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Johannes Robert Becher - (CHCl=CH)3As (Levisite)  oder Der einzig gerechte Krieg (1925)
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Sechstes Kapitel

DER ERSTE MAI

Ein Brief. — Sonne über Schweizer Bergen. „Gebt uns eine Partei!" Der Erste Mai: ein Welt-Kampftag! Aufmarsch der Vaterländischen Verbände. Rote Gegendemonstration.
Provokateure an der Arbeit. — Ein Blutbad. Am Abend des Ersten Mai.

1

Als Peter spät nachts nach Hause kam, fand er von seiner Mutter einen Brief vor.
„Mein Lieber! Auf Deinen ausführlichen Brief will ich Dir antworten, indem ich Dir den folgenden Ausschnitt aus einer Zeitung schicke, die ich jetzt täglich lese. Diese Schilderung stammt von Eugen Leviné, wie Du weißt, vom Münchener Standgericht zum Tode verurteilt und erschossen. Dieser Bericht ist auch meine Antwort auf Deinen Brief. Ich bin glücklich über Dich, Peter, Du hast den richtigen Weg gefunden. Nun, nimm und lies!"

Und Peter las:
„Der Wind heult. In der kleinen Petroleumlampe flackert die Flamme, züngelt hin und her, biegt sich und beugt sich. Phantastisch tanzt der Schatten des Teekessels an den runden Wänden der Turmzelle. Auf der harten Pritsche liege ich, fest gehüllt in meinen Pelz, und lausche dem Liede des Windes. In den verrosteten Angeln knarrt das Fenster und ächzt. Die kleine Ratte, die mir sonst Gesellschaft leistet, graziös über den Tisch läuft
und hin und her huscht, wagt sich heute aus dem Loch nicht heraus. Ganz allein bin ich heute. Starre zur Decke. Lasse müde den Blick über die Wände gleiten. Alles so bekannt. Die Namen an den Wänden. Kommentare der Nachfolger: ,Ab nach dem Zuchthaus zu Smolensk, ,Hingerichtet in Wilna'... Und daneben immer und immer wieder: ,Es lebe der Kampf', ,Es lebe die Revolution'.
Der Wind heult, und wieder flackert das Licht in der Lampe, wieder tanzen phantastische Schatten. Immer fester hülle ich mich in den Pelz, den sie mir gelassen haben. Es ist kalt in der Turmzelle. Schon ermüden die Augen und fallen langsam zu. Da plötzlich fahre ich auf. Draußen auf der eisernen Treppe höre ich Schritte und Kettengeklirr, Stimmen und Kommandorufe. Sie nahen in der Richtung meiner Zelle. Unter mir verstummen sie. Dumpf dröhnend fällt in der unteren Turmzelle die eisenbeschlagene Tür ins Schloss. Wieder Stimmengewirr und stampfende Schritte. Dann wieder Stille.
Nur der Wind heult. Der Fensterrahmen knarrt, die Flamme in der Lampe züngelt und flackert, und phantastisch tanzen die Schatten.
Ich lausche angestrengt. In die Zelle unter mir haben sie einen ,Neuen' gebracht. Wer ist es? Ein Fremder, ein Freund? Ein Genosse oder Krimineller? Was droht ihm? Der Galgen? Oder bloß Kerker? Ich lausche. Wird er nicht klopfen? Nicht seinen Namen nennen? Nein, es bleibt still. Nur der Wind singt sein Lied.
Ich lege das Ohr an die Wand — alles still. Kein Laut.
Vielleicht weiß er nicht, dass jemand über ihm sitzt. Ich nehme den Metallbecher und klopfe leise an die Wand: ta ta — tatatatatatatatata — tatata — leise, rhythmisch. ,Kto wy
?' - Wer seid ihr?' Aber ich komme
nicht zu Ende. An der Tür ein leises, schleichendes Geräusch. Schnell ist der Becher versteckt. Ich liege auf dem Rücken, mit verschränkten Armen, mit künstlich gleichgültigem Gesicht. Ich schaue nach dem Guckloch an der Tür. Ein entzündetes Auge richtet seinen Blick auf mich. Ich erwidere den Blick und fühle, wie etwas Feindseliges wider meinen Willen aus meinem Auge spricht. Da wird das Guckloch wieder geschlossen, und an Stelle des Auges grinst hinter der kleinen Öffnung die dunkle Metallplatte.
Nun bin ich wieder allein. Mit dem Klopfen ist es heute Nacht zu Ende. Sonst werde ich angezeigt.
Übrigens scheint der Neue das Klopfen nicht zu verstehen. Morgen muss ich versuchen, ihm das Klopfalphabet zuzustellen. Durch wen? Ich überlege. Denke an verschiedene Kriminelle, die Zutritt zum unteren Korridor haben. Am einfachsten wäre es ja, den Brief durchs Fenster an einem Strick hinabzulassen. Doch das ist gefährlich. Die Posten haben Befehl, zu feuern, sobald sich jemand am Fenster zeigt. Ich werde mit Butkewitsch sprechen. Der hat als Putzer zu allen Zellen unseres Korridors Zutritt. Vielleicht kann er mir helfen. Es eilt ja auch nicht. Morgen wird sich schon ein Weg finden. Ich schließe die Augen und versuche zu schlafen. Lange höre ich noch das Knarren des Fensters, lange höre ich noch das Heulen des Windes... Dann aber allmählich legt sich bleierne Müdigkeit wie ein Reifen um die Stirn, und ich schlafe ein...
Langsam dreht sich der Schlüssel im Türschloss. Einmal, zweimal. Knarrend geht die Tür auf. Ekelhafter Geruch von Dutzenden von Paraschas (Eimern) schlägt vom Korridor in die Turmzelle. Ich öffne die Augen. Es dämmert kaum. Gähnend steht der Wärter in der Tür,
nestelt am Gurt, steckt den Revolver zurecht. ,Guten Morgen', ,Guten Morgen'. Klappernd mit den Holzpantoffeln auf dem steinernen Boden, klirrend mit den eisernen Ketten, läuft Butkewitsch, der Korridorputzer, hin und her. ,Guten Morgen.' — Er läuft ans Fenster, reißt es auf, und kühlend netzt die frische Morgenluft mir das Gesicht. Ich wende den Kopf zum Fenster, atme in vollen Zügen die Luft ein. Da gewahre ich im fahlen Morgenlicht auf dem Fensterbrett etwas Weißes: einen kleinen Zettel. Schnell sehe ich weg, damit der Wärter nicht der Richtung meines Blickes folgt. Doch er hat nichts gemerkt. Noch immer macht er sich gähnend am Revolver zu schaffen. Wieder klirren die Ketten und klappern die Pantoffeln: Butkewitsch bringt die leere Parascha. Schnell wechseln wir einen Blick des Einverständnisses. Dann nimmt er die leergebrannte Lampe vom Tisch, und die Tür fällt dröhnend ins Schloss. Zweimal dreht sich der Schlüssel. Ich bin wieder allein.
Einen Blick aufs Guckloch in der Tür: Nein, niemand. Ich nehme den Zettel vom Fenster. Ich erkenne die Handschrift, ein Genosse vom unteren Korridor schreibt mir: ,Genosse! Gestern Nacht hat man einen Neuen gebracht. Du kennst ihn nicht. Er sitzt unter Dir im Turm. Morgen wird er zur Hinrichtung transportiert. In unserer Zelle sitzen seine Freunde. Sie wollen ihm einen letzten Gruß senden. Jede Verbindung mit seiner Zelle im unteren Korridor ist abgeschnitten. Versuche den beiliegenden Zettel zu ihm zu schaffen. Es sind letzte Abschiedsgrüße. Dank im voraus... '
Den ganzen Vormittag gehe ich in meiner Zelle auf und ab und überlege. Unten ist die Verbindung mit ihm abgeschnitten. Es gibt nur ein einziges Mittel: Ich muss ihm den Brief durchs Fenster zustellen...
Als ich um zwölf das Mittagessen in Empfang nehme, raune ich Butkewitsch zu: ,Das Telefon!' Er nickt. Eine halbe Stunde später bringt er heißes Wasser für den Tee. Der Wärter bleibt in der Tür stehen. Butkewitsch
macht sich am Tisch zu schaffen. Der Wärter wird ärgerlich. ,Na, wird's bald?' Da beginnen zwei Kriminelle dem Korridor Streit. Absichtlich, um den Wärter abzulenken. Laut schallen die Schimpfworte. Der Wärter geht hinaus. ,Wollt ihr wohl Ruhe halten!' Butkewitsch benutzt den Augenblick, zieht unter seiner Jacke ein Bündel hervor, wirft es schnell unter meine Pritsche und geht auch hinaus. Auf dem Korridor ist es wieder ruhig, der Wärter kommt zurück, lässt seine Blicke prüfend durch die Zelle schweifen und geht dann auch hinaus. Die Tür fällt ins Schloss, wieder knarrt zweimal der Schlüssel, und wieder bin ich allein. Das ,Telefon' liegt unter der Pritsche: ein langer Strick aus Fetzen von Bettdecken zusammengesetzt. Der Zettel ist in einer Spalte der Wand versteckt. Ich muss warten. Ein dreifacher Ring umgibt das Gefängnis. Innen im Hof Gefängniswärter und Feldjäger, draußen, vor der Mauer, Schutzleute. Gerade vor meinem Fenster — ein Feldjäger. Er muss es sehen, wenn ich das ,Telefon' hinablasse. Doch ich habe Glück. Heute Abend soll ein Feldjäger auf Wache kommen, der mit uns heimlich sympathisiert. Der wird schon ein Auge zudrücken. Und die Außenposten werden es nicht so schnell merken. Ich habe alles für den Abend bereit. Schreibe ein Klopfalphabet mit Erläuterungen, damit der Genosse wenigstens die letzte Nacht mit mir sprechen kann. Vielleicht hat er letzte Wünsche zu übermitteln, letzte Grüße...
Es dämmert. Ich hocke auf dem Fensterbrett. Im Garten des Gefängnisdirektors, draußen, vor unserer Mauer,
rekeln sich die Schutzleute. Innen im Hofe, vor dem Fenster, steht der Feldjäger. Sieht er mich nicht? Will er mich nicht sehen?
Ich stecke die Hand zwischen die Gitterstäbe und lasse langsam das ,Telefon' hinab. Unten baumelt der Brief. Nach meiner Berechnung muss er jetzt vor seinem Fenster sein. Ich klopfe an die Wand, um den Genossen aufmerksam zu machen. Keine Antwort. Das Telefon baumelt im Winde. Vielleicht kann er es nicht greifen, weil es so hin und her geht. Ich ziehe das Telefon wieder herauf, beschwere es mit dem Metallbecher und lasse es hinab. Gerade gespannt hängt jetzt der Strick. Jetzt muss der Brief vor seinem Fenster sein. Ich klopfe mit dem Fuß auf den Boden, klopfe mit dem schweren Holzschemel. Laut. Er muss es hören. Aber unten bleibt alles still. Keine Hand greift nach dem Brief.
Der Feldjäger wird unruhig. Er winkt mir und macht mir ein Zeichen. Ich soll aufhören. Ich beachte es nicht. Die Schutzleute an der Außenmauer haben es auch bemerkt. Laut tönen ihre Stimmen. ,Hundesohn! — mach, dass du fortkommst vom Fenster!'
Jetzt gilt es. Länger kann ich nicht bleiben. Gesehen hat man mich ja doch schon. Ich presse das Gesicht an die Gitterstäbe und rufe: ,Genosse! Genosse! Warum nehmen Sie den Brief nicht?' — ,Hundesohn! Wird's bald? Wir schießen!' Und schon greifen sie nach den Gewehren. Ich lausche — noch einen Augenblick, sonst ist es zu spät. Da dringt eine Stimme von unten herauf, stammelnd und klagend, leise und kraftlos, so leise, dass ich das Gehör anstrengen muss, um zu hören: ,Genosse... . Ich kann... den Brief... nicht... nehmen. Beim Verhör... hat man... mir . . . beide Arme... gebrochen. Genosse... leb wohl...' Leise
und klagend tönt die Stimme und bricht plötzlich ab.
Ein wütendes Winken des Feldjägers; die Schutzleute vor der Mauer haben schon angelegt. Mit einem Ruck reiße ich das Telefon nach oben und lasse mich vom Fensterbrett gleiten, verstecke alles schnell unter der Pritsche, Es ist höchste Zeit gewesen. Aufgescheucht vom Lärm macht der Wärter auf dem Korridor seine Runde. Und jetzt schaut sein Auge durchs Guckloch. Aber ich liege schon auf meiner Pritsche auf dem Rücken mit verschränkten Armen, und beruhigt geht er weiter...
Nachts, als es ganz still ist und draußen vor der Tür regelmäßiges Schnarchen ertönt, stehe ich auf und verbrenne alles: das Klopfalphabet, die Erläuterungen und die letzten Grüße.
Rußig züngelt die Flamme zur Lampe heraus, ergreift das Papier und leckt gierig daran. Ein Häufchen Asche fällt auf den Tisch. Der Wind heult; fährt zwischen den Fensterritzen hindurch, und die Aschestückchen flattern durch die Zelle: Das Alphabet, die Erläuterungen und die letzten Grüße.
Unten aber sitzt der, dem sie galten. Am Vorabend seiner Hinrichtung. Mit gebrochenen Armen. Und niemand, der ihm ein letztes Abschiedswort sagen könnte.
Der Wind heult. Unruhig flackert die Flamme. Phantastisch tanzen die Schatten. Am Fußboden bewegen sich zitternd Aschestückchen.
Ich liege wieder auf der Pritsche. Hülle mich fester in den Pelz. Fröstle trotzdem. Schließe krampfhaft die Augen, beiße die Zähne zusammen. Im Ohr klingt immer noch leise und klagend die stammelnde Stimme: Ich kann den Brief nicht nehmen, Genosse! Lebe wohl!"

Es ging gegen Morgen.
Peter las noch immer den Brief.
Dieser Brief soll eine Antwort sein... Sind denn auch ihr bei einer Voruntersuchung beide Arme gebrochen worden...? Aber sie war doch nicht verhaftet... oder sollte das ganz anders gemeint sein, so vielleicht, dass...
„Ja, so ist es!" Nun kannte er plötzlich die Bedeutung der Antwort.
Zehn Jahre solch eines „Zusammenlebens", das war ihre Voruntersuchung, und jetzt... Sie ist einfach ein körperlich und geistig gebrochener Mensch und kann nicht mehr.
Peter rieb sich den Schlaf aus den Augen und machte sich an seine Arbeit. —
Und wieder strahlte die Sonne auf. Früher war es: die Stadt erwachte. Jetzt wacht sie Tag und Nacht.
Alle Gegenstände ringsum — Kleider, Möbel, Häuser, Straßen, was es auch sei — sprechen laut und eindringlich im Frühlicht ihre stumme Sprache: Im Anfang war die Arbeit. Alle Waren, die heute produziert werden, sind geronnenes Menschenleid... Du kleidest dich in Blut und Tränen. Was du isst und trinkst: heißt Menschenschweiß, ist Menschenbitternis... Du schwebst nicht in der Luft. Der Grund, auf dem deine Füße stehen, was ist er anderes als eine Plattform gekrümmter Menschenrücken ... ?! Unsichtbar eingegraben ist in alles, was dich umgibt, die Rune der Not...
So, so ist es, und nicht anders. —

 

2

Zur gleichen Zeit ging auch über den Schweizer Bergen die Sonne auf. Groß, rot, schmetternd... Ein Horn blies. Die Kurgäste, in Pelze und Mäntel gehüllt traten aus ihren Appartements und Prachtzimmern auf die Veranden und die Balkone des Hotels „Rigikulm" hinaus, um den Sonnenaufgang zu bewundern.
Der Kurhaussaal unten wurde eben aufgeräumt, noch hingen Girlanden, Papierschlangen und bunte Lampions herum von dem Fest, das vorige Nacht zu Ehren der Ankunft der „Deutschen" gegeben worden war.
Es war ein wildes, ausgelassenes Fest, an nichts wurde gespart, es glich einem Karneval, alle Teilnehmer hatten sich phantastisch kostümiert. Es waren die letzten Deutschen, die über die Grenze gekommen waren, bevor diese endgültig abgesperrt wurde.
Auch der Landgerichtsdirektor Dr. Friedjung war unter ihnen.
Er fungierte in den letzten Jahren als Untersuchungsrichter und war durch einige bedeutende politische Prozesse allgemein bekannt geworden. Die Zuspitzung der inneren Verhältnisse in Deutschland ließ es für ihn geraten erscheinen, Deutschland zu verlassen. Seine vorgesetzte Behörde selbst riet ihm dazu. Er sollte sich im Ausland bereit halten, bis sich die weitere Entwicklung der Lage besser übersehen ließ.
Landgerichtsdirektor Dr. Friedjung, übernächtigt, den Mantel über, darunter noch im Maskenkostüm, stand, abseits von der übrigen Gesellschaft, am Rand der Felsen.
Der berühmte Hofopernsänger Eugen Garu, eine etwas fettlich geratene Siegfriedgestalt, sang eben zur Begrüßung der aufgegangenen Sonne eine italienische Arie. Als er mit einer geschwollenen Stimme endete, die wie der Bizeps eines Ringers klang oder wie Nackenspeck, klatschten die Zuhörer begeistert Beifall.
Es waren Politiker, hohe Beamte, Schauspieler, Tänzerinnen, Filmstars, auch Literaten, Professoren und ähnliche Kulturträger darunter.
Im gesamten neutralen Ausland schossen jetzt solche Kolonien deutscher Emigranten empor.

Der Landgerichtsdirektor klingelte in Gedanken. Wo bleibt heute nur der Gerichtsdiener mit der Aktenmappe!?
Dr. Friedjung war allein im Büro. Niemand war zur Stelle.
Die ganze Alpenwelt glühte jetzt...
Ein flammender Blutballon schwebte die Sonne am blaudunstigen Gewölb herauf.
Auch die Zeitungen bleiben aus...
Und er sah auf die Uhr. Der Zeiger stand. Das Uhrwerk war abgelaufen...
Sehr verehrter Herr Dr. Reuchlin! Ich habe die verzweifelte Ehre, Ihnen, leider Gottes, mitteilen zu müssen, auch meinerseits Vater eines Sohnes zu sein, der..., setzte der Landgerichtsdirektor in Gedanken auf und knüllte dabei hastig nervös in der Hosentasche seiner Maskenuniform an einem Brief herum, in dem ihm ein Kollege über die neueste Entwicklung Peters schrieb...
Verdammt!
Und sein ganzes Leben schrumpfte ihm plötzlich in einen Akt zusammen, Akt Heinrich Friedjung, er blätterte darin, dann schlug er die erste Seite auf und siehe
da, darauf stand: Versalien, Fraktur, wie früher „Im Namen des Volkes", „Verlustliste".
Namen standen der Reihe nach herunter, hinter jedem ein Kreuz.
Andere Namen, dahinter: 8 Jahre Zuchthaus, 17 Jahre Zuchthaus, 25 Jahre Zuchthaus, lebenslänglich... Er zählte zusammen: 15 Kreuze, 987 Jahre...

Wieder sang der Hofopernsänger.
Alle Kurgäste sangen im Chor: „Deutschland über
Auch zu Dr. Friedjung drang der Gesang.
Damit steh und falle ich... Herrlich weit haben wir's gebracht... Dahin also ist es jetzt gekommen...
Es wurde schon warm, die Sonne brannt und die Schminke lief ihm dick vom Gesicht.
Das Untersuchungsverfahren gegen Friedjung Heinrich ist abgeschlossen, hörte er jetzt sich selbst sprechen. Die Hauptverhandlung ist bereits eröffnet. Die Zeugenvernehmung ist beendet. Das Plädoyer des Staatsanwalts beginnt: Und so stelle ich hiermit den Antrag auf Zuerkennung einer Strafe in der Höhe des gesetzlich zulässigen Mindeststrafmaßes und beantrage demnach...
Mit den Händen schob sich der Angeklagte Dr. Friedjung in ein Gebüsch hinein, setzte sich auf einen Stein und lächelte.
Der Angeklagte hat das Schlusswort.
Meine Herren Richter! Der Angeklagte stand vom Stein auf. Eigelb ist nun die Sonne. Die Sonne: ein Dotter. Und wenn man von dieser Tatsache ausgehend den Weltraum sich als etwas Atmosphärisch-Gläsernes vorstellt, dann... Ei im Glas...
Weiter kam er in seiner Betrachtung nicht.
Jetzt beginnt er zu simulieren, bemerkte irgendwer im Zuhörerraum spöttisch.
Die Richter erschienen wieder nach einer Sekundenpause.
Alles erhob sich.
Das Gericht hat dem Antrag des Anklagevertreters stattgegeben und auf das gesetzlich zulässige Mindeststrafmaß erkannt, auf... Der Strafvollzug tritt sofort in Kraft.

Aus der Tasche, in der er an dem Brief herumgeknüllt hatte, zog der Landgerichtsdirektor die Pistole hervor.
Schwarzblau... Prima Stahlware... Wie ein kleiner Monteur siehst du ja aus... Bist mein Söhnchen vielleicht gar selbst, heißt am Ende noch Peter, und bist wohl nun schon auch inzwischen zum klassenbewussten Proleten geworden!?... Wie dem aber auch sein mag... Dein alter Vater ist dir nicht lange mehr gram dar­über... Musste ja so kommen... Kann auch gar nicht anders sein...
Nun traten plötzlich alle die von ihm Voruntersuchten auf ihn zu, alle sie, die er nur in der einzigen Absicht voruntersucht hatte, um sie dem Henker zu überantworten: Gehängte, Gefallbeilte, die in der Untersuchungshaft meuchlings Ermordeten, Kopfschüßler: Im Namen des Volkes! Bitte...
„...über a-alles in der Welt!" schloss vielstimmig, hoch tremolierend die Schar der Kurgäste.
Kreischend lachte der Landgerichtsdirektor auf.
Durch alle Räume hindurch, wie aus einem Megaphon, durch die ganze Welt schrie dieses Gelächter.
Dann drückte er ab.
Es tat wie ein die ganze Herzgegend tief durchdringender leichter Schlag mit der flachen Hand. —

 

3

Ein schluchtenartiges, von steilen Gefällen überschüttetes Gelände war diese Zeit.
Die Partei arbeitete sich hoch hinauf durch diese Zeit wie ein Traktor: die schwer keuchende Masse des Proletariats hinter ihm dumpf wie eine aus Fleisch, Eisen und Ruß geknetete Wolke.
Mit Blut, Tränen und Schweiß unlösbar ineinander verkittet, bewegte sich der Menschenmillionenknäuel der Ausgebeuteten daher. —

Die Partei war zu einer Kampfmaschine geworden.
Absolute Starrheit, Festigkeit, Sicherheit in allem Prinzipiellen, größte Biegsamkeit, Elastizität, Beweglichkeit, Manövrierfähigkeit in allem übrigen...
Jeder hatte seine Funktion. Der Hydra der Korruption wurde rücksichtslos Kopf um Kopf abgeschlagen...
Ein unermessliches Kampffeld war zu übersehen.
Die Fühler und Tastorgane der Partei reichten bis in den kleinsten Winkel hinein. Kein Verein, keine Vereinigung gab es ohne rote Zelle. Die Betriebszellen wuchsen, fraßen wie reißend Feuer um sich, die Proletariermassen wurden wieder glühend... Die Fabriken wurden die Kasernen der Arbeiter, wurden zu roten Kampfarsenalen, zu roten Bollwerken...
Die Sektionen der Komintern, eisern in sich gefügte, disziplinierte Organismen, krümmten und schlugen sich,
stießen vor, wichen aus, nahmen hier den Kampf mit dem Gegner auf, bissen und rissen sich durch, zogen dort sich zurück; an einer anderen Stelle wieder ließen sie es nur beim Geplänkel.
Millionenäugig war dieser Kampfkörper. Das Gehirn: ein einziger Erfahrungs-  und Willensapparat, über Millionen Muskeln, Arme, Herzen, Nervenbündel gebietend. Jede Schraube an diesem lebendigen Mechanismus war fest angezogen, jeder Teil bis auf den letzten Grad seiner Leistungsfähigkeit ausgenützt und gespannt...

Die Partei hatte aus ihren Fehlern und Niederlagen gelernt, im Kreuzfeuer der Verfolgungen und der Illegalität ward sie nur widerstandsfähiger und härter geschmiedet, jeder Prolet hatte seinen beträchtlichen Anteil an den tausendfachen Verbesserungen, die unter den erschwertesten Umständen in den letzten Jahren durchgeführt werden mussten. Voll Stolz, Zuversicht und mit unerschütterlichem Vertrauen sah er auf seine Partei, auf seine Kampfführung: ein gewaltiges, aus Proletarierherzblut gewachsenes Instrument, das exakt funktionierende Hebelwerkzeug der sozialen Revolution.
Das Proletariat war wieder auf sich selbst gestellt.
Das Proletariat glaubte wieder an sich selbst. —

 

4

Der Student Peter Friedjung und der Arbeiter Max Herse waren beinahe zu gleicher Zeit in die Partei eingetreten.
Lene arbeitete sogar seit einem halben Jahr schon in einer Parteistellung.
Peter verrichtete ganz selbstverständlich die Parteikleinarbeit wie jeder andere. So hatte er auch binnen kurzem das Misstrauen, das die Proleten zuerst ihm als einem Intellektuellen gegenüber hatten, überwunden. Man hatte ihn herzlich gern, er sprach immer nur ganz kurz in der Diskussion, aber alles, was er sagte, hatte Hand und Fuß und war nicht aus dem Abstrakten her oder aus dem Lichtblauen gesogen.
Zu berechtigt war dieses Misstrauen gegenüber den Intellektuellen, sah Peter immer mehr ein, die Intellektuellen sind zu schwach, zu beeinflussbar, treten häufig nur in die Partei ein, um dort unter einem anderen Vorzeichen die große Rolle zu spielen, und wenn man auf ihren verfluchten, meistens noch dazu eingebildeten Individualismus und ihre läppischen Eitelkeiten keine Rücksicht nimmt, dann ist es kaum mit ihnen auszuhalten. Immer heißt es da ihrem seelischen Differenzierungsquark Reverenz erweisen, die Empfindlichkeit ihrer feinen Seelenplatte ist aufs höchste übersteigert, und bestimmt ist mindestens jeder dritte in diesem Augenblick eine gekränkte Leberwurst. Aber für das alles ist kein Raum in einer bolschewistischen Partei. Man muss ihnen den Schädel ordentlich einboxen...
Unzuverlässig. Unpünktlich...
Mit solchen Menschen lässt sich eben rein schon gar nichts anfangen...

Da begann wieder einmal einer jener Menschenart mit Peter anzubinden, einer der an der Peripherie der Partei Herumwimmelnden, für gewöhnlich „Sympathisierender" genannt, einer, der in alles hineinschmeckte, von außen her sich alles zu beurteilen anmaßte, und zu dessen einträglichem Berufe es gehörte, alles, was es auch
sein mag, an der Partei zu bemäkeln. Ein Groß Nörgler, ein sympathisierender Gernegroß, einer, der die gesamte kommunistische Bewegung am liebsten zur Deckung seines Größenwahnbedarfs für alle Ewigkeit gepachtet hätte...  Ebenso, wie  er für sich selbst einen fanatischen Persönlichkeitskult beanspruchte, ebenso hinterhältig griff er mit Verleumdungen in der oder in jener Person die Gesamtpartei an, ging immer mit alarmierenden Gerüchten krebsen, trug jeder einmal aufkommenden  Panikstimmung  gewissenhaft  Rechnung und erwies sich so in weitesten Intellektuellenkreisen als ein zugkräftiger Miesmacher. Er selbst rührte natürlich, mit den verwegensten Projekten zwar immerdar schwanger, in der praktischen Arbeit keinen Finger.
„Und was sagst du nun, Peter, zu der Genossin Kramer!... Diese aufgeplusterte Kröte. Aber Geld hat sie immer, niemand weiß woher, und eine Villa hat sie sich auch gebaut, und sie trieft nur so von französischem Puder und Schminke... Sie lebt offenbar mit drei Genossen zugleich zusammen... Da gibt es Sowjetsterne bei ihr aus Schlagsahne, hörst du, auf Kuchen, zum Geburtstag... Aber wenn sie nur den Mund auftut: das raspelt herunter wie aus einer Blechtrommel... Das ist ein richtiges antibolschewistisches Gräuel... Wenn ich die schon sehe, da vergeht mir schon wieder die ganze Lust an der Bewegung... Schau dir nur diese Feldwebelin an, wie aufdringlich die herumquatscht, Phrasen, nichts als Phrasen... Man müsste ihr einmal ordentlich den Hintern... Aber dass so etwas auch die Partei duldet...
Na, überhaupt die Partei! Sieh dir, Peter, einmal die Führer an! Hochwürden! Marx-Pfaffen! Euer organisatorischer Leiter, dieser verknöcherte Bonze, bezieht er nicht zusammen mit seiner Frau ein doppeltes Gehalt?...
Ja, euere Führer verstehen sich zwar fürtrefflich aufs Kuhhandeln, aber nicht aufs Kämpfen. Haben sie die Situation vielleicht ausgenützt!? Und die, und die... Und da soll wieder das und dort wieder jenes vorgekommen sein. Hast du nicht gehört, dass... Und übrigens neulich habe ich den Genossen Bittermann sieht sehr schlecht aus, der mir erzählt hat, dass... und
auch im Bezirk soll es oberfaul stehn... und R. und A.
sollen aus der Partei bereits wieder ausgeschlossen sein, und von G. sagt man, dass er ein Spitzel sei, und L. soll zur SPD übergetreten sein... Auch hab ich gehört, dass die Arbeiterkorrespondenzen von Intellektuellen geschrieben seien, stimmt daran nicht was, und schau nur die Berichterstattung unserer Presse an... Im übrigen bitt ich dich, Peter, mach keinen Gebrauch von dem, was ich dir soeben vertraulich mitgeteilt habe. Ich möchte nicht haben, dass..."
Am liebsten hätte Peter gleich dem Stänker den Rücken gekehrt. Aber er hatte Geduld gelernt und blieb ruhig. Sagte jetzt nur ganz sachlich: „Nun aber stopp, Stänker! Mach Schluss! Mich interessiert nicht, wessen Nase dir nicht gefällt!"
Der Stänker platzte jetzt beinahe vor Erbitterung. Spie Gift und Galle. Nichts war ihm radikal genug, aber auf einmal schlug er wieder ins Gegenteil um, stülpte sich um, völlig haltlos warf es ihn von einem Extrem ins andere... Vom Abkillen und missverstandenen Reformvorschlägen sprach er im selben Augenblick.
„Eine heilige Sache fürwahr, für die sich's zu sterben lohnte, war vormals der Kommunismus! Was habt ihr aus dem schönen Kommunismus gemacht? Einen der Idee feindlichen Kloakenhaufen..."
So schloss der Stänker seinen Wutausbruch.
„Dass du jetzt nur keinen Anfall bekommst, Stänker! Dir scheint ja eine Riesenlaus über die Leber gelaufen zu sein... Aber, du entschuldigst schon, das, was du hier verzapfst, ist Quatsch mit Sauerkohl. Mir ist schon ganz speiübel..."
Und ein schöner Misthaufen ist das, dachte sich Peter was da alles ins Zeug schießt: Utopien, Überradikalismus, Versöhnlertum, Menschenliebe, dummdreiste Gehässigkeit: alles hübsch einträchtiglich chaotisch sprießt da beieinander.
„Ist das wirklich, Stänker, deiner Weisheit letzter Schluss? Du tust mir ordentlich leid..."
„Und was ist das mit der Kaltstellung Trotzkis?" kläffte der Stänker noch...
Während Peter versuchte, trotzdem dem Stänker noch einmal klarzulegen, was eigentlich eine Partei sei und wie er sie von seinem individuellen Standpunkt aus vollkommen schief sehe, ja sie auch, da er ihr inneres Leben und ihre innere Gesetzmäßigkeit nicht kenne, völlig danebenbeurteilen und sie aus seinem ganzen blödsinnigen Egozentrismus heraus kindisch verzerren müsse.
„Wenn sich einer wie du immer um sich selbst dreht, glaubst du, der bekommt eine richtige Übersicht...? Die Umgebung erscheint dann natürlich unter einer individuell willkürlich verzogenen Perspektive."
Und weiter erläuterte Peter, dass die Partei mit einer gewaltigen Filtriermaschine vergleichbar sei, in der jeder einzelne, ohne Rücksicht auf seine Funktion, ordentlich durchtrainiert und durchgeknetet werde und sicher in kürzester Frist bald auf einen Platz zu stehen komme, wo er letzten Endes seiner Begabung und Veranlagung nach hingehöre.
„Sicher, es gibt Reibungen, muss solche geben, es geht nicht immer alles so glatt ab, aber wozu diese Verweichlichung, lernen wir nur ein wenig den Ellenbogen gebrauchen, man muss es dem anderen deswegen nicht gleich so krumm nehmen. Die Korruption wird nie ganz auszuschalten sein, trotzdem, natürlich, sie muss aufs Äußerste reduziert und darum auf das Heftigste, überall dort, wo sie auftritt, bekämpft werden: aber, die revolutionäre Bewegung, aus dem Schoß der kapitalistischen Gesellschaft geboren, trägt deutlich die Zeichen ihres Ursprungs an sich... Das nicht begreifen, heißt, von Dialektik auch nicht das geringste verstanden zu haben... Und nun, mein lieber Gottlieb Jeremias Stänker, treib es mit deinen Anschuldigungen nicht allzu toll, kühle dich ein wenig ab, verordne dir selbst eine kalte Abreibung, ich kann dir zum Schluss nur sagen: die Partei leistet heute wirklich, magst du es anpacken, wo du willst, positive Arbeit, und dass es keine bessere Zentrale gibt als die, die wir heute haben, das ist gewisser als gewiss ... Es gibt aber immer zweierlei Kritik... Na, Freundchen Stänker, du verstehst, was ich meine...
Und nun, mein Lieber, will ich dir noch sagen, was ich für eine Auffassung von einem Kommunisten, der diesen Namen zu Recht trägt, habe. Schreib dir's, wenn du's kapiert hast, hinter die Ohren. Jeder Kommunist muss wissen, dass er, wo auch immer: im Betriebe, in der Gewerkschaft, in der Genossenschaft, nur dann voll seine Pflicht tun kann, wenn er in jeder Beziehung den Arbeitern ein Vorbild ist: der aufgeklärteste, gebildetste, geschickteste Arbeiter in der Betriebsversammlung, der energischste, mutigste, klassenbewussteste dem Unternehmer, Direktor, Antreiber gegenüber; der eifrigste, aufopferndste Gewerkschafts- und Genossenschaftsarbeiter,  der  sachlichste,  positivste,  kampfbereiteste als Betriebs-,  Gewerkschafts-,   Genossenschaftsfunktionär kurz, überall dort, wo er Arbeiter vertritt. Jeder Kommunist muss sich der Verantwortung für jede Äußerung bewusst sein. Sachlichkeit, Positivität, kritische Schärfe, Unerschrockenheit, glühender Hass und kalter Verstand allen Bonzen gegenüber, Geduld, große Geduld allen anders denkenden Arbeitern gegenüber, organisatorische Fähigkeiten, Werben unter den Unorganisierten für die Gewerkschaften zur Verstärkung des kommunistischen Einflusses, Fähigkeit, mit der Feder einfach, präzis, wirklichkeitsgetreu umzugehen, Abstreifen jedes zünftlerischen, spießbürgerlichen, individualistisch verseuchten Geistes, jeder Art von luxuriöser Gehirnfatzkerei — das muss die Partei von jedem ihrer Mitglieder verlangen, und nur der, der diesen Anforderungen voll gewachsen ist, verdient den Ehrentitel eines Kommunisten."
Und Peter verabschiedete sich mit einem kurzen Ruck vom Stänker.
Der rief ihm noch nach: „Bei Philippi sehen wir uns wieder! Denk an mich! Mit der Parole ,Diktatur des Proletariats!' gewinnt ihr keinen Blumentopf..."
Und hopste verbissen von dannen.

Peter widerte es an.
Wozu nun diese lange Auseinandersetzung? Ein hoffnungsloser Fall. So einer wird aus seinen Komplizierungen und seelischen Verkrümmungen heraus eines Tages noch zum Spitzel... Das Besondere, das Originale, das Interessante, das ist bei diesen sensationslüsternen, pseudodämonischen Individual-Säuen die Hauptsache! Nervenkitzel und Seelenschleim, mit einem tüchtigen
Schuss „Gottes-Rummel" gemischt: diese Welt liegt hinter uns... Komische Käuze!
Der eine lebt nach dem Motto: Ich trinke nicht, ich rauche nicht, ich lebe vegetarisch: mein Kopf ward schon zum Kohlkopf... Ein anderer hat schon den Zustand des reinen Wurzelkauertums erreicht, und ein dritter endlich ein biederer Schmock von Stinnes Gnaden, wittert rote Morgenluft, stellt sich um und fristet sein Dasein als feiste Revolutionswanze... Lebendige Leichname sind am schwersten totzukriegen. -
Auch der Inhaber eines kleinen Kramladens, Eugen Brennnessel, der „Heringsbändiger" genannt, erkundigt sich neulich eingehend bei Peter, meinte aber am Schluss ganz treuherzig: „Nur glaub ich nicht, dass Sie auf diese Weise es zu etwas bringen werden... "

 

5

Max und Lene saßen beieinander.
„Und morgen ist der Erste Mai... Ach, Max, wenn ich an die Maifeiern bei der SPD denke, mir wird bei der Erinnerung noch ganz übel... Die vielstimmigen schmalzigen Männerchöre und die Reigentänze... Dieses ganze ,Jupudei Jupudei'. Einmal haben wir sogar aufgeführt: ,Sah ein Knab ein Röslein stehn...' Und dann die Umzüge: im Gehrock, die Angströhre aufgestülpt, den Zylinder, mit roter Schärpe um, und die Blechmusik an der Spitze: Tschindarassa... Es war wirklich ein schöner, gemütlich-biederer sozialdemokratischer Bußbrüder- und Betschwesternverein... Ich bin froh, dass es jetzt gründlich aus ist mit diesen Spießbürgerparaden... Weißt du was, morgen wird es großartig werden. Der Aufmarsch! Der große Sprechchor! Die roten Frontkämpfer!... Aber es ist jetzt auch eine Zeit! In der ganzen Welt wird morgen das Proletariat aufstehen, wir sind wieder gewaltig mächtig und selbstbewusst geworden... Es ist freilich eine Lust zu leben!..."
„Ja, Lene, auch ich, wenn ich zurückdenke... Damals, bei den Sozialdemokraten... Eine abscheuliche Erinnerung!... Wir haben uns einfach verlaufen. Jetzt erst weiß ich richtig, wozu ich in der Welt eigentlich da bin... "
„Ach, Max, ich bin ja auch so sehr glücklich... "
Nun kam auch schon der Genosse Lange.
„Na, ihr beiden!... Und du, Max, du Doktor Unblutig des Klassenkampfs!..."
„Gut geht's, Wilhelm... Wir haben gerade von früher gesprochen... Was den Doktor Unblutig anbelangt: lass mich aus damit, mit dem, was gewesen ist, bin ich fertig... Strich darunter: und ich glaub, ich hab in den letzten Monaten meine Parteivergangenheit nachgeholt ... "
„Also: nichts für ungut, Max. Ich widme dir hiermit — wie es so schön in dem Bericht über eine SPD-Bonzen-Zusammenkunft heißt — einen Anerkennungsschluck! Prost!... Ja, Max, an den Heimweg von damals hab ich noch oft gedacht!... Halsstarrig wart ihr, dickschädelig... mich hat's oft recht gewurmt und dabei in der Hand gejuckt. Hätt aber damals auch nicht viel geholfen... Na, und was sagst du zu den Nachrichten über China, über die amerikanischen Manöver, zu dem intensiven Wettrüsten!?... Und hast du den Artikel über den Gaskrieg von den amerikanischen Genossen gelesen?!... Ich glaub halt immer, wir müssen schleunigst unsere Arbeit verdoppeln... Ganz gewaltig scharf auf der Hut sein!..."
„Was ich dazu meine!?... Wenn man bedenkt, wie wir 1914 ausgezogen sind: mit blanken Knöpfen an den Uniformen, mit der Pickelhaube auf, meist noch ohne Überzug, und wenn man sich jetzt klarmacht, wie rapid schnell die ganze Kriegstechnik während des Krieges selbst sich entwickelt hat und dass man sich allem Anschein nach auch nach Kriegsschluss nicht auf die faule Bärenhaut gelegt hat, sondern weitergearbeitet und weiterexperimentiert hat, so muss man meines Erachtens schon ein ganz phantasieloses und borniert verblendetes Rindvieh sein, um nicht einzusehen, dass ein kommender Krieg eine ganz höllische Sache sein wird, mit der verglichen der vorhergegangene Krieg sich noch wie eine harmlose Holzerei ausnehmen wird... Und dass wir Proleten dabei eine wesentlich andere Rolle spielen werden, die Regie hat uns gleichsam die Statistenrolle übertragen, nur haben diesmal eben die Statisten ganz und gar allein den Hauptdreck auszufressen... "
„Das weißt du ja auch schon, dass morgen die vaterländischen Verbände aufmarschieren wollen. Da wird's wieder ein ,Gloria! Gloria! Victoria!' grölen, wenn wir Proleten ihnen nicht ordentlich diesmal das Maul verstopfen... Auch die Polizei liegt in erhöhter Alarmbereitschaft. Truppen sind um Berlin konzentriert. Man wird uns provozieren wollen... Also: Vorsicht!... Es sind auch von der Zentrale dahingehend entsprechende Vorkehrungen getroffen worden... Na, wir sprechen uns ja morgen früh im Lokal noch... Gute Nacht beieinander!... "

 

6

Max überlegte sich noch einmal den Artikel über den kommenden Krieg. Keine Übertreibungen, sagte er immer wieder zu sich selbst. Natürlich, es ist wahrscheinlich: zuerst geht es schon noch mit Tanks und mit Brisanz und mit Dreadnoughts los. Die Bombenflugzeuggeschwader mit Gasmunition: das ist sozusagen der Clou. Der neue Krieg wird kein hundertprozentig reiner chemischer Krieg sein, auch hier gibt es Übergänge, Variationen, Kombinationen wie überall, Vergangenheit Gegenwart und Zukunft ist tief miteinander verfilzt, das ist knorpelig ineinander verwachsen und löst sich nicht so abrupt voneinander los... Ganze Industriegebiete werden zwar gegen die Sicht der Flieger eingenebelt werden. Aber andererseits gibt es auch bereits Apparate, mit denen man von über dreitausend Meter hoch genaueste Standortfeststellungen machen kann. Nur als Vertröstung, als Beruhigungsmittel im ersten Augenblick... Und die, die das Geld dazu haben, werden natürlich die Gefahrenzone schleunigst verlassen und sich auf dem Land in Sicherheit bringen... Ja, wenn es in der Macht der einzelnen imperialistischen Gruppen läge, ich glaube ihren flennenden Versicherungen gern, der Krieg ist heute bei dem hohen Stand des Klassenbewusstseins des Proletariats ein großes Risiko, und sie möchten natürlich am liebsten den Krieg vermeiden... Aber das System, dessen Gesetzmäßigkeit sie treibt und zum Handeln zwingt, ist stärker als ihr Wille... Sie müssen, ob sie wollen oder nicht... Und für die Arbeiterschaft heißt es diesmal endgültig: verrecken oder kämpfen. Etwas anderes gibt es gar nicht. Ich glaube aber auch nicht mehr, dass einer der unseren noch auf die pazifistischen Schwindeleien hereinfällt... An diesem Schmus hat sich heute die Mehrzahl der Menschheit bereits ordentlich überfressen... Ein deutlich hörbares Bauchgrimmen geht durchs Land...
Es war am Vorabend des Ersten Mai.
Wie ein gewaltiger atmosphärischer Druck, so drückte es auf die Stadt herein.
Alles war noch „verdeckt", da und dort an den Stra­ßenecken sah man Gruppen von Menschen, die debattierten, die einen oder anderen begrüßten sich mit „Rot Front!" oder mit „Heil!", die Läden waren überfüllt, vor Lebensmittelgeschäften stand man Polonaise, in langen Windungen kroch vor den Brotgeschäften die Schlange der Hausfrauen. „Wie einst im Mai... In unserer herrlich großen Weltkriegszeit nämlich..."
Eine Abteilung Motorradfahrer der Schutzpolizei durchknatterte jetzt die Straße, ein Tank manövrierte quer über einen Platz...
Die ganze Stadt rüstete...
Sie war wie ein unsichtbares Kriegslager...

„Au Backe!" entfuhr es Max beim Anblick eines Kampfwagens. Der trug in weißen ungelenken Buchstaben den Namen „Totila", vorne an der Motorhaube einen Totenkopf. „Eine geballte Ladung Handgranaten darunter, und wie ein Kartengehäuse klappt diese ganze Stahlschachtel auseinander. Auch abblocken oder, was schon vorgekommen sein soll, ein wohlgezielter Schuss eines Scharfschützen durch den Sehschlitz: auch damit wird der Bursche zu erledigen sein. Aber trotzdem: so ein Kerl schlaucht einem gewaltig... Das psychische Moment dabei ist das Wichtigste... "
Die Nachricht kam: Eine Erwerbslosendemonstration ist in der Linienstraße von der berittenen Hundertschaft zur besonderen Verwendung zusammengehauen worden. Tote. Viele Verletzte... Auch Plünderung von Lebensmittelgeschäften im Norden der Stadt. Offenbar: Provokateure an der Arbeit. Ein Aufruf der Regierung kam heraus mit Amnestieversprechen, Ankündigung ausreichender Lebensmittelzufuhr im Lauf der nächsten Tage, mit einem ausführlichen Dementi aller Kriegs- und Krisengerüchte. „Einigkeit macht stark. Unsere Stärke beruht in unserer Einigkeit." Solche und ähnlich bereits historisch sattsam bekannte Flausen, von denen kaum noch jemand Notiz nahm, wenn nicht mit einem bissigen Witz, ließ der damalige Reichspräsident tagaus, tagein wieder durch die Presse austrompeten...
Die ganze Wirtschaftslast lag auf den Knochen der Arbeiter. Mit den Knochen der Arbeiter wurde gezahlt, die Knochen der Arbeiter selbst wurden zu einem Spottpreis an ausländische Finanzcliquen verschachert, an allen Ecken und Enden händerangen und feilschten kreischend die Finanzmagnaten: „Knochen her! Wir brauchen Knochen! Knochen!"
Alle Klassenkräfte befanden sich damals in einer ununterbrochenen Bewegung, ein steter Fluss, jeder Tag brachte eine neue Situation, ganze Gesellschaftsschichten tauchten plötzlich unter in einem jener gespenstischen Krisenwirbel, wie sie damals an der Tagesordnung waren; das alles wechselte und veränderte sich im Laufe einer Stunde.
„Nichts steht fest. Nicht einmal das."
Aus dieser Stimmung heraus kam es oft genug zu Selbstmord und Wahnsinn.
Lohnkämpfe. Teilstreiks. Überall Ansätze zu einer Massenaktion. Überall Ausbrüche der Volkswut. Eine elementare Verzweiflungswelle fegte über ganze Landesteile.
Die Frontlinien des bevorstehenden Kampfes zeichneten sich immer deutlicher ab. Es drängte an vielen Orten bereits stürmisch zur Entscheidung. Die einzelnen Führungen hielten noch zurück...
Die meisten Menschen blieben in dieser Nacht zusammen.
Viele gingen, trotzdem die Regierung teils pathetischbeschwörend, teils energisch drohend dazu aufforderte, nicht von der Straße. —

 

7

Draußen vor der Stadt war ein warmer Frühlingstag. Der Wind fegt übers Land. Das Gras fließt...
Kolonnen von Landarbeitern marschieren stadtwärts.
Auf allen Wegen Landarbeiterkolonnen, sie tragen rote Fahnen, singen: „Wacht auf..." Ein alter Bauer sitzt, an der Pfeife nagend, vor seiner halb verfallenen Hütte: „Bravo Jungens, macht's gut!... Dann baut ein neues Dorf auf, das alte ist ja so zu nichts mehr zu gebrauchen... Bevor dieses Jahr das Korn in die Scheuer fährt, wird die Erde noch viel Menschenblut in sich hineinstürzen. Meine Hand ist trocken. Der Boden hitzig. Das bedeutet Menschenblut... O das sind Zeiten..."
„Recht so, Alter!" schreien ein paar junge Burschen zu ihm herüber. „Nur den Mut nicht verlieren! Wir schaffen's schon..."
Der ferne Dunstschleier zerreißt. Näher rückt heran die Stadt. Wie ein noch schlafendes Steinungeheuer liegt sie da, die Vororte inmitten breiter Flächen Grün wie Tatzen.
Kein Fabrikschlot raucht.
Keine Kirchenglocke läutet...
Eine Pappelallee zieht sich am Horizont hin, wie eine Reihe schwarzschwelender Flammen...

Ganze Stadtteile sind seit dem frühesten Morgen von Polizei und Militär abgesperrt.
Die sämtlichen Zufahrtsstraßen zur Stadt sind durch Panzerwagen und Maschinengewehrabteilungen gesichert.
Erkundungsflieger kreisen hoch in der Luft. Die Eisenbahngleise entlang streifen Militärpatrouillen.
Ein Panzerzug rangiert: jetzt gibt er Volldampf und heult der Stadt zu.

Immer wieder werden die Landarbeiterkolonnen abgedrängt.
Es wird schon gegen Mittag. Unruhig kreisen sie um die Stadt. Sie müssen durch...
Im Südosten brechen sie endlich herein. Dort sind die Arbeiterbezirke.
Von den Offizieren der Absperrungskommandos wird der Befehl zum Feuern gegeben.
Viele Soldaten schießen nicht. Viele halten in die Luft...
Die Offiziere werden an die Wand gedrückt. Gewehre und Bajonette zerbrechen...
Die Absperrungskommandos sind überrannt. Laut singend, geschlossenen Zugs, marschieren die Landarbeiter weiter... Aus jeder Straße strömt jetzt ein neuer Zug. „Des Volkes Blut verströmt in Bächen", singen die
einen.
Die anderen: „Bolschewisten! Bolschewisten! Edelste der Kommunisten!"
Auf den Baikonen beugen sich Menschen herab, in die Hände klatschend. An den Straßenecken begrüßen die Marschierenden große Menschengruppen im Chor: „Rot Front! Rot Front! Rot Front!"
Es trommelt.
Es pfeift.
Trompetensalven schmettern darein...

Das Militär wird zurückgezogen: Hie und da fern am Straßenende sieht man noch einen Panzerwagen davonrattern.
In den Flanken ist der Arbeiterzug durch Radfahrerabteilungen gesichert.
Auf den Dächern sind Arbeitertrupps aufgestellt, sie winken mit den Mützen.
Ob die Regierung im letzten Augenblick noch ein Versammlungs- oder Demonstrationsverbot erlassen hat, ist nicht mehr in Erfahrung zu bringen.
Die ganze Stadt ist ein gewaltiger, roter Menschenwirbel.
Frauen mit roten Kopftüchern. Der Jung-Spartakus-Bund. Greise. Witwen und Waisen. Aber es marschiert auch ein Frauen-Regiment auf, genannt „Regiment Rosa". Hell schmettert Gesang aus ihren Reihen...
Auf den Asphaltstraßen der Stadt dröhnt daher ein roter Menschenmassen-Orkan.
Da marschiert an, langsam und immer wieder stokend, der Zug der Kriegsopfer: manche werden auf Bahren getragen, die meisten humpeln sich mühsam vorwärts auf monoton klappernden Krückstöcken, da ist die Abteilung der Erblindeten, hier die der Armlosen, hier die der Beinlosen, hier sind welche, die nur einen gliederlosen Rumpf noch ihr eigen nennen. Hier werden Tafeln getragen: „Wir sind das Abc des Kriegs!" oder: „Krieg dem Krieg!" oder: „Proletarier, gedenkt des imperialistischen Kriegs!"
Ohne Musik marschiert der Zug.
Ein Skelett an der Spitze, mit der Zahl: 13 Millionen.
Die Straße erstarrt. Die Häuserpforten erstarren. Jedes Wort gerinnt im Mund. Das Leben friert... Es ist großes
Schweigen.
Schweigend marschiert der Zug. —

Im Westen der Stadt sind die vaterländischen Verbände aufmarschiert.
In straffester militärischer Disziplin.
Die Mannschaften sind außerordentlich gut und modern eingekleidet. Sie haben den Sturmriemen umgeschnallt. Feldflasche und Brotbeutel. Viele tragen den Stahlhelm. Pistolen. Auch Leinwandsäckchen mit Eierhandgranaten.
Eine Unzahl Autos und Lastkraftwagen stehen ihnen zur Verfügung.
In einer Autogarage befindet sich ein Waffenlager. Dort in einem Bankhaus eine Befehlsstelle, nach überallhin durch Kuriere verbunden.
Eine Feldtelefonleitung wird unter besonderer Sicherung jetzt nach vorne gelegt. Die Spitzentruppen setzen sich unauffällig in Bewegung.
Der Westen ist tot, ausgestorben. Jalousien und Läden
sind heruntergelassen. Nur wenig Menschen zeigen sich
noch... Wo überhaupt noch Verkehr ist, kann man immer mit ziemlicher Sicherheit ein Munitionsdepot oder
eine Reservestelle vermuten.
Ein grauhaariger Spitzbart instruiert an einer Straßenecke nochmals seine Gruppe.
„Treudeutsch!" schließt er seine Instruktion.
„Allewege!" schnarrt es ihm zurück.
Die deutsche Kriegsflagge weht. Schwarz-weiß-rot.
Hakenkreuzstandarten.
Trommler, Trompeter, Pfeifer.
Die Eichenstöcke, mit eisernen Spitzen versehen, schultern sich. „Achtung!"
„Ohne Tritt! Marsch... " Parole: „Baltikum."
„Die Vöglein im Walde... " — „Das Flaggenlied." Die Gesichter unter den Stahlhelmen sind hartkantig, erdig. Zum Äußersten entschlossen. —

Die Kasernen der Schutzpolizei und des Militärs werden durch Stacheldrahtverhaue abgesperrt.
An der Bannmeile ist eine mechanische Barrikade aus einem Geschwader Panzerwagen und gepanzerter Lastkraftwagen errichtet.
Festen Schritts marschieren dort stundenlang die roten Bataillone vorüber.
Es wird gegen drei Uhr nachmittags.
Zu Zusammenstößen ist es nicht gekommen. Kleine Zwischenfälle, nicht der Rede wert.
Auch von den „Vaterländischen" ist weit und breit nichts zu sehen.
Wie es heißt: sie sind wieder in ihre Quartiere abgerückt.
Und so findet das Arbeiter-Riesen-Meeting auf einem Platz mitten im Stadtzentrum statt.

Es sind über Hunderttausende.
Aus allen Straßenmündungen presst es sich schwer herein.
Die Roten Frontkämpfer halten den Ordnerdienst.
Die ungeheure Anzahl der roten Fahnen: sie flattern in der Luft wie glühende Flammenzungen.
Jeder Betrieb hat seine Fahne.
Ein lang gezogener Trommelwirbel...
Von den Dächern widerhallt es.
Über die ganze Innenstadt hin fluten die Trommelwellen.
Ein Trompetenstoß.
Elektrisch zuckt's in den Gliedern...
Das Meeting beginnt.

Ein Sprechchor, tausend Genossen und Genossinnen, donnert empor.
„Der Erste Mai!"
Dann: Alle singen.
Ist dies ein Gesang noch!? Es ist ein Stimmenstrom, eine Riesenklangwoge, die sich hebt und senkt, die aufsteigt, anschwillt, in Millionen von Stimmenlichtem blinkend, jäh und steil sich überschlägt, dann ruhig wieder und gewaltig ihres Weges dahinzieht... Nur die
letzte Strophe: die Stimmen verstärken sich, es schlägt auf: hart, gehackt, rhythmisch: als eine eiserne Brandung.
Durch einen Schalltrichter wird verkündet: „Ein amerikanischer Genosse spricht!"
Zwei Arme schwingen, zwei Fäuste ballen sich: jetzt wächst die Menschengestalt übermenschengroß heraus aus der Tribüne.
„Wir amerikanischen Genossen, wir grüßen dich, deutsches Proletariat! Wir stehen vor der Entscheidung... Die Kriegsrüstungen... Der Krieg gegen Russland. Gegen Japan... Und euere Regierung: wisst ihr von den Geheimverträgen, den geheimen militärischen Bündnissen... Deutschland, das Aufmarschgebiet gegen Russland..."
Ein tosender Millionenschrei stieß in diesem Moment hoch: „Nein! Niemehr! Nimmermehr! Bürgerkrieg!"
Der amerikanische Genosse fuhr fort: „Der Völkerbund hat den Krieg gegen Russland gefordert! Überall Kommunistenverfolgungen, Hinrichtungen, Pogrome, Massakres... Es lebe die Diktatur des Proletariats! Sie allein vermag diesem menschenmörderischen, niederträchtigen Spuk ein für allemal ein Ende zu machen!..."
„Die amerikanische Kommunistische Partei! Sie lebe —"
„Hoch! Hoch! Hoch!"
Nur: Wortbrocken, Sprachfetzen.
Aber den Sinn verstand jeder.
Und schon spricht der japanische Genosse, der russische, ein bulgarischer Genosse spricht.
„Genossen! Deutsche Kommunisten! Deutsche Arbeiter! Deutsche Proletarier! Die Stunde zum Handeln ist da! Der Tag der Abrechnung ist gekommen, der Tag
der Abrechnung mit den Volkspeinigern und Volksmördern..."
Wieder ein Zwischenschrei: „Nieder mit den Verrätern des Volks... verrecken... "
„Genug jetzt der Foltern und Bestialitäten! Wir setzen dieser vergangenen Zeit den Grabstein... Heute, am Ersten Mai: überall, bei den kleinen japanischen Maisbauern, bis hoch hinauf in die einsamsten Bergdörfer Chinas: der Sturm bricht los, der Sturm erfasst Höhen und Tiefen, über Deutschland hinweg, über Europa hinweg, von Asien über Afrika; in allen fünf Erdteilen: die große rote Sturmglocke läutet: das werktätige Volk, das Proletariat steht auf..."
Für die Frauen spricht Genossin Martha, eine alte erfahrene Bolschewistin, zehn Jahre Zuchthaus hat sie hinter sich, sie hat auch mit der Waffe in der Hand gekämpft, sie ist lungenkrank, jedes Wort presst sie aus sich heraus, immer wieder von begeisterungsflammenden Zurufen unterbrochen: „Auch wir Frauen, das geloben wir, werden unsere Pflicht tun. Wir Genossinnen werden nicht hinter euch, Genossen, zurückstehen! Verlasst euch darauf!"
Ein deutscher Genosse erhält noch das Wort.
„Erster Mai! Tag der Heerschau des Weltproletariats! Tag du des Aufmarschs der Proletariermassen in allen fünf Erdteilen! Erster Mai: Kampftag: lass uns bereit sein! Lass stahlhart uns werden, ausfüllen die letzte Lücke in unserer Front! Lass denken unsere Gedanken nur dies eine: Kampf! Unsere Herzen nur dies eine fühlen, unsere Willen nur dies eine wollen: Kampf... "
Ein Jugendgenosse tritt vor, er ballt die Faust zum Schwur.
„Unermüdlich wollen wir kämpfen! Unsere Muskeln
spannen, unsere Gehirne stählen, mit unserem Herztakt euch alle, die ihr in Ketten noch schlaft, wachhämmern! In uns schüren den Willensbrand, bis diese Welt von uns erobert ist, bis du, Erster Mai, du Weltkampftag, der Weltfeiertag aller werktätig Schaffenden geworden bist!" Ein Sprechchor von Jungpionieren antwortet im Chor: „Nicht eher werden ruhen wir! Nicht eher werden die Hände wir falten! Das schwören wir!..." Hunderttausende von Stimmen fallen jetzt wieder ein: „Das schwören wir. Schwören wir. Schwören wir... " Ein Trompetensignal.
Ein Genosse in der Roten-Frontkämpfer-Uniform steht auf der Tribüne. Der Fahneneid...
Eine große und dunkle Stimme spricht vor: „Frontkämpfer auf! Die Faust gereckt! Wir schwören rot: Sieg oder Tod!"
„Sieg oder Tod!" jauchzt die Menschenmasse. „Wir schwören: beim Blut der Brüder, das zur Erde rinnt —
Wir schwören: am Riesenstrom der Tränen, die vergossen sind —
Frontkämpfer auf! Die Faust gereckt! Wir schwören rot: Sieg oder Tod!
Dem großen Klassenkrieg sind wir geweiht.
Wir sind der Sturmschritt einer neuen Zeit!" —
Wieder waren Hunderttausende von Menschenstimmen eine Felswand lebendigen Echos.
„Dem großen Klassenkrieg sind wir geweiht.
Wir sind der Sturmschritt einer neuen Zeit..."

Die Internationale erscholl.
Eine Sturmlawine —
Menschenkörper rissen unter dem Gesang sich steil empor.
Die rote Flut kommt. Die rote Flut steigt. Zeit der Ebbe: vorbei... Aufwärts! Aufwärts! Aufrecht schon stehen wir hoch oben auf dem Kamm der Woge...
Und plötzlich wurde spontan aus der Menschenmasse heraus ein bekannter illegaler Genosse der Zentrale auf die Schultern gehoben, er schwenkte die Mütze, sein Arm stand, schräg, wie ein Fahrtzeichen.
„Arbeiter! Proletarier! Genossen! Seid ihr bereit zum Kampf, seid ihr bereit, dem Ruf zum Generalstreik, dem Ruf zum bewaffneten Aufstand zu folgen, wenn ihn die Partei an euch ergehen lässt?"
„Allzeit bereit!"
„Keine Woche wird mehr vergehen, bis euch die Partei zum Kampf aufruft. Unsere Parole heißt: Eroberung der Macht!!!"
„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" tönte jetzt, einfach und schlicht gesungen. Viele bekamen es mit dem Schlucken. Manche weinten. Und manche wieder sangen, das Angesicht von einem glücklichen Lächeln verzückt.
Max hatte Lene eingehakt.
„Siehst du, Millionen an Millionen stürmen jetzt in diesem Augenblick, geordnet in unübersehbaren Reihen, den steilen Abhang der Zeit herauf im Sturmschritt. Dieser Abhang ist ein Geröllfeld, bedeckt mit Schädelstücken und Körperknochen, alle Sträucher haben statt der Knospen Knollen, getränkt mit Menschenblut. Alle die brechen heut auf, Blutrinnen, Blutbäche: alle die schie­ßen, zu einem Wildstrom von vergossenem Menschenblut anschwellend, empor... Was singen sie, diese proletarischen Sturmtruppen, diese Eroberer der Menschheitszukunft: ,Wir fürchten nicht den Tod! Denn unsere Fahn ist rot...'"
Das Trompetensignal blies.
Ein kurzer Trommelwirbelstoß.
Die Züge ordneten sich zum Abmarsch...

Und -
In diesem Augenblick geschah, allen völlig unerwartet, das Unglaubliche. -

 

7

Die Sonne ging eben sprühend unter, Gewitterwolken trieben an wie Schlammfluten: da stand plötzlich mitten in den Menschenmassen auf der Südostseite des Platzes ein Geschwader von Kampfwagen: die kleinen Panzertürme drehten sich, die Maschinengewehrmündungen senkten sich abwärts, die Führer machten die Kampfmaschinen gefechtsbereit...
Die Motore knatterten, und unter einem metallischen Gebrüll schoben sie sich weiter in die Menschenmasse hinein.
Dort rammten sie sich fest.
Man konnte noch beobachten, wie sich die Gittertore der Einfahrt eines erstklassigen Hotels schlossen, eine Rolle mit Stacheldraht abgewickelt wurde und dahinter eine Gruppe mit Stahlhelmen im Anschlag lag.
Dieses Hotel hatte der Panzerwagenkolonne als Hinterhalt gedient...
Schon ertönten laut die Kommandos des roten Ordnerdienstes: „Ruhe halten, Genossen! Nicht provozieren lassen! Weitergehn!"
Da wurde auch schon die Abmarschstraße auf der
Gegenseite des Platzes durch eine Gruppe Tanks abgesperrt. Es war eine neue mechanische Abriegelung das erste Mal zur Anwendung gebracht worden, und zwar mittels des so genannten berüchtigten Schutzgitters, einer Art Stacheldrahtgürtel, der von Tank zu Tank gezogen war und der, wie es hieß, elektrisch geladen sein sollte
Die Tanks machten Halt. Sie lagen breitseitig da, wie verankert.
In diesem Moment entstand die Panik.
Unter den Demonstranten waren schon von Anfang an große Mengen von so genannten Zivilspähern verteilt worden, denen nun die Aufgabe zufiel, die Panik künstlich zu steigern und die empörten Massen zu einem Angriff aufzuputschen. Dies war sehr schwierig, denn die Massen hielten eine mustergültige Disziplin...
Da fiel plötzlich vom Balkon eines Hotels, dann von einem gegenüberliegenden Haus, aus einem Fenster des ersten Stockes, ein Schuss, noch einer, mehrere: es waren kleine krachende Pistolenschüsse, und diese galten für die Führer der Kampfwagengeschwader als Angriffssignal...
„Aus der Menge ist geschossen worden!"
Die Polizeiagenten, die auftragsgemäß die Schüsse abgegeben hatten, verdufteten schleunigst.
„Platz frei! Straße frei!" gellte ein Lautsprecher... „Oder es wird geschossen!"
Dabei knackten schon die MGs.
Menschen sah man, die sprangen, durch einen Kopfschuss getroffen, über einen halben Meter hoch, Menschenleiber verschlangen sich, wurden zu einem unentwirrbaren Knäuel geballt und wälzten sich, sich gegenseitig erdrückend, ineinander-, übereinander stehend, dem Ausgang zu.
Es gab aber nur noch einen Ausgang...
Die MGs strichen systematisch den ganzen Platz ab.
Einige Rote Frontkämpfer sprangen wie wilde Tiere, Schaum um den Mund, die gepanzerten Ungetüme an, schnellten federnd wieder zurück: gewaltige tellergroße Brandwunden an den Händen. Die eisernen Bestien spieen elektrische Ströme.
Auch Max musste sich mit Gewalt zurückhalten, um nicht einfach mit seinem Kopf gegen diese mörderische Wand zu rennen...
Menschen lagen übereinander.
Über Max lag ein baumstarker, stämmiger Prolet, der sich mit der Hand die ausgefleischte Hüfte zuhielt und kräftig schrie: „Ich will nicht sterben. Ich will nicht sterben..." Dabei verdrehten sich ihm die Augen, quollen hervor, rund und groß, wie zwei elfenbeinerne Billardkugeln.
Er biss sich in Max hinein —
Max bekam einen Genickkrampf. Ein eiserner Knopf massierte ihm den Halswirbel.
Einer umschlang einen Laternenpfahl. Barst mitten am Bauch entzwei. Die Gedärme schütteten sich vor ihm hin nach allen Seiten. Andere schleiften darüber hinweg, glitschten in eine schmierige Blutlache, krochen über ein Häuflein verspritzten Gehirns weiter...
Einer gestikulierte, hatte den Mund weit offen, sprach, aber in dem allgemeinen Geschrei versackten die Worte. Einer gurgelte, ein anderer stieß ganz kurze trockene Hustenlaute hervor.
Viele waren wie irrsinnig, hatten Lachkrämpfe, knieten mit entblößtem Oberkörper, wackelten mit dem Kopf, ohne sich von der Stelle zu rühren, und starrten mit brennenden Augen lang in den Tumult.
Es wurde dunkel.
Scheinwerferabteilungen waren auf den Dächern der angrenzenden Häuserblocks postiert. Scharfe Stöße Lichts blendeten herab.
Eine dritte Tankkolonne knatterte an und begann die Räumung des Platzes von Norden her. Es waren wieder drei Kampfwagen, durch straff gespannte Stahltrossen miteinander verbunden; so rasierten sie langsam und schräg dahin.
Der Platz war nun völlig eingepfercht. Auch der einzige Ausgang war nicht mehr frei, er war längst von Schwerverwundeten und von Leichenhaufen verstopft.
Max kauerte zum Sprung geduckt in Deckung hinter einer dürftigen, aus drei Toten aufgeworfenen Menschenbarrikade.
An ein Durchkommen war jetzt nicht mehr zu denken.
Max biss sich die Lippen: Jetzt Achtung: dass mir nicht schlecht wird! Hob sich ein wenig und sah über den Platz hinweg die Straße hinunter: immer noch rannten ab und zu welche im Zickzack, bis zu einer bestimmten Grenze, hier streuten die MGs eine genau vorher berechnete und markierte Linie ab: dort klappten die Flüchtlinge plötzlich nach vorn oder nach rückwärts in sich zusammen wie ein Taschenmesser, streckten alle Viere von sich und blieben, flach auf die Erde gedrückt, liegen...
Max schnellte hoch, wie eine Sprungfeder warf sich in ihm das Rückgrat, setzte sich den Hut auf und schritt, als ob nichts geschehen wäre, schräg über den Platz. Er hatte nur den einen Gedanken: wenn schon, dann nicht von hinten, es ist leichter, den Tod im Angesicht...
Der ganze Hinterkopf schien ihm offen, das Gehirn bloßzuliegen: eine einzige Wundfläche...
In diesem Moment öffneten sich sämtliche mechanische Sperren, die Tankgeschwader führten einige kurze Manöver aus und ratterten ab.
Max sah noch, sich rasch in die Dunkelheit drückend, eine Hundertschaft, noch eine, eine dritte im Laufschritt heranstürzend, mit gefälltem Bajonett. Sie hatten den Befehl, die noch Lebenden von den Ermordeten zu sondieren.
per Platz lag unter den Scheinwerfern wie unter einer kaltgelben gespenstischen Lichtdusche.
Wimmernd und langgedehnt, vollrauschend, oft wie Akkorde, so tönten daraus noch Menschenschreie, der Platz machte von dieser Stelle aus den Eindruck eines mit Zappelndem angefüllten Kessels, an den Wänden klebten noch Menschen, die Truppen stießen sie der Mitte zu: dort schichtete sich Haufen an Haufen... Mit Eisensplittern, Geschoßspitzen, Stahlspänen war reingekehrt.
Fleisch. Blut. Knochen.
Pulverqualm, Ausdünstung, Todesangstschweiß: es war ein feuchter Brodem...

Es begann langsam in großen Tropfen zu regnen. Bald ferner, bald näher: nun prasselte ein Gewitterhagel hinweg.
Es trommelte, knatterte, tackte...
Viel Menschen fuhren erschreckt auf, öffneten die Fenster: „Geht's los?... Wird schon wieder geschossen? ... "
Nichts. Nur die Dunkelheit. Die Häuserfronten: zackige Konturen darin.
Hie und da zuckte ein Blitz. Die Dunkelheit leuchtete. Dann ächzte ein Donner...
Die ganze Stadt blieb die Nacht über aufgescheucht.
Schon die zweite Nacht in solcher Unruhe...
Überall war es auch noch zu Zusammenstößen mit den „Vaterländischen" gekommen.
Alle wichtigen Punkte der Stadt waren bereits im Lauf des Abends militärisch gesichert worden. —

 

9

Max trottete sich in einem beinahe bewusstlosen Zustand heim.
Oft musste er sich anhalten, aber das waren nur die Aufregung und die Nerven, er war unverletzt.
Oft wurde er angesprochen, ein Prolet sah ihm ins Gesicht, fragte ihn kurz, drückte ihm die Hand und verschwand wieder im Dunkel.
„Rache!" Dieses Wort hörte Max auf seinem Heimweg oftmals.
Auch an einer Gruppe von „Vaterländischen" kam er vorbei, sie unterhielten sich angeregt und laut, da sie in größerer Anzahl beisammen standen. Sie trugen bereits Karabiner. Es waren breit aufgedunsene und verfettete Gesichter, aber auch scharfgeschnittene Profile waren darunter, richtige Galgenvögel- und Mördervisagen.
„Den Arbeiterschweinen wird jetzt gründlich der Garaus gemacht werden", quietschte einer. Er hatte dünne Beinchen und trug eine Gymnasiastenmütze.
„Was suchst du Schwein hier!" schrie einer mit Schmissen im Gesicht Max nach, der, ohne zu mucken, weiterlief.
„Mach, dass du weiterkommst oder du bist eine Leiche..."
Derartiges wurde ihm oft noch nachgerufen. Max dachte: „Jetzt, jeden Augenblick... " Er spürte es in den Ohren... Es waren meist, wie sich Max schnell vergewisserte, Reserveoffiziere, Studenten, Fabrikantensöhne, Angestellte, aber wenig, und hie und da auch noch ein wütiger Kleinbürger. Die gaben kein Pardon.
Nun aber auch kein falsches Mitleid mehr wie früher diesen berufsmäßigen Mörderbanden gegenüber... Jeder von diesen, den wir schonen, kostet uns Blut!... Keine Illusionen mehr, die Blut kosten!"
Auffällig war: der Wachtdienst in und außerhalb der Kasernen wurde durchwegs von verstärkten Offiziersposten versehen... Holla, da stimmt etwas nicht, schloss Max, die scheinen ihrer Sache nicht ganz sicher zu sein, und Max schlich sich noch ein wenig in dieser Gegend herum, bis er auf einen einzelnen Soldatenposten stieß.
„Kamerad!"
Der Soldat sprang drei Schritte zurück. Dann lachte er plötzlich und kam auf Max zu. „Rot Front!"
„Richtig, es rumort gewaltig auch unter uns. Dicke Luft. Sehr brenzlich. Alles in Alarmbereitschaft. Dreißig Prozent sind euch, wenn es losgeht, sicher... Die Behandlung wird immer gemeiner: ,Halten Sie die Schnauze oder ich schieße Sie nieder...' Das ist gang und gäbe. Ohne Scheißkerl und Arschloch kommt man uns gegen­über überhaupt schon nicht mehr aus... Gestern ist bei den Kraftfahrern ein Leutnant hochgegangen, bei den technischen Truppen ein Major, auch bei den Fliegern ist's faul... Fortsetzung folgt. Nun genug für heute!... Rot Front!"
Max war auf diese Auskunft sehr stolz.
„Natürlich", wiederholte er für sich, „einen Platz zu räumen und dazu nur verhältnismäßig geringe militärische Kräfte einsetzen: das bedeutet den Willen, den Vorsatz. haben, es zu einem Zusammenstoß kommen zu lassen. Das ist absichtlicher Massenmord von Seiten der Regierung. Missverständnisse und Irrtümer sind bei der verhältnismäßig langen Zeitdauer dieser Exekution völlig ausgeschlossen... Ein neues Schandwerk der Volksverbrecher... Aber alles, was sie tun, zwingt sie mit unerbittlicher Folgerichtigkeit in ihre eigene Katastrophe hinein..."
An der Ecke seiner Straße traf Max auf seinen Zimmernachbarn, den Straßenbahnschaffner.
„Na und..."
„Schon beschlossene Sache: Morgen ist Generalstreik. Einstimmig angenommener Beschluss... Sollst sofort in das Lokal von Fritz kommen... Wartete auf dich, um dir das zu sagen... ich hab einen anderen Auftrag, muss noch in die Stadt..."
Aus seiner inneren Manteltasche zog der Straßenbahnschaffner ein Pack Klebestreifen hervor.
„Nieder mit der Mörderregierung! Es lebe die Diktatur des Proletariats! Generalstreik! Alle Macht den Räten!"

 

10

Max klopfte sein Zeichen.
Der eiserne Rollladen vor der Eingangstür der kleinen Gastwirtschaft hob sich ein wenig, Max schlüpfte hindurch.
Ungefähr fünfzig Genossen waren anwesend.
Niemand sprach ein Wort.
Der Genosse Lange saß in der Ecke, den Kopf eingebunden, so kreidebleich, staunte Max, habe ich noch nie einen Menschen gesehen.
Lene schluchzte in sich hinein.
Es dauerte eine halbe Stunde.
Einer stand hin und wieder auf und ging vor sich hersummend unruhig auf und ab. Hie und da zählte einer still für sich die Anwesenden. Zehn Genossen waren noch dazugekommen. „Nun aber Schluss!" Genosse Lange erhob sich. „Wer fehlt!?"
Dann erstatten die Betriebszellenobleute kurz Bericht.
„Also, das sind allein von unserer Gruppe zehn Mann. Nahezu ein Fünftel... Auch Genosse Friedjung. Die Funktion übernimmst du, Max. Einverstanden!"
Das „Ja" war das selbstverständlichste von der Welt.
„Weiß jemand etwas vom Genossen Friedjung?"
Mehrere Genossen meldeten sich.
„Einige Polizeiagenten haben ihn herausgestochert. Er muss schwer verletzt sein. Man hat ihn über den Platz fortgetragen... In ein Sanitätsautomobil..."
„Gut, wir wissen Bescheid..."

„Also! Genossen und Genossinnen! Morgen ist wahrscheinlich Generalstreik..."
Max bestätigte: „Es ist schon sicher... Einstimmig..."
„Also, um so besser! Wir erwarten heute noch einen Kurier der Zentrale... Ich denke, bis dahin werde ich einen kurzen Überblick über die politische Lage geben... Ich glaube, eine Diskussion zu diesem Punkt ist nicht nötig... Dann wird inzwischen der Kurier erschienen sein, und wir werden im Anschluss daran sofort das Weitere beraten. Im übrigen: seit heute werden keine neuen Mitglieder mehr in die Partei aufgenommen. Den Revolutionsschmarotzern muss gleich im Anfang das Handwerk gelegt werden... Dies nur nebenbei...

Die Kriegsgefahr zwischen Amerika und Japan hat sich bedeutend verschärft. Die Kriegsvorbereitungen haben ihren Höhepunkt erreicht. Wie das amerikanische und japanische Proletariat darauf reagiert, ist noch ungewiss. Ferner: die Hälfte aller Betriebe ist in Deutschland stillgelegt. Der Außenhandel war in dem vorhergehenden halben Jahre gleich null. Die Stabilisierung ist zu Ende... Die Absatzschwierigkeiten aller kapitalistischen Staaten sind enorm. Auch das Mandat, das Deutschland vom Völkerbund über seine früheren Kolonien erhalten hat, konnte nicht viel retten. England hat die größten Schwierigkeiten in Indien. Der Konkurrenzkampf hat die schärfsten Formen angenommen. Eine kriegerische Auseinandersetzung ist nicht mehr zu vermeiden... Jeden Tag also ist die Kriegserklärung zu erwarten, oder vielmehr die erste kriegerische Handlung... Wir alle wissen, was das bedeutet... Selbstverständlich ist es für uns gleichgültig, wer, diplomatisch gesehen, der angreifende Teil ist. Jeder der Partner ist gleich schuldig und ein Räuber... Zur Lage in Deutschland im besonderen: überall Plünderungen von Lebensmittelgeschäften, Industriekrisen, eine ungeheure Arbeitslosigkeit, verbunden mit Hungersnot, besonders in den ländlichen Bezirken, wo teilweise von den völlig industrialisierten Großgrundbesitzern das Getreide zurückgehalten wird, Hungersnot also bei vollen Scheunen... Die nationalistischen Banden bewaffnen sich... Zu gleicher Zeit starke Tendenzen, den Krieg gegen Russland zu proklamieren als ,heiligen Krieg' und damit im Zusammenhang der Entschluss der kapitalistischen Regierungen, zu diesem Zweck die revolutionäre Arbeiterschaft mit treuer Unterstützung der allerdings heute völlig isolierten SPD-Führerschaft entscheidend aufs Haupt zu schlagen... Also, wir befinden uns alle inmitten eines Krisenwirbels von internationalem Ausmaß... Die weitesten Kreise der werktätigen Bevölkerung stehen heute hinter uns und sind bereit, mit uns..." Der Kurier der Zentrale stürzte herein.

Und!?
Er schüttelte kräftig dem Genossen Lange die Hand. Alle Genossen waren wie elektrisiert aufgesprungen. Und-Und-
Nur zwei Worte brachte der Kurier noch heraus: „Generalstreik!... Krieg dem Krieg!"
Viele Genossen umarmten sich. Einige heulten drauflos.
Einer flüsterte nur immer wieder die Namen: „Rosa! Karl! Lenin!"
„Bravo! Nun Gott sei Dank! Endlich!"
Lene stürzte auf Max zu: „Na, Max, hab ich's nicht gleich gesagt..."
Max sang leise vor sich hin.
„Dass ich das noch erleben durfte ... "
„Nun aber zur Sache!"
Der Kurier stürzte fort.
Es war feierlich und ernst.
Eingehend wurden die einzelnen organisatorischen Maßnahmen besprochen.

 

11

Die Regierung beriet ununterbrochen Tag und Nacht.
Die Herren kamen kaum noch zum Essen...
Das Regierungsviertel war ein offenes Heerlager.
Die Keller der Regierungsgebäude waren in Waffenmagazine umgewandelt worden. An jeder Straßenecke Alarmmelder. Überall ragten Antennenmasten.
Die Bannmeile ward erneut militärisch-mechanisch abgesperrt...

Der Präsident der Republik war damals schon altersschwach. Er litt an Arterienverkalkung. Er saß in einem der Konferenzzimmer in einem hohen Lehnstuhl, dessen Rückenwand mit dem Adler und mit den Reichsfarben geschmückt war. Er trug Pulswärmer und hatte die geschwollenen Füße in ein dickes Plaid eingewickelt. Seine Frau titulierte er mit dem Kosenamen „Schnucki". Die Augenbrauen waren ihm nach Bismarck-Art buschig über der Nasenwurzel zusammengewachsen. Er atmete schwer. Von Zeit zu Zeit erhob er sich, eine Klingel schrillte durchs Haus, aus allen Beratungszimmern strömte es herbei, und der Präsident sprach: „Hochansehnliche Versammlung! Hohes Haus! Einigkeit macht stark. Unsere Stärke ist die Einigkeit. Schon damals, als mich das Vertrauen des Volkes auf diesen hohen und verantwortungsvollen Posten berufen hatte, erklärte ich, dass ich mich besonders der Armen und Elenden annehmen werde, aller jener, die in dem gewaltigen wirtschaftlichen Ringen unserer Zeit nach Aufopferung ihrer Kräfte zu Boden liegen. Mein Bestreben bleibt es auch heute, die Klassengegensätze zu mildern, ich reiche darum heute erneut jedem Deutschen feierlich die Hand. Durch Treue und Pflichterfüllung auch im Kleinsten müssen wir uns die Achtung in der Welt wiederverschaffen. Durch Selbstachtung zur Weltachtung! Dann kann Deutschland nicht untergehn... Treue um Treue!..." Diese Rede las er ab.
Das Blatt knisterte bedenklich. Der Präsident litt auch an einem ausgesprochenen Tatterich.
„Hat der Trottel den Aufruf ,An mein Volk' jetzt endlich unterzeichnet!?" fragte inzwischen ein höherer Militär einen Sekretär des Innern.
Der Sekretär nickte diensteifrig. „Alles druckfertig, Exzellenz, hier in meiner Mappe... Man musste ihm dabei die Feder führen... Schrecklich, nicht wahr, schrecklich..."

Über das Land war der Ausnahmezustand verhängt. Die Militärdiktatur war errichtet.
Die Zimmer, in denen wirklich über Wohl und Wehe des Landes entschieden wurde, lagen in einem anderen Stockwerk. Die Minister und die einzelnen ministeriellen Abteilungen wurden von dorther nur kurz unterrichtet und hatten weiter nichts zu tun, als binnen kürzester Frist die einzelnen Ordres genau nach Anweisung auszuführen.
Die sämtlichen militärischen Befehlshaber der einzelnen Kommandobezirke der Hauptstadt waren erschienen. Der englische und der amerikanische Militärattache waren ebenfalls zugegen.

Der Chef des Generalstabes referierte:
„Amerika beabsichtigt, spätestens noch diese Woche anzugreifen. Der diplomatische Vorwand wird soeben geschaffen. Die Entscheidung liegt letzten Endes natürlich zwischen Amerika und Russland. Gemäß unserer Verpflichtungen, unseres militärischen Übereinkommens, haben wir Deutschland als Aufmarschgebiet gegen Osten übernommen: unsere Vorbereitungen sind abgeschlossen. Genügend Plätze zur Landung und zur Verproviantierung von Bombenflugzeuggeschwadern sind vorhanden. Unsere eigenen Farbstofffabriken arbeiten mit Hochdruck... Russland mobilisiert. Das ist das wichtigste Moment der letzten vierundzwanzig Stunden. Diese Nachricht wird von uns geheim gehalten. Denn wir befinden uns dadurch ohne Zweifel in einer verzwickten Lage. Denn bedenklich musste uns schon an und für sich, abgesehen von dieser Tatsache, die Entwicklung unserer inneren Lage stimmen, die Arbeiterbewegung wird weiter entschieden radikal terrorisiert... Auch große Teile der übrigen Bevölkerung treiben im revolutionären Fahrwasser... Die Bekanntgabe der russischen Mobilisation, diese Nachricht wäre unseres Erachtens der Funke ins Pulverfass! Wie Sie wissen, meine Herren, gestern Abend ist es bereits zu einem aufstandähnlichen Zusammenstoß gekommen. Es ist uns gelungen, diese sporadische und ihrem Charakter nach spontane Bewegung ohne jeden Verlust für uns im Blut zu ersticken. Dieser Erfolg darf uns über den Ernst der Gesamtsituation nicht hinwegtäuschen. Wir haben jetzt ein heikles Thema zu besprechen. Bei dieser Beratung kommt es vor allen Dingen darauf an, Richtlinien für die wirksamste Niederkämpfung der Aufständischen und für die Unschädlichmachung ihrer Führer und für die Aushebung ihrer Unruheherde auszuarbeiten, gemeinverständlich, so dass sie jeder Mann im Heer begreift, besonders aber haben wir darüber zu entscheiden, ob, unter welchen Umständen und in welchem Ausmaß chemische Kampfstoffe eingesetzt werden sollen. Es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Wobei das ideologische Moment nicht zu unterschätzen ist. Ich bitte die einzelnen Sachverständigen, diese beiden letzten Punkte besonders scharf im Auge zu behalten!...
Noch das eine: bitte, meine Herren, berücksichtigen
Sie: Wir haben keine Zeit zu verlieren; also kurz und
bündig!"

Die Beratung dauerte nicht lang.
Der Bericht des chemischen Sachverständigen fiel zur allgemeinen Zufriedenheit aus.
Man war prinzipiell einstimmig für die Anwendung der chemischen Kampfstoffe, doch sollte dieses Mittel so lang wie nur irgend möglich aufgespart werden. Und wenn eingesetzt, öffentlich abgeleugnet und vor allem auch eine Gasbeschießung bzw. Gasausräucherung von Kommunistennestern durch Anwendung genügender Mengen von Brisanzmunition verschleiert werden.
Außerdem sei in der nachfolgenden Pressekonferenz gebührend und eindringlich darauf hinzuweisen, dass es sich im Fall der Anwendung von Gasen von Seiten der Regierungstruppen um einen an sich höchst bedauerlichen Fall von Notwehrakt beziehungsweise Gegenmaßnahme handle, dass immer aber nur betäubende Gase,
d. h. Reiz- und Tränengase, zur Verschießung kommen, die im übrigen bei weitem humaner und bedeutend weniger verlustbringend seien als die blanke Waffe bzw. das Brisanzgeschoß. Ferner: zuverlässigen Nachrichten zufolge hätten die Kommunisten schon an anderen Orten Gasmunition verschossen, besäßen außerdem umfangreiche Gaslager und arbeiteten nach russischer Tschekamethode mit Bakterienschleuderapparaten und Cholerabazillen. —

Wieder sprach der Präsident. „Nun denn also! Im Namen — zum Wohl unserer geliebten deutschen Schicksalsgemeinschaft — im Namen des Allerhöchsten!"
Und unterschrieb den besonderen Schießerlass, nach dem jeder, der mit der Waffe in der Hand... ohne weiteres, sofort... und den Geheimbefehl an die Kommandostellen der Flugzeuggeschwader, der Kampfwagenabteilungen und der technisch-chemischen Spezialtruppen über die Anwendung von giftigen Gasen im Fall eines Bürgerkrieges.
Die Kommandeure traten ab.
Eine zweite kurze Besprechung folgte.
„Die Lage in Amerika aber scheint nach unseren letzten Berichten doch nicht so ganz einfach zu sein... Heutzutage ist es den ziemlich aufgeklärten Massen gegenüber auch nicht mehr so kinderleicht, einen einigermaßen passablen Kriegsvorwand zu finden... Doch Geschäft ist Geschäft... Damit basta... "
Einige prominente Gewerkschaftsführer erhielten das Wort.
„Wir können nur immer und immer wieder betonen, wir werden unsere Pflicht tun. Was in unseren Kräften liegt... Aber wir sehen die Lage schwarz in schwarz. Die Arbeiterschaft ist gewillt zu kämpfen, sie folgt unbedingt den Parolen der Kommunistischen Partei, die jedes Kriegsabenteuer mit dem Aufruf zum Bürgerkrieg beantworten wird... Wir selbst sind ziemlich einflusslos geworden... Wir warnen also dringend... Ist der Krieg — sei es der Bürgerkrieg oder der äußere Krieg -aber einmal ausgebrochen, so ist es selbstverständlich,
dass wir uns auf den Boden der gegebenen Tatsachen stellen, d.h. auf der Seite der verfassungsmäßig gewählten Regierung stehn werden. Wir folgen damit nur der bewährten ruhmreichen Tradition unserer Partei. Nur möchten wir bitten, um wenigstens den demokratischen Schein zu wahren, das Parlament nicht völlig auszuschalten. Vielleicht hie und da so eine kurze Sitzung, in der selbstverständlich nur Regierungsvertretern oder Abgeordneten der verfassungstreuen Parteien das Wort erteilt werden soll. Wir stimmen im übrigen von vornherein dafür, dass auch die kommunistischen Parlamentarier außerhalb des Gesetzes gestellt werden."
Der Kommandeur der Schutzpolizei erschien und erstattete über die Vorfälle anlässlich der Demonstration am Ersten Mai Bericht.
„Rhinozeros! Sie Gamaschenknopf!" schnauzte ihn ein militärischer Befehlshaber kameradschaftlich an.
„Sie haben die ganze Lage künstlich überforciert. Die Folge ist morgen Generalstreik. Es geht uns zu frühzeitig los... Haben Sie schon etwas Sicheres über den Termin, wann die losschlagen... Na, sie werden ja ihrer Gewohnheit gemäß sich wieder gewaltig in der Zeitbestimmung, im Tempo verrechnen, das ist das einzige, was die Kommunisten immer noch nicht gelernt haben .. Also Nachrichten, detaillierte Angaben über Stimmung der Bevölkerung usw. Es ist höchste Zeit... Und dann studieren Sie in Zukunft mit mehr Sorgfalt unser Reglement über den Bürgerkrieg..."
„Ich habe gemeint", stotterte der Schutzpolizeiler heraus, „je blutiger der erste Tag, desto besser..." Aber er hatte seine Schlappe weg. Mehrere Vertreter der „Vaterländischen Verbände" baten um Gehör.
Sie jammerten über Zersetzungserscheinungen. Ohne hinreichende Geldunterstützung von Seiten der Großindustrie sei nichts zu machen. Die Kleinbürger seien nur noch mit alleräußerster Anstrengung bei der Stange zu halten. „Jede Stunde, die wir zögern, bedeutet für uns eine ebenso gewaltige moralische wie auch materielle Schlappe. Alles ist bei uns auf sofortiges Losschlagen eingestellt. Dieser Stimmung müssen wir Rechnung tragen. Wir lassen uns ohnedies viel zuviel gefallen. Endlich ist die Stunde gekommen, rücksichtslos durchzugreifen... Wenn sich die Arbeiterschaft erst wieder erholt, dann ,Kopf ab' und ,Gute Nacht'! Für den Gummiknüppel ist die Zeit zu ernst..."
„Ganz unsere Meinung", pflichteten Vertreter der Industrie und der Landwirtschaft dem Vorredner bei. „Sehen Sie sich, meine Herren, bitte die Betriebe an! Fünfzig Prozent davon stillgelegt, und der Rest arbeitet, aber fragen Sie nur nicht wie. Unter passiver Resistenz, unter täglichen Sabotageakten... Nein, so geht es nicht mehr weiter. Keineswegs... Und der Zustand der Eisenbahnen. Die Eisenbahnergewerkschaften sind von allen die aufsässigsten... Jeder Respekt vor der Autorität der Regierung ist zum Teufel... Wir Arbeitgeber können die Ausartung unserer Republik in den Bolschewismus keineswegs dulden. Schon heute spricht man mit Fug und Recht von einem Staat im Staate... Und wie sieht es auf dem Land aus?... Unsereins ist ja seines Lebens nicht mehr sicher... Jetzt oder nie... Meine Herren, entscheiden Sie sich jetzt, unmittelbar, sofort: oder unser aller letztes Stündchen hat geschlagen..."
„Bitten Sie den Leiter der politischen Abteilung der Polizei!"
Oberregierungsrat Ledermann erschien.
„Ihr Nachrichtenmaterial bitte. Wir brauchen unverzüglich konkreteste Angaben. Unserer militärischen Exekution muss sofort ein groß angelegter Propagandafeldzug koordiniert werden. Lassen Sie Berichte anfertigen, Zeugenaussagen, Geständnisse von Gefangenen... Nicht allzu konstruiert, es muss raffinierter als bisher kombiniert werden... Man ist draußen im Land inzwischen durch verschiedene unserer Fehlleistungen hellhöriger und scharfsichtiger geworden. Missgriffe in der augenblicklichen Situation können wir uns nicht leisten, jede Zufälligkeit kann katastrophale Auswirkungen haben... Also: Sie verbreiten zunächst alarmierende Meldungen über kommunistische Putschvorbereitungen, beziehungsweise setzen Sie sich mit den entsprechenden Stellen augenblicks in Verbindung und lassen Sie durch Polizeiagenten Attentate und andere Terrorakte, am besten auf so genannte, dem Volksempfinden nach geheiligte Orte wie Kirchen, Säuglingsheime, Krankenhäuser usw., fabrizieren. Das neulich am Ersten Mai soll die Feuerprobe gewesen sein. Nun also rüstig weiter... Lassen Sie noch heute einige Höllenmaschinen in die kommunistischen Parteibüros einschmuggeln. Dadurch kommen wir zu einer populären Begründung der allgemeinen Mobilisierung. Dadurch bekommen wir auch bedeutend mehr Reserven heran und können die unzuverlässigen Regimenter auffüllen. Setzen Sie Fahndungskommandos ein, schreiben Sie Kopfprämien aus, zunächst muss der ganze Funktionärkörper der Kommunisten rücksichtslos zerschlagen werden. Erst auf dieser Basis können wir dann erfolgreich an der Sanierung weiterarbeiten. Fälle von Insubordination, Meuterei bei der bewaffneten Macht, rote Zellenbildungen in Armee und Marine sind mir direkt zu melden. Anweisung an die Kriegsgerichte: exemplarisch bestrafen, sofort Exempel statuieren! Keine offizielle Hinrichtung revolutionärer Führer. Solche sind auf der Flucht zu erschießen, beziehungsweise ist in besonders geeignet erscheinenden Fällen geschickt ein Selbstmord zu arrangieren... Was ,Auskundschafter' und derartige Individuen anbetrifft, so kaufen Sie in großer Anzahl dazu geeignete Subjekte auf, wir brauchen Vorrat für mindestens einen Monat. In den Obdachlosenasylen, die Sie durch Polizeistreifen säubern lassen müssen, werden gegen entsprechendes Handgeld sich immer welche in großer Anzahl finden lassen.. Jede derartige Dienstleistung wird gegen bar honoriert Nach festen Sätzen. Spesen extra. Staatsstellung in Aussicht stellen... Ich empfehle mich und erwarte Sie spätestens morgen früh persönlich zum Bericht..."
Der Oberregierungsrat war entlassen.
Die verschiedenen Herren verabschiedeten sich.
Man salutierte. Stand stramm.
Alle gingen an die Arbeit.
Der Chef des Generalstabs stand mit mehreren Offizieren vor der Karte.
Mit blauen Marken wurde Berlin eingekreist...

Die Telefunkenzentrale fieberte.
Telegrafenapparate klapperten.
Lärmende Gerüchte poltern durch Stadt und Land.
Extrablätter: „Generalstreik!"
Extrablätter: „Entdeckung kommunistischer Waffenlager. Drohender Kommunisten-Putsch.

 

12

Kommunistische Giftgase... Die Regierung hat die Mobilisation angeordnet... "
Unter den Schwerverwundeten befand sich auch Peter.
Er hatte einen Nierenschuss, und zwar einen Querschläger. Die rechte Hüftenseite war fleischig ausgefetzt.
Sein Zustand war hoffnungslos.
Daran war überhaupt nicht zu zweifeln.
Er war als Polizeihäftling in das Krankenhaus eingeliefert worden.
Es war jetzt Abend. Die Vögel sangen im Krankenhausgarten. Immer wieder schrillte die Torglocke. Aufnahme an Aufnahme. Auf den Gängen war Bewegung...

Peter lag in einer vergitterten Einzelzelle.
Der Arzt untersuchte kurz. Auf einer Holztafel wurde der Name mit Kreide aufgeschrieben. Drei Polizeikommissare erschienen, wie es hieß, zu einer vorläufigen Vernehmung.
Der Sterbende sprach nicht.
Drei photographische Aufnahmen wurden gemacht. Man zog ihm dazu die Jacke wieder an, drückte ihm den Hut auf, dann stellte man ihn aus dem Bett heraus an die Wand.
„So stehen Sie doch! Stellen Sie sich doch nicht dümmer an als Sie sind! Knicken Sie doch nicht immer wieder in sich zusammen wie ein hohler Schlauch!..."
Fingerabdrücke. Messungen.
Der Arzt spritzte, um den Sterbenden dabei frisch zu halten, Herzmittel.
Man musste aber auch noch eine Aussage erpressen, man musste, koste es, was es wolle, ein Geständnis erzwingen, klipp und klar musste es sein, gemeinverständlich für jedermann, nur er, Peter, konnte darüber Aufschluss geben; der Student: war er nicht Leiter einer militärischen Abteilung, vielleicht gar der berüchtigten kommunistischen GAKAB, Gaskampfabwehrabteilung!? Man war informiert darüber. Peter wusste am ehesten Bescheid...
„Lassen Sie, bitte, Herr Doktor, Sekt auffahren! Wünschen Sie zu rauchen, eine Zigarette gefällig, Herr Friedjung... Oder was ist Ihnen angenehm!?... Haben Sie vielleicht Angehörige, gute Freunde, ein Fräulein Braut, die Sie noch sprechen möchten... Verheiratet sind Sie ja nicht... Und Ihr Herr Vater, eine telegrafische Benachrichtigung vielleicht... Wir stehen Ihnen selbstverständlich zu jeder Art Dienstleistung bereitwilligst zur Verfügung. Das ist auch der eigentliche Grund unseres Kommens... Aber bequemen Sie sich bitte zu einer ganz kurzen Aussage. Ihr Entgegenkommen soll Sie nicht reuen... Sie kennen doch den... Und wo hält der sich auf... Bitte, bitte, wir lassen Sie sofort in Ruhe. Sie sind aus der Haft entlassen! Sofort sind Sie frei."
Peter schwieg.
Nur einmal drehte er sich kurz auf. „Lassen Sie mich doch... Quälen Sie mich nicht... Sie wissen doch, es hat keinen Zweck... Das müssten Sie sich doch eigentlich selbst sagen. Wozu diese Folter... Sie müssten sich eigentlich schämen..."
Wieder wurde er im Bett aufgesetzt.
„Sehen Sie, Herr Friedjung, Herr ,Doktor', alle diese Unannehmlichkeiten müssen Sie über sich ergehen lassen. Sie erschweren sich durch Ihr hartnäckiges, uns geradezu unverständliches Schweigen nur ganz unnötigerweise selbst die Lage... Wollen Sie... Es geschähe in einer solch kritischen Situation auch sicher im Einverständnis mit der Partei..."
Peter schwieg.
„Na, also, da müssen wir scheinbar andere Seiten aufziehen, da werden wir kurzen Prozess machen. Wollen Sie jetzt oder wollen Sie nicht, Sie verfluchtes Kommunistenschwein? Heraus mit der Sprache: Wo sind eure Gaslager!? He! Oder wir brechen Ihnen noch bei lebendigem Leib die Knochen entzwei... Sie haben vielleicht gehört,
Ihrem schönen heiligen roten Russland benützt man Gefangene dazu, um an ihnen ein neues Gas auszuprobieren... . Dass so ein Dreckskerl, so ein Luder wie du nur einmal verreckt, das genügt nicht. .. Man müsste die Kommunisten, diese Kannibalen, zur Vivisektion freigeben..." Und versetzte ihm einen Puff, dass der Sterbende an die Wand rutschte.
„Warte, du wirst gleich aus dem Bett herauskollern, Freundchen, dann wirst du schön hübsch und brav auf dem Boden unseren Dreck fressen... "
„Lass ihn deinen... lecken, diese Kommunistensau, so haben es seine Bundesbrüder, die Franzosen, mit unseren Gefangenen gemacht... Na, so ein stures Vieh... "
Einer der Kommissare klingelte.
Der Arzt erschien.
„Herr Doktor, der Kerl schweigt. Haben Sie vielleicht so was wie einen elektrischen Pinsel!? Oder, was stark schmerzt, eine Ätherinjektion vielleicht unter die Haut!? Oder kann man ihn noch in eine dreiviertel Narkose, in einen Chloräthylrausch versetzen, um dadurch vielleicht etwas herauszukriegen?..."
„Aber meine Herren, ich muss davon abraten. Diese Mittel versprechen hier keinen Erfolg mehr, fühlen Sie doch den Puls, bei Mittelkranken ja, aber in solchen Fällen: kurz vor dem Torschluss, fünf Minuten vor dem Exitus... Ich bin zwar Gerichtsarzt und in erster Linie Gehilfe des Richters, aber, Herr Inspektor, wir wollen uns doch nicht noch an einer Leiche vergreifen..."
Der Herztakt des Sterbenden galoppierte. Setzte aus. Brach sich wieder stockend, zögernd durch... tropfenweise... Dann hämmerte er ganz, ganz langsam...
„Sehen Sie doch!..."
Der Arzt lüpfte die Decke.
„Es kommt ganz dick durch den Verband... "
„Ein solches Kommunistendreckschwein!"
„Aber Herr Friedjung", versuchte es jetzt wieder einer der Kommissare, „ich beschwöre Sie, im Augenblick Ihrer letzten Stunde, vor Gottes Angesicht! Auch ich bin innerlich tiefreligiös, und ich spreche jetzt zu Ihnen wie Mensch zu Mensch!... Sie können uns doch unmöglich so unverrichteter Dinge abziehen lassen! Versetzen Sie sich, bitte, wenn es Ihnen auch schwer fällt, doch einmal für einen Augenblick in unsere Lage! Was wird unser Chef dazu sagen, wenn wir so mit leeren Händen nach Hause kommen! Wir verlieren Ihretwegen, Herr Friedjung, noch unsere Stellung! Und sind allesamt doch verheiratete Männer, bedenken Sie, mit Weib und Kind und Haushalt! Sind schließlich doch auch nur Proletarier!"
„Also, haben Sie Erbarmen mit uns!" gab ein zweiter dazu „Mut gefasst. Auf eine Aussage mehr oder weniger kommt's doch nicht an. Sprechen Sie, wir sind doch Männer! Deutsche ehrliche, offene Männer, die nichts zu befürchten und zu verschweigen haben, und wenn die Welt voll Teufel wär, unsere feste Burg ist unser Gott. Also... Wir wollen im Grund letzten Endes doch alle das gleiche..."
Peter schwieg...
Die Kommissare zogen türenschlagend ab. Die Schritte schleiften den Gang hinunter, ein Schlüssel
klirrte, eine Tür schnappte... Nur fern wo schrie jemand... Der nächste...
Halt auch du stand, Genosse, und schweig! Peter war mit sich allein. —

 

13

Sind es Spinnenweben! ? Licht-Gespinste? Sind es Strahlengeflechte, die, kreuz und quer in sich verschlungen, durch den Weltraum gezogen sind!?
Nein.
Es ist das Gitter.
Und das Gitter kommt auf Peter zu, wandert, wandert vor ihm her, wandert ihm nach bis in den kleinsten Weltwinkel.
Er steht in einer sauberen Stube. Er ist einem Mädchen gut. Er hat sie umgefasst. Du, wollen wir nicht zueinander du sagen!? Er ist eigentlich ganz glücklich...
Da senkt sich auch schon wieder schwer, schwarz, vierkantig und schemenhaft vor ihm das Gitter herab. Das Gitter spricht: Bevor ich nicht zerbrochen bin, gibt es für dich Ruhe nicht!... Peter, tu deine Pflicht!... Feile, beiße dich mit den Zähnen fest, reiße deine Hände wund daran, knie dich herauf zu mir, ziehe dich zu mir empor, presse deine Schädelknochen hinein zwischen mich, rüttle daran, schüttle mich... Friss das Gitter...
Das Gitter spricht: Ich lass dich nicht!
„Wie schön das Leben ist!" flüstert Peter. „Die Berge, das Meer, wellengebuckelt, Gewitter darüber metallisch, wie über einer gerippten Fläche aus schwarzem Erz! Und die Jahreszeiten! So ein Winter voll Schneefließen und
Skilauf!... Wie die Bäume blühen, die Wälder duften... Wie ein Klotz liegt man ausgestreckt inmitten des Wiesenkrauts ... Windmühlenflügel am Horizont! Kornwagen, die auf der steinigen Landstraße polternd von der Ernte dorfwärts schwanken... Menschen, gebräunte knochige Gesichter, die in der Schenke vor einem hölzernen Tisch sitzen, bei Rauch und bei Wein!... O noch einmal! O noch einmal!"
Und wieder fällt das Gitter, ein Netz diesmal, gewoben aus Geschoßbahnen und Feuerdampf, es fällt und fällt, bis der ganze Weltraum durchgittert ist. Auch das „schöne Leben" durchgittert ist! Irrsinnig flackernde Augenpaare dahinter, Bajonette und Stacheldraht, Knochenknacken und Ächzen und Tränenwimmern, das schwere Stampfen einer Riesenpumpe, die Menschenblut pumpt, die Menschenmark, Menschenlebenskraft saugt. Mordmaschinen, Fabrikanlagen: Massenmord wie harmloses Kinderspielzeug fabrizierend...
Da sind Menschen, die vor dem Gitter flüchten. Menschen, die hinter dem Gitterwerk träumen. Es ist ein goldener Käfig, darin sie sich schändlich zu Tod träumen. Die Stäbe sind bronzen lackiert...
Das Gitter wächst... Setzt Glieder an, Knoten, Verkuppelungen... Es kann Menschen umarmen, Menschen umarmend zu Tode drücken. Die Gitterstäbe sind vielkantig, messerscharf...
Und das Gitter steht mitten in Europa.
Und das Gitter steht in Asien.
Steht um Afrika herum...
Dehnt sich aus und zieht sich wieder zusammen... Schwimmt aufrecht stehend übers Meer — Umgittert Japan. Umgittert China...
Die Gitterstäbe werden lebendig, sind Menschen, uniformiert, bewaffnet mit Pistolen und Handgranaten... Und das lebendige Gitter marschiert, macht Menschenjagd Und die Gitterstäbe pflanzen sich wie spitze pfähle fest mitten hindurch durch Menschenleiber. Und das Gitter schwenkt sich jetzt wehend im Wind wie eine Fahne über krampfhaft sich zu Tode zuckende Menschenhaufen. Diese Fahne ist gehisst auf einem pyramidenähnlichen Hügel von Leichenmüll.
Die Fahne spricht: „Ich proklamiere die Menschenrechte. Ich bin die Fahne der Zivilisation! Glaubt denen nicht, die da sagen: ich sei eine Todesfalle. Glaubt denen nicht, die da prophezeien, ich würde über kurz oder lang dennoch heruntergeholt. Beugt euch, ihr heidnischen Völker, in Glauben und Demut vor mir. Ich bin das Christentum. Ich bin die Erlösung. Die Freiheit, die Arbeit, das Glück, die Lebensmöglichkeit für alle... Ich bin der Menschheitsfortschritt... "

Ein feiner, in messerscharfen Strichen heruntergerissener Regen rann. Rann senkrecht und waagrecht und schlang sich plötzlich um Peter herum, ein fließendes Gitter... Ein unentwirrbares Regendickicht. Bis ein gewaltiger Lichtsturz niederschoss... das Regengitter durchschmolz...
Unter der Glut einer roten Sonne löste es sich auf. Peter stand frei in einer unbegrenzten Landschaft. Eine unendlich tiefe, jubilierende, glanzblaue Klangmulde war die Welt. —

Ein Genosse reichte ihm die Hand. Die Hand Peters war farblos geworden, alles Blut hatte sich in das Herzinnere zurückgezogen, Peter sah auf seine Hand hinab: da lag sie vor ihm auf der bunt gewürfelten Bettdecke, groß, ausgeruht, unfassbar fremd.
„Gute Nacht! Peter!" nickte der Genosse ihm zu. „Hast's gut gemacht! Hab keine Zeit, viel noch zu schaffen. Muss jetzt weiter..."
„Bleib wohlauf!" antwortete Peter, und das schon aus einem sehr tiefen, wie mit einer samtenen Nacht ausgelegten Hintergrund hervor. „Lass dir's gut gehen! Du schaffst es schon! Zähne fest zusammenbeißen. Weiterarbeiten so. Nicht wahr...! Denn das eine steht heute unumstößlich fest: mag der einzelne auch fallen, das Ganze, die proletarische Klasse siegt!..."
Das sprach Peter schon wortlos.
Der Genosse hörte es nicht mehr.
Dieser Genosse, von dem Peter jetzt Abschied genommen hatte, war aber nicht ein einzelner. Keine Einzelperson. Er war anonym, namenlos, dieser Genosse war die Partei, dieser Genosse war das Proletariat, dieser Genosse war die Masse aller Ausgebeuteten und Verelendeten. Dieser Genosse war die siegreiche Revolution.
Dieser Genosse hieß auch: die Zukunft der Welt. —

Peters Lippen bewegten sich immer noch.
Nun versank er in sich.
Die Augen glühten glanzweiß...
Menschenmassen schrieen gegeneinander. Menschenmassen schoben immerfort kämpfend sich aufeinander zu...
Die Geräusche bewegten sich jetzt von ihm fort, wie ein Blätterschwall, der dicht über den Boden dahinfegt.
Noch einmal wölbte sich ein Wipfel von Geräusch über ihm: Schüsse, Schreie, Knochensplitter... Der Wipfel
schwang schmetternd über ihn hin... Und es wurde Herbst... Der Wipfel entblätterte... Es wurde traumhaft ruhig um ihn...

Trotzdem nun Peter ganz mit sich allein in der vergitterten Zelle lag: so wenig einsam wie jetzt war er in seinem Leben noch nie. —

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