nochmal abstimmen!"
„Auszählen!"
In diesem Augenblick begann ein markerschütterndes Heulen die Luft zu zerreißen. Alles fuhr, wie von der Tarantel gestochen, hoch.
„Das Alarmsignal!"
„Zu spät, sie sind schon da, so lange habt ihr Idioten gequatscht!"
Kösfeld stampfte seinen Stuhl auf die Erde, dass die Beine absplitterten.
Ruckers stöhnte vor ratloser Verzweiflung. Reese kreischte gleich einem hysterischen Weib:
„Für das, was jetzt kommt, tragt ihr die Verantwortung, ich mache nicht mehr mit, ich gehe nach Hause!"
„Wir müssen jetzt aufzuhalten versuchen, was noch aufzuhalten geht. Legt alle eure Armbinden an, verteilt euch die Ratinger Straße rauf und runter, wir müssen jetzt das Ärgste, einen planlosen Kampf, verhüten", rief Ruckers und stürzte als erster zur Tür hinaus.

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