Eine realpolitische Utopie
Zwölf Jahre. Jahre der Hoffnung, der Geduld, des Erschlaffens; Jahre immer  neuer Hoffnung und Enttäuschung, der Verbitterung, der Müdigkeit, der  Gleichgültigkeit und der Verzweiflung. Hunderttausend Jimmie Higgins blicken  zurück auf zwölf verlorene Jahre. Treppauf, treppab sind sie gelaufen, sie  haben geschwitzt, geschuftet, geredet und geschrieben, sie haben unzählige  Versammlungen, Zahlabende, Kurse, Funktionär-, Kommissions- und Ausschusssitzungen  besucht, haben Tausende von Mitgliedern und Abonnenten geworben, haben die  Kleinarbeit bei Kommunal-, Landtags- und Reichstagswahlen getan. Zwölf Jahre  lang sind sie jeden Sonntag kassieren gegangen. In rauchigen Lokalen haben sie  sich bis spät nachts mit Gegnern auseinandergesetzt und gingen dann noch  Plakate kleben. Und früh um fünf sind sie hundsmüde, die Margarinestulle in der  Tasche, durch den grauen Morgen an ihr Tagewerk gegangen. Die Stunden, die  diese Proletarier von ihrer Freizeit hingaben, — wer zählt sie zusammen? Viele  hunderttausend Lebensjahre sind geopfert worden! Wofür das alles?
  Wofür? Für die „Bewegung"! Für „die größte Arbeiterpartei der Welt",  für die SPD.!
  Ihre Opfer an Zeit, Geld, Kraft und Gesundheit waren das Kapital, das einzige  Kapital dieser Proletarier. Sie opferten
  es ihrer Klasse, der schaffenden Menschheit, als Saatkorn für eine spätere gute  Ernte.
  Umsonst! Geerntet haben ein paar tausend „Genossen", die es sich in  Amtsstuben, in Landrats-, Reichstags-, Aufsichtsrats- und Ministersesseln  bequem machten. Die Massen gingen leer aus.
  Nein! Sie sind noch ärmer geworden und noch entrechteter! Wie war das möglich?  Wer ist schuld daran? Gleich Hunderttausenden habe ich oft über diese Frage  nachgedacht... Die Flugblätter vom 9. November 1918, die ich diesem Buch  voranstelle, gaben mir die Antwort: Wir waren blind vor zwölf Jahren. Hätten  wir schärfer gesehen, hätten wir unsere Führer und den Sinn, den Wert ihrer  Parolen und Taten durchschaut und als Sozialisten die Konsequenzen daraus  gezogen, — die Weltgeschichte hätte einen anderen Lauf genommen. Welchen Lauf  sie genommen hätte, das zu schildern versuche ich in vorliegendem Buch, das den  Untertitel trägt:
  „Eine realpolitische Utopie."' Ist das nicht ein Widerspruch? Utopien nehmen  Kommendes vorweg. Sie erzeugen ein zweifaches Lachen.
  Zuerst lachen die Neunmalklugen — die „Realpolitiker" — über die Phantasie  des Verfassers.
  Später — nach der Verwirklichung — spottet alle Welt derjenigen, die damals  lachten, als die „Utopie" noch „Utopie" war. Möge mein Buch dies  Schicksal teilen.
  Lasst die Anderen lachen. Uns ist es bitter ernst, denn es geht um die Sache  der ganzen arbeitenden Menschheit: um den Endkampf. Es genügt nicht, den  Zustand zu zeigen, der heute sein könnte und morgen sein wird. Das wäre leicht  und billig, wenn ich nicht gleichzeitig zeigte, wie das Ziel erreicht werden  kann, wenn ich nicht sofort hinzufügte, dass der Sozialismus nicht von selbst  kommt, sondern mit ungeheuren Anstrengungen und unter Opfern und Entbehrungen  erkämpft werden muss.
  Ist der ein Utopist, der die Anstrengungen zeigt, die notwendig gewesen wären,  um das zu erreichen, was heute schon Wirklichkeit sein könnte?
  Nein! Utopisten sind die anderen, die immer noch vom Hineinwachsen in den  Sozialismus träumen, die „Marxismus" mit „Fatalismus" verwechseln,  die immer ängstlich davor warnen, den Entwicklungsprozess zu stören oder gar zu  beschleunigen.
  Nichts kommt von selbst!
  Oder ist etwa die bürgerliche Revolution von selbst gekommen? Haben Danton und  Robespierre nicht gekämpft, nicht ihr Leben geopfert? Wurde die Bastille nicht  erstürmt? Ist nicht Dutzend Mal Blut geflossen in den Straßen der Faubourg St.  Antoine?
  Die Pseudomarxisten aber träumen davon, dass die Geburt des Sozialismus sich  ohne Wehen vollziehen könne. Der Marxismus ist eine Waffe!
  Eine scharfe Waffe! Wenn man sie — wie Lenin — anwendet und nicht — wie Kautsky  — im entscheidenden Moment
  ins Museum stellt. Der Marxismus lehrt uns, den Sinn alles Geschehens zu  begreifen, lässt uns verborgene Zusammenhänge erkennen und zeigt uns, wann die  gegnerische Stellung reif ist zum Sturm. Aber stürmen müssen wir selbst!
  Dreierlei ist notwendig für die Person und für die Klasse, die einen Sieg  erringen will: Erkennen, Wollen und Handeln. Bloße Erkenntnis nützt nichts,  wenn sie nicht durch einen festen, unbeugsamen Willen und zielbewusstes Handeln  ergänzt wird. Aber auch kräftiges Wollen und tollkühnes Handeln bleiben  unwirksam, wenn sie nicht mit Erkenntnis gepaart werden, wenn nicht die  objektiven Voraussetzungen für die Erreichung des umkämpften Ziels vorhanden  sind.
  Das ist der wahre Sinn des Marxismus! Darum nieder mit den falschen Marxisten,  die uns immer noch einreden wollen, dass es auch ohne Kämpfe und Opfer gehe!
  Die objektiven Voraussetzungen für den Sieg des Proletariats waren 1918 ebenso  gut vorhanden wie heute. Utopisch an dem Buch ist nur die Annahme, dass auch  die Köpfe reif waren. Tausendmal haben die reformistischen Führer versucht, die  Schuld an der Niederlage der Revolution auf die Unreife der Massen abzuwälzen.  Sie haben recht. Aber unsere ganze „Unreife" bestand darin, dass wir uns  der Führung von Leuten anvertrauten, die „überreif" waren für das  Revolutionstribunal.
  Der Inhalt dieses Buches wäre keine Utopie, wenn wir 1918...
Extraausgabe - Vorwärts - Sonnabend, den 9. November 1918
  Generalstreik!
  Der Arbeiter - und Soldatenrat von Berlin hat den Generalstreik beschlossen.  Alle Betriebe stehen still. Die notwendige Versorgung der Bevölkerung wird  aufrecht erhalten. Ein großer Teil der Garnison hat sich i geschlossenen  Truppenkörpern mit Maschinengewehren und Geschützen dem Arbeiter - und  Soldatenrat zur Verfügung gestellt. Die Bewegung wird gemeinschaftlich geleitet  von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Unabhängigen  sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
  Arbeiter, Soldaten, sorgt für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung. Es lebe  die soziale Republik!
  Der Arbeiter - und Soldatenrat.
2. Extraausgabe - Vorwärts - Sonnabend, den 9. November 1918
  Der Kaiser hat abgedankt!
  De Reichskanzler hat folgenden Erlass herausgegeben: Seine Majestät der Kaiser  und König haben sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler  bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung Seiner Majestät, dem  Thronverzichte Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen des  Deutschen Reichs und von Preußen und de Einsetzung der Regentschaft verbundenen  Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des  Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfs wegen  der Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassungsgebende deutsche  Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige  Staatsform des deutschen Volkes, einschließlich der Volksteile, die ihren  Eintritt in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen.
  Berlin, den 9. November 1918 - Der Reichskanzler, Prinz Max von Baden
  Es wird nicht geschossen!
  Der Reichskanzler hat angeordnet, dass seitens des Militärs von der Waffe kein  Gebrauch gemacht werde.
  Parteigenossen! Arbeiter! Soldaten!
  Soeben sind das Alleranderregiment und die vierten Jäger geschlossen zum Volke  übergangen. Der sozialdemokratische Reichtagsabgeordnete Wels u.a. haben zu den  Truppen gesprochen. Offiziere haben sich den Soldaten angeschlossen.
  Der sozialdemokratische Arbeiter - und Soldatenrat.
  3. Extraausgabe - Vorwärts - Sonnabend, den 9. November 1918
  Arbeiter, Soldaten, Mitbürger!
  Der freie Volksstaat ist da! Kaiser und Kronprinz haben abgedankt! Fritz Ebert,  der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei, ist Reichskanzler geworden und  bildet im Reiche und in Preußen eine neue Regierung aus Männern, die das  Vertrauen des werktätigen Volkes in Stadt und Land, der Arbeiter und Soldaten  haben. Damit ist die öffentliche Gewalt in die Hände des Volkes übergegangen.  Eine verfassungsgebende Nationalversammlung tritt schnellstens zusammen.
  Arbeiter, Soldaten, Bürger! Der Sieg des Volkes ist errungen, er darf nicht  durch Unbesonnenheit entehrt und gefährdet werden. Wirtschaftsleben und Verkehr  müssen unbedingt aufrecht erhalten werden, damit die Volksregierung unter allen  Umständen gesichert wird. Folgt allen Weisungen der neuen Volksregierung und  ihren Beauftragten. Sie handelt im engsten Einvernehmen mit den Arbeitern und  Soldaten.
  Hoch die deutsche Republik!
  Der Vorstand der Sozialdemokratie Deutschlands. Der Arbeiter - und Soldatenrat.
  4. Extraausgabe – Vorwärts - 9. Nov.. 1918
Sieg der Revolution!
Noske in Kiel von roten Matrosen festgenommen! Ebert im Flugzeug nach  Holland entflohen! Nieder mit den Reformisten!
  Hoch die soziale Revolution!
Das revolutionäre Kriegskomitee
Nach kurzem, blutigem Kampf wurde das Vorwärtsgebäude von roten Soldaten  besetzt. Die alte Vorwärts-Redaktion ist verhaftet. Das revolutionäre  Proletariat hat seine Zeitung wieder in Besitz genommen.
  Arbeiter und Soldaten! Seid auf der Hut!
  Raus mit den Durchhaltepolitikern aus allen Redaktionen, Gewerkschafts- und  Parteibüros!
  Glaubt nicht den Beteuerungen der Renegaten! Sie wollen die Einheitsfront mit  Bürgertum und Generalität. Wir wollen die Einheit des revolutionären  Proletariats. Sie wollen Nationalversammlung, bürgerliche Republik, Rettung des  Kapitalismus.
  Wir wollen das Kapital enteignen und durch den revolutionären Kampf der vereinigten  Arbeiter, Bauern und Soldaten den Sozialismus verwirklichen.
  Bildet überall Einheitskomitees aus zuverlässigen Klassenkämpfern aller  Arbeiterparteien! Lasst uns dem Beispiel der russischen Brüder folgen! Keine  Gefühlsduselei! Handelt rasch und rücksichtslos!
Alle Macht den Räten!
  Der revolutionäre Einheitsausschuss
  Vorwärts - 10. November 1918
Die Ketten sind zerbrochen
Die Macht des Kaiserreiches ist zusammengebrochen wie ein Kartenhaus.
  Der Versuch der Kaisersozialisten, die Revolution zu verhindern, ist  gescheitert. Die schlimmsten Feinde der sozialen Revolution, Wilhelm II. und  sein Sachwalter Ebert, der selbst gesagt hat, dass er die Revolution hasse wie  die Sünde, — sie sind erledigt. Die Bourgeoisie hat die Waffen gestreckt. Die  Reformisten verlieren zusehends an Boden. Die Bahn ist frei für die Entwicklung  zum Sozialismus. Deutschland ist geschlagen. Deutschland hat den Krieg  verloren.
  Soldaten und Arbeiter, lasst den Kopf nicht hängen! Geschlagen ist die deutsche  Bourgeoisie, den Krieg haben die Hohenzollern und ihre Trabanten verloren. Ihr  habt gesiegt, Arbeiter und Bauern Deutschlands. Denn zum ersten Mal in der  Geschichte haltet ihr euer Schicksal selbst in Händen! Kein leichtes Schicksal:  Die Entente hat die Westfront zerschlagen. Bald werden ihre Heere an der Grenze  stehen. Im ganzen Lande herrschen Hunger und Desorganisation, die letzten  Reserven sind erschöpft. Das Bürgertum ist zwar geschlagen, aber nicht  vernichtet, an hunderttausend unsichtbaren Fäden hält es die wirtschaftliche Macht  noch in Händen. Gelingt es uns nicht, diese Fäden zu zerreißen, so war unser  Sieg ein Pyrrhussieg. Gewaltige Aufgaben türmen sich vor uns: Vernichtung des  kapitalistischen Systems, Errichtung der sozialistischen Republik, Aufbau der  sozialistischen Gesellschaft. Unser Vaterland Deutschland ist von heute ab nur  noch ein Teil des großen Vaterlandes aller Werktätigen, — des Bundes der  sozialistischen Rätestaaten. Unsere Ostgrenze liegt von heute ab am Eismeer, am  Stillen Ozean, in der Mandschurei und der Mongolei. Wir reichen unseren  russischen Brüdern die Hand. Sie sind uns Vorbild und Ansporn gewesen. Sie  haben nach dem Sturz des Zaren nicht Halt gemacht; trotz tausendfach  ungünstigeren Verhältnissen im Innern und nach außen haben sie den Kampf mit der  eigenen Bourgeoisie und mit den verbündeten Heeren der ausländischen  Kapitalisten — der Entente und der Mittelmächte — todesmutig aufgenommen. Allen  Anstrengungen der gegen sie verbündeten Welt, allen weisen Prophezeiungen der  falschen reformistischen Freunde zum Trotz, sind sie unbeirrt und erfolgreich  ihren Weg gegangen. Nach schweren Kämpfen und ungeheuren Opfern steht heute die  Arbeiter- und Bauernmacht in Zentralrussland ungebrochen da. Dank euch, Brüdern  und Bundesgenossen! Ihr habt uns den Weg gezeigt und unser Hirn von  verderblichen Illusionen gereinigt!
  Arbeiter, Bauern und Soldaten! Unser Dank an die heroischen Kämpfer im Osten  darf nicht leeres Wort sein: Wir müssen ihnen Hilfe leisten.
  In Sibirien und am Weißen Meer, unter dem Schutz der internationalen  kapitalistischen Interventionsarmeen, in Finnland, in Lettland, Litauen und  Polen, in der Ukraine, in Bessarabien, in der Krim und im Kaukasus unter dem  Schutz der kaiserlich deutschen Generale haben sich die Banden der  Konterrevolution gesammelt. Dieselben zaristischen Generale, die gestern noch  gegen Deutschland kämpften, bekämpfen heute Arm in Arm mit dem  „Landesfeind" von gestern ihre wirklichen Feinde: die erwachten Arbeiter  und Bauern Russlands. Diese Tatsache erhellt besonders deutlich die wichtigste  und dringendste Aufgabe, die wir zu lösen haben: Befreiung Osteuropas und  Sibiriens von der Gefahr der Konterrevolution. Wir rufen die deutschen Soldaten  und Kriegsgefangenen im Osten, die viereinhalb Jahre für Fremde gekämpft und  gelitten haben, heute auf, die Waffen noch einmal in die Hand zu nehmen und für  ihre ureigensten Interessen zu kämpfen. Für den sozialistischen  Universalwirtschaftsstaat, der sich vom Rhein bis zum Amur, von der Nordsee bis  zum Stillen Ozean, von der Adria bis zum Eismeer erstreckt und seine Grenzen  bald weiter und weiter stecken wird, bis er die ganze befreite Welt umspannt.
  Kein Zaudern jetzt, entschlossenes Handeln tut not. Kein Opfer darf gescheut  werden. Zehn Millionen blühende Menschenleben sind dem Kapitalismus sinnlos  geopfert worden. Die Opfer dagegen, die sich jetzt die vereinigten Arbeiter und  Bauern auferlegen, sind nicht sinnlos! Sie allein können verhindern, dass die  Herren von gestern ungestraft aus dem Völkermord hervorgehen und ihre  fluchwürdige Macht grausamer und willkürlicher als vor dem Kriege wieder  aufrichten. Sie allein können verhindern, dass der Kapitalismus erneut das  schaffende Volk in Ketten legt, erneut die Erde zum Spielball seiner  Spekulationen macht, dass er Millionen Arbeitslose auf die Straße wirft, die  schwachen Nationen unterdrückt und auspresst, um schließlich abermals das  Verbrechen von 1914 zu wiederholen: im Kampf um Absatzmärkte und Bodenschätze  die Welt mit Krieg zu überziehen. Dieser Krieg würde noch viel entsetzlicher  und verheerender als der letzte. Was sind dagegen die Kämpfe, die uns heute  bevorstehen? Kameraden, Genossen!
  Haltet aus! Und wenn ihr auch noch Monate und Jahre lang kämpfen und leiden  müsst. Ihr schuldet es euch und euren Kindern!
  Der Kapitalismus darf seine blutige Herrschaft nicht wieder antreten.
  Wir setzen der Internationale des Geldes die Internationale der Arbeit  entgegen, und der Endsieg wird unser sein. Gewiss, — Rom wurde nicht an einem  Tage erbaut. Wir dürfen den Sinn für die Grenzen des Erreichbaren nicht
  verlieren. Wir werden mit den Westmächten Frieden schließen müssen, selbst wenn  es ein harter Friede wird. Aber dieser Friede wird ungleich günstiger sein als  jeder Friede, den man dem kleinen, ohnmächtigen Deutschland der Monarchisten  und Reformisten diktiert hätte. Die große eurasische Republik kann von keiner  Macht der Welt einem Diktat unterworfen werden. Sie wird den Frieden, wenn es  sein muss, teuer bezahlen, — nie aber wird sie kapitulieren und sich das Gesetz  des Handelns von ihren Feinden vorschreiben lassen.
  Ex Oriente lux! Das Licht kommt aus dem Osten. Ein neuer Morgen der  Menschheitsgeschichte dämmert. Mitteleuropa liegt unter den ersten Strahlen der  aufgehenden Sonne. Werden auch die englischen und französischen Genossen ihrer  Aufgabe gewachsen sein? Wird die Sonne des Sozialismus bald auch über  Westeuropa aufgehen? Wir wissen es noch nicht. Eins aber wissen wir ganz genau:  Wir wollen zeigen, dass wir den Aufgaben der großen Zeit gewachsen sind. Wir  werden unsere ganze Kraft daran setzen, auf den Trümmern des Kapitalismus eine  neue, bessere Welt zu erbauen.
Verordnungen
In allen Abteilungen der Armee, in allen Fabriken und Betrieben sind sofort  Arbeiter- und Soldatenräte zu wählen. Die Gewalt liegt überall in den Händen  dieser Räte. Frühere Offiziere können als Vollzugsorgane und technische Leiter  herangezogen werden, wenn sie sich bedingungslos der neuen Befehlsgewalt  unterstellen.
  Aus allen Arbeiter- und Soldatenräten sind sofort Delegierte in die Ortsräte zu  entsenden.
  Die örtlichen Räte entsenden auf je 1000 Einwohner und Soldaten je einen  Delegierten in die Kreisräte. Auf je 20 Mitglieder eines Kreisrates wird ein  Delegierter in den Bezirksrat gewählt. Auf je 3 Mitglieder des Bezirksrats wird  von diesem ein Mitglied in die Rätevollversammlung, auf je 20 Mitglieder der  Bezirksräte ein Mitglied in den Reichsexekutivrat entsandt.
  Die Grenzen der Kreise und Bezirke werden gleichzeitig von den provisorischen  Räten am Sitz der früher selbständigen Bundesstaaten bestimmt. In Preußen  bilden die früheren Provinzen die Bezirke. In Bayern werden 3, in Württemberg 2  Bezirke gebildet. Alle übrigen früheren Bundesstaaten bilden vorläufig je einen  Bezirk. Enklaven gehören zu dem Bezirk, in dem sie liegen.
  Wahlberechtigt ist jeder werktätige Deutsche im Alter von über 20 Jahren.  Unternehmer und frühere Offiziere haben vorläufig weder aktives noch passives  Wahlrecht, wenn sie nicht einer sozialistischen Partei angehören.
  Der vorläufige Revolutionsausschuss
An die deutschen Truppen in Finnland
Man schickte euch nach Finnland, um den Freiheitskampf der finnischen  Arbeiter und Bauern niederzuknüppeln. Wichtiger als der Entscheidungskampf an  der Westfront war dem Kaisertum die Unterdrückung der sozialistischen  Revolution im Osten. Kameraden, die Stunde der Freiheit hat geschlagen.
  Ihr braucht jetzt nicht mehr gegen eure eigenen Interessen zu kämpfen. Wählt  sofort Soldatenräte und reiht euch in die rote Front ein! Offiziere, die sich  der Befehlsgewalt des Soldatenrats unterstellen, können zur militärischen  Leitung herangezogen werden. Alle andern sind zu internieren und bei jedem  Versuch konterrevolutionärer Agitation oder Sabotage unverzüglich zu  erschießen.
Das rote Oberkommando der Ostarmee
  Vorwärts - 11. November 1918
Abrechnung mit den Renegaten
Es ist gelungen, mehrere illegale Versammlungen der Kaisersozialisten  auszuheben. Sie hoffen noch immer, ihren Einfluss auf die Massen  zurückzugewinnen. Sie hoffen noch immer, die Revolution abwürgen zu können, wie  sie die Januarstreiks abgewürgt haben. Was taten denn diese Herren  „Genossen", als sie glaubten, die Macht in Händen zu halten, als sie den  Arbeitern einzureden versuchten: „die öffentliche Gewalt ist in die Hände des  Volkes übergegangen," weil „Fritz Ebert, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen  Partei, Reichskanzler geworden ist"? Als die Massen nicht mehr zu halten  waren, machten die Reformisten im geheimen Einvernehmen mit den Herren von  gestern die Revolution auf dem Papier mit, um die Erregung zu dämpfen. In  Wirklichkeit aber organisierten sie ohne Zögern die Konterrevolution. Exzellenz  Scheidemann brach die Beziehungen zur russischen Sowjetregierung ab und wies  Joffe aus. Ebert verbündete sich mit dem Großen Hauptquartier, mit Groener und  Hindenburg. Seine Beziehungen zur Bourgeoisie wurden im Augenblick des  Zusammenbruchs noch herzlicher, als sie schon waren. Kaum fielen die alten  Ketten, da versuchten diese Lakaien das Proletariat in neue Ketten zu  schmieden. „Nationalversammlung" war das Zauberwort, mit dem sie die  revolutionären Energien zu bannen versuchten, mit dem sie die „Demokratie"  — das heißt das Bürgertum und seine Macht — vor dem Ansturm der Massen retten  wollten. Noske fuhr im Auftrage der kaiserlichen Regierung nach Kiel, um den  Matrosenaufstand abzublasen. Als das nicht gelang, wollte auch er sich  plötzlich als Revolutionär aufspielen. Doch die roten Matrosen durchschauten  das Spiel und verhafteten ihn. Fast hätte er das Schicksal Heines, des  kaiserlichen Kommandanten der kieler Festung, geteilt und wäre von den empörten  Massen erschossen worden. Um wie viel besser wäre es für unsere Bewegung  gewesen, wenn Noske schon 1907 von dem Parteitage ausgeschlossen worden wäre,  auf dem er seine imperialistischen Anschauungen klar bekundete. Wie viel Hunger  und Not, wie viel Millionen Tote und Verwundete wären der Menschheit erspart  geblieben, wenn wir uns, wie die Bolschewiki in Russland, von den rechten  Renegaten in der Partei befreit und rücksichtslos alle Elemente bekämpft  hätten, denen die Geldsackdemokratie viel wichtiger erschien als der  Sozialismus.
  Endlich ist das Proletariat erwacht. Es duldet nicht, dass die Gehirne wieder  von neuem umnebelt werden durch Leute, die den Ehrennamen „Sozialist" zu  Unrecht führen. Ende Oktober bereits hat eine Geheimkonferenz treugebliebener  Klassenkampf er aus fast allen größeren Orten Deutschlands und Österreichs  folgende Entschließung gefasst: „Die Vereinigung der SPD., USPD. und des  Spartakusbundes auf dem Boden des unversöhnlichen Klassenkampfes muss im  Interesse der nahenden Revolution herbeigeführt werden. Alle Sozialisten, die  es ernst meinen mit der Sache des Proletariats, haben sofort den Kampf gegen  den Krieg, gegen das Kaiserreich, gegen den Kapitalismus und gegen die  Opportunisten und Verräter in den eigenen Reihen aufzunehmen und zu organisieren.  Wer sich diesen Beschlüssen nicht fügt, ist auszuschließen. Unverzüglich  auszuschließen sind ferner alle Führer, die die Weiterführung der Kriegspolitik  auch nach 1917 noch ermöglichten, sowie die Knebelung der proletarischen  Meinungsfreiheit, die Absetzung linker Redakteure und die Maßnahmen der  Staatsgewalt gegen die revolutionäre Agitation während des Krieges veranlassten  oder förderten."
  Auf derselben Zusammenkunft wurden fünf Delegierte für eine internationale  Konferenz gewählt, die gestern zum ersten Mal tagte. Infolge der sich  überstürzenden Ereignisse sah sich diese Konferenz vor völlig neue Aufgaben  gestellt. Sie sollte ursprünglich die schwachen Fäden, die in Zimmerwald und  Kienthal gesponnen wurden, fester knüpfen. Jetzt aber konnte sie sich bereits  der Ausarbeitung von Richtlinien zur Sicherung der mittel- und osteuropäischen  Revolution vor Anschlägen der Ententestaaten widmen. Besonders bemerkenswert  sind die Ausführungen des französischen Delegierten, dessen Namen wir aus  begreiflichen Gründen nicht veröffentlichen können. Er sagte: „Wir  französischen Genossen begrüßen den Ausschluss der konterrevolutionären Führer.  Wir befinden uns jetzt in derselben Lage wie ihr vor einem Jahre. Die  Sicherheit der Revolution ist jetzt in höchstem Grade von unserer Haltung  abhängig. Deshalb müssen wir einen Unterschied machen zwischen der Politik des  Jahres 1914 und der des Jahres 1918. 1914 haben wir alle schwere Fehler  gemacht. Die meisten von uns wurden vom chauvinistischen Taumel erfasst und  schenkten den kapitalistischen Lügenmeldungen Glauben. Wir wären aber schlechte  Marxisten, wenn wir unser Versagen 1914 nur einem Zufall zuschreiben würden.  Schuld daran war die revisionistische Einstellung, die sich lange vor dem  Kriege in fast allen sozialdemokratischen Parteien breit machte. Aber die Tat  der russischen Genossen, die an den revolutionären Prinzipien festgehalten  hatten, gab uns Gelegenheit, unseren Revisionismus zu revidieren. Was aber  taten eure korrumpierten Führer? Sie bewilligten weiter Kriegskredite, obwohl  von Landesverteidigung keine Rede mehr sein konnte und der Kampf im Osten ganz  eindeutig gegen die russische Revolution und für die imperialistische  Annektionspolitik geführt wurde. Sie haben zugesehen, wie die finnische  Revolution mit Hilfe deutscher Truppen in Arbeiterblut ertränkt wurde. Dafür  gibt es keine Entschuldigung. In diesem Augenblick musste selbst der  verbohrtest Sozialpatriot den Kampf gegen den Krieg
  aufnehmen. Hättet ihr diese verräterischen Elemente nicht ausnahmslos ausgestoßen,  — was sollten wir dann den französischen Proletariern sagen, wenn morgen unser  Kapitalismus den Kampf gegen die deutsche Revolution aufnimmt? Wir sind  überzeugt, dass die französischen Proletarier ihre Pflicht tun werden, sobald  sie sehen, dass ihr Ernst macht mit der Revolution, dass ihr nicht nur das  Firmenschild gewechselt habt, sondern den Klassenstaat wirklich beseitigen  wollt."
  Der Kongress stimmte der Rede des französischen Genossen begeistert zu und  bestätigte den Beschluss des deutschen Geheimkongresses. Der Ausschluss der  Kaisersozialisten ist damit von der Internationale bestätigt worden. Wir haben  keine Gemeinschaft mehr mit Opportunisten und Renegaten.
An die Arbeiter und Bauern in Polen, Lettland, Litauen, Weißrussland,  Rumänien, Bessarabien, in der Ukraine am Don, in der Krim und im Kaukasus
  Unterdrückte aller Nationen!
Schwer lastete auf euch das Joch des Zarismus. Dann wurde die Knute abgelöst  von den Bajonetten des deutschen Kaisers. Jetzt endlich hat die Stunde eurer  Befreiung geschlagen.
  Die deutsche Revolution reicht euch die Bruderhand. Zusammen mit euch und mit  den revolutionären Arbeitern und Bauern Sowjetrusslands wollen wir den Bund der  sozialistischen Rätestaaten errichten.
  Der Sieg der sozialen Revolution ist die Vorbedingung eurer nationalen  Befreiung.
  Reiht euch ein in die revolutionäre Front! Besetzt die Fabriken ! Jagt die  Gutsherren zum Teufel!
  Wählt Arbeiter- und Bauernräte!
  Bildet rote Kampfformationen! Die Soldatenräte der roten Ostarmee werden euch  mit Waffen versehen. Wir haben sie aufgefordert, sich den örtlichen  revolutionären Vollzugsorganen der Arbeiter und Bauern zur Verfügung zu  stellen. Brecht mit der Vergangenheit! Begrabt den nationalen Hader, der vom  Zarismus künstlich genährt wurde, um euch alle um so bequemer unterdrücken zu  können! Hoch die Freiheit der Nationen! Hoch die internationale sozialistische  Revolution!
  Vorwärts - 12. November 1918
Waffenstillstand
Endlich hat das sinnlose Morden ein Ende. Die Waffenstillstandsbedingungen  sind hart, aber wir mussten sie annehmen. Die Proletarier hören auf, sich  gegenseitig niederzumetzeln. Die Fronten haben sich geändert. Sie gehen nicht  mehr an der Somme und an der Maas entlang, sie gehen quer durch alle Länder.  Auf der einen Seite die Bourgeoisie, auf der andern das Proletariat.  „Sozialismus" ist unser, „Kapitalismus" der anderen Feldgeschrei.  Aber sie schreien es nicht laut, die da drüben, sie möchten überhaupt nicht  mehr laut werden lassen, dass sie Kapitalisten sind. Sie schreien: „Demokratie",  wenn sie Kapitalismus meinen, und „Nationalversammlung", wenn sie an  Profitwirtschaft denken. Sie sind ja auf einmal so sozial geworden, unsere  Herren Kapitalisten. Sie sind ja mit dem Munde so sozialistisch geworden, dass  wir uns dagegen fast wie Waisenknaben vorkommen. Aber wir wissen, was  dahintersteckt. Wir wissen, was es auf sich hat, wenn sich die Wölfe plötzlich  ein Schafsfell umhängen. Und wir müssten tatsächlich Schafsköpfe sein, wenn wir  darauf hereinfallen würden.
  Waffenstillstand??
  Ja, die Feinde von gestern haben uns die Waffenruhe zugestanden, wenn auch  unter sehr harten, unter furchtbaren Bedingungen. Aber die Gegner von heute,  unsere Herrscher von gestern, haben uns den Krieg erklärt. Eine Geheimkonferenz  in Villa Hügel hat sich mit dem Beschluss des Rates der Volksbeauftragten über  die Sozialisierung der Großindustrie befasst. Die Stinnes, Thyssen, Klöckner  und Konsorten haben beschlossen, eine Kommission nach Paris zu schicken. Diese  Kommission, die bereits in der Schweiz ist, hat den Auftrag, das interalliierte  Hauptquartier zu ersuchen, nicht am Rhein Halt zu machen, wie im  Waffenstillstandsabkommen vorgesehen, sondern auch das Ruhrgebiet, wenn nicht  ganz Deutschland zu besetzen. Der Rat der Volksbeauftragten hat gegen die  Beteiligten sofort Haftbefehl erlassen.
  Ob die Alliierten dumm genug sein werden, dem Wunsche der deutschen  Großkapitalisten Folge zu leisten? Glauben sie, ihre Truppen fest genug in der  Hand zu haben, um sie im Falle eines Einmarsches der dauernden revolutionären  Infizierung aussetzen zu können? Ludendorff und General Hoffmann haben es in  Russland gewagt und zunächst recht behalten. Aber trotz einer gewissen Analogie  liegen die Dinge heute ganz anders. Der deutsche Soldat ging damals vor, im  Glauben Brot für das hungernde Deutschland zu beschaffen. Die Westmächte  weigerten sich, an den Friedensverhandlungen teilzunehmen. Der Krieg ging  weiter. Jetzt aber ist der Krieg zu Ende. England und Frankreich sind nicht  mehr bedroht. Die Macht des deutschen Militarismus ist gebrochen. Der Kaiser  nach Holland geflohen. Die Revolution ist nicht mehr auf ein Land beschränkt,  sondern hat halb Asien und Europa erfasst. Werden sich unter diesen Umständen  die französischen und englischen Genossen willenlos dem Diktat ihrer  Regierungen beugen?
  Waffenstillstand??
  Vorläufig ja. Der imperialistische Krieg ist zu Ende. Aber der Krieg gegen die  sozialistische Revolution wird fortgesetzt werden. Wir müssen uns rüsten zur  bewaffneten Verteidigung der Revolution. Die Erfahrung in Russland hat gelehrt,  dass die alten Kampfverbände für den revolutionären Kampf in der Regel  ungeeignet sind. Das revolutionäre Kriegskomitee hat deshalb beschlossen, bei  jeder Ersatzformation im rechtsrheinischen Gebiet eine freiwillige rote  Formation und ein rotes Rekrutendepot ins Leben zu rufen. Alle in die Heimat  zurückkehrenden Kameraden sollen sich selbst entscheiden, ob sie zum Zweck der  Demobilmachung zum Ersatztruppenteil gehen oder in das aktive rote Regiment  eintreten wollen. Alle Regimenter, die im Osten stehen, werden in rote  Regimenter umgewandelt. Alle Kameraden, die in diesen Regimentern stehen, sind  verpflichtet, bis zum 31.Dezember auszuhalten. Vom 1. Januar 1919 ab können sie  die Entlassung in die Heimat beantragen und werden durch rote Freiwillige aus  Deutschland ersetzt. Die russischen Kriegsgefangenen in Deutschland und  Österreich haben begonnen, rote Formationen zu bilden. Das Revolutionäre  Kriegskomitee hat befohlen, diese roten Truppen mit dem erbeuteten russischen  Kriegsmaterial auszurüsten.
  Waffenstillstand:
  Vier Jahre lang wurden täglich Hunderte und Tausende von Menschen geschlachtet.  Vier Jahre Dreck, Not, Hunger, Verzweiflung. Vier Jahre Schlamm, Gas,  Maschinengewehre, Drahtverhau, Läuse und Ratten. Vier Jahre Fliegerbomben,  zerstückelte Menschenleiber, brennende Städte, vernichtete Dörfer, krepierende  Pferde. Vier Jahre schwärende Wunden, eitrige leere Augenhöhlen, verspritztes  Gehirn, unbegrabene Leichen. Gab es jemals vier Jahre, die so lang waren wie  diese? So angefüllt mit Mutterleid und Kindesweh? So durchtränkt mit Blut? Sind  jemals solche Ströme von Tränen geflossen? Schrie jemals die entstellte,  aufgewühlte Erde so zum Himmel? Gab es jemals Wälder, die so aussahen wie die  in der Champagne und in den Argonnen? Gab es jemals so gedrückte, verschmutzte,  zerschundene und entmenschte Wesen wie an der Somme, vor Verdun? Schnitten  schon einmal die Sägen der Chirurgen so andauernd in Menschenfleisch und  Menschenknochen? Haben sich jemals die abgesägten Arme und Beine so zu Bergen  gehäuft wie in diesen vier Jahren? Gab es das schon einmal, dass Menschen, vor  fünf Minuten noch kerngesund, ihre gaszerfetzte Lunge in Stücken ausspieen?  Vier Jahre verschüttete Unterstände, erstickende und verbrennende Menschen,  Verwundete zwischen den Drahtverhauen, fünf Meter vom Kameraden entfernt und  doch hilflos verdurstend, hungernd, schmerzgepeinigt, von Ratten lebendig  angefressen. Vier Jahre gefangene Menschen, hinter Stacheldraht, fern von Weib  und Kind, getreten und geprügelt, am Hungertyphus krepierend. Vier Jahre Hunger  und Elend in der Heimat, rachitische Kinder, ausgemergelte Frauen in den  Gasfabriken und an den Drehbänken. Und wofür das alles, wofür? Soll es umsonst  gewesen sein?
  Es ist nicht umsonst gewesen, wenn wir jetzt unsere Pflicht tun und die Opfer  auf uns nehmen, die der Befreiungskampf der Menschheit von uns verlangt.  Niemals gab es so günstige Möglichkeiten für die Erhebung des Proletariats wie  jetzt. Sie sind teuer bezahlt worden, diese Möglichkeiten, sehr teuer. Und sie  sind vergeblich bezahlt worden, wenn wir sie nicht restlos ausnutzen. Wir haben  den Kaufpreis vergeblich bezahlt, 10 Millionen Menschen kamen sinnlos um, wenn  wir den Weg jetzt nicht zu Ende gehen. Was ist zu tun? Wir werden versuchen,  Frieden mit den Westmächten zu schließen. Wir werden dem französischen Volke  beim Wiederaufbau der zerstörten Gebiete helfen. Wir werden vielleicht noch  weitere Lasten auf uns nehmen
  müssen. Aber wir werden nicht aufhören, unseren französischen und englischen  Genossen zuzurufen: Folgt unserm Beispiel!
  Wir werden niemals, auch nicht unter dem Druck von Waffengewalt, den Kampf für  den Sozialismus aufgeben. Wir werden niemals unser Einverständnis dazu geben,  dass Mittel- und Osteuropa zerstückelt und in kleinen Teilen für den  Kapitalismus zurückerobert wird. Wir werden niemals den Kampf für den  sozialistischen Weltbund aufgeben, und wenn wir uns unter dem Druck der  kapitalistischen Armeen bis hinter den Ural zurückziehen müssten. Wir sind  bereit, für den Frieden Opfer zu bringen, aber wir sind nicht bereit, der  kapitalistischen Profitgier oder unserem Ruhebedürfnis die Zukunft der  Menschheit zu opfern. Am Tage des Waffenstillstandes schwören wir den zehn  Millionen Toten: „Ihr sollt nicht umsonst gefallen sein. Auf der mit eurem Blut  gedüngten Erde soll eine neue, bessere Welt erstehen."
Verordnung
Die neu gebildeten Arbeiterwehren sind aus den Beständen der Militärarsenale  sofort mit Waffen und Munition zu versehen. Jeder Anforderung von  Ausbildungspersonal muss von den Ersatztruppenteilen sofort entsprochen werden.
  Das revolutionäre Kriegskomitee
Letzte Telegramme
Halbinsel Krim Umsturz vollzogen. In Odessa Macht an Stadtsowjet übergeben.  Französische Flotte im Anmarsch.
  Oberster Soldatenrat Südostfront
  Weiße Regierung gestürzt. Kiew und Charkow in der Gewalt der Sowjets.
  Deutscher Zentralsoldatenrat in der Ukraine
  Vorwärts - 16. November 1918
Lenin kommt nach Berlin
Lenin, der große Führer der russischen Revolution, ist vom Deutschen Rat der Volksbeauftragten befragt worden, ob er bereit sei, vorläufig die Leitung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu übernehmen. Heute ist folgendes Antworttelegramm eingelaufen:
Einverstanden. Komme am 28. November. Beruft Vertreter sämtlicher zukünftiger Bundesstaaten und sozialistische Gäste aus anderen Staaten nach Berlin. Nehmt Fühlung mit tschechischen Sozialisten, damit tschechische Legionäre Kampf gegen Revolution einstellen. Heimtransport erfolgt sofort, wenn weiße Führer abgesetzt. Begrüße eure Erfolge. Mit Unterstützung deutscher Truppen halten in Finnland, Litauen, Lettland, Weißrussland, Ukraine und Krim Sowjets Macht überall fest in Händen. In Finnland noch Kämpfe mit Weißgardisten. Bessarabien Räterepublik. Deutsche Soldaten und rote Partisanen bekämpfen erfolgreich rumänische Besatzungstruppen. Einige rumänische Regimenter meuterten. In Bukarest von Sozialisten und deutschen Soldaten Räteregierung proklamiert. Weiße rumänische Regimenter marschieren gegen Bukarest. Rote Offensive an Uralfront und Nordfront (gegen Archangelsk und Murmansk) begonnen. Eilsendet Truppen, Panzerzüge und Flugzeuggeschwader nach Bukarest, Pensa, Kasan und Petrograd. Angriff französischer Landungstruppen auf Odessa abgeschlagen.
Lenin
  Vorwärts - 18. November 1918
Offiziersrevolte in Schweden?
Schon seit längerer Zeit waren kapitalistische und militaristische Kreise in Schweden bestrebt, Stimmung für eine Intervention in Finnland zu machen. Nach Niederwerfung der finnischen Revolution durch die kaiserlichen deutschen Truppen gelang es der schwedischen Regierung, diese Bewegung im Zaum zu halten. Nachdem sich nun die deutschen Truppen in Finnland auf die Seite der Revolution gestellt und Mannerheim entscheidend geschlagen haben, gewinnt die interventionistische Bewegung wieder an Boden. Die jetzige Regierung will sich nicht zu diesem Schurkenstreich hergeben. Die Offiziersverschwörer planen deshalb, die Regierung mit Waffengewalt zu stürzen und in Finnland einzuziehen, um gemeinsam mit der weißen Regierung Finnlands die Revolution niederzuwerfen. Die Sozialdemokratische Partei Schwedens hat beschlossen, den Kampf gegen die Interventionisten aufzunehmen und zwei Delegierte zum Alleuropäischen Kongress nach Berlin zu entsenden.
Ultimatum der Westmächte
Vom Interalliierten Hauptquartier ist folgendes Ultimatum eingegangen.
An den Rat der Volksbeauftragten
  Es ist bisher kein Schiff der deutschen Flotte abgeliefert worden. Deutsche  Truppen beteiligen sich am Kampf gegen die französischen Landungstruppen in  Odessa. Deutsche Truppen haben in Polen, im Baltikum, in der Ukraine, in  Rumänien und in den unbesetzten Teilen von Bulgarien die Räterepublik  ausgerufen. Mitglieder der interalliierten Militärkommission sind bei ihrer  Ankunft auf dem Warschauer
  Flugplatz von deutschen Soldaten, angeblich im Auftrage des Warschauer  Arbeiterrates, verhaftet worden. Das alles verstößt gegen die  Waffenstillstandsbedingungen. Wir fordern: Sofortige Ablieferung der deutschen  Flotte. Einstellung aller Kampfhandlungen in Russland und in den Randstaaten.  Keine Einmischung in die' osteuropäischen Verhältnisse. Unterstellung aller  deutschen Osttruppen unter das Kommando der interalliierten Militärkommission.  Wenn diese Forderungen nicht innerhalb 24 Stunden erfüllt werden, wird der  Kampf gegen die deutsche Westarmee wieder aufgenommen. gez. Foch
Die Pläne der Alliierten
  Ü ber die Schweiz erhielten wir wichtige Nachricht von französischen Genossen.  Vom Interalliierten Hauptquartier werden folgende Pläne erwogen. Finnland mit  Karelien soll ein selbständiger Staat, oder, wenn Schweden erfolgreich  eingreift, zu Schweden geschlagen werden. Lettland und Litauen sollen  selbständige Pufferstaaten bilden. Polen soll selbständig werden und an der  Weichsel entlang einen Zugang zum Meer erhalten, so dass Ostpreußen durch einen  polnischen Korridor vom übrigen Deutschland abgetrennt würde. Die Ukraine soll  von Russland abgetrennt und ebenso wie das Kaukasusgebiet ein selbständiger  Staat werden. Die von rumänischen Arbeitern und deutschen Soldaten gestürzte  und aus Bukarest geflohene rumänische Regierung soll mit Unterstützung der  französischen Flotte und einer interalliierten Interventionsarmee den Kampf  gegen die rumänische, russische und deutsche Revolution fortsetzen. Zum Dank  dafür soll Rumänien folgende Gebiete erhalten: von Russland — ganz Bessarabien,  von Bulgarien — die Dobrudscha, von Ungarn — ganz Siebenbürgen und außerdem  große Landstrecken mit rein magyarischer Bevölkerung.
  Ein teuflischer Plan, begründet mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Als  ob man die Arbeiter und Bauern in Finnland, im Baltikum, in Polen,  Siebenbürgen, Bessarabien und in der Ukraine nach ihrer Meinung gefragt hätte.  Die Kapitalisten aus diesen Gebieten vielleicht! Denn es sollen ja  kapitalistische Randstaaten werden, beschützt von der Entente. Ein langer  Riegel von kapitalistischen Pufferstaaten, vom Eismeer bis ans Kaspische Meer  soll zwischen Deutschland und Russland gelegt werden, damit man die  sozialistische Revolution zuerst in den Randstaaten, dann in Deutschland und  schließlich in der Sowjetunion niederknüppeln kann. Damit wäre wohl den  Kapitalisten in Westeuropa und Amerika gedient, aber nicht den werktätigen  Klassen in den Randstaaten, denen man die nationale Freiheit verspricht. Das  ist eine ganz infame Lüge, diese Parole von der nationalen Freiheit im Zeichen  des Kapitalismus. In all diesen geplanten Randstaaten leben große nationale  Minderheiten. Sie alle würden, wenn der teuflische Plan der Ententestaaten  Wirklichkeit werden sollte, im Namen des Selbstbestimmungsrechts der Völker,  von der feudalen und kapitalistischen Herrenschicht der herrschenden Nation  vergewaltigt und unterdrückt werden. Nur im Sozialismus, nur im sozialistischen  Bundesstaat kann die nationale Unabhängigkeit und kulturelle Freiheit  verwirklicht werden. Das hat die Sowjetunion bereits bewiesen: sie hat den fast  200 Nationen, die auf dem Gebiet der Sowjetunion leben und die unter dem  Zarismus gewaltsam unterdrückt und russifiziert wurden, völlige nationale und  kulturelle Selbständigkeit verliehen. Für Mitteleuropa und den Balkan aber gilt  dasselbe wie für Osteuropa und Nordasien. Wir sitzen in einer Zwickmühle. Der  Kapitalismus spielt seinen letzten Trumpf aus. Sollen wir das Ultimatum  ablehnen und damit Hunderttausende von deutschen Soldaten, die noch auf  linksrheinischem Gebiete marschieren, den Kapitalisten des Westens überantworten  oder es annehmen
  und damit unsere Zukunft preisgeben? Sind unsere Arbeitsbrüder in den  Randstaaten schon so weit, dass sie den Kampf gegen ihre Unterdrücker auch ohne  deutsche Hilfe zu Ende führen können? Können sie sich wenigstens so lange  halten, bis die russische rote Armee ihnen zu Hilfe kommt? Eine ungeheure  Verantwortung liegt auf den Volksbeauftragten. Wie werden sie sich entscheiden?
  Vorwärts - 19. November 1918
Die Antwort der Volksbeauftragten
Die gestern an das interalliierte Hauptquartier abgesandte Note hat  folgenden Wortlaut:
  Wir bestreiten die Berechtigung der gestellten Forderungen. Wir wollen aber  nicht, dass noch einmal Proletarier auf Proletarier schießen. Wir wollen unsere  Leidensgenossen in der englischen, französischen, amerikanischen, belgischen  und italienischen Armee nicht vor die Frage stellen, ob sie dem Befehl ihrer  Offiziere gehorchend auf ihre deutschen Brüder schießen oder der Stimme ihres  Gewissens folgend mit den Soldaten der deutschen Revolution sich verbrüdern  sollen. Wir wollen mithelfen am Wiederaufbau der durch den sinnlosen Krieg  zerstörten Gebiete und nicht neue Städte und Dörfer in Schutt und Asche  verwandeln. Wir appellieren an das Gewissen der Menschheit und beugen uns unter  Protest der Gewalt. Um neues Blutvergießen zu vermeiden, sind wir zu folgenden  Zugeständnissen bereit:
  Die deutschen Osttruppen werden angewiesen, sich an keinem Kampfe gegen Truppen  der Alliierten zu beteiligen. Die deutschen Osttruppen werden der  interalliierten Befehlsgewalt unterstellt. Diese Anordnung verliert aber sofort  ihre Gültigkeit, wenn den deutschen Truppen zugemutet wird, sich an der  Bekämpfung der Revolution zu beteiligen.
  Die zur Ablieferung bestimmten Schiffe der deutschen Flotte werden in drei  Tagen die Anker lichten, vorausgesetzt, dass die Alliierten den  Waffenstillstand nicht brechen.
Der Rat der Volksbeauftragten
  Vorwärts - 20. November 1918
Genossen! Wahrt revolutionäre Disziplin!
In den letzten Tagen mehren sich die Klagen über Disziplinbrüche in den  Ersatztruppenteilen. Es ist verständlich, wenn nach dem Zusammenbruch der alten  Ordnung mancher sich nicht gleich völlig der neuen Ordnung einfügen kann. Viele  Kameraden, die vier Jahre und noch länger in der Zwangsjacke des Militarismus  gesteckt haben, lehnen jetzt überhaupt jeden Zwang ab. Sie können noch nicht  unterscheiden zwischen dem Kadavergehorsam in der kaiserlichen Armee und der  freiwilligen revolutionären Selbstzucht, die jeder Soldat der roten Armee  aufbringen muss, wenn sie ihren Kampf siegreich zu Ende führen will. Glaubt  nicht, dass der Kampf schon zu Ende ist! Glaubt nicht, dass die Feinde der  Arbeiterschaft, die Feinde der jungen sozialistischen Räterepublik, das Spiel bereits  verloren gegeben haben. Wenn sie auch jetzt ruhig sind: sie warten nur auf  einen günstigen Augenblick. Wehe uns, wenn es ihnen gelingt, die Macht  zurückzuerobern! Wollt ihr, dass die Revolution in einem Meer von Blut und  Tränen erstickt wird? Was werdet ihr einmal euren Kindern antworten, wenn durch  eure Schuld die Revolution niedergeschlagen worden ist und eure Kinder, die  weiter unter dem Joch des Kapitalismus seufzen müssen, euch fragen, weshalb ihr  damals in den entscheidenden Stunden nicht eure Pflicht getan habt? Was werdet  ihr ihnen entgegnen, wenn sie euch sagen werden: „Ach so, ihr Feiglinge, ihr  konntet auf Befehl des Kaisers vier Jahre lang auf eure Klassengenossen  jenseits der Grenze schießen. Ihr konntet kämpfen, hungern und frieren, konntet  grausam sein und morden, gegen euer eigenes Interesse, solange euch der Stiefel  des Kapitalismus im Nacken saß. Aber ihr konntet nicht die Selbstzucht und  nicht den Mut aufbringen, um den revolutionären Kampf mit der nötigen Energie  fortzusetzen. Ihr waret nur mutig und gehorsam, solange es um die Interessen  eurer Klassengegner ging. Aber ihr wurdet feige und bockbeinig in dem  Augenblick, als ihr für euch selbst, für eure Zukunft und für uns, eure  Nachkommen, kämpfen solltet. Weil ihr den Zwang für die gute Sache verachtet  habt, müssen wir jetzt unser Leben lang die Zwangsjacke des Kapitalismus  tragen. Weil ihr müde wart vom kapitalistischen Krieg und kein Gewehr mehr in  die Hand nehmen wolltet, müssen wir jetzt unsere Lungen von Gas zerfressen  lassen und millionenweise krepieren. Schöne Väter seid ihr, schöne Helden,  schöne Sozialisten! Schämt euch!!!"
  Wollt ihr, Kameraden und Genossen, einmal so erbärmlich vor euren Kindern  dastehen?
  Nein Brüder, das wollt ihr nicht, das könnt ihr nicht wollen. Deshalb heißt das  Gebot der Stunde: „Revolutionäre Selbstzucht".
  Vorwärts - 21. November 1918
Friede, Freiheit, Brot - und die Scheidemänner
In mehreren Großstädten tauchten in den letzten Tagen Flugblätter einer  illegalen Neugründung auf. Diese Flugblätter waren gezeichnet: „Alte  sozialdemokratische Partei. Der Vorsitzende: Philipp Scheidemann."  Exzellenz Scheidemann belieben darin, sich in den Mantel der Nächstenliebe zu  hüllen. „Wo ist der Friede," fragt er, „wenn ihr durch Fortsetzung eurer  utopischen Politik den Einmarsch der Ententetruppen provoziert? Wo ist die  Freiheit, wenn ihr die Presse knebelt? Wo bleibt das Brot, wenn ihr durch  überstürzte Sozialisierungsmaßnahmen die Privatinitiative lähmt und die  Produktion drosselt, wenn ihr der Entente keine Garantien gebt, die sie zur  Aufhebung der Blockade bewegen?"
  Sieh mal einer an, wie menschenfreundlich Exzellenz plötzlich geworden sind.  Aber Sie sollen nicht glauben, dass wir auf Ihr Geschwätz hereinfallen. Die  Massen wollten schon lange den Frieden, als Sie noch immer Kriegskredite  bewilligten. Warum haben Sie damals nicht Ihre Menschenfreundlichkeit entdeckt?  Die Massen schrieen auch damals nach Brot, als Sie mit Ihren Komplizen im  Großen Hauptquartier an überladenen Tafeln saßen. Sie wagen es, die Opfer zu bejammern,  die noch fallen werden, aber Sie hätten bedenkenlos noch weitere Millionen  Menschenleben geopfert, Sie hätten das Volk noch jahrelang hungern lassen, wenn  die deutschen Imperialisten den Krieg fortzusetzen vermocht hätten. Dem „Levee  en masse" des bankrotten Kaiserreichs hätten Sie begeistert zugestimmt, —  die proletarische Massenerhebung zur Verteidigung der internationalen  sozialistischen Revolution lehnen Sie entrüstet ab. Ersparen Sie sich jede  weitere Mühe, Exzellenz! Ihre Krokodilstränen rühren uns nicht. Folgen Sie  Ihrem Freunde Ebert nach Holland!
  Wilhelm II. hat sicher noch eine Lakaienstelle für Sie frei. Im roten  Deutschland aber sind Sie nicht am Platze. Oder wurden die Flugblätter  vielleicht herübergeschmuggelt, sitzen Sie etwa schon drüben? — es wäre Ihnen  zu wünschen, denn das Revolutionstribunal macht kurzen Prozess mit  Ihresgleichen. Verlassen Sie sich darauf und sagen Sie es Ihren Freunden  weiter. Machen Sie sich keine Hoffnung. Die Reformisten haben ein für allemal  ausgespielt.
  Vorwärts - 22. November 1918
Im Osten wird aufgeräumt - Ganz Südfinnland in Händen der Roten Armee.
Die aus der Front gezogenen deutschen Truppen werden in Wasa, Tammerfors, Helsingfors und Wiborg stationiert. In Warschau haben Weißgardisten am 16. November einen Aufstandsversuch unternommen, an dem sich auch deutsche Offiziere beteiligten. Nach schweren Kämpfen gelang es der roten Arbeiterwehr, die aus deutschen Militärarsenalen mit Waffen versehen worden ist, den Feind aus der Stadt zu verdrängen. Die Weißen haben Verstärkungen aus den Landbezirken erhalten und ziehen sich kämpfend in Richtung Brest-Litowsk zurück. Seite an Seite mit den polnischen Rotgardisten, unter denen sich die Metallarbeiter besonders bewährten, kämpften deutsche Bataillone und das erste rote russische Regiment, das aus Kriegsgefangenen des Lagers Neuhammer formiert wurde und sich jetzt den Weg in die Heimat erkämpft. Die deutschen Truppen sind gestern auf Grund der Vereinbarungen mit dem Interalliierten Hauptquartier aus dem Kampf gezogen worden. Sie wurden abgelöst von einer neugebildeten Formation der Roten Garde und von dem zweiten und dritten russischen Kriegsgefangenenregiment, das erst gestern morgen in Warschau ausgeladen wurde. In Brest-Litowsk ist der weiße Aufstand durch den Verrat deutscher Offiziere geglückt. Der Versuch, die deutschen Soldaten zur Teilnahme am Kampf auf Seiten der Weißen zu bewegen, gelang nur in sehr geringem Umfange. Der größte Teil der deutschen Truppen schlug sich nach Osten durch, wo von Pinsk her die russische rote Armee anrückt. Die Telegraphenstation wurde noch einige Stunden von roten Truppen gegen den Ansturm der Weißgardisten gehalten. Wir bringen nachstehend ein Dokument dieses heldenhaften Verteidigungskampfes :
Das letzte Telegramm aus Brest-Litowsk
  „aufstand geglückt, weil Wachsamkeit der deutschen truppen nachließ. schuld ist  letzter befehl, der einmischung in innere Verhältnisse verbot. mehrzahl der  deutschen offiziere hat sich an Weisung nicht gehalten, sondern sich aktiv am  aufstand beteiligt und alle treugebliebenen Offiziere und mannschaften  erschossen oder totgeprügelt. nur drei offiziere konnten sich mit roten  mannschaften nach osten durchschlagen. soldatenrat will aktiv am kampf um  wiedereroberung von brest-litowsk teilnehmen, falls festung nicht vor  anrückender roter armee kapituliert. Weißgardisten greifen unser telegraphenamt  an, zum drittenmal...  wir...  vier mann...  beteiligen...  uns vom Fenster aus ...  am kampf, Weißgardisten übersteigen mauer, deutsche offiziere dabei. weiße  fahne...  Waffenstillstand...  parlamentär vorgeschickt...  befehl .., waffen  niederlegen keine Verhandlungen...  bedingungslos niederlage. Übergabe...   kameraden kommen aus dem hause, legen waffen nieder...  deutscher offizier  erschießt parlamentär...  Weißgardisten stürzen sich auf gefangene...  ermordet ...  wir eröffnen wieder kampf vom fenster aus...  kamerad kornmann kopfschuss  tot...  kamerad krause brustschuss...  telegraphist müller auch tot...  ich  meyer...  tippe weiter...  linke hand taste...  rechte revolver... "
  Auch Kamerad Meyer wird seine Treue zur Revolution mit dem Tode bezahlt haben.  Welcher von den vielen Meyers war das, welcher von den vielen Meyers, die im  Osten und Westen, in Kälte und Sonnenbrand für das Kaiserreich gekämpft und  gelitten haben? Jetzt sind sie tot, die Kameraden Kornmann und Krause und Meyer  und Müller. Ebenso tot wie ihre vielen Namensvettern, deren Knochen vor Ypern,  an der Somme, vor Verdun und am Isonzo bleichen.
  Ja, jetzt sind sie tot, aber sie fielen nicht mehr für den Kaiser, nicht mehr  für den Kapitalismus, sie opferten freiwillig ihr Leben für die Revolution, für  die Sache des Volkes. Und vor ihrem Tode haben sie uns einen unschätzbaren  Dienst erwiesen. Sie haben uns die Augen geöffnet. Sie haben uns gezeigt, welches  Schicksal uns erwartet, wenn wir auch nur einen Augenblick nachlassen, wenn wir  weich werden und auch nur eine Minute lang vergessen, unsere Pflicht zu tun.
  Wir danken euch für diesen Dienst, Kamerad Kornmann, Meyer, Müller und Krause.  Wir danken euch und werden euch rächen. Eure Mörder werden ihrem wohlverdienten  Schicksal nicht entgehen.
  Vom Osten und vom Westen her gehen die roten Truppen gegen Brest-Litowsk vor.  In Lodz ist der weiße Aufstand mühelos von der roten Arbeiterwehr unterdrückt  worden. Die letzten weißen rumänischen Truppen haben sich auf Galatz, Braila  und Ismail zurückgezogen. Von Norden her rücken Deutsche, Russen und Rumänen,  von Bukarest aus Deutsche und Rumänen gegen sie vor. Bald werden auch diese  beiden Punkte, die letzten Hoffnungen der Gegenrevolution, in unserem Besitz  sein. Dann ist der Osten frei. Die Landungstruppen der Entente in Odessa wurden  ins Meer zurückgeschlagen. Im Norden rückt die russische rote Armee gegen das  Eismeer vor. In Sibirien sind Verhandlungen mit den tschechoslowakischen  Legionären eingeleitet. Bald wird auch Sibirien frei vom Feinde sein. Bulgarien  wurde von Ententetruppen besetzt. Werden auch die Italiener weiter vorrücken?  Wiederum ist es den Kapitalisten der Westmächte gelungen, französische und englische  Proletarier vorzutreiben zum Kampf gegen ihre Brüder. Wie lange noch?
  Vorwärts - 23. November 1918
Der Waffenstillstand gekündigt!
Der Waffenstillstand ist gekündigt worden. Das ist die Kriegserklärung der  kapitalistischen Weststaaten an die internationale sozialistische Revolution.  Begründet wird dieser Schritt mit der noch nicht vollzogenen Ablieferung der  deutschen Kriegsschiffe und Unterseeboote sowie mit der Mitwirkung deutscher  Truppen bei der Einnahme von Brest-Litowsk und bei der Umzingelung und  Gefangennahme der Reste der königlich rumänischen Armee bei Galatz und Braila.  Außerdem sollen deutsche Truppen bei den Kämpfen in Budapest nach Ausrufung der  ungarischen Räterepublik auf Seiten der Revolutionäre mitgewirkt haben.
  Die Kündigung des Waffenstillstandes erfolgte mit 48 stündiger Frist. Die  Entente hat sich also formell an die Bestimmungen des  Waffenstillstands-Abkommens gehalten, in Wirklichkeit aber die Kriegshandlungen  schon in der letzten Nacht wieder aufgenommen. Ein deutsches Regiment, das sich  noch auf belgischem Boden befand, ist von französischen Truppen umzingelt und  gefangen genommen worden, obwohl das Gebiet, auf dem es sich befand, erst am  24. November geräumt werden sollte. Im Skagerrak sind schon am 22. November 2  deutsche U-Boote, die von großer Fahrt zurückkamen, von englischen  Kriegsschiffen in Grund gebohrt worden, weil die Besatzung sich weigerte, einen  englischen Hafen anzulaufen.
  Der Zentralrat der Nord- und Ostseeflotte hat daraufhin beschlossen, die Flotte  sofort nach dem Osten in Fahrt zu setzen, wo sie sich mit der roten Baltischen  Flotte vereinigen soll. Die Ostseeflotte hat bereits gestern nachmittag Kiel  verlassen. Der gestern früh von Wilhelmshaven ausgelaufenen Nordseeflotte ist  es gelungen, die Eibmündung zu erreichen. In der Helgoländer Bucht versucht  eine englisch-französische Flotte, den deutschen Minengürtel, der ständig  verstärkt wird, zu durchbrechen. Das vor acht Tagen begonnene Minensuchen ist  eingestellt worden. Aus der Erwägung heraus, dass in absehbarer Zeit doch keine  deutsche Flotte in der Nordsee operieren wird, hat der rote Matrosenrat der  Nordseeflotte beschlossen, alle vorhandenen Minenvorräte in der Elb- und  Wesermündung auszustreuen. In der Ostsee, am Südausgang des Sundes und des  Belts, sollen dagegen nur an bestimmten Punkten verankerte Minen gelegt werden.
  Der Zentralsoldatenrat der Westfront und das rote Oberkommando der Westarmee  haben folgende Befehle erhalten :
  „Sollte das Feuer von gegnerischer Seite eröffnet werden, so ist es auf keinen  Fall zu erwidern. Die freiwillige Ablieferung von Kriegs- und  Beförderungsmaterial ist sofort einzustellen. Den Truppenteilen werden  ausreichende Geldmittel zur Verfügung gestellt, um alle Beförderungsmittel,  Pferde und Wagen, Last- und Personenautos auf deutschem Gebiet für den  Rücktransport von Truppen, Lebensmitteln und Kriegsmaterial aufzukaufen. Wenn  Verkauf verweigert wird: requirieren! Es ist sofort eine Aufnahme-Stellung zum  Schutz des Rheinüberganges vorzubereiten. Alle Truppen sollen versuchen, in Eilmärschen  sich vom Gegner zu lösen und die Aufnahmestellung zu erreichen. Da die  Rheinbrücken für den beschleunigten Rückzug der Truppen und die Rettung des  erfassbaren Materials nicht ausreichen, werden sämtliche Kähne auf dem Rhein  und seinen Nebenflüssen mit dem heutigen Tage requiriert und sind mit Bemannung  sofort zur Verfügung zu stellen. Auf der Strecke von Mannheim bis Bonn sind,  soweit möglich, sofort weitere Pontonbrücken unter Verwendung von requirierten  Rheinkähnen und mit Hilfe der Arbeiterschaft zu bauen. Die Arbeiterräte im  Ruhrgebiet sowie in Mainz und Mühlheim haben beschlossen, sofort alle Kähne zu  entladen und für den Transport zur Verfügung zu stellen. Fußtruppen sind  möglichst in Kähnen überzusetzen. Die Brücken sind für den Übergang von  Fahrzeugen und Pferden freizuhalten."
  Vorwärts - 25. November 1918
Krieg der Entente gegen die Revolution!
Belgien, Luxemburg, Nordfrankreich und Elsass-Lothringen sind von den  deutschen Truppen geräumt. Nur 24 Stunden lang haben die Alliierten die Fiktion  aufrechterhalten, dass sie die Kündigungsfrist einzuhalten bereit seien. Sie  hofften, nach Ablauf der 48 Stundenfrist noch zurechtzukommen, um das Gros der  deutschen Nordarmee durch einen Süd-Nordvorstoß gegen Aachen und den  Maastrichtzipfel abschneiden zu können. Dann merkten sie aber, dass sie sich  verrechnet hatten. Vierundzwanzig Stunden vor Ablauf des Waffenstillstandes  wurde der Grenzort Malmedy bombardiert und von französischen Truppen gestürmt.  Die nördlich Malmedy stehenden Truppen setzten sich zur Wehr, um nicht in  Gefangenschaft zu geraten und um den nördlicher marschierenden Truppen den  Rücken zu decken. Jetzt ziehen sich unsere Truppen, nachdem die Gefahr, die dem  rechten Flügel drohte, abgewendet worden ist, nord- und ostwärts zurück. An der  ganzen übrigen Front haben wir das Feuer, das von den Ententetruppen eröffnet  wurde, nicht erwidert. Obwohl bei dem scharfen Tempo des Rückzuges an den  meisten Stellen fünf bis zehn Kilometer Abstand zwischen den deutschen und  Ententetruppen besteht, haben die Ententetruppen das Artilleriefeuer an allen  Stellen aufgenommen, wo sie die deutsche Grenze überschritten haben.
  Vom Rate der Volksbeauftragten wurde folgender Funkspruch aufgegeben:
  An das Interalliierte Hauptquartier
  Wir protestieren gegen den Bruch des Waffenstillstandes. Obwohl die deutschen  Truppen sich überall kampflos zurückziehen, ist Ihrerseits das Feuer auf der  ganzen Front wieder aufgenommen worden.
  Wir sind nach wie vor bereit, das ganze linksrheinische Gebiet kampflos zu  räumen und ersuchen dringend um Einstellung der Feindseligkeiten.
AUFRUF
  an alle Soldaten der französischen, englischen, belgischen, amerikanischen und  italienischen Armee.
  Das Proletariat in Deutschland und Österreich-Ungarn, in Polen, in der Ukraine  und in Rumänien hat seine Ketten abgeworfen. Wir wollen auf den Trümmern des  Kapitalismus ein neues sozialistisches Gemeinwesen auf überstaatlicher  Grundlage errichten und uns dem Freiheitskampf unserer russischen Brüder  anschließen. Der Krieg ist zu Ende. Der deutsche Kaiser, der russische Zar, der  Kaiser von Österreich, sie sind nicht mehr. Trotzdem will man euch wieder zum  Kampf gegen uns führen. Ihr sollt ein neues Blutvergießen beginnen, obwohl wir  uns verpflichtet haben, kampflos das linke Rheinufer zu räumen. Warum hetzt man  euch auf uns? Weil unsere Revolution nicht Halt gemacht hat mit der Absetzung  der Monarchen, weil wir es nicht genug sein lassen mit der Beendigung des  jetzigen Krieges, sondern weil wir auch die Ursache von weiteren Kriegen  beseitigen wollen: das fluchwürdige System des Kapitalismus. Das gefällt euren  Beherrschern natürlich nicht, denn auch sie sind ja Kapitalisten. Sie ließen  ja, wie die unseren, ihren Krieg durch euch führen im Interesse ihres Kapitals.  Und dieses Kapital ist in Gefahr, wenn sich nun ganz Mittel- und Osteuropa auf  sozialistischer Grundlage einigt. Nicht, dass wir die Absicht hätten, euch  anzugreifen. Nein, eure Unterdrücker fürchten, dass ihr, unserm Beispiel  folgend, auch daran denken könntet, eure Fesseln abzuwerfen. Deshalb sollt ihr  jetzt gegen uns kämpfen. Ihr sollt unsere Revolution niederwerfen, damit ihr  nicht auf den Gedanken kommt, euch gegen eure Herrscher zu erheben. Man will  uns schlagen und euch damit treffen. Ihr kämpft gegen euch selbst, wenn ihr den  Befehlen eurer Generäle weiter Folge leistet.
  Die Stunde eurer Befreiung hat noch nicht geschlagen. Der Siegestaumel, der in  euren Ländern herrscht, hat auch weite Kreise des Proletariats erfasst. Die vom  Siegesjubel erfüllten Gehirne werden erst allmählich zu der Erkenntnis  gelangen, dass es nicht nur darauf ankommt, den deutschen Kapitalismus zu  schlagen, sondern dass man den Kapitalismus international beseitigen muss. Die  Zeit wird kommen, wo diese Notwendigkeit von den Werktätigen aller Länder klar  erkannt wird. Noch ist es nicht so weit. Vorläufig erwarten wir nur eins von  euch, Kameraden: Schießt nicht auf eure deutschen Brüder!
Der Seekrieg beginnt
  Die deutsche Ostseeflotte hat sich auf der Höhe von Danzig mit der russischen  Ostseeflotte vereinigt. Die Nordseeflotte hat den Nord-Ostsee-Kanal passiert  und wird heute abend den Kieler Hafen verlassen. Die englisch-französische  Nordseeflotte hat bei ihrem Vorgehen in der Helgoländer Bucht 3 deutsche  Minenschiffe, 2 Torpedo- und 2 Unterseeboote zerstört, aber selbst schwere  Verluste durch Minen erlitten. Ein englisches Linienschiff wurde von einem  deutschen Unterseeboot torpediert und sank. Die Engländer scheinen eine Landung  in Cuxhaven und Brunsbüttelkoog zu planen. Truppentransportschiffe wurden bei  Helgoland gesichtet. Die englische Flotte versucht in die Ostsee einzudringen.  Sie erleidet schwere Verluste durch Unterseeboote, Flugzeuge und Minen. Wird  die deutsche Flotte aktionsfähig sein, obwohl mehr als die Hälfte der Offiziere  fehlt? Nur drei Schiffskommandeure von größeren Einheiten haben sich mit der  Mannschaft solidarisch erklärt und die Führung behalten. Auf den kleineren  Schiffen ist die Zahl der uns ergebenen Offiziere glücklicherweise bedeutend  höher. Die Möglichkeit einer offenen Seeschlacht hat eine ganze Anzahl höherer  Marineoffiziere in letzter Minute veranlasst, ihre Dienste wieder zur Verfügung  zu stellen. Aus Sicherheitsgründen hat der Zentralmatrosenrat jedoch nur in  geringem Umfange von diesem Angebot Gebrauch gemacht und die ausgewählten  Offiziere unbeschadet ihres Dienstranges nur mit der Führung kleinerer  Schiffseinheiten betraut. Wird der revolutionäre Elan der Matrosen imstande  sein, den Mangel an militärischer Führung wettzumachen? Werden die englischen  Matrosen bedingungslos den Befehlen ihrer Führer Folge leisten? Die nächsten  Tage werden Antwort bringen.
  Vorwärts - 29. November 1918
Lenin in Berlin
Die Ankunft. Schon am frühen Morgen war ganz Berlin auf den Beinen. Trotz  der schwierigen Verkehrslage waren Zehntausende von Menschen nach Berlin geströmt,  um Zeuge zu sein bei der Grundsteinlegung der neuen Gesellschaft. Der ganze  lange Weg vom Flugplatz bis zum Reichstagsgebäude, das nun wirklich dem  deutschen Volke und dem internationalen Proletariat gehört, war dicht von  Menschen umsäumt. Acht Reihen tief standen auf einer Straßenseite die  Mitglieder der bewaffneten roten Macht, die Angehörigen der Roten Armee und der  Roten Arbeiterwehr Berlins. Auf der anderen Seite die Mitglieder des Roten  Frauenbundes zur Verteidigung der Revolution und -kilometerweit, ebenfalls zu  Hunderttausenden — unsere Jugend, die kommende Generation, der die Erfolge  unseres Kampfes zugute kommen sollen. Spannung, Begeisterung, Kampfbereitschaft  auf allen Gesichtern. Heut kommt kein Potentat, kein degenerierter Spross eines  Fürstenhauses. Heut kommen die Männer von morgen, die Führer der Revolution.  Ungeheurer Jubel bricht aus, als die Führer der deutschen Revolution  vorbeifahren, Karl Liebknecht, Ledebour, Rosa Luxemburg, Levine.
  Immer stärker schwillt der Sturm der Begeisterung an: die ausländischen  Revolutionäre fahren vorbei, die Vertreter der Länder, in denen die Revolution  bereits siegreich war, und auch der Länder, deren Herren noch bemüht sind, die  internationale Revolution mit Waffengewalt niederzuschlagen. Niederzuschlagen?  Wenn ihr bisher noch Furcht gehabt habt um das Schicksal der Revolution, heute  nicht mehr! Seht sie euch an, die Hunderttausende auf der rechten Straßenseite,  die hungernden und schlechtgekleideten Männer mit dem Gewehr über der Schulter,  seht ihre abgehärmten, aber entschlossenen Gesichter! Seht ihre leuchtenden  Augen! Auf diese Männer könnt ihr euch verlassen, ihr ausländischen Genossen.  Nehmt diese Zuversicht mit in eure Länder!
  Die Begeisterung wächst ins ungemessene, wie die französischen und englischen  Sozialisten kommen, die sich unter Lebensgefahr in das rote Berlin  durchgeschlagen haben. Und plötzlich wird der Sturm zum Orkan, reißt alles hoch  in einem einzigen ungeheuren Wirbel. Hunderttausend Willen werden  zusammengeschweißt zu einem einzigen Willen, hunderttausend Kehlen  verschmelzen, vereinigen sich zu einem einzigen Ruf 
  Lenin!!! Lenin!!! Lenin!!!
  Kilometerweit rollt der Wagenzug dahin durch ein Meer Von schreienden,  schwitzenden, begeisterten Menschen. Endlich wird die Fahrt langsamer. Im  Tiergarten, vor dem Brandenburger Tor, stehen Glied an Glied die bewaffneten  Ehrengäste der deutschen Revolution. An der Spitze ein rotes russisches  Regiment, das den ganzen Bürgerkrieg in Russland mitgemacht hat und nun auf die  neugebildeten Kriegsgefangenenformationen verteilt werden soll. Und dann  Kompanien, Bataillone, Regimenter, Brigaden, Divisionen, eine ganze Armee, eine  große Armee in voller Ausrüstung mit Tausenden von Geschützen: die roten  russischen Regimenter, die in den deutschen Kriegsgefangenenlagern gebildet  worden sind. Danach kleinere Abteilungen: ein österreichisches und ein  ungarisches Regiment, ein polnisches, rumänisches und griechisches Bataillon.  Berittene Kirgisen. Eine gemischte Formation aus Chinesen, Japanern und  Koreanern. In ihrer Heimat haben sie auf Befehl ihrer Pierren gegeneinander  marschieren müssen. Hier kämpfen sie, — nach jahrelanger Internierung — Seite  an Seite für die Revolution, die eines Tages auch ihre Revolution sein wird.  Neben ihnen kleine Gruppen von Partisanen, Flüchtlinge aus Serbien und  Bulgarien, wo jetzt nach Niederwerfung des Aufstandes, unter dem Schutz der  Ententetruppen, der weiße Terror herrscht. Eine freiwillige nordische Kompanie  : Dänen, Schweden, Norweger. Früher konnten sie (oder waren es nur ihre  Fürsten?) sich nicht vertragen, waren nicht unter einen Hut zu bringen. In  Zukunft, in der großen sozialistischen Republik, werden sie es lernen.
  Auf dem Platz der Revolution, vor dem Reichstagsgebäude stehen die Exoten:  Neger, Zuaven, Marokkaner. Inder usw., in tiefgestaffelten Kolonnen, in  Bataillonen und Regimenter formiert. Ihr farbigen Brüder! Man hat euch  hineingezerrt in den Krieg der Weißen, in dem ihr nichts zu suchen hattet. War  es euch nicht einerlei, ob ihr von
  deutschen, französischen, englischen oder belgischen Kapitalisten beherrscht  wurdet? War euch viel daran gelegen, welche Sprache der weiße Mann sprach, der  gegen euch die Peitsche schwang, der euch eure Frau raubte und euren Boden, der  eure Hütte anzündete, wenn ihr nicht zur Zwangsarbeit erschient? Nein Genossen,  ihr habt wahrhaftig kein Interesse daran gehabt, dass gerade eure Beherrscher  den Krieg gewannen. Ihr habt nur ein Interesse, einen großen, brennenden,  dringenden Wunsch: frei zu werden. Deshalb hat die Agitation im Kriegsgefangenenlager  gerade in euren Reihen so großen Erfolg gehabt. Deshalb habt ihr euch so  gefreut, als die Ententeoffiziere, die im Lager erschienen waren, um euch  zurück in die Knechtschaft, in die Hände eurer Sklavenhalter zu treiben, von  roten Soldaten verhaftet wurden. Die sozialistische Revolution macht nicht halt  vor Landesgrenzen, auch nicht vor Sprachgrenzen und ebenso wenig vor einer  anderen Hautfarbe. Die sozialistische Revolution wird allen Völkern, allen  Rassen die Freiheit bringen. Auch ihr habt eure Delegierten ins  Reichstagsgebäude gesandt, und was da drüben heute beschlossen wird, soll auch  für euch Gültigkeit haben. Deshalb steht ihr hier, auf dem Platz der  Revolution.
  Links und rechts vom Reichstagsgebäude aber steht je ein rotes Regiment aus englischen,  französischen, belgischen und italienischen Kriegsgefangenen. Sie können nie  mehr in ihre Heimat zurückkehren, wenn nicht auch bei ihnen die Revolution  siegt. Trotzdem sind sie bereit, in unsern Reihen zu kämpfen. Bravo, Genossen!  Im Portal des Reichstages steht, mit roter Armbinde, ein amerikanischer  Genosse. Ein einziger. Er ist sichtlich betrübt darüber, dass er allein ist und  sozusagen als sein eigener Abgeordneter fungiert. Er hatte vergeblich versucht,  unter den amerikanischen Kriegsgefangenen Freiwillige für die Rote Armee zu  werben.
  Ein Volksbeauftragter spricht: „Für euch, Genossen aus Frankreich, ist dieser  Tag besonders bedeutungsvoll. Erinnert euch an das prophetische Wort Victor  Hugos, der uns, den Deutschen, dankte, weil wir Frankreich von seinem Kaiser  befreit hatten, und uns versprach, dass Frankreich auch Deutschland von seinem  Kaiser befreien werde. Das habt ihr nun getan, französische Genossen. Aber wir,  wir haben noch ein weiteres getan. Wir haben uns von einem noch schlimmeren Feinde,  von der kapitalistischen Herrschaft befreit, und unseren Dank werden wir euch,  französische Genossen, bezeugen, indem wir helfen, auch euer Land von der  Herrschaft des Kapitalismus zu befreien."
Lenin spricht
  (10 Uhr vormittags.)...  aber das ist nicht die Hauptsache, dass der Rätebund  ungefähr 400 Millionen Einwohner hat. Auch das ist noch nicht das Typische,  dass viele Nationen, viele Sprachen und fast alle Rassen in unseren Grenzen  vereinigt sind. Auch das zaristische Russland umschloss fast 200 verschiedene  Nationen. Aber sie wurden unterdrückt, geknutet, russifiziert. Der Bund der  Sozialistischen Rätestaaten kennt jedoch keine Unterdrückung. Jede Nation, und  sei sie noch so klein, und jede versprengte Minderheit in anderssprachigen  Gebieten hat völlige kulturelle und nationale Freiheit, kann eigene Schulen und  Universitäten errichten, kann alle Angelegenheiten in eigener Sprache regeln,  auch den Verkehr mit Behörden und Zentralstellen. Alle Nationen haben ebenso  wie alle Personen gleiche Rechte, aber auch gleiche Pflichten. Die eine  Hauptpflicht vor allen anderen: mitzuarbeiten am sozialistischen Aufbau der  Welt. Personen, die sich diese Aufgabe nicht zu eigen machen, die nicht ihre  ganze Kraft, nicht all ihr Wissen und Können in den Dienst dieser großen  Aufgabe stellen, haben bei uns keine Rechte. Es mag für den ersten Augenblick  hart erscheinen, wenn wir den Angehörigen der früher herrschenden Klasse nicht  nur ihre früheren Vorrechte nehmen, sondern ihnen auch die Rechte vorenthalten,  die jeder Werktätige besitzt. Es ist ein Akt der Notwehr, eine Forderung der  Selbsterhaltung. Erst nachdem der Sozialismus in der Welt die vorherrschende  Wirtschaftsform geworden ist, können wir großzügiger sein. Wenn sich also  unsere früheren Kapitalisten beklagen, so antworten wir ihnen: Es liegt an euch  selbst. Helft mit am sozialistischen Aufbau. Helft mit bei der Bekämpfung der  Konterrevolution innerhalb und außerhalb unserer Grenzen! Je eher die  Entscheidungsschlacht im Weltmaßstabe gewonnen wird, um so eher können wir die  Sperre, die wir über euch als über asoziale Elemente verhängen mussten,  aufheben.
  Der sozialistische Aufbau wird auf Jahre hinaus all unsere Kräfte in Anspruch  nehmen, wird von jedem einzelnen ein Höchstmaß von Wollen und Können verlangen.  Aber vorläufig haben wir noch eine dringendere Aufgabe. An allen Grenzen steht  der Feind, der Kapitalismus. Wir müssen uns seiner erwehren. Wir müssen dabei  im Auge behalten, dass dieser Kampf eine ganz andere Form annehmen wird als im  imperialistischen Kriege. Wir müssen eine wahrhaft revolutionäre Strategie  entwickeln. Wir werden unseren Feldzugsplan aufstellen, hier, sofort, in aller  Öffentlichkeit. Wenn früher die Feldherren bemüht waren, ihren Feldzugsplan  möglichst geheim zu halten, wenn früher die Geheimhaltung geradezu eine  Vorbedingung für das Gelingen einer Schlacht war, so ist dies bei uns völlig  anders. Wir haben das stärkste Interesse daran, dass unser Feldzugsplan  (natürlich nicht etwa jeder taktische Einzelzug, sondern das politische Ganze)  möglichst überall bekannt wird. Wir rechnen sehr stark mit der Tapferkeit  unserer Genossen in den Roten Armeen. Wir erwarten sehr viel von ihnen. Wir  rechnen aber ebenso stark mit den Genossen auf der anderen Seite der Front. Wir  setzen die Armeen der kapitalistischen Westmächte in unsere Berechnungen ein,  bis zu einer gewissen Grenze als Passivum, von dieser Grenze ab als Aktivum.  Vorläufig gehorcht die Mehrzahl der Soldaten in den Ententearmeen noch den  Befehlen ihrer Offiziere. Aber das wird nicht ewig so weiter gehen. Je mehr  ihnen zugemutet wird, je länger sie gezwungen werden, einen Krieg gegen ihre  Brüder, gegen ihre eigenen Interessen fortzusetzen, desto stärker wird die  Neigung werden, unserm Beispiel zu folgen. Mit diesen Tatsachen dürfen und  müssen wir rechnen. Keine übertriebenen Hoffnungen, aber auch kein  übertriebener Pessimismus! Beides wäre in gleichem Maße schädlich.
  Wir müssen heute unser eigener Generalstab sein. Beginnen wir mit der Arbeit.  Hängt die Karte auf, Genossen! Nord front. Die finnische und nordrussische rote  Armee werden einem gemeinsamen Kommando unterstellt. Die deutschen Truppen sind  wieder in die Kampffront eingereiht. Die ostfinnischen Bahnen sind bis zur  Endstation, die westfinnische ist bis Uleaborg in unserer Hand. Bei Uleaborg ist  ein Kampf mit schwedischen Interventionstruppen im Gange. Archangelsk ist  eingenommen. Die Besatzung, zaristische Offiziere und Ententetruppen, ist  gefangen genommen. Um Murmansk wird augenblicklich gekämpft. Dort wird es wohl  den Ententetruppen gelingen, auf dem Seewege zu entweichen.
  Nach Einnahme von Murmansk wird die Nordarmee unsere Brüder in Schweden und  Norwegen unterstützen, die den Kampf mit den Weißen aufgenommen haben.  Ostfront. Nachdem die tschechoslowakischen Legionen zu uns übergegangen waren,  ist die weißrussische Front im Kaukasus und in Sibirien völlig  zusammengebrochen. Omsk ist von der roten Armee besetzt. In Tomsk und  Krasnojarsk war ein Arbeiteraufstand erfolgreich. Beide Städte werden von  zurückflutenden weißen Truppen hart bedrängt. Die Konterrevolution wird aber in  diesen Gebieten bald liquidiert sein. Irkutsk ist fest in der Hand des  neugebildeten Sowjets. Wladimir-Ulinsk und Nertschinsk sind von  Partisanenabteilungen eingenommen worden. Der Rückzug nach dem Osten ist den  Weißen abgeschnitten. Auch im fernen Osten machen unsere Partisanenabteilungen  Fortschritte. Ein Arbeiteraufstand in Wladiwostok ist von den englischen,  französischen, italienischen und japanischen Interventionstruppen  niedergeschlagen worden. Es gelang jedoch einem Teil der roten Arbeiterwehr,  sich zu den Partisanen nach Sutschan durchzuschlagen. Sobald die  Transsibirische Bahn fest in unserer Hand ist, werden wir den Angriff auf  Wladiwostok vorbereiten. Starke rote Kräfte wurden bereits von der Uralfront  nach dem Fernen Osten dirigiert, wo schwere Kämpfe zu erwarten sind, wenn wir  Wladiwostock nicht sofort einnehmen. Die in Sibirien befindlichen  Kriegsgefangenen der ehemaligen deutschen, türkischen und  österreichisch-ungarischen Armee, mit Ausnahme der Tschechoslowaken, werden  gleichfalls in die Kampffront eingereiht und nach Wladiwostok entsandt. Alle  übrigen Truppen der roten Armee an der Uralfront werden zur ersten Südarmee,  nach Turkestan, in Marsch gesetzt. Die an der Wolgafront freigewordenen  deutschen und russischen Truppen marschieren durch den Kaukasus über Tiflis  nach Erzerum und bilden dort mit den Resten der deutschen Kaukasusarmee die  zweite Südarmee. Marschrichtung: Mossul-Bagdad-Koweit.
  Schwarzmeerfront. Alle deutschen und russischen Truppen, die in der Krim, in  der Ukraine und in Bessarabien freigeworden sind, haben sich süd- und westwärts  bewegt. Eine vereinigte rote Armee, bestehend aus Deutschen, Russen und  Rumänen, hat die Donau bei Tschernowoda überschritten und die Schwarze  Meer-Festung Constanza eingenommen. Bei der Einnahme von Constanza wurde  unerwarteterweise fast kein Widerstand geleistet. Die französischen  Interventionstruppen, die sich nach ihrer Niederlage vor Odessa in Constanza  festgesetzt hatten, wurden kurz vor Eintreffen der Unsern Hals über Kopf  eingeschifft. Etwa hundert französische Soldaten sind desertiert und zur roten  Armee übergegangen. Nach dem Verlassen des Hafens begann ein französischer  Panzerkreuzer die Stadt zu bombardieren. Die anderen Schiffe beteiligten sich  jedoch nicht am Bombardement. Darauf wurde das Feuer gänzlich eingestellt. Es  ist anzunehmen, dass an Bord eine Meuterei ausbrach, oder wenigstens, dass sich  die französischen Matrosen weigerten, die Stadt zu bombardieren.
  Die Schwarze Meer-Armee hat Befehl erhalten, sich südwärts in Marsch zu setzen  und in der Linie der drei Festungen Rustschuk, Schumala, Warna Stellung zu  beziehen. Alle übrigen in Südwestrussland und in Rumänien freigewordenen oder  neu zu formierenden Truppenteile sind sofort zur Ost-Donauarmee in Marsch zu  setzen. Die Ost-Donauarmee erhält den Auftrag, die Donaulinie bis zum Eisernen  Tor unter allen Umständen zu halten gegen Angriffe, die von den Ententetruppen  in Bulgarien zu erwarten sind. Die Enteritetruppen in Bulgarien sind nicht  allzu stark. Die Auf Standsbewegung, die zuerst unterdrückt wurde, nimmt wieder  zu.
  Im Gebiet von Widdin-Turnu-Magurele wird eine rote Reiterarmee aufgestellt. Aus  Konstantinopel liegen noch keine Nachrichten vor. Es sind Kämpfe im Gange,  deren Ausgang noch ungewiss ist. Genossen!
  An den Fronten, die wir bisher besprochen haben, sind nach Lage der Dinge, nach  der Klassenschichtung und nach dem Verhältnis der auf beiden Seiten zur  Verfügung stehenden Truppen in den nächsten Tagen und Wochen Siege zu erwarten.  Die Hauptsache ist zunächst, dass wir unsere Macht im Osten stabilisieren und  mit den Weißen so schnell wie
  möglich aufräumen.
  Wir müssen Kräfte freibekommen, um sie für den Kampf im Westen umgruppieren zu  können. Erst wenn uns das gelungen ist, werden wir imstande sein, dem Vormarsch  des Feindes auch im Westen wirksam zu begegnen. Die Lage im Süden ist noch  reichlich ungeklärt. Das Hauptgewicht müssen wir darauf legen, die Linie  Mur—Drau— Donau als Aufnahmestellung auszubauen und gegen alle Angriffe zu  halten. Das können wir, Genossen, dazu sind wir stark genug. Alle in Ungarn und  in den Karpatenländern neugebildeten Formationen der Roten Armee sind  angewiesen, in dieser Linie aufzumarschieren und sich dem Kommando des Stabes  der West-Donauarmee zu unterstellen.
  Die Wiener Volksarmee übernimmt die Verteidigung des Frontabschnittes Linz bis  nördlich Marburg. Auf die roten Truppenteile in Polen und in Tschechien können  wir zunächst bei der Verteidigung unserer Außenfronten noch nicht rechnen. Sie  müssen sich erst konsolidieren und im Lande bleiben, um die immer wieder  aufflackernden weißen Aufstände zu unterdrücken. Wir kommen nun zu der am  meisten gefährdeten Stelle, zur Westfront. Hier sind wir auf die Rheinlinie  zurückgegangen. Wir werden dem Gegner den Rheinübergang so schwer wie möglich  machen. Wir dürfen uns aber nicht der Illusion hingeben, dass wir die  Rheinlinie lange halten können.
Aus zwei Gründen.
  Erstens: Die Westarmee hat im Weltkriege Entsetzliches erduldet. Ihre Bestände  wurden in den letzten Monaten des Weltkrieges furchtbar dezimiert. Die Truppen  sind erschöpft. Zu einem Teil sind sogar die Kampfverbände völlig aufgelöst.  Trotzdem haben sich die Mannschaften der Nachhut in den letzten Tagen nach dem  Bruch des Waffenstillstandsabkommens bewundernswert geschlagen. Wir dürfen uns  aber dadurch nicht täuschen lassen. Wir müssen die Widerstandsfähigkeit und die  Kampfkraft der Westarmee richtig einschätzen und uns die besonderen Gründe der  letzten Erfolge vor Augen halten. Welche Wirkung die Revolution auf die Kampfkraft  der Truppen gehabt hat, können wir noch nicht feststellen. Wir dürfen diese  Wirkung aber nicht zu hoch einschätzen. Die Truppen standen vor der  Alternative: Gefangennahme oder Kampf. Etwas anderes gab es nicht. Auch eine  Flucht hätte unweigerlich mit der Gefangennahme geendet. Der Rückzug über den  Rhein ist nur möglich, wenn der Übergang militärisch gesichert wird. Außerdem  herrschte starke Erbitterung über den Abbruch des Waffenstillstandes und über  die Beschießung kampflos abmarschierender Truppen. Hinzu kam, dass die am Kampf  beteiligten Vorhuttruppen der Entente den deutschen Nachhuttruppen nicht sehr  überlegen waren. Schwere Artillerie war fast gar nicht am Kampf beteiligt. Auch  unter den Ententetruppen herrschte starke Empörung über den Abbruch des  Waffenstillstandes und über den Befehl, auf friedlich abmarschierende Truppen  zu schießen. Außerdem waren sie auf Widerstand nicht gefasst. Ihre Angriffe  waren lau und energielos. Das Feuer schwach. Die Truppen scheinen sich  teilweise am Feuergefecht überhaupt nicht beteiligt zu haben. Unsere  Proklamationen sind offenbar nicht ganz ohne Wirkung geblieben. Zur offenen  Meuterei ist es allerdings, soviel bekannt wurde, noch nirgends gekommen.
  Das ist der zweite Grund. Die Ententetruppen sind noch nicht genügend  demoralisiert. Solange sie auf dem linken Rheinufer stehen, werden sie ihren  Offizieren noch gehorchen. Solange aber das technisch gewaltig überlegene,  vorzüglich proviantierte Heer der Entente seinen Kampfgeist nicht eingebüßt  hat, von unserer Propaganda noch nicht zersetzt ist, werden wir zwar  vorübergehende Erfolge erzielen, uns aber auf die Dauer nicht behaupten können.
  Ich gebe nun einem Delegierten der Westfront das Wort zu einem eingehenden  Bericht über die Kampflage."
Der Delegierte der Westfront:
  Genossen! Nachdem die Gefahr der Umzingelung für den Nordflügel der Westarmee  abgewehrt war, erwiderten wir das Feuer der Ententetruppen zunächst an keiner  Stelle mehr. Plötzlich stießen die Ententetruppen auf energischen Widerstand in  der Linie Aachen, Fluss Kyll, Kaiserslautern, Kehl. Diese Linie hatten wir zur  Deckung des Rückzuges ausgesucht. In zweitägigen Kämpfen gelang es den  Ententetruppen nicht, diese Linie zu durchbrechen. Trotzdem setzten wir den  Rückzug fort. Der Gegner rückte zuerst zögernd nach, stieß aber dann auf  starken Widerstand in der Linie Aachen — Bonn, wo wir uns bis gestern trotz  immer wieder verstärkten Angriffen gehalten haben. Die Eisenbahnanlagen von  Trier sind von unseren Truppen beim Rückzuge gesprengt worden. Die im Moseltal  vorrückenden Ententetruppen begegneten zuerst bei Berncastel vorübergehendem  Widerstand und wurden dann vor Cochem ganz aufgehalten. Wir hatten den großen  Eisenbahntunnel bei Cochem an mehreren Stellen gesprengt. Zugleich wurden im  Vorort Sehl bei Cochem an günstigen Stellen die rechts und links der Mosel  laufenden Moselstraßen durch Bergsprengung ungefähr 30 Meter hoch verschüttet.  Durch diese Maßnahmen und durch die strategisch gute Lage gelang es einer  einzigen deutschen Division, Cochem gegen eine zuletzt mindestens zehnfache  Übermacht bis heute nacht zu verteidigen. Wegen Umzingelungsgefahr ist diese  Division jedoch aufgefordert worden, sich unter Vornahme weiterer Sprengungen  auf Koblenz zurückzuziehen. Auf der Strecke Bonn —Bingen ist der Rheinübergang  fast überall vollzogen. In der Linie Bingen—Kreuznach—Kehl ist es uns gelungen,  den Gegner solange aufzuhalten, bis das Gros der deutschen Truppen den Rhein  überschritten hatte. Der Rückzug wurde zuerst vom Gegner nicht bemerkt, der mit  Rücksicht auf seine schweren Verluste schon begonnen hatte, sich einzugraben,  und unsere verlassenen Stellungen noch mehrere Stunden lang mit Trommelfeuer  belegte. Von morgen früh ab ist der Rhein die Grenze zwischen den beiden  Armeen. Jeder Versuch der Gegner, den Rhein zu überschreiten, wird von uns  hartnäckig bekämpft werden. Alle Versuche der Franzosen, vom Elsass aus in  Baden einzudringen, sind bisher abgeschlagen worden. Anders ist die Lage im  Norden.
  Nachdem alle Versuche, die Front Aachen—Bonn zu durchbrechen, scheiterten, hat  die Entente die holländische Neutralität gebrochen und ist uns nach  Durchquerung des Maastrichtzipfels in den Rücken gefallen. Es gelang der  gegnerischen Vorhut, in München-Gladbach einzudringen, das aber von zwei  deutschen Divisionen, die bei Wesel den Rhein überschreiten sollten, sofort  wieder genommen wurde.
  Wir haben daraufhin Aachen gestern morgen aufgegeben. Die Front wird jetzt  ungefähr in folgender Linie gehalten: Deutsche Grenze, Kanal  München-Gladbach—Rheydt, Düren, Bonn. Die Gefahr einer großen Umzingelung  scheint abgewendet zu sein. Wenn der im Gang befindliche Angriff auf Rheydt und  München-Gladbach Erfolg haben und zum Durchbruch führen sollte, ist damit zu  rechnen, dass 4 bis 5 deutsche Divisionen abgeschnitten und gefangen genommen  werden. In ungefähr 48 Stunden wird der Rheinübergang auch im Norden überall  vollzogen sein. Der Zentralrat der Roten Arbeiterwehren im Ruhrgebiet hat  beschlossen, die Rheinlinie unter allen Umständen zu verteidigen.  Zusammenfassend glaube ich sagen zu können, dass wir stark genug sind, die  Rheinlinie von der holländischen Grenze bis Basel gegen alle Angriffe zu  verteidigen. Da die niederländische Neutralität jedoch kampflos aufgegeben  worden ist, besteht die Gefahr, dass unser rechter Flügel
  nördlich des Rheins umgangen wird. Die Verteidigung der langen ungeschützten  Nordgrenze vom Rhein bis zur Nordsee würde uns sehr schwer fallen. Wir haben  deshalb sofort eine Note an die niederländische Regierung gerichtet und sie  ersucht, den Schutz der holländischen Neutralität selbst aufzunehmen, da wir  uns sonst gezwungen sähen, auch in Holland einzumarschieren. Als  Verteidigungsstellung in Holland käme die wegen ihrer Kürze wertvolle Linie  Wageringen—Zuidersee oder eine Stellung entlang der Yssel in Frage."
  Lenin: „Nach diesem Bericht könnten wir annehmen, dass wir imstande seien, die  Rheinlinie zu halten. Ich teile diesen Optimismus nicht. Ich bestehe vielmehr  darauf, dass unverzüglich alle Maßnahmen getroffen werden, damit ein vielleicht  notwendig werdender Rückzug sich nicht zur Katastrophe auswächst. Es handelt  sich um folgende Maßnahmen:
  1. Eine neue Verteidigungslinie muss festgelegt und ausgebaut werden.
  2. Das eventuell zu räumende Gebiet ist von jeglichem rollenden und  Kriegsmaterial zu entblößen. Die Zerstörung aller Anlagen, die den einrückenden  Gegnern von Nutzen sein können, ist vorzubereiten.
  3. Alle Ersatztruppenteile und neugebildeten roten Formationen müssen  marschbereit gehalten werden, um jederzeit zurückgenommen werden zu können.
  4. Es müssen alle Vorbereitungen zur illegalen Zersetzungsarbeit im Rücken des  Gegners getroffen werden. Flugblätter zur Verbreitung unter die Truppen der  Kapitalisten sind jetzt schon zu drucken. Es sind zuverlässige Genossen zu  bestimmen, die zwecks Durchführung dieser höchst verantwortungsvollen und  wichtigen Aufgabe zurückbleiben. Gleichzeitig schlage ich vor, den Westmächten  nochmals ein Waffenstillstandsangebot zu unterbreiten. Diesem Angebot werden  wir Nachdruck verleihen durch eine Proklamation an die Ententetruppen, in der  wir die Gründung des Bundes der Sozialistischen Rätestaaten bekannt geben und  worin wir sie auffordern, sich unserer Bewegung anzuschließen. Wir werden ihnen  mitteilen, dass wir nochmals um Waffenstillstand ersucht haben. Wir werden sie  auffordern, sich jeder Beschießung friedlicher deutscher Städte zu widersetzen.  An die Inder, Marokkaner und Neger in den Reihen der Ententetruppen ergehen  besondere Aufrufe. Bevor ich die Aussprache über diesen Punkt eröffne, verlese  ich einige inzwischen eingelaufene Telegramme. Murmansk heute nacht, Uleaborg  in frühen Morgenstunden eingenommen. Rote Nordtruppen begrüßen Zentralrat des  B.d.S.R.S. Es lebe die proletarische Revolution.
  Soldatenrat Nordfront
  Wir protestieren gegen Ententeeinmarsch und gegen kampflose Aufgabe der  Neutralität. Unsere Sympathie gehört der roten Staatenunion.
  Opposition der Sozialdemokratischen Partei Hollands Englische Truppen in  Eiderstedt gelandet. Marschieren eideraufwärts. Arbeiterrat Husum
  Rote Arbeiterwehr von Hamburg-Altona-Wandsbek und Harburg ist mit roten  Soldaten und Matrosen ausgerückt, um von Engländern besetzte Schleuse in  Brunsbüttelkoog wieder zu erobern. Zentralrat Hamburg
Und nun eine gute, eine unerwartet gute Nachricht!
  Hört, Genossen:
  Als die Niederlage der französischen Landungstruppen in Russland und Rumänien  bekannt wurde, proklamierte der Arbeiter- und Soldatenrat von Konstantinopel  vorgestern abend die Räterepublik. Deutsche, türkische und einzelne  französische und englische Deserteure, sowie türkische Arbeiter und Bauern  bildeten eine Rote Garde. Ganz Konstantinopel jubelte. Ententetruppen  verhielten sich zunächst neutral. Dann erhielten sie Befehl, gegen die  Revolution vorzugehen. Ein Teil meuterte sofort, ein Teil wurde gefangen  genommen, der Rest auf die Schiffe zurückgetrieben. An Bord der Schiffe  meuterten die Matrosen. Die Offiziere wurden gefangen genommen. Die roten  Soldaten und Matrosen kamen wieder an Land. Gestern abend erschien die  französische Schwarzmeerflotte vor dem Bosporus und verlangte freie Durchfahrt.  Wurde verweigert. Darauf zog sich die Flotte wieder zurück. Heute früh ist sie  wiedergekommen und unter roten Fahnen im Hafen von Konstantinopel eingelaufen.  Die Genossen Marty und Badina, die Vertreter der roten Matrosen und Offiziere,  sprechen augenblicklich in einer Massenversammlung über die Ereignisse an Bord.  Es lebe der Bund der Sozialistischen Rätestaaten!
  Der internationale Soldatenrat von Konstantinopel (Minutenlang stürmischer  Beifall.)
  Genossen, wir freuen uns über diese gute Nachricht. Aber wir müssen uns hüten,  uns allzu großen Illusionen hinzugeben. Wir werden den Sieg erringen, aber wir  werden ihn erringen müssen unter ungeheuren Opfern und Anstrengungen. Im Osten  werden wir unaufhaltsam fortschreiten. Im Westen aber haben wir noch manche  Nuss zu knacken. Die Genossen der französischen Schwarzmeerflotte haben den  ersten Schritt getan: sie haben sich geweigert, gegen die Revolution zu  kämpfen. Sie müssen jetzt auch den zweiten Schritt tun: sie müssen lernen, für  die Revolution zu kämpfen. Wir beglückwünschen die Genossen in Konstantinopel  zu ihren Erfolgen und fordern sie auf, den Kampf sofort weiterzutragen.  Adrianopel und die Halbinsel Gallipoli sind sofort zu besetzen. Die Dardanellen  müssen gegen alle Angriffe verteidigt werden. Es ist schnellstens eine rote  Armee zu bilden, die auf Sliven Burgas vorstoßen soll, mit dem Ziel, sich mit  unserer Schwarzmeer- und Donauarmee zu vereinigen. Nach eben eingelaufenen  Telegrammen sind die Orte Köln, Koblenz und Karlsruhe von feindlichen Fliegern  mit Bomben belegt worden. Fliegerangriffe auf Düsseldorf, Mainz, Frankfurt und  Mannheim sind von unseren Fliegerstaffeln abgewehrt worden. Unsere  Fluggeschwader haben im Kampf gegen die Übermacht große Verluste erlitten, aber  auch beachtenswerte Erfolge erzielt. Außer den abgeschossenen gegnerischen  Flugzeugen sind 34 französische Flugzeuge gezwungen worden, auf  rechtsrheinischem Gebiet niederzugehen. 13 französische und englische Flieger  sind freiwillig rechts des Rheins gelandet, weil sie die Fortsetzung des  Kampfes unter den obwaltenden Umständen nicht gutheißen. Einige haben sich  sogar bereit erklärt, aktiv auf Seite der Revolution weiterzukämpfen.
  Der deutsche Rat der Volksbeauftragten hat in einem Funkspruch an das  Interalliierte Hauptquartier und in einem Aufruf an die Ententetruppen folgende  Erklärung abgegeben : Wir haben uns freiwillig verpflichtet, die im  imperialistischen Kriege zerstörten nordfranzösischen und belgischen Gebiete  wieder aufzubauen. Wir sehen uns aber außerstande, dieses Versprechen weiter  aufrechtzuerhalten, wenn in völlig sinnloser Weise deutsche Städte zerstört und  ihre friedlichen Bewohner getötet werden. Wir sind nach wie vor bereit, Frieden  zu schließen, verlangen aber sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen."
  Das Wort erhält der Delegierte Frankreichs.
  „Genossen, ich stehe vor euch in einer sehr schweren Situation. Ihr dürft  nichts Unmögliches von uns verlangen. Wir sind noch nicht so weit, um zum  bewaffneten Aufstand schreiten zu können. Aber wir bereiten ihn vor. Die Regierung  hat gedroht, die ,Humanite' zu verbieten und die Parteileitung in den  Anklagezustand zu versetzen, wenn wir unsere Friedenspropaganda nicht  einstellen. Wir haben eine Adresse folgenden Inhalts an die republikanische  Regierung gerichtet:
  Die französischen Sozialisten haben sich während des ganzen Krieges restlos für  die Landesverteidigung eingesetzt. Frankreich ist jetzt frei vom Feinde. Der  Friede ist gesichert, der Kaiser geflohen. Weshalb wird jetzt der Krieg wieder  aufgenommen? Wir sind bereit, aus Sicherheitsgründen auch noch die Besetzung  des linken Rheinufers gutzuheißen. Wir sind aber nicht bereit, den Krieg weiter  zu unterstützen, wenn er auch in rechtsrheinisches Gebiet vorgetragen werden  soll. Wir fordern die Kameraden in der Armee auf, sich an Angriffen gegen das  rechtsrheinische Ufer auf keinen Fall zu beteiligen. Genossen! Soeben wird mir  folgende Meldung übergeben: Starke französische Truppenmassen überschritten  nach heftiger Feuervorbereitung den Rhein bei Straßburg. Die deutschen Truppen  ziehen sich kämpfend auf den Schwarzwald zurück. Ein Angriff auf Kehl ist  abgeschlagen worden. Von Karlsruhe und Rastatt aus ist ein Vorstoß in die linke  Flanke der französischen Truppen im Gange.
  Roter Soldatenrat der 28. Inf.-Div.
  Das ist schlimm, Genossen, aber das bedeutet: Bürgerkrieg in Frankreich. Er  wird damit enden, dass auch Frankreich sich dem Bunde der Sozialistischen  Rätestaaten anschließt. Vorläufig ist es noch nicht so weit, Genossen. Ich bin  dafür, dass ihr den Plan des Genossen Lenin annehmt. Je tiefer die  französischen Truppen in Deutschland eindringen, je mehr sie mit der  revolutionären Bevölkerung in Fühlung kommen, desto eher werden sie einsehen,  dass sie nicht mehr für Frankreich, sondern für den Kapitalismus kämpfen. Desto  eher wird unsere Arbeit von Erfolg gekrönt sein." Lenin (8 Uhr abends): Es  ist beschlossen worden, folgende Hauptverteidigungslinie auszubauen: Nordsee,  Weser, Werra, Böhmerwald, Linz, Graz, Mur, Drau, Donau. Die Rheinlinie wird  noch 10 Tage gehalten. In der Zwischenzeit wird das ganze Gebiet westlich  unserer Hauptverteidigungslinie geräumt von allen Truppen, von allem rollenden  Eisenbahn- und Beförderungsmaterial, von allem Kriegsmaterial, unter Mitnahme  von möglichst großen Proviantvorräten.
  In Holland rücken die Ententetruppen in Eilmärschen nordwärts vor und haben die  Maas überschritten. Die in Nordholland einrückenden ersten Abteilungen der  Roten Armee stießen zuerst auf Widerstand, der aber rasch zusammenbrach. In  einigen Fällen weigerte sich holländisches Militär, gegen Rotarmisten zu  kämpfen, mit der Begründung, dass die Regierung ihre Neutralität auch gegen die  Ententetruppen nicht verteidige.
  Vom Interalliierten Hauptquartier ist folgende Antwort auf unser  Waffenstillstandsangebot eingelaufen: Alle Geschütze, Gewehre und alle Munition  sowie alle Flugzeuge und Kriegsschiffe sind sofort abzuliefern. Alle Truppen,  die sich am Kampf in der Linie Aachen—Bonn beteiligt haben, sind auf  linksrheinischem Gebiet zu internieren. An Beförderungsmaterial ist das Doppelte  der im ersten Waffenstillstandsabkommen festgesetzten Mengen abzuliefern. Wenn  diese Forderungen nicht innerhalb 24 Stunden angenommen werden, erkennen wir  den Rat der Volksbeauftragten nicht mehr als rechtmäßige deutsche Regierung an.  Wir verhandeln dann nur noch mit der in Holland gebildeten neuen deutschen  Regierung, die sich bereits zur Annahme dieser Bedingungen bereit erklärt hat.  Genossen! Es ist natürlich gar nicht daran zu denken, dass wir diese  Bedingungen annehmen. Mag die Entente die neue Regierung in Amerongen  anerkennen! Das kann uns nur recht sein. Der frühere Kronprinz hat, aus  Wieringen zurückgeholt, den Vorsitz übernommen. Die eigentlichen Manager dieser  Regierung sind die Herren Stinnes, Thyssen und Klöckner. Eine Regierung ohne  Land, eine Regierung ohne Anhänger, wenn man nicht gerade die Ententetruppen  als ihre Anhänger betrachten will. Die erste Tat dieser neuen Regierung ist  glatter Landesverrat. Durch englische und französische Flieger ließ sie  Flugblätter über unseren Reihen abwerfen. Unsere Kameraden und vor allem die  Offiziere werden aufgefordert, der Revolutionsregierung die Gefolgschaft zu  versagen. Die Waffen sollen niedergelegt und an die Entente ausgeliefert  werden. Die neuen Waffenstillstandsbedingungen sind von dieser angeblichen  „Volksregierung" ohne weiteres angenommen worden. Was denkt ihr, Genossen,  wie wird die Front auf diese Flugblätter reagieren?"
  Der Delegierte des Zentralsoldatenrats der Westfront erhält das Wort:
  „Genossen! Dieser Aufruf wird vielleicht Erfolg haben bei den  Etappenoffizieren, bei den Offizieren, die das Ende des Krieges in der Heimat  abgewartet haben. Er wird aber wenig Erfolg haben bei den Offizieren der  Westarmee. Die letzten Monate in Frankreich und Belgien sind eine gute  Vorschule für die Revolution gewesen. Die tiefe Kluft, die fast während des  ganzen Stellungskrieges zwischen Mannschaften und Offizieren bestand, ist in  den letzten Monaten fast ganz verschwunden. Es gab keine besonderen  Offiziersunterstände, kein besonderes Offiziersessen mehr. Es gab nur Rückzug,  harten Kampf gegen den nachrückenden Gegner. Verluste, viele Verluste. In  elenden, schnell ausgeworfenen Erdlöchern, verschmutzt und verdreckt, bei  kärglicher, schnell verschlungener Nahrung. So haben wir die letzten Monate  zusammen gelebt, gekämpft und gelitten. Unter diesen Umständen sind sich  Mannschaften und Offiziere viel näher gekommen als jemals zuvor während des  ganzen Krieges. Die Mehrzahl der wirklichen Frontoffiziere wird daher ihre  Mannschaften auch jetzt nicht verlassen. Sie werden aus dem jung erwachsenen  Kameradschaftsgefühl bei uns bleiben. Vielleicht wäre das alles anders, wenn  die Revolution weiter nichts gewesen wäre als Defaitismus.
  Jetzt aber wissen wir, wofür wir weiterkämpfen. Jetzt erhalten auch die Kämpfe,  die wir hinter uns haben, die Millionen von Todesopfern, noch nachträglich  einen Sinn. Jetzt kennen wir die große, herrliche Aufgabe, die wir zu lösen  haben. Und wir werden diese Aufgabe lösen, Genossen. Natürlich wird der  Klassenunterschied sich bemerkbar machen, darum müssen die Frontoffiziere in  unsern Reihen sorgsam überwacht werden. Alle Elemente, die sich weigern, mit  uns zu kämpfen, werden als Kriegsgefangene behandelt."
  Das Wort erhält der englische Genosse Smith:
  „Genossen! Ich war Telegraphist im Interalliierten Hauptquartier. Ich hätte der  Revolution auf diesem Posten unschätzbare Dienste leisten können. Wenn ich ihn  trotzdem verlassen habe, dann könnt ihr daraus erkennen, dass es eine sehr  wichtige Sache ist, die mich hierher trieb. Es gelang mir, die Maas noch kurz  vor den Ententetruppen zu überschreiten. Von Wesel aus bin ich in einem  Flugzeug des Arbeiterrates hierher geeilt, um euch die ungeheuerlichen Pläne  der Ententestaaten mitzuteilen. Ein interalliierter Kriegsrat hat sich mit der  Lage befasst und beschlossen, an allen Fronten sofort sämtliche Machtmittel  einzusetzen.
  Im Fernen Osten sollen alle verfügbaren Seestreitkräfte gegen Wladiwostok  konzentriert werden, dessen Verlust in den nächsten Tagen man befürchtet. China  soll in den Kampf gegen die russische Revolution eingereiht werden. Japan war  bereit, seine ganze Armee nach Sibirien zu werfen. Auf den Einspruch Amerikas  ist aber beschlossen worden, dass immer eine gleich starke Zahl von Amerikanern  und Japanern eingesetzt wird.
  Afghanistan soll sofort von englischen Truppen besetzt werden, um den  russisch-deutschen Vorstoß auf Indien abzuwehren. Alle französischen,  englischen und italienischen
  Schiffe im Mittelmeer sollen sofort im Schwarzen Meer eingesetzt werden und  nötigenfalls den Durchgang durch die Dardanellen erzwingen. Die Franzosen, die  vorher die stärksten Befürworter dieses Plans gewesen sind, hatten plötzlich  Bedenken, als die ersten Nachrichten über die Meuterei in der Schwarzmeerflotte  eintrafen. Jetzt bestanden aber die Engländer darauf, ohne Rücksicht auf  Verluste alle Seestreitkräfte einzusetzen. Das Kräfteverhältnis der Flotten hat  sich durch den furchtbaren Aderlass der englischen Nordseeflotte grundlegend  geändert. Der unerwartet starke Widerstand in Schleswig-Holstein macht es wahrscheinlich,  dass die im Kanal eingeschlossenen Teile der englischen Flotte verloren gehen,  wenn nicht zu ihrem Entsatz außerordentliche Anstrengungen gemacht werden. Die  Vertreter Frankreichs weigerten sich zunächst, diese Desperadopolitik  mitzumachen. England drohte daraufhin, all seine Truppen von der Rheinlinie  zurückzuziehen, Frankreich gab nach und musste sich sogar bereit erklären,  seine Flotten dem englischen Kommando zu unterstellen. Wilson hat sich  geweigert, diese Politik, die seinem Programm völlig widerspreche, mitzumachen.  Die amerikanische Generalität hat jedoch, gestützt auf die einflussreichsten  Finanz-und Industriekreise der Vereinigten Staaten, den Präsidenten unter  Androhung von Gewaltmaßnahmen gefügig gemacht. Alle in englischen und französischen  Häfen liegenden Schiffe werden in fieberhafter Eile für den Truppentransport  vorbereitet. In einzelnen Häfen streiken die Hafenarbeiter. Um die furchtbaren  Verluste durch Minen, vor allem durch Treibminen zu vermindern, werden Tausende  von Klein- und Fischereifahrzeugen in den Minensuchdienst eingereiht. Alle  amerikanischen Truppen sollen in Schleswig-Holstein eingesetzt werden, wohin  bis jetzt schon über 200000 Mann geschickt worden sind. Allerdings dürfte nur  die Hälfte davon den festen Boden erreicht haben. Es kommen aber noch mehr,  viel mehr! Sie sollen alle in
  Schleswig-Holstein und an der Ostseefront, die man bis nach Petrograd  auszudehnen hofft, eingesetzt werden. Der Kapitalismus macht gewaltige  Anstrengungen, um die junge Revolution zu unterdrücken. Aber es sind seine  letzten Anstrengungen, Genossen. Sie setzen alles auf eine Karte, aber es ist  die einzige Karte, die letzte Karte, die sie noch haben. Sie wissen es, genau  so gut wie ihr, dass ihre Stunde geschlagen hat. Wenn die Welt zur Ruhe kommt,  wenn ihr einige Jahre oder Jahrzehnte Zeit habt, am Aufbau der sozialistischen  Gesellschaft zu arbeiten, und wenn auch nur in dem Rahmen eures jetzigen  Machtbereichs, dann ist der Siegeszug des Sozialismus nicht mehr aufzuhalten.  Wenn Russland und Deutschland, die Donauländer, der Balkan und die Türkei  zusammenhalten, so sind sie in einigen Jahren unüberwindlich. Die  Anziehungskraft eines so großen Reiches mit sozialistischer Zielsetzung auf die  unterdrückten Völker in Asien und Afrika wird gewaltig sein. Dazu darf es nicht  kommen, sagen sich meine kapitalistischen Landsleute. Deshalb wollen sie jetzt  gleich, solange sie noch Millionenarmeen unter den Waffen haben, die Revolution  niederschlagen oder wenigstens auf das östliche Europa und das asiatische  Russland zurückwerfen, deshalb wollen sie alle Industriegebiete vom Herd der  Revolution abriegeln. Russland allein, so glauben sie, mit seiner schwach  entwickelten Industrie und mit seiner rückständigen, mittelalterlichen  Landwirtschaft wird nicht imstande sein, ohne fremde Hilfe den Sozialismus zu  verwirklichen. Es geht um Sein oder Nichtsein des Kapitalismus, deshalb werfen  sie all ihre Kräfte in den Kampf. Deshalb schrecken sie vor keiner Gemeinheit,  vor keinem Neutralitätsbruch zurück. Die holländische, schwedische und  norwegische Neutralität brachen sie bereits. Mit kapitalistischen Kreisen der  Schweiz und Dänemarks sind Verhandlungen im Gange. Ihr seht, Genossen, dass  große Anstrengungen gemacht werden, euch zu vernichten. Das sieht schlimm aus,  aber nur für den ersten Augenblick. Denn gerade diese Tatsache berechtigt uns  auf lange Sicht zu den größten Hoffnungen. Je mehr Anstrengungen gemacht  werden, euch zu vernichten, je stärker die Entente alle Kräfte anspannen muss,  um so leichter wird es möglich sein, den englischen, französischen und  amerikanischen Genossen und Soldaten für die Revolution zu gewinnen. Der Kampf,  der jetzt begonnen hat, entscheidet nicht nur über das Schicksal Mittel- und  Osteuropas, er entscheidet jetzt auch über das Schicksal Westeuropas. Es  handelt sich nach diesem Frontalangriff des Kapitalismus bereits nicht mehr um  die Frage: sozialistisches Osteuropa neben einem kapitalistischen Westeuropa?  Die Frage lautet jetzt: sozialistische oder kapitalistische Welt? Wir aber, Genossen,  werden für die sozialistische Welt kämpfen."
  (Langanhaltender Beifall.)
  Lenin spricht (2 Uhr nachts): „Genossen, wir wollen uns jetzt von unseren  asiatischen und afrikanischen Brüdern verabschieden. Auf Flugzeugen,  Luftschiffen und Unterseebooten wollen sie versuchen, ihre Heimat zu erreichen.  Sie verlassen uns jetzt, um sich bald ganz mit uns vereinigen zu können. Sie  werden in ihren Ländern überall den Aufstand vorbereiten. Sie kämpfen dort für  uns, so wie wir hier für sie kämpfen. Gegen den Feind der unterdrückten Klassen  und der unterdrückten Völker, gegen den Kapitalismus. Sozialer und nationaler  Befreiungskampf gehen Hand in Hand. Geht nun hin, Genossen, in eure Länder und  bereitet den Aufstand vor!
  Ihr chinesischen Genossen, grüßt von uns die chinesische Revolution! Wir werden  euch helfen, sie zu vollenden, so wie ihr uns jetzt helft, das Joch des  Kapitalismus abzuschütteln. Grüßt Sun Yat-sen. Dankt ihm für sein Telegramm.  Ihr Inder, sagt euren Landsleuten, dass die Stunde der Befreiung näher rückt!  In den nächsten Wochen wird der Entscheidungskampf an eurer Grenze entbrennen.  Seht nicht untätig zu! Helft mit!
  Ihr Afrikaner, sorgt dafür, dass kein farbiger Soldat mehr Afrika verlässt!  Nehmt den Kampf auf der ganzen Front auf! Vereinigt euch mit den Kräften Abd el  Krims. Nie war die Gelegenheit so günstig wie jetzt. Bald werden wir euch vom  Osten aus zu Hilfe kommen. Lebt wohl, Genossen, wir sind überzeugt, dass ihr  eure Aufgabe erfüllen werdet.
  Genosse Harrington erhält jetzt das Wort, um uns über die Situation in den  U.S.A. zu berichten."
  Harrington: „Genossen! In den Vereinigten Staaten ist im Augenblick an eine  proletarische Erhebung noch nicht zu denken. Trotzdem dürfen wir die  revolutionären Möglichkeiten, die gerade jetzt und vielleicht nur jetzt  bestehen, nicht zu gering einschätzen. Ihr müsst euch vergegenwärtigen, dass  Amerika eine pazifistische, antimilitaristische Tradition besitzt. Diese  Tradition wurzelt zu einem Teil in der Religion verschiedener Sekten und  Bekenntnisse. Zu einem anderen Teil in den Überlieferungen aus der  Gründungszeit und in der Mentalität der Einwanderer. Die wichtigsten Gründe  dieser Tradition aber sind die besonderen Bedingungen und Notwendigkeiten  während der Epoche des kolonialen Frühkapitalismus. Diese Epoche ist jetzt  abgeschlossen. Amerika ist schon vor dem Kriege in die Reihen der  imperialistischen Staaten eingetreten. Dem würde eine neue Ideologie, eine neue  Mentalität entsprechen. Vorläufig aber lebt noch die alte Ideologie, die alte  Mentalität, die alte Tradition. Sie herrscht noch in den Köpfen der  Proletarier, sie wurzelt auch noch fest, viel fester als es in der jetzigen  Zeit der gewaltsamen Unterdrückung scheint, in weiten Kreisen des Bürgertums,  ja sogar in den Köpfen vieler führender Funktionäre des Bürgertums, vielleicht  sogar im Kopfe des Präsidenten. Wir müssen diese Tatsache geschickt ausnützen.
  Wir müssen dafür sorgen, dass diese Denkweise in den Köpfen der Proletarier  rascher zu einer proletarischen Ideologie wird als die Ideologie des Bürgertums  zu einer rein imperialistischen. Wir werden, an die amerikanische Tradition  anknüpfend, mit typisch bürgerlichen pazifistischen Argumenten gegen die  Fortsetzung des Krieges operieren. Dabei können wir uns stützen auf die  besonderen Eigenarten des jugendkräftigen amerikanischen Kapitalismus und  Imperialismus, der in vielen Fällen eine ganz andere Zielrichtung hat als die  europäischen Imperialismen. Wir werden den amerikanischen Kleinbürgern  klarmachen, dass das in Europa angelegte Geld verloren ist, wenn der Krieg bis  zur gänzlichen Zerstörung Europas fortgesetzt wird. Wir werden sie darauf  hinweisen, dass die Weststaaten nicht nur gewinnen, sondern auch verlieren und  der Revolution anheim fallen können.
  Wir müssen ferner folgendes berücksichtigen: Der amerinische Arbeiter und  Soldat ist nicht, wie man bisher geglaubt hat, immun gegen sozialistische  Einflüsse. Amerikanische Soldaten haben in Archangelsk und Wladiwostok  gemeutert, als sie gegen die Revolution kämpfen sollten. Wenn erst einmal die  Revolution in Europa gesiegt hat und in Amerika eine gewisse Kerntruppe  vorhanden ist, so sind die Aussichten für einen bewaffneten Aufstand bei uns  lange nicht so ungünstig, wie allgemein angenommen wird, viel günstiger  jedenfalls als für die von den Reformisten gepriesene „Machteroberung auf  demokratischem Wege". Demokratisch ist dem amerikanischen Kapitalismus  noch viel weniger beizukommen als dem europäischen. Dazu ist er zu stark, zu  robust, zu selbstsicher. Dazu sind vor allem die beiden Parteien zu stark und  finanzkräftig, die im entscheidenden Augenblick über das ganze amerikanische  Kapital und über die ganze Presse verfügen. Selbst wenn der kapitalistische  Terror, wenn die organisierten Überfälle auf Arbeiterhäuser und  Arbeitereinrichtungen und auf unsere Zeitungen und Vereinshäuser aufhören  sollten, selbst wenn der Ku Kux Klan wirklich aufgelöst werden sollte, selbst  wenn die Lynchjustiz und die bürgerliche Klassenjustiz ihre  Schreckensherrschaft einstellen sollten, selbst wenn alle diese  Voraussetzungen, an die im Ernst natürlich gar nicht zu denken ist, einmal  gegeben wären, selbst dann würden wir nicht imstande sein, dem mächtigen  Apparat der Demokraten und Republikaner etwas auch nur annähernd Gleichwertiges  entgegenzusetzen.
  Die Arbeiteraristokratie ist bei uns reformistisch und bürgerlich verseucht.  Die anderen Proletarierschichten sind entweder vorläufig, d. h. in normalen  Zeiten, noch unorganisierbar (die Bewohner der Slums), oder sie sind von dem  typisch amerikanischen Glauben an die große Chance besessen, der sich noch aus  der Zeit des Frühkapitalismus, des Pioniertums in Amerika, erhalten hat und  durch den Krieg mit seinen vielen Verdienstmöglichkeiten, mit seiner rasend  aufgeblähten und vollbeschäftigten Industrie, mit seinen hohen Löhnen wieder  neue Nahrung erhalten hat. Der amerikanische Arbeiter hat bisher alle Vorzüge  eines jungen, kräftig sich entwickelnden, seine Konkurrenten überflügelnden und  sich auf günstigem Gebiet ausdehnenden Kapitalismus kennen gelernt. Wie aber  wird es werden, wenn er jetzt einmal seine Schattenseiten richtig kennen lernt,  wenn er für diesen Kapitalismus, der ihm dann auf einmal nicht mehr so  liebenswert erscheinen wird, längere Zeit kämpfen, leiden und entbehren muss?  Wie wird es werden, wenn sich erst einmal eine Kerntruppe der Revolution  gebildet hat, wenn nicht nur Arbeiterversammlungen, sondern auch  kapitalistische Klubs überfallen werden? Wie wird es werden, wenn sich den  amerikanischen Parias, den Millionen Negern, Mexikanern usw. endlich die  Bruderhand des weißen Proletariers entgegenstreckt? Deshalb sage ich euch,  Genossen: Wenn der Präsident seine Ansicht durchsetzt und die amerikanischen  Truppen aus Europa zurückzieht, dann kann ich euch für die nächsten zehn Jahre  nicht viel versprechen. Wenn aber der Krieg gegen die europäische Revolution in  größerem Ausmaß mit amerikanischen Truppen fortgesetzt wird und unter großen  Verlusten monate- oder gar jahrelang dauert, dann, Genossen, kann ich euch  versprechen, dass in Amerika Bundesgenossen erstehen, auf die ihr euch verlassen  könnt."
  Wieder durchtobt stürmischer Beifall das Haus, das noch immer voll besetzt ist,  obwohl bereits der Morgen naht. Rote Matrosen der deutschen und russischen  Flotte und Delegierte der havarierten und in deutsche Häfen eingelaufenen  Schiffe der englischen Flotte nehmen vor der Rednertribüne Platz.
  Ein Telegramm wird verlesen: „In Potsdam Offiziersaufstand ausgebrochen.  Truppen treugeblieben. Post und Rathaus von den Aufständischen besetzt.  Eisenbahn in unseren Händen. Sendet sofort Verstärkungen." (Inzwischen  liquidiert! D. Red.) Die Sitzung des Generalrats wurde für 24 Stunden vertagt.
  Vorwärts - 30. November 1918
Der Kampf um die Ostsee
  Vordringen der englischen Flotte im Nordostseekanal
  Brunsbüttelkoog wieder zurückerobert Eutentetruppenlandungen in Jütland und  Nordseeland
  Ultimatum an Norwegen Erfolge der Revolution in Schweden
Die Lage in Schleswig-Holstein 
  Die englische Flotte kämpfte sich, allerdings mit großen Verlusten, durch den  Minengürtel der Nordsee durch. Der Angriff auf Wilhelmshaven wurde  abgeschlagen, obwohl
  wir außer den Küstenabwehrgeschützen nur noch über Kanonen, Torpedo- und  Unterseeboote in der Nordsee verfügten. Cuxhaven ist gefallen. Landungstruppen  in Stärke von ungefähr 50000 Mann marschierten auf dem linken Eibufer vorwärts  bis vor Brunsbüttelkoog. Darauf wurde Brunsbüttelkoog vom Wasser her  eingenommen. Starke Landungstruppen begannen sofort an beiden Seiten des Kanals  vorzumarschieren. Die Engländer trafen zuerst nur auf Widerstand von  Partisanengruppen, den sie leicht überwanden. Erst in der Linie  Albersdorf—Hademarschen wurden sie aufgehalten. Den rechten Flügel bedrängten  starke rote Truppen, die aus dem Lockstedter Lager, Hamburg, Neumünster und  Lübeck kamen. Ein Teil der auf dem rechten Ufer marschierenden englischen  Truppen wurde gefangen genommen oder lief über. Der größte Teil aber konnte  sich auf das linke Ufer retten. Inzwischen war das englische Geschwader im  Kanal herangekommen, das zehn Stunden durch die Beschädigung der Schleusen in  Brunsbüttelkoog aufgehalten worden war. Jetzt änderte sich die Situation  vollständig zugunsten der Engländer. Die dritte englische Landungsarmee hatte  die ersten Angriffe der roten Hamburger Arbeiterwehr abgewehrt und den  Vormarsch über Glückstadt—Elmshorn angetreten. Die Eisenbahnverbindung nach dem  Norden war unterbrochen. Gleichzeitig landete die vierte englische Armee in  Eiderstedt und fesselte die Kräfte der Rendsburger Garnison durch den Vormarsch  auf dem rechten Eiderufer. Unter dem Schutz ihrer Schiffskanonen gelang es den Engländern,  ungefähr 10 km beinahe kampflos vorzudringen. Gestern nahmen sie nach hartem  Kampf Rendsburg ein. Dadurch erhielt die englische Kriegsflotte wieder  Bewegungsfreiheit und konnte 10 km weit östlich von Rendsburg vorstoßen.  Gegenwärtig wird um die starke und günstig gelegene Verteidigungsstellung am  Flemhuder See heftig gekämpft. Aber auch wenn diese Stellung durchbrochen  werden sollte, kann die englische Flotte nicht mehr vordringen. Zwei Kilometer  westlich der Levensauer Hochbrücke ist der ganze Kanal zugeschüttet. Über 40000  Mann mit Tausenden von Fahrzeugen arbeiten fieberhaft Tag und Nacht daran, zwei  je 30 m breite Erd- und Betonbarrieren durch den Kanal zu bauen. Selbst wenn  Kiel eingenommen werden sollte, wird es wochenlang dauern, bis dieses Hindernis  beseitigt ist.
  Die roten Verteidiger der Kieler Festung sind zuversichtlich.
  Die Landung einer großen englisch-amerikanischen Armee in Westjütland und das  Vordringen der vierten englischamerikanischen Armee rechts der Eider hat nun  aber doch eine starke Bedrohung unserer Stellung in Schleswig-Holstein  hervorgerufen.
  Wir waren auf diesen Angriff zuerst überhaupt nicht vorbereitet und haben ihm  dann zu wenig Bedeutung beigemessen. Wir haben nicht im entferntesten damit  gerechnet, dass so gewaltige Truppenmassen in Schleswig-Holstein eingesetzt  würden. Nach den ersten Berichten über die starken englischen Verluste im  Minengürtel der Nordsee haben wir angenommen, dass die Gefahr vorüber sei.  Nördlich des Kanals kämpft eine einzige, kaum friedensstarke rote Division  gegen einen zwanzigfach überlegenen Gegner. Sie hat eine erstklassige  Verteidigungsstellung in den holsteinischen Knicks (mehrere Meter breite baum-  und buschbewachsene Erdwälle, von denen alle höhergelegenen Koppeln umrahmt  sind) und verstärkt diese vorzügliche Deckung dauernd durch Erdarbeiten. Der  Gegner versucht unter ungeheuren Opfern, bisher vergeblich, das vor dieser  natürlichen Verteidigungsstellung liegende 3 km breite Sumpf- und Moor - und  Wiesengebiet zu durchqueren. In den Sümpfen und Mooren vor Tetenhusen  versackten die ersten Angriffe. Der weiter ostwärts immer wieder vorgetriebene  Angriff brach unter dem Feuer unsrer Maschinengewehre in dem kilometerweiten  gräbendurchzogenen und überschwemmten Wiesengürtel zusammen. Jetzt aber ist  Rendsburg in der Hand der Gegenrevolution. Wird es unsern von Süden  heranrückenden Truppen rechtzeitig gelingen, Rendsburg wieder einzunehmen? Alle  im nördlichen Deutschland von der Westfront zurückflutenden Truppen mit  Verstärkungen aus Berlin und Hannover werden nach dem Norden geworfen. Die  ersten roten Regimenter aus Russland haben Neumünster erreicht. Hoffentlich  kommen sie rechtzeitig!
Letzte Nachrichten und Telegramme 
  Der englische Vormarsch auf dem Unken Eibufer ist zum Stehen gekommen.  Brunsbüttelkoog und Rendsburg sind von starken roten Kräften zurückerobert  worden. Die englisch-amerikanischen Landungsarmeen aus Eiderstedt und Jütland  haben sich vereinigt. Flensburg ist von den Engländern eingenommen worden und  wird von der vereinigten deutsch-russischen Flotte beschossen, die alle  Versuche zur Forcierung der Ostseeinfahrt abgeschlagen hat. Unsere  Verteidigungsstellung verläuft jetzt: Schlei—Schleswig— Rendsburg—Schleswiger  Landstraße bis Sorgbrück, Sorgeniederung—Eider.
  Hinter dieser Stellung befinden sich noch zwei englische Nester, die aber in  den nächsten Tagen erledigt sein dürften; westlich zwischen Heide und  Albersdorf schwache zersprengte Truppen; im Osten die jetzt hoffnungslos  eingeschlossene englische Kanalflotte mit den dezimierten und abgekämpften  englischen Landtruppen. Alle Angriffe auf Kiel wurden abgeschlagen. Vor der  zugeschütteten Kanalstellung schwelen deutsche Brander, die jedes weitere  Vordringen unmöglich machen. Die Verbindung der englischen Kanalflotte nach  rückwärts ist abgeschnitten. Bei Schacht—Audorf hat die rote Arbeiterwehr des  Walzwerkes mehrere schwer beladene Schiffe von Werft Nobiskrug versenkt. Sie  greift jetzt mit der roten Arbeiterwehr der Büdelsdorfer Karlshütte und den aus  dem Süden kommenden roten Truppen die englische Kanalflotte von rückwärts an.  Die schwachen deutschen Verteidigungstruppen rechts der Eider haben lange  vergeblich auf Verstärkungen aus Rendsburg gewartet und dann wegen  Umzingelungsgefahr ihre fast unüberwindliche Verteidigungsstellung aufgegeben,  nicht ohne den im Überschwemmungsgebiet anrückenden englisch-amerikanischen  Truppen außerordentlich starke Verluste beigebracht zu haben. Die Unsern zogen  sich 2 km zurück und verteidigen jetzt die Südseite der ebenfalls  überschwemmten Sorgeniederung.
  Das Rheintal von der Schweizer Grenze bis Rastatt ist von uns geräumt worden.  Die französischen Truppen erlitten starke Verluste beim Angriff auf den  Schwarzwald. Wegen der durch Aufgabe der Schweizer Neutralität veränderten Lage  wird ganz Süddeutschland beschleunigt geräumt. Die italienischen Truppen  erlitten bei ihrem Vordringen in schwierigem Gelände schwere Verluste.
Telegramm aus Konstantinopel 
  Zweiter Dardanellenangriff mit schweren Verlusten abgewiesen. Verbindung mit  Schwarzmeerarmee hergestellt. Vormarsch aufgenommen, auf dem Balkan in  westlicher, in Kleinasien in östlicher Richtung.
  Internationaler Zentralsoldatenrat
Telegramm aus Bukarest 
  Donau in breiter Front südwärts überschritten.
  Oberkommando Rote Ostdonauarmee
Telegramm aus Moskau
  Wladiwostok zum dritten Mal an Japaner und Amerikaner verloren. In der Provinz  Sutschan treffen ständig neue rote Partisanengruppen aus dem Westen ein.
  Vorwärts - 15. Dezember 1918
Sieg im Osten! Rückzug im Westen!
Aus Lenins Rede in der Sitzung des Generalrates des B.d.S.R.S.
  Lenin: „Genossen, die Lage im Osten ist bekannt. Die transsibirische Bahn und  die Verkehrswege in der Mongolei und Mandschurei sind in unserer Hand. In China  macht die Revolution, unterstützt durch unsere Flugzeuge und Eisenbahntruppen,  weitere Fortschritte. In Persien, Afghanistan, Mesopotamien und Palästina  werden die englischen Truppen zurückgedrängt. Der Angriff auf Ägypten und  Indien und die revolutionäre Bewegung in beiden Ländern schreiten gut fort. Die  Angriffe der Entente auf die Dardanellen sind endgültig abgeschlagen. Alle  englisch-italienisch-französischen Seestreitkräfte im Mittelmeer, soweit sie  nicht vernichtet, kampfunfähig geworden oder zu uns übergegangen sind, werden  im Suezkanal zur Verteidigung Ägyptens konzentriert. Dorthin konzentrieren die  Kapitalisten auch alle anderen Seestreitkräfte aus den pazifischen und  indischen Gewässern. In Nordafrika schreiten die Kämpfe gegen Italiener,  Franzosen und Spanier erfolgreich fort. Der größte Teil von Schweden, Norwegen  und die meisten dänischen Inseln sind fest in unserer Hand. Die Kieler Festung  hält sich. Angesichts dieser Tatsachen dürfen wir im Westen die Ruhe nicht  verlieren. Wir müssen heute noch mit der Räumung von Berlin beginnen, wenn sich  an der Eiblinie herausstellen sollte, dass die Aufklärung der Ententetruppen  noch nicht so weit vorgeschritten ist, dass sie auch in größeren Formationen  sich weigern, auf dichtbevölkerte Städte zu schießen. Wir haben in dieser  Beziehung bereits große Erfolge zu verzeichnen. Durch unser rechtzeitiges  Zurückweichen haben wir immer wieder Gelegenheit zu erfolgreichen Gegenstößen  gehabt, und zwar in Gegenden, die wir uns ausgesucht haben, Genossen. Der  Gegner ist ängstlich geworden und wird täglich schwächer, obwohl er alles  erfassbare Menschenmaterial in den Kampf geworfen hat. Die asiatischen und  afrikanischen Truppen aber hat er endgültig aus der Kampffront herausnehmen  müssen. Sie werden nur noch als Besatzungstruppen verwandt. Vorläufig! Wenn  erst überall im Rücken der Entente bewaffnete Partisanenkämpfe und Aufstände  ausbrechen, dann wird es keine Etappe mehr geben. Dann wird die Stunde zum  Generalangriff gekommen sein. Bis dahin dürft ihr die Nerven nicht verlieren,  deutsche Genossen. Deutschland ist nicht die Welt. Wir werden die Sowjetmacht  in ganz Deutschland aufrichten, schneller als ihr denkt, Genossen! Vorläufig  aber müssen wir noch weiter zurück. Die nächste Sitzung des Generalrates findet  in Warschau statt. Die neue Hauptverteidigungslinie, die wir unter allen  Umständen halten, soll verlaufen: Laaland—Falster—Rügen—Usedom— 20 km westlich  und südlich Stettin — Oderlauf bis Neißemündung — Neißelauf—Sudeten—March—Donau  bis Belgrad—Serajewo— Spalato—Ägäisches Meer. Daran schließt sich unsere  südliche Angriffsfront, auf deren dauernde Verstärkung wir das größte Gewicht  gelegt haben. Unsere Angriffsziele sind dort Kreta und Alexandria.
  Ebenso wird unser rechter nördlicher Flügel in Schweden und Norwegen mit Hochdruck  verstärkt, denn dort stehen wir dem einzigen Gegner gegenüber, der noch völlig  intakt und nur wenig demoralisiert ist. Die Amerikaner haben gewusst, was sie  taten, als sie alle ihre Kräfte aus der Westfrontherauszogen und in Bordeaux  und in Jütland—Schleswig konzentrierten. Ihre Flotte hat nur bei der englischen  Landung in Wilhelmshaven Verluste gehabt. Sonst ist diese Flotte trotz allen  Vorstellungen der Engländer nicht eingesetzt worden. England, das einst  weltbeherrschende England, muss den Schutz seiner Handelsschiffe in der Welt  und sogar im Atlantik den Amerikanern anvertrauen. Wenn England nicht sofort  aufhört, seine Kräfte in einem aussichtslosen Kampf zu vernichten, ist es —  selbst wenn die niedergeschlagene Aufstands- und Dienstverweigerungsbewegung  nicht wieder aufleben sollte — mit England zu Ende. Von den Landarmeen sind die  Italiener am meisten demoralisiert. Sie sind zwar dauernd im Vormarsch,  erkaufen ihre Fortschritte aber mit außerordentlich schweren Verlusten.  Trotzdem werden wir Wien, besonders infolge der katastrophalen  Lebensmittelknappheit, nicht halten können. Die Vorbereitungen zur Räumung sind  im Gange. Auch die Linie Weser—Werra—Böhmerwald müssen wir aufgeben. Zwar  konnten wir dem Gegner, der infolge des Bruches der Schweizer Neutralität und  unseres raschen Zurückweichens nach Norden und Westen im Böhmerwald zum Angriff  einsetzte, schwere Verluste zufügen. Hier wurden zum ersten Mal rote  tschechische Truppen eingesetzt. Sie schlugen sich bewunderungswürdig. Aber im  Rücken sind wir zu schwach. Ein großer Teil der Bevölkerung sieht in den  Franzosen die nationalen Befreier. Bei unserer ersten Niederlage würde der  weiße Aufstand in Prag, das von zuverlässigen Truppen fast entblößt ist, erneut  aufflammen. Wir können Tschechien nicht halten. Aber der Rückzug auf die  östliche Hauptverteidigungslinie geht systematisch, unter Mitnahme allen  beweglichen Kriegsmaterials, vor sich. Die Gefahr im Rücken ist für uns in dem  Augenblick behoben, in dem wir die neue Hauptverteidigungslinie einnehmen, an  deren Ausbau Tag und Nacht gearbeitet wird. Die kapitalistischen Heere haben  dann eine ganze Reihe von sehr gefährlichen Aufstandsherden im Rücken, wir  dagegen nur noch drei Städte, in denen uns ein Aufstand gefährlich werden  könnte: Warschau, Budapest und Bukarest. An diesen drei Stellen konzentrieren  wir neu gebildete und in der Ausbildung befindliche Truppen, die bei ihrem  Abrücken immer wieder durch neue rote Formationen ersetzt werden und in  Verbindung mit den bewaffneten Arbeiterwehren zweifellos imstande sind, jeden  weißen Aufstand im Keime zu ersticken.
Kennzeichnend für die jetzige Lage ist folgendes. Erstens: Es gibt auf der  ganzen Welt keine neutralen Staaten mehr. Die Neutralität wurde nur so lange  aufrechterhalten, als noch kapitalistische Staaten mit anderen kapitalistischen  Staaten kämpften. Sie wurde entweder freiwillig oder unter einem gelinden Druck  leicht aufgegeben in dem Augenblick, in dem es klar wurde, dass der  Kapitalismus mit dem Sozialismus kämpft.
Zweitens: Auf die Soldaten in den kapitalistischen Armeen ist nur noch Verlass,  wenn sie in größeren Verbänden in den Formen des imperialistischen Krieges  kämpfen. Je kleiner aber die Verbände, je deutlicher im Einzelfalle der  Charakter des internationalen Bürgerkrieges hervortritt, um so stärker wird die  Neigung der in den kapitalistischen Armeen kämpfenden Soldaten, überzulaufen  oder auf unserer Seite weiterzukämpfen. Wenn wir 1000 Gefangene machen, so  bedeutet das fast immer, dass wir viele Hunderte neue Kämpfer gewonnen haben. Wenn  aber die Gegner 1000 Gefangene machen, so haben sie bestenfalls zehn Offiziere  neu für ihre Kampftruppen gewonnen. Besonders an der maritimen Front hat sich  das gezeigt. Unsere roten Seestreitkräfte haben im allgemeinen nicht gerade  glücklich operiert. Doch überall, wo unsere Mannschaften, ob siegreich oder  geschlagen, landeten, entfesselten sie die Revolution. Wo dagegen kleinere  Teile der kapitalistischen Flottenbesatzungen landeten und sich selbst  überlassen waren, verfielen sie der Revolution.
Drittens: Die revolutionäre Bewegung in England, Frankreich und Italien wächst  ständig. Die Führer der sozialistischen Opposition dieser Länder haben sich in  einer Geheimkonferenz mit der Lage befasst und beschlossen, alle revolutionären  Maßnahmen anzuwenden, wenn die Kriegshandlungen gegen die Revolution nicht  sofort eingestellt werden. In England ist diese Bewegung am weitesten  fortgeschritten. Die Londoner Arbeiter hatten bereits bei Bekannt werden der  eisten Nachrichten über die deutsche Revolution den Abbruch des Krieges  verlangt. Die Empörung über die pazifistischen Führer und die Neigung zum  Aufstand ist seitdem ständig gestiegen. Die Hafen- und Dockarbeiter stehen seit  drei Tagen im Streik. Die Grubenarbeiter verlassen seit heute ihre  Arbeitsstellen. In Italien sind spontane Streiks ausgebrochen. Die Mailänder  Arbeiter haben beschlossen, die Betriebe zu besetzen, wenn die italienische  Armee nicht sofort aus der Kampffront zurückgezogen wird. In Frankreich gärt es  ebenfalls. In Paris, Lyon, im zerstörten nordfranzösischen Industriegebiet, im  Pas de Calais, in den Nordseehäfen und in den Waffenfabriken von  Schneider-Creuzot stehen politische Streiks bevor. Es läge jetzt sowohl in  unserm als auch im Interesse der französischen, englischen und italienischen Genossen,  dass wir den Kampf fortsetzen, ohne nochmals ein Waffenstillstandsangebot zu  machen. Die Genossen aus diesen drei Ländern drängen jedoch darauf, dass wir  noch einmal einen Versuch zur friedlichen Beendigung des Kampfes machen. Im  Namen des B. d. S. R. S. und der sozialistischen Parteien von Frankreich,  England und Italien werden wir der Entente ein gemeinsam verfasstes Ultimatum  von 48 stündiger Frist stellen.
Wir fordern darin sofortige Räumung aller Gebiete des B.d.S.R.S. in drei  Etappen. Anerkennung des B. d. S.R. S. und völlige Integrität des ehemaligen  Gebietes aller angeschlossenen Staaten mit den später aufgezählten Ausnahmen.  In allen europäischen Ententestaaten und in allen Kolonien ist innerhalb von  zwei Monaten eine Abstimmung darüber vorzunehmen, ob die Bevölkerung sich dem  B. d. S. R. S. anschließen oder ob sie das kapitalistische System beibehalten  will. Elsass-Lothringen, Südtirol und Nordschleswig stimmen zunächst nicht mit  ab. Wenn die Bevölkerung Italiens, Frankreichs oder Dänemarks sich nicht für  Anschluss an den B. d. S. R. S. entschließt, ist innerhalb eines weiteren  Monats eine Volksabstimmung in diesen Gebieten unter beiderseitiger Kontrolle  vorzunehmen. Für den Fall, dass die Volksabstimmung in den Ententestaaten  negativ ausfällt, fordern wir Amnestie für alle so genannten Antikriegs- und  Revolutionsverbrecher. Wir erklären uns nochmals zum Wiederaufbau der  zerstörten Gebiete bereit, aber nur unter der Bedingung, dass dieser Aufbau  unter unserer Leitung erfolgt, unter Ausschaltung aller Unternehmergewinne.
Wenn diese Bedingungen nicht angenommen werden, wird in allen Ententestaaten  und in den besetzten Gebieten der Generalstreik proklamiert. Die Genossen aus  den Ententestaaten wollen es zunächst bei dieser Maßnahme bewenden lassen. Wir  haben versucht, sie davon zu überzeugen, dass ein Generalstreik nur dann einen  Sinn hat, wenn der Wille zum bewaffneten Aufstand und zur Ausrufung der  Räterepublik dahinter steht. Sie sind aber überzeugt davon, dass unser  Friedensangebot wesentlich zur Befreiung der westeuropäischen Arbeiter und  Soldaten von demokratischen Illusionen beitragen und die agitatorische  Plattform zur Liquidierung der Reformisten und Pazifisten, zur Entfesselung des  Generalstreiks und des Aufstandes schaffen wird. Genossen! Die Stunde der  Entscheidung, die Stunde unseres Endsieges naht. Ich halte es für  ausgeschlossen., dass die Ententeregierungen auf unser Angebot eingehen. Sie  werden nicht klüger sein als die deutschen Imperialisten. Sie sehen  hypnotisiert auf die Landkarte, sie glauben, besetztes Gebiet sei erobertes  Gebiet. Sie können und werden es sich nicht eingestehen, dass in ganz Europa,  in ihren eignen Kasernen und Fabriken sich bereits die Rote Armee Europas  formiert. Genossen! Unser Friedensangebot darf die Kampfbereitschaft an keinem  Punkte unsrer Fronten beeinträchtigen : Ich schlage vor, unser Friedensangebot  sofort durch
Funkspruch und Flieger in ganz Europa bekannt zu geben und im übrigen dem  Internationalen Revolutionären Kriegsrat volle Handlungsfreiheit zu lassen."  Die Vorschläge des Genossen Lenin werden angenommen.
  Vorwärts - 18. Dezember 1918
Berlin wird geräumt
  Wir kommen wieder!
Noch einmal erscheint der „Vorwärts" in Berlin legal. Einmal öfter, als  wir gedacht hatten. Die Nachricht von den erfolgreichen Kämpfen im Raume  Wittenberge — Salzwedel—Stendal ließ schon die Hoffnung in uns wach werden,  dass wir nicht zu räumen brauchten. Aber der Internationale Revolutionäre  Kriegsrat ist unerbittlich. Der I. R. K. macht folgendes bekannt:
  Der Vormarsch der Ententetruppen ging vor allem in Richtung auf Berlin und  Hamburg besonders schnell vor sich. Der Vormarsch auf Berlin scheint aus  Prestigegründen geradezu übereilt worden zu sein. Vielleicht hat man im  Interalliierten Hauptquartier auch geglaubt, dass unsere Widerstandskraft und  Aktionsfähigkeit so gering sei, dass ein kräftiger Nachstoß unseren geordneten  Rückzug in eine wilde Flucht verwandeln könnte. Nur so ist die Sorglosigkeit zu  erklären, mit welcher der Eibübergang westlich Berlin vollzogen wurde, bevor Magdeburg  besetzt war. Wir haben vor Magdeburg erst im letzten Augenblick, als der Gegner  schon an kampflose Übergabe glaubte, den Kampf aufgenommen und Magdeburg noch  zehn Stunden lang gehalten. Diese Zeit genügte, um den doppelseitigen  Flankenvorstoß im nördlichen Elbebogen zu decken. Alle Ententetruppen, die auf  der Strecke Wittenberge—Tangermünde bereits die Elbe überschritten hatten, sind  gefangen genommen worden. Von den auf dem linken Eibufer stehenden Truppen  wurden etwa 80 000 durch unsere Umzingelungsaktion abgeschnitten und ohne große  Gegenwehr gefangen genommen. Die Saale-Linie ist von uns nach Eintreffen der  gegnerischen schweren Artillerie aufgegeben worden. Südlich Harburg haben wir  dem Gegner in einer ausgebauten Stellung im Ostebogen und in der Lüneburger  Heide einige Tage hartnäckigen Widerstand geleistet und schwere Verluste  zugefügt. Im Schutze der Nacht wurde dann auch diese Stellung geräumt. Der  Gegner rückte zögernd nach und konnte nach zwei Tagen die Städtegruppe  Harburg—Altona—Hamburg— Wandsbek kampflos besetzen.
  Alle Angriffe der englisch-amerikanischen Nordarmeen auf die Kanallinie sind  bisher abgeschlagen worden. Nördlich des Kanals haben wir uns auf die Linie  Eckernförde—Wittensee—Rendsburg zurückgezogen. Die Kanallinie westlich Albersdorf  ist heute nacht von uns aufgegeben worden. Die Landung starker russischer und  deutscher Truppen in Südschweden, Seeland, Laaland und Langeland wird  fortgesetzt. Seeland ist fast ganz in unserer Hand. Auf Fünen machen wir  Fortschritte, obwohl wir im Großen Belt das maritime Übergewicht noch nicht  erlangen konnten. In China, Persien und Syrien dringen die roten Truppen weiter  vor. Die Seeschlacht vor Kreta ist zu unseren Gunsten entschieden. Kreta wurde  von roten Landungstruppen besetzt. Ein Teil der Ententeflotte ist zu uns  übergegangen. Der Rest entzog sich der völligen Vernichtung durch den Rückzug  auf Ägypten. Die französische Mittelmeerflotte kämpft jetzt größtenteils auf  unserer Seite. Die Matrosen der Schiffe, die noch im kapitalistischen Lager  kämpfen, haben sich geweigert, auf ihre roten Landsleute zu schießen. In der  französischen Flotte herrscht starke Erbitterung gegen die englische  Oberleitung, die vor den Dardanellen und vor Kreta die eigenen Schiffe schonte  und die französischen und italienischen Schiffe rücksichtslos einsetzte.
  Der Beginn des Generalstreiks in den Ententestaaten ist um drei Tage verschoben  worden. Die Interalliierten Regierungen haben sich im letzten Augenblick zu  Verhandlungen bereit erklärt. Die gefangen gesetzten Führer wurden freigelassen  und die vor den Kriegsgerichten schwebenden Verfahren vorläufig  niedergeschlagen.
  In Mailand haben die Arbeiter die Fabriken besetzt. Unter den italienischen  Truppen sind Gehorsamsverweigerungen an der Tagesordnung. Die Differenzen sind  aber vorerst gütlich beigelegt worden, da die italienische Heeresleitung  versprochen hat, keine Angriffe gegen die neue rote Hauptverteidigungslinie zu  unternehmen, wenn Wien kampflos übergeben wird.
Letzte Nachrichten und Telegramme
  Die Aufstandsbewegung in Irland wächst. Ganz Südirland ist in der Gewalt der  Aufständischen. In Chikago ist ein Arbeiteraufstand niedergeschlagen worden.  Unsere Truppen auf Fünen haben im Kampf gegen überlegene amerikanische Kräfte  eine Niederlage erlitten. Die ersten italienischen Truppen sind vor Wien  erschienen. Starke rote Truppenabteilungen marschieren in Griechenland ein, da  Griechenland trotz mehrfacher Aufforderung die aus Bulgarien und Serbien  geflüchteten Ententetruppen nicht entwaffnet hat. Das Oberkommando der roten  Balkanarmee, das über starke Formationen verfügt, bereitet den Nordvormarsch  vor, will aber erst die rückwärtige Gefahr in Griechenland liquidieren, was  angesichts der roten Überlegenheit nur wenige Tage in Anspruch nehmen dürfte.  In Saloniki, das bald von der regulären roten Balkanarmee besetzt werden wird,  tobt zur Zeit ein heftiger Kampf zwischen aufständischen Arbeitern, roten  englischen, französischen, griechischen und italienischen Truppen einerseits  und den Resten der königlich griechischen und Ententearmeen anderseits. Nach  einem Telegramm aus Dresden sind Halle, Leipzig
  und Zwickau kampflos von den Franzosen besetzt worden. Starke Kolonnen von  Autos, Panzerautos, Tanks und Kavallerieabteilungen rücken in Eilmärschen  ostwärts vor und stehen vor Chemnitz. Starke rote Abteilungen sind in Gefahr,  abgeschnitten zu werden. Ein Kampf soll nach den Anweisungen des I. R. K. unter  allen Umständen vermieden werden. Die aktiven Abteilungen der sächsischen  Arbeiterwehren, die sich auf die Oder—Neiße-Linie zurückziehen sollten, werden  in ihren Heimatorten demobilisiert. Alle Arbeiterräte in Sachsen sind  angewiesen worden, die ostwärts marschierenden roten Truppen, soweit sie nicht  mit schnellen Beförderungsmitteln ausgerüstet sind, anzuhalten, zu demobilisieren  und soweit wie möglich mit Zivilkleidung zu versehen.
Berliner Genossen!
  Der Vorwärts" hört mit dem heutigen Tage auf, legal in Berlin zu  erscheinen. Die offizielle Redaktion ist ab morgen in Warschau. Alle wichtigen  Nachrichten werden durch drahtlosen Funkspruch der illegalen Redaktion in  Berlin übermittelt. Unterstützt unsere illegalen Organisationen und den  illegalen Zeitungsvertrieb! Haltet euch bereit für die Stunde der Entscheidung!  Leistet den militärischen Machthabern der Entente nicht die kleinste Hilfe!  Versucht, mit den englischen und französischen Kameraden ins Gespräch zu  kommen. Besorgt euch alle den revolutionären Sprachführer, der bei allen  Betriebsräten und revolutionären Vertrauensleuten zu haben ist. Verbreitet die  in englischer und französischer Sprache geschriebenen Flugblätter und klebt die  fremdsprachigen Aufrufe an alle Mauern, Zäune, Kasernen, Wohnhäuser,  Litfasssäulen und öffentlichen Gebäude. Unterstützt die englischen und  französischen Genossen, die sich mit uns verbrüdern wollen und die Absicht  haben, zu desertieren. Gebt ihnen Zivilkleidung oder alte deutsche Uniformen  und versteckt sie. Reiht sie ein in die Kampffront, wenn die Stunde des  bewaffneten Aufstandes gekommen ist!
  Seid bereit! Wir kommen wieder!
  Warschau - Vorwärts - 21. Dez. 1918
Siegestaumel und weißer Terror
Die Entente hat unser Friedensangebot unbeantwortet gelassen und setzt den  Kampf fort. Ihre Truppen marschieren überall in Eilmärschen ostwärts. Die  Gefangennahme der roten Truppen auf Fünen, die kampflose Einnahme von Hamburg,  Berlin, Meißen, Dresden, Prag und Wien hat in den kapitalistischen Hauptstädten  einen Siegestaumel hervorgerufen, der leider nicht nur auf bürgerliche und  kleinbürgerliche Kreise beschränkt geblieben ist. Besonders in Paris scheint  die Einnahme von Berlin furchtbare Verwüstungen in den Gehirnen angerichtet und  übertriebene Hoffnungen wachgerufen zu haben. Die sozialistischen Zeitungen in  ganz Frankreich sind wieder verboten und beschlagnahmt worden. Die Leitung der  sozialistischen Partei und der Confederation generale du Travail, die sich am  gestrigen Abend im Vertrauen auf die Versprechungen der Regierung zu einer  Sitzung zusammengefunden hatte, ist vollzählig verhaftet worden. Ein  Unterschied zwischen Reformisten und Oppositionellen wird nicht mehr gemacht.  Hunderte von revolutionären Arbeitern sind in den letzten Tagen erschossen  worden, Tausende verhaftet. In der ganzen Nacht tobte kapitalistischer Mob  durch die Straßen und vernichtete alles Eigentum der Arbeiterorganisationen,  veranstaltete wüste Pogrome in den Arbeitervierteln und übte Lynchjustiz an  revolutionären Arbeitern und ihren Familien. Während in England und Italien die  Parole zum Generalstreik nach den vorliegenden Meldungen fast überall befolgt  wurde, scheint sie in Paris versagt zu haben. In mehr als der Hälfte aller  Betriebe soll, nach einem Funkspruch der Interalliierten, heute morgen die  Arbeit wieder bedingungslos aufgenommen worden sein. In Marseille dagegen  sollen die Arbeiter die Rätediktatur errichtet haben; in Lyon wird erbittert  gekämpft. In Norditalien und Spanien herrscht offener Aufruhr. In Genua und  sogar in Barcelona ist die Räterepublik ausgerufen worden. Die spanische  Regierung hat die gemeinsame Aufforderung der Sozialisten, Syndikalisten und  Anarchisten, den Kampf in Marokko und im Rif abzubrechen, mit dem weißen Terror  beantwortet. Im Osten steht es überall gut. In Nordchina rücken die roten  Flugzeuggeschwader und die Eisenbahntruppen auf Peking vor. In Hankau, Nanking  und Schanghai sind revolutionäre Arbeiterräte gebildet worden. Im Süden  verbreitet sich die revolutionäre Bewegung von Kanton aus. In Bombay und  Kalkutta wurde der Generalstreik proklamiert. Im französischen Annam sind  Aufstände ausgebrochen. Größere Abteilungen der Fremdenlegion haben sich mit  den Aufständischen verbrüdert. Auf Borneo, Celebes und Java sind Kämpfe mit den  holländischen Regierungstruppen im Gange. Auf den Philippinen ist ein Aufstand  von den amerikanischen Regierungstruppen niedergeschlagen worden. Ein  chinesisches Schiff, das den Philippinos von Kanton aus zu Hilfe eilen wollte,  ist von den Engländern in Grund gebohrt worden. Sun Yat-sen hat ganz China  aufgerufen, den Kampf gegen die Imperialisten aufzunehmen. Damit ist das  Schicksal der Imperialisten in China entschieden. Man sollte annehmen, dass  diese Ereignisse den Imperialisten zu denken geben und sie zur Aufgabe des  aussichtslosen Kampfes bewegen müssten. Wenn die europäisch-asiatische  Revolution den Aufstand der unterdrückten Farbigen auslöst, so ist das etwas  ganz anderes, als wenn dieser Versuch vorher von dem imperialistischen  Deutschland gemacht wurde. Das ist es, was die Kapitalisten übersehen haben,  als sie sich entschlossen, den Kampf gegen die Revolution sofort und mit allen  Mitteln aufzunehmen. Sie lassen sich von den Erfolgen in Palästina und in  Arabien blenden. Dort hat das englische Gold noch einmal seine Wirkung getan.  Es wird das letzte Mal gewesen sein!
  Ganz Mazedonien ist jetzt fest in unserer Hand. Damit ist der letzte  kapitalistische Widerstand im Osten gebrochen. Jetzt beginnt der Kampf um  Mitteleuropa. Die rote Balkanarmee hat den Vormarsch nach Norden angetreten.  Die italienischen Angriffe auf die Donau- und Marchlinie sind überall mit  schweren Verlusten abgeschlagen worden. Östlich Wien haben ganze italienische  Truppenteile gemeutert, weil sie entgegen dem Versprechen der italienischen  Heeresleitung nun doch die rote Hauptverteidigungslinie angreifen sollten.
  In Böhmen sind die in Eilmärschen vorrückenden Auto-und Tankkolonnen der  Entente nördlich Trautenau, nördlich Hohenelbe und westlich Gablonz auf starken  Widerstand gestoßen.
  Nördlich des Isergebirges ist den Ententetruppen durch ihr überraschend  schnelles Vorrücken in Sachsen der Einbruch in unsere Hauptverteidigungslinie  gelungen. Sie haben sich durch Überrumplung sogar die Eisenbahn nutzbar machen  können und sind mit Panzerzügen und starken Truppentransporten bis Greifenberg  vorgestoßen. Dieser Durchbruch unserer Linien hat zwei Ursachen. Die ersten  Kolonnen der aus dem Osten heranrückenden roten russischen Armee sind erst  heute an der Oderlinie angekommen. Die Neißelinie war beinahe unbesetzt, da  fast alle regulären und irregulären roten Truppen in Sachsen demobilisiert  worden sind.
  In Südholstein haben die nordwärts vorrückenden Ententetruppen eine schwere  Niederlage erlitten. Das Gros der Ententetruppen war nach Herstellung der  Verbindung mit den englisch-amerikanischen Nordarmeen von Hamburg aus ostwärts  abmarschiert. In Richtung auf Neumünster wurden nur zwei Divisionen in Marsch  gesetzt. Diese Säuberungsaktion brach aber kläglich zusammen. Die  Ententetruppen wurden fast restlos vernichtet und gefangen genommen.
  Der Versuch, unsere von überlegenen amerikanischen Kräften angegriffenen  Truppen auf Fünen nach Seeland zurückzuziehen, ist leider missglückt. Dagegen  ist es im Schutze der Nacht gelungen, einen Teil der Besatzung auf Arö,  Langeland und Laaland zurückzunehmen. Bei einem Gefecht am Großen Belt sind zum  ersten Mal größere unhavarierte Schiffseinheiten der englischen Flotte zu uns  übergegangen.
  In Berlin ist unter dem Schutze der Entente eine weiße Regierung gebildet  worden. Alle öffentlichen Gebäude und Kasernen sind mit weißen deutschen  Truppen und Offiziersbataillonen besetzt. Die französische Heeresleitung, die  sich das militärische Schauspiel des Einzuges der siegreichen Truppen nicht  nehmen lassen wollte, hat sich im Schloss festgesetzt und den größten Teil der  Truppen ostwärts weiter marschieren lassen. Der französische Poilu aber hat in  der Linie Straußberg—Fürstenwalde erkennen müssen, dass die Zeit der kampflosen  Siege vorbei ist. Nur drei französische Divisionen sind in Berlin einquartiert.  Im übrigen hoffen die Franzosen, dass sie sich auf die weißen deutschen  Bundesgenossen verlassen können. Lassen wir ihnen diesen Glauben!
  Der deutsche Arbeiter weiß, was er zu tun hat!!
  Warschau/Berlin - Vorwärts - 24. Dez. 1918
Generalstreik überall!
  Parole:
  Im alten Jahr kein Hammerschlag, Kämpft für den roten Neujahrstag!
In der ganzen westlichen Welt ruht die Arbeit. Die Räder stehen still. Die Essen  verlöschen. Hochöfen werden ausgeblasen. Die Gruben sind verlassen. Kein  Handschlag mehr soll für den Kapitalismus geleistet werden, die Arbeit wird  erst wieder aufgenommen, wenn das Proletariat wieder im Besitz der Macht ist.
  Die Revolution schreitet überall siegreich vorwärts: Ganz Katalonien ist in der  Hand der Aufständischen, die Verbindung mit Südfrankreich ist hergestellt. In  Madrid behaupten sich noch die Kapitalisten. Ein Arbeiteraufstand in Bordeaux  wurde von amerikanischen Truppen niedergeschlagen. In Paris sind die Kämpfe  noch unentschieden. Dagegen ist ganz Irland in den Händen der Aufständischen.  In Liverpool, Manchester, Sheffield, Hull, Birmingham und Cardiff ist die  Räterepublik ausgerufen worden. Die meisten südenglischen Häfen sind in der  Gewalt der Aufständischen. London, dessen Arbeiterschaft sich bisher auf  schärfste Durchführung des Generalstreiks beschränkt hat, ist überall von  Revolutionsherden umgeben. Unterdessen setzen die kapitalistischen Heere in  Mitteleuropa ihren Todeskampf fort. Hunderttausende von englischen,  französischen und italienischen Kameraden sind bereits zu uns herübergekommen  und kämpfen zum größten Teil auf unserer Seite. Millionen aber kämpfen noch in  den kapitalistischen Armeen. Dennoch kann es keinen Zweifel mehr geben, dass  dieser Kampf bald, sehr bald mit dem Siege der Revolution enden wird. Unsere  Westfront wird von Tag zu Tag stärker, die der Gegner bröckelt immer mehr ab.  In großen Teilen Deutschlands und Frankreichs fängt die Revolte damit an, dass  die Eisenbahnschienen aufgerissen werden. Die rückwärtigen Verbindungen der  Ententetruppen sind dadurch an vielen Stellen unterbrochen. Im Ruhrgebiet, in  Mitteldeutschland und in Sachsen ist der rote Aufstand fast überall geglückt.  Die Besatzungstruppen sind entweder überwältigt worden oder haben sich den  Aufständischen angeschlossen. Die Rheinübergänge bei Köln, Mülheim, Mainz und  Mannheim—Ludwigshafen sind fest in der Hand der aufständischen Deutschen und  Franzosen. Auch das Gebiet um Frankfurt am Main ist fest in unserer Hand. Am  besten steht es in und um Wien, am allerschlechtesten in Berlin. Nachdem eine  französische Division meuterte, haben die Franzosen fast alle ihre Truppen aus  Berlin herausgezogen und die Stadt der Blutherrschaft der weißen deutschen Banden  überlassen. Es rächt sich jetzt, dass wir die besten und aktivsten Abteilungen  der roten Arbeiterwehr aus Berlin herausgezogen haben und an der militärischen  Kriegsfront kämpfen lassen, wo sie nicht halb so viel leisten können wie im  Bürgerkrieg. Wie ganz anders sieht es dagegen in Sachsen aus, wo fast alle  roten Abteilungen infolge des schnellen Vorrückens der Franzosen im Lande  geblieben sind!
  Das Zentrum und der Süden und Westen Berlins sind fest in der Hand der Weißen.  In Neukölln sind alle Versuche zum Bau von Barrikaden durch ein starkes  Aufgebot von Panzerwagen im Keime erstickt worden. Im Osten ist zwar die große  Frankfurter Allee und das Ausfallstor nach dem Osten noch fest in der Hand der  Weißen. In den Nebenstraßen aber wachsen überall ebenso wie im Norden  Barrikaden aus dem Boden.
Die Lage an der militärischen Kriegsfront 
  Alle gegnerischen Angriffe auf die Ostseeinfahrt sind abgeschlagen worden. Drei  Schlachtschiffe, ein Panzerkreuzer und zwei kleine Kreuzer neben vielen  Hilfsschiffen, Torpedo- und Unterseebooten sind zu uns übergegangen. Die  englisch-französische Flotte hat jetzt keine Erfolgsaussichten mehr. Wenn nicht  die Amerikaner in letzter Minute dem dringenden Ersuchen der Engländer  nachgeben und ihre Flotte rücksichtslos einsetzen, ist das Schicksal der weißen  Flotten in den allernächsten Tagen entschieden. Die Amerikaner liegen nach wie  vor untätig im Skagerrak und im Kattegatt und beschränken sich auf den Schutz  ihrer Landarmeen. In einem Funkspruch an die rote Flottenleitung drohen sie  allerdings, ihre Flotte einzusetzen, falls wir Jütland angreifen sollten. Wir  haben geantwortet, dass wir uns mit der Säuberung Fünens von englischen Truppen  begnügen, wenn die amerikanischen Landtruppen vom Angriff auf Kiel  zurückgezogen werden. Eine Antwort ist bisher nicht eingetroffen. Es ist aber  im Hinblick auf die Lage anzunehmen, dass die Amerikaner dies inoffizielle  Waffenstillstandsangebot annehmen. Durch die Landung starker russischer  Truppenmassen in der Hohwachter und Lübecker Bucht und vor allem durch den  erfolgreichen Arbeiteraufstand im Hamburger Gebiet ist eine völlig veränderte  Lage entstanden. Wir gehen von beiden Seiten zum Angriff über. An der  Oderlinie, nördlich Fürstenberg, sind alle gegnerischen Vorstöße abgewiesen  worden. Die Zeit der Defensive ist vorbei. Wir nehmen den Entscheidungskampf  auf. Unsere Generaloffensive hat auf breiter Front begonnen. Die Gegner, die in  der Oberlausitz überraschend durchbrechen konnten, stießen in der Niederlausitz  auf starken Widerstand. Starke deutsche und russische Truppenabteilungen aus  den Lagern Jüterbog, Kottbus und Neuhammer haben den Kampf aufgenommen und sind  zur Offensive übergegangen. Bei Krossen, Neusalz und Glogau gehen ständig  starke Abteilungen der russischen roten Armee über die Oder und marschieren in  Eilmärschen west- und südwärts. Im Norden ist die Spree erreicht, bei Kottbus  und Spremberg wurde sie überschritten. Der gegnerische Widerstand ist sehr  schwach. Artilleriekämpfe finden fast überhaupt nicht statt. Die Kavallerie ist  wieder eine Hauptwaffe geworden. Sie unterstützt den Angriff der Auto- und  Tankkolonnen. Unsere Beute an Tanks und Panzerautomobilen ist groß.
  Der Vormarsch nach Süden ist aus der Linie Weißwasser —Weißkeisel—Sorau—Sagan  angetreten. Weiter südlich ist es den Franzosen gelungen, unsere schwache  Stellung bei Maltsch zu durchbrechen und über Neumarkt bis kurz vor  Deutsch-Lissa vorzustoßen. Dort brach der Angriff im Feuer der Breslauer  Außenforts zusammen. Der Eckpfeiler unserer Stellung im Isergebirge behauptet sich  gegen alle Angriffe. Im Riesengebirge haben wir Spindelmühl aufgegeben und den  gegnerischen Vormarsch vor St. Peter und im Elbtale vor der Weißwassermündung  aufgehalten. Bei Liebau—Friedland tobt ein heftiger Kampf um die Passstraße.  Unsere Front wird ständig durch neue Abteilungen der roten Arbeiterwehr aus dem  Waldenburger Bergland und durch rote Truppen vom Truppenübungsplatz Lambsdorf  verstärkt.
  Eine starke russisch-polnisch-deutsche Armee hat von der Weistritzlinie aus den  Nordvormarsch angetreten. Im Adlergebirge wurden alle Angriffe abgeschlagen.  Der rechte Flügel der französischen Armee versuchte bei Kudowa vergeblich, in  den Glatzer Kessel einzudringen. Die italienische Front zwischen Glatz und  Pressburg ist vollkommen in Auflösung begriffen. Brünn ist von roten Truppen  besetzt worden. In ganz Mähren rücken die roten Armeen in Eilmärschen nord- und  westwärts vor. Große Teile der italienischen Truppen haben sich uns  angeschlossen und nehmen am Vormarsch teil.
Die Ereignisse in Wien
  Schon vor der Erhebung der Wiener Arbeiter sind Tausende von italienischen  Soldaten desertiert und haben sich von den Wiener Arbeitern Zivilkleidung geben  lassen. Dann kam die Nachricht von den verlustreichen Kämpfen nördlich  Pressburg. Ganze Truppenteile meuterten und kämpften Seite an Seite mit den  aufständischen Wiener Arbeitern. Innerhalb von 24 Stunden war ganz Wien in  unserer Hand. Anschließend begann unser Vormarsch nach Osten, der mit der  Gefangennahme der letzten italienischen Norddonautruppen endete. Die Eisenbahn  fährt wieder. In Linz ist die Macht vom Arbeiterrat ohne Kampf wieder  übernommen worden. Von Passau aus fahren rote Eisenbahner mit Panzerzügen  donauaufwärts. Von Salzburg aus gehen rote Truppenzüge nach Rosenheim ab. Sie  sollen den Münchener Arbeitern zu Hilfe eilen.
  Die Donau ist bis zur Draumündung überall westwärts überschritten worden.  Nördlich und südlich des Neusiedlersees kam es zum Kampf mit zurückflutenden  italienischen Truppen, die sich aber bald ergaben. Das Gros der roten  Balkanarmee hat überall die Saulinie hinter sich gelassen. Rote Kavallerie hat  die Drau an mehreren Stellen nordwärts überschritten. Das nördliche und  südliche Drittel der Eisenbahnlinie Agram—Budapest ist in unserer Hand. Fast  alle italienischen Truppenabteilungen in Kroatien und Slavonien sind gefangen  genommen worden oder kämpfen unter der roten Fahne.
  Auf dem Peloponnes wird der Vormarsch in südlicher Richtung fortgesetzt.
  Cypern ist von roten Landungstruppen besetzt. Die Seeschlacht vor Port Said hat  mit einem vollen Siege der vereinigten roten Mittelmeerflotten geendet. Wieder  haben sich mehrere Schiffe der englisch-französischen Flotte uns angeschlossen.  Der Rest hat sich in den Suezkanal zurückgezogen. Auch auf den Schiffen im  Suezkanal sind Matrosenräte gebildet worden, ohne deren Genehmigung die  Schiffsleitung nichts unternehmen darf. Die Flottenleitung fürchtete sich,  gegen die Matrosenräte einzuschreiten, da die Mannschaft mit den Roten  sympathisiert. Unser Vormarsch auf den Suezkanal ist vorläufig eingestellt worden.  Die roten Truppen sind durch den übereilten Vormarsch erschöpft, auch ist ihre  Ausrüstung für den Wüstenkampf ungeeignet.
  Die Nordstrecke der Küstenbahn ist jetzt notdürftig wiederhergestellt. Durch  Palästina rollen ständig neue deutsch-türkisch-russische Verstärkungen heran.  Der nördliche Teil der Transjordanbahn ist in unserer Hand. Ein kleiner Teil  der arabischen Stämme hat sich bereits am Kampf gegen die Engländer beteiligt.  Ibn Saud verhält sich vorläufig neutral. Er will sich am Kampf gegen England  beteiligen, wenn die völlige Unabhängigkeit Palästinas und Arabiens in einem  einheitlichen Staat garantiert wird und Palästina sofort von arabischen Kräften  besetzt werden kann. Die Verhandlungen schweben noch. Östlich Port Said,  westlich Alexandria und im Nildelta sind rote Truppen gelandet worden. Die  Aufstandsbewegung in Ägypten und im Sudan breitet sich schnell aus.
  Wichtige Teile Nordafrikas sind in der Gewalt der Aufständischen. Die  italienischen Truppen und die Soldaten der französischen und spanischen  Fremdenlegion haben es in vielen Fällen gar nicht erst zum Kampf kommen lassen,  sondern sich mit den Aufständischen verbrüdert. Im Flussgebiet des Indus ist  die revolutionäre Bewegung stärker geworden. Ein Angriff auf Peschawar  misslang. Ein neuer Angriff ist eingeleitet. In Bombay hat sich ein Arbeiter-  und Soldatenrat gebildet und die Macht übernommen. Der Aufstand in Kalkutta  wurde niedergeschlagen. Die aufständische Bewegung breitet sich aber im ganzen  Gangestal und im mittleren Hindostan weiter aus. Auf Ceylon sind Unruhen  ausgebrochen.
  Die Aufstandsbewegung in Indonesien macht weitere Fortschritte.
  Peking und die meisten europäischen Settlements sind in der Hand der  Aufständischen. Um Hongkong wird gekämpft.
  In Japan und Korea sind Unruhen ausgebrochen. Der Aufstand auf den Philippinen  macht Fortschritte. In Buenos Aires ist ein Arbeiteraufstand niedergeschlagen  worden.
Blutige Weihnachten
  Weihnachten, das christliche Fest der Liebe und des Friedens, ist für den  Proletarier noch nie ein Fest der Freude gewesen. Aber niemals, auch nicht im  imperialistischen Kriege, waren diese Tage so waffenklirrend und  schicksalsschwer, niemals aber auch waren sie so verheißungsvoll wie in diesem  Jahre. Diese Tage wären friedlicher, wenn wir vor dem Kapitalismus bedingungslos  kapituliert und uns zu dauernden Tributzahlungen an die inländischen und  ausländischen Kapitalisten bereit erklärt hätten, wenn wir den Befehl der  kapitalistischen Weststaaten befolgt und die Rolle der Henkersknechte an der  östlichen Revolution übernommen hätten. Aber dafür müssten wir den Kapitalismus  im eigenen Lande wieder aufbauen und müssten weiter für unsere Ausbeuter  schuften. Und alle Jahre zu Weihnachten würden von den Kanzeln süße Töne der  Liebe und des Friedens erklingen, während man immer neue und immer  schrecklichere Vernichtungsmittel fabriziert, um im nächsten Kriege die  Proletarier wieder abschlachten zu können. Wir sind froh, dass es anders  gekommen ist, dass wir nach den Schrecken des imperialistischen Krieges noch  den Mut aufgebracht haben, den Kampf für den Sozialismus aufzunehmen. Wir haben  schwere Opfer gebracht, und wir werden sie weiter bringen. Aber diese Opfer  werden für den Sozialismus, für die Freiheit aller Menschen und aller Völker  gebracht und nicht mehr für ein kleines kapitalistisches Vaterland, das dem  Proletarier niemals ein Vaterland war. Wir haben große Erfolge errungen und  sehen dem Endsieg entgegen.
  Die Weihnachtstage werden die Entscheidung bringen. Heute morgen ist vom  Interalliierten Hauptquartier funkentelegraphisch ein Waffenstillstandsangebot  eingegangen. Die Entente bietet den Frieden an. Aber sie verkleidet dieses  Angebot mit heuchlerischen Phrasen und unverschämten Forderungen. Sie weist  stolz auf angebliche Erfolge der Regierungstruppen gegen die Revolutionäre in  England, Frankreich und Nordamerika hin. Sie fordert sofortige Einstellung  aller Kampfhandlungen, Auslieferung aller englischen und französischen Schiffe,  die sich der roten Flotte angeschlossen haben, Auslieferung aller  Kriegsgefangenen und der englischen und französischen Genossen, die in unseren  Reihen kämpfen, vorläufige Anerkennung der weißen deutschen Regierung.  Pressefreiheit, „demokratische" Wahl einer Nationalversammlung in allen  Donau-, Balkan- und Oststaaten. Es ist natürlich nicht daran zu denken, dass  wir auf solche Forderungen eingehen. Wir sollen dem Kapital die Möglichkeit  geben, die Schmutz- und Lügenkloaken der bürgerlichen Presse zu öffnen, das  Volk mit demokratischen und sozialen Phrasen zu umnebeln-, damit Mitteleuropa  wieder in eine Reihe von kleinen Staaten zerfällt, in denen zuerst einmal  „demokratische" Regierungen entstehen, die der kapitalistischen Diktatur  den Weg ebnen. Niemals!
  Der Zentralexekutivrat des B. d. S. R. S. hat als Antwort sofort folgendes  Funktelegramm aufgegeben: „Zu spät! Wir erkennen die kapitalistischen  Regierungen nicht mehr an und verhandeln nur noch mit den Vertretern der  englischen, französischen und italienischen Arbeiter. Übergebt sofort die Macht  an die Arbeiter- und Soldatenräte! Erst dann werden wir den Kampf einstellen.  Der größte Teil der alliierten Flottenbesatzungen, die Mehrheit der  italienischen Truppen und Hunderttausende von englischen und französischen  Kameraden kämpfen bereits in unseren Reihen für ihr zukünftiges sozialistisches  Vaterland. Wir fordern alle Kameraden in den kapitalistischen Armeen der  Entente auf, dies Beispiel nachzuahmen und sich mit uns zu verbrüdern!"  Gleichzeitig ist im Namen und im Auftrage der sozialistischen Parteien  Englands, Frankreichs, Belgiens, Hollands, Dänemarks, Italiens und der Schweiz  folgender Aufruf verbreitet worden:
Auf die Barrikaden!!
  Arbeitende Männer und Frauen in allen Ländern, die noch von Kapitalisten  beherrscht werden! Erhebt euch! Ergreift die Waffen! Zerschmettert eure  Peiniger! Befreit die Welt von der Profitwirtschaft! Millionen mussten  verbluten, eure Söhne und Väter, Brüder und Gatten wurden in den Tod geschickt  und zu gegenseitigem Mord gezwungen, weil die Interessen der Ausbeuter es  verlangten. Und noch immer setzen diese Verbrecher am Menschengeschlecht das  Gemetzel fort, obwohl ihre Sache völlig aussichtslos ist! Macht Schluss! Wer  heute noch — nach soviel Elend und Zerstörung — das Kapital verteidigt,  verdient den Namen Mensch nicht mehr und muss vernichtet werden gleich Ungeziefer!
  Soldaten der kapitalistischen Heere: kämpft mit, statt gegen uns! Kehrt eure  Waffen um! Setzt eure Befehlshaber ab, und wenn sie sich nicht fügen, macht sie  nieder!
  Und ihr im Hinterland, die man vier Jahre lang missbrauchte und zum Schweigen  zwang, folgt dem Gebot der Stunde: kündigt euren Herren und ihrem ganzen Anhang  den Gehorsam! Kein Zaudern und kein Mitleid! Schlagt jeden nieder, der sich  euch entgegenstellt! Und wenn sie sich verstecken, in ihren Ämtern und Villen  verkriechen, lasst euch nicht täuschen! Räuchert sie aus! Zwingt sie, Farbe zu  bekennen! Und schont sie nur, wenn sie sich bedingungslos ergeben! Jede  unangebrachte Milde wäre ein Verbrechen an der Menschheit. Denkt daran: die  weißen deutschen Regierungen in Berlin und München haben in den wenigen Tagen  ihrer Herrschaft Zehntausende von Freiheitskämpfern hingemordet. Dasselbe droht  den Besten unter euch, wenn ihr jetzt versagt!
  Nicht sollt ihr Gleiches mit Gleichem vergelten, lasst euch von der Empörung  eurer Gegner nicht zu Grausamkeiten hinreißen! Das hieße nur, unsre gute Sache  beschmutzen. Unterlasst auch sinnlose Zerstörungen! Denn was heute Wenigen  gehört, wird morgen das Eigentum aller sein. Aber seid unerbittlich. Tut eure  Pflicht, auch wenn es eine blutige Pflicht ist. Es geht um das Schicksal der  Menschheit.
  Auf zum Kampf!
  Auf die Barrikaden! Zu den Waffen!
  Es lebe der Sozialismus!
  Es lebe die Revolution!
  Berlin - Vorwärts - 29. Dez. 1918
Berlin befreit!
  Sieg auf der ganzen Linie
Die italienische Regierung hat die Macht den Arbeiter- und Soldatenräten übergeben. Die Regierungen Englands und Frankreichs haben bis heute nacht vergeblich versucht, sich zu halten. Die französische Regierung flüchtete heute morgen nach Bordeaux in den Machtbereich der amerikanischen Armeen. Die englische Regierung befindet sich in Dover an Bord eines amerikanischen Kriegsschiffes. Die Amerikaner haben bereits am 25. ihre Truppen aus der Kampffront in Schleswig-Holstein zurückgezogen und sich für neutral erklärt.
Die letzten Kämpfe
  Während in ganz Westeuropa die aufständischen Arbeiter und Soldaten mit dem  Kapitalismus aufräumten, holten wir an den militärischen Fronten überall zum  entscheidenden Schlage aus.
  Am heftigsten tobte der Kampf am Nordflügel der Oderfront. Das zweitägige  schwere Ringen wurde schließlich durch einen groß angelegten Flankenstoß  entschieden, der von einer roten Flottenabteilung gedeckt und durch  Truppenlandungen verstärkt wurde.
  Es gelang dem Gegner nicht, rechtzeitig Verstärkungen heranzuführen, da alle  rückwärtigen Verbindungen unterbrochen waren. Der linke Flügel der  kapitalistischen Ostfront befindet sich in vollkommener Auflösung. Die meisten  Mannschaften sind zu uns übergegangen. Nur in Mecklenburg irren noch einzelne  versprengte weiße Truppenteile umher, die letzten Reste der stolzen  kapitalistischen Armeen. Der Widerstand östlich von Berlin war geringer als wir  vermutet hatten. Die in diesem Abschnitt besonders gute Zersetzungsarbeit wurde  durch die demoralisierende Wirkung der Niederlagen vor Küstrin unterstützt.  (Einen genauen Bericht über die Kämpfe in und um Berlin bringen wir morgen.)
  Noch stärker war die Demoralisation der Ententetruppen im Kampfabschnitt  südlich Berlins, wo ganze Formationen meuterten und in geschlossenen Verbänden  zu uns übertraten.
  An der Elster, zwischen Torgau und Finsterwalde, wurden die letzten kämpfenden  Abteilungen eingekreist. Von Osten her kam die rote russisch-deutsche Armee,  von Westen her sächsische Arbeiterwehr. In Niederschlesien war der Gegner  zwischen drei rote Fronten eingekeilt. Die Hauptkräfte wurden durch die von  Osten heranrückende rote Armee gefesselt. Die rote Südarmee konnte am 24.  Dezember über die Linie Bunzlau— Haynau nordwärts vordrängen. Vom Westen her  überschritten rote Abteilungen aus Sachsen die Queis-Linie. In der nächsten  Nacht vereinigte sich die sächsische Vorhut bei Löwenberg am Schützenhaus mit  den roten Südtruppen. In Löwenberg lag eine ganze französische Division. Die  Höhen rings um die Stadt waren von roten Truppen besetzt. In den Morgenstunden  ergab sich die gesamte französische Besatzung. Weitere 200000 Franzosen waren  in dem Raum zwischen dem Bober und dem kleinen Bober von unsern Truppen  eingekeilt. Zwischen Jauer und Hertwigswaldau war eine zweite französische  Armee von etwa 100000 Mann von schwächeren deutschen Truppen eingeschlossen.  Auch an der oberen Neiße standen noch einige französische Divisionen. Alle  diese Truppen standen untereinander durch Flieger und Funkspruch in Verbindung.  Das weiße Kommando hatte beschlossen, in der Nacht vom 26. zum 27. XII.
  einen Durchbruch mit dem gemeinsamen Ziel Goldberg zu versuchen. Diese  Vereinigung hätte gelingen und uns eine Zeitlang Schwierigkeiten verursachen  können. Wir klärten aber die französischen Kameraden durch Funksprüche und von  Fliegern herabgeworfene Flugblätter darüber auf, dass ihre Lage, auch nach  gelungenem Durchbruch, hoffnungslos, dass also jeder weitere Kampf auch für  diejenigen, die noch für den Kapitalismus kämpfen wollten, zwecklos sei. Am  Nachmittag erhielten wir die Nachricht, dass rote Soldatenräte gebildet und die  Offiziere abgesetzt worden seien. Die Kämpfe im Riesengebirge wurden  eingestellt, nachdem die Franzosen vergeblich versucht hatten, die steilen  Höhen am Elbfall, im Weißbachtal, am Roseggerweg bei St. Peter, an der Planura  und bei Schatzlar zu berennen.
  Bei Liebau — Friedland wurde der französische Widerstand von roten  tschechischen Legionären gebrochen, die sich damit das letzte Stück des langen  Weges in die Heimat erkämpften.
  Die Reste der weißen italienischen Truppen in Ungarn sind nördlich und südlich  des Plattensees in hoffnungsloser Lage eingekreist.
  Die Suezkanalflotte ist zu den Roten übergegangen. Der Suezkanal und halb  Nordafrika sind fest in unserer Hand. Malta ist von heimfahrenden Schiffen der  roten italienischen Flotte besetzt worden. Über Gibraltar ist noch nichts  bekannt. In Spanien und Portugal macht die Revolution Fortschritte. Die  einzigen Punkte, die der Gegner noch fest in der Hand hält, sind Bordeaux und  Jütland, wo die amerikanischen Truppen sich rechtzeitig festsetzen konnten.  Waffenstillstandsverhandlungen mit dem amerikanischen Kommando sind im Gange.
Der Abschluss des Seekrieges
  Durch Überläufer wurde uns bekannt, dass die englische Flotte noch einmal zum  konzentrischen Angriff eingesetzt werden sollte. Wir beschlossen, dem Gegner  zuvorzukommen und setzten in den Morgenstunden die rote Flotte zum Angriff ein.
Bericht eines roten Matrosen
  Im Schutze der Nacht rückten die roten Flotten heran zur letzten Schlacht. Aber  es kam nicht mehr dazu. Englische Torpedoboote kamen uns entgegen und meldeten  der roten Flottenleitung, dass auf den Ententeflotten Unruhen ausgebrochen  seien. Mehr als die Hälfte aller Schiffe habe sich für die Revolution erklärt.  Wir näherten uns langsam und wurden mit Sirenengeheul, Raketen- und Salutschüssen  empfangen. Ein Meer von roten Fahnen begrüßte uns. Es entwickelte sich ein  reger Verkehr von Schiff zu Schiff. Bald war kein Matrose mehr auf dem Schiff,  auf das er gehörte. Überall wurden Verbrüderungsfeiern, Meetings und  Deckversammlungen abgehalten. Ein internationales baltisches Flottenkomitee  wurde gebildet. Inzwischen war die Nachricht aus Kiel eingetroffen, dass die  Fahrtrinne durch Minensucher freigelegt worden sei. Es wurde beschlossen,  gemeinsam nach Kiel zu fahren. Über eine Stunde dauerte es, bis alle Matrosen  wieder auf ihren Schiffen waren. Dann setzte sich die unabsehbar lange Linie in  Bewegung. Deutsche, französische, englische, russische, schwedische,  norwegische und dänische Schiffe. Linienschiffe, Panzerkreuzer, Torpedoboote,  kleine Kreuzer, Unterseeboote, Küstenkanonenboote, Transportdampfer,  Kohlenschiffe, Tankdampfer, Hebeschiffe, Flugzeugmutterschiffe. Alles  durcheinander, in einer kilometerlangen Kiellinie. Darüber kreisten Hunderte  von Flugzeugen mit langen roten Wimpeln. Um drei Uhr nachmittags passierten die  Spitzenschiffe den Leuchtturm von Friedrichsort. Lange nach Dunkelwerden kamen  die letzten.
Das Fest der Weltrevolution
  Der Empfang in Kiel war überwältigend. Schon draußen an der Außenförde waren  beide Ufer schwarz von Menschen. Von Bülck und Schilksee bis Friedrichsort, auf  der anderen Seite vom Schönberger Strand bis nach Laboe ein Meer von Menschen  und roten Fahnen. Als die Spitze den Leuchtturm von Friedrichsort passierte,  begannen alle Sirenen der Kieler Fabriken und Werften zu pfeifen. Die Glocken  läuteten. Hunderte von Pinassen, Barkassen, Hafendampfern, Küstendampfern,  unzählige Segel-, Motor- und Ruderboote umschwärmten die einfahrende Flotte.  Überall rote Fahnen. Es war ein Triumphzug in das Herz der Revolution, in das  rote Kiel, wo zuerst die Flamme des Aufruhrs in Mitteleuropa emporgelodert war.  Hier, am Ursprungsort der deutschen Revolution, wurde der Sieg der  Weltrevolution gefeiert. Von der Strandpromenade her dröhnte der Jubel von  Zehntausenden. Die Kriegsschiffe aller Nationen antworteten mit Sirenengeheul  und Hunderten von Salutschüssen. Von der Marineakademie und von der feudalen  Seebadeanstalt her grüßten rote Fahnen. Dort hat früher die Internationale der  Ausbeuter, der Rüstungsfabrikanten und der adligen Militärs ihre Feste  gefeiert.
  Das Gewimmel im Hafen wurde beängstigend. Den einfahrenden Schiffen fiel es  immer schwerer, die notwendigen Manöver auszuführen und Platz zu finden. Als  aber dann die Anker gefallen waren, setzte eine wahrhaft internationale  Invasion ein. Gemeinsam mit den Arbeitern und Frauen Kiels kamen englische,  französische und amerikanische, russische und belgische Soldaten an Bord, die  von den Wellen der Revolution hierher verschlagen worden waren. Das  interbaltische Komitee delegierte von jedem Schiff eine kleine Abteilung zur  Begrüßung der roten Landtruppen, die in den nächsten Stunden in Kiel einrücken  sollten. In den Straßen Kiels herrschte ein lebensgefährliches Gedränge. Mehr  als dreihunderttausend Menschen, weit mehr, als Kiel Einwohner hat, waren  bereits in Kiel zusammengeströmt, und weitere Massen wurden noch erwartet. Alle  Schulen, Säle, öffentlichen Gebäude, Kasernen und Schiffe waren mit roten  Truppen voll gestopft. Jede Arbeiterfamilie hatte rote Einquartierung. Die  Villen in Düsternbrook wurden beschlagnahmt und mit roten Soldaten und Matrosen  belegt. Immer neue Massen strömten heran, um das Fest der internationalen  Verbrüderung mitzumachen. Das freudigste Fest, das es je gegeben hat und  zugleich das dürftigste, wenn man das Festessen als wesentlichsten Bestandteil  eines Festes ansehen will. Es reichte nicht einmal für den Hunger. Und doch  überall freudige und strahlende Gesichter. Die roten Soldaten und Matrosen  teilten brüderlich ihre Ration mit ihren Quartiergebern. Die Arbeiter des  Schlachthofes hatten eine Nachtschicht eingelegt, um dem dringendsten Mangel  wenigstens in diesen Tagen abzuhelfen. In der ganzen Umgebung wurde alles  erfassbare Vieh aufgekauft und teilweise requiriert. Jeder wusste, dass uns  weitere Hungermonate, ja vielleicht sogar Hungerjahre bevorstehen; aber einmal,  am Tage der Weltrevolution, sollten sich doch die roten Arbeiter und Soldaten  satt essen. Kiel war überfüllt. Nicht nur die Häuser und Schiffe, auch die  Dächer, die Straßen und der Hafen. Und noch immer strömten neue Massen in die  Stadt. Die Menschen standen fast übereinander, klebten auf Laternen und  Häuserfronten, die jetzt zum ersten Mal seit langer, langer Zeit wieder hell  erleuchtet waren. Immer wieder ertönten die Klänge der Internationale. Tausende  sangen sie mit, in allen Sprachen. International waren die Hunderttausende von  spalierbildenden Menschen. International die Kapelle und international die  roten Truppen, die jetzt unter den Klängen roter Märsche herankamen. Russische  Soldaten marschierten neben Kieler Werftarbeitern, die noch die Arbeitskleidung  trugen, in der sie zur Verteidigung der roten Festung geeilt waren. Englische  und französische Matrosen in Reih und Glied mit deutschen feldgrauen  Infanteristen. Rote Kosaken neben deutschen Ulanen. Ratzeburger Jäger, 76 er  und 85 er Infanteristen neben den Textilarbeitern von Neumünster und den  Schuhmachern und Schlächtergesellen aus Preetz. Dahinter einige Gruppen  amerikanischer Soldaten. Und wieder Engländer, Russen, Franzosen und Deutsche,  nebeneinander, hintereinander. Das sind die roten Verteidiger der Südfront, die  der letzte Vorstoß der kapitalistischen Truppen bis hinter Bordesholm  zurückgeworfen hatte. Jetzt kommen die ersten geschlossenen englischen  Formationen, sie rebellierten bei Voorde und überschritten die Eiderlinie nicht  mehr als Feinde, sondern als Freunde unter wehenden roten Fahnen.
  Und zum Schluss, lange nach Mitternacht, marschieren die Abteilungen der  Hamburger Arbeiterwehr heran. Sie haben Neumünster von Süden her wieder  eingenommen und sind auf der Eisenbahn weiter vorgerückt, um die letzten  englischen Truppen gefangen zu nehmen. Trotz aller Eile kamen sie zu spät  Überall stießen sie auf rote Fahnen und auf rote Armbinden. Hundemüde sind die  Hamburger Genossen. Seit Beginn des Aufstandes in Hamburg haben sie kaum einmal  eine volle Stunde richtig schlafen können. Aber sie marschieren weiter unter  den Klängen unserer Kampflieder. Sie haben es sich verdient. Sie müssen dabei  sein beim Fest der Weltrevolution.
  Extrablätter werden verteilt:
  Die „Aurora" liegt draußen auf der Reede und verlangt einen Lotsen. Die  „Aurora", das erste rote Schiff, das 1917 den Kampf für die Revolution  aufgenommen und den Sieg der Revolution in Petrograd eingeleitet hatte. Die  „Aurora" durfte beim Siegesfest der Weltrevolution nicht fehlen. Weshalb  kommt sie erst jetzt? Sie hat am Sund Wacht gehalten und dann in Trelleborg die  Mannschaft des havarierten deutschen Kreuzers „Augsburg" aufgenommen.  Recht so, „Aurora" und „Augsburg", die Helden von Petrograd und  Hamburg, gehören zusammen. Auch Mitglieder der schwedischen Räteregierung sind  an Bord.
  Drei Uhr nachts. Immer noch ballen sich in den engen Straßen der Altstadt  dichte Menschenmassen. Dicht gedrängt stehen Zehntausende von Menschen, die  zusehen wollen, wie die ersten Helden der deutschen, russischen, dänischen und  schwedischen Revolution ihren Einzug in den roten Kieler Hafen halten.
  Alle Schiffe im Hafen sind hell erleuchtet Drüben auf den Höben von Möltenort,  Kitzeberg, Heikendorf und Ellerbek brennen Freudenfeuer. Manchmal werden in  ihrem flackernden Schein die Silhouetten von Menschenmassen und Fahnen  sichtbar. Stadt und Hafen wurden, soweit es in der Eile möglich war,  illuminiert. Jetzt flammen die Scheinwerfer bei Friedrichsort auf. Das Scheiriwerferspiel  beginnt im ganzen Hafen. Im grellen Lichte vieler hundert Scheinwerfer, unter  dem Aufblitzen der Salutschüsse und dem Aufleuchten unzähliger Leuchtraketen  ziehen die rotgeschmückten Truppen der Revolution langsam herein. An der  Reeling und in den Masten: Kopf an Kopf rote Matrosen. Ein Feuersignal flammt  auf, und jetzt setzen auf einen Schlag alle Schiffskapellen ein und spielen die  Internationale. Feierlich dringen die Klänge über das Wasser. Hunderttausende  fallen ein. Vielleicht sind es jetzt schon mehr als eine halbe Million  Menschen, die diese Triumphstunden der Revolution miterleben. Musik und Gesang  von allen Ufern und allen Schiffen durchdringen sich und verschmelzen zu einem  einzigen feierlichen Massenbekenntnis zur Menschheit von morgen, zum Gedanken  der Vereinigung aller Werktätigen in der ganzen Welt, zum internationalen  Sozialismus. Im Osten hellte sich schon der Horizont auf, als die letzten  Akkorde machtvoll verhallten. Ein neuer Tag bricht an, der Menschheitsmorgen  dämmert. Die Strahlen der Wintersonne kämpfen sich durch den Nebel. Sie können  noch nicht wärmen. Aber verheißungsvoll sagen sie uns, dass die  Wintersonnenwende vorbei ist, dass bald der Frühling uns erstehen, dass bald  die Sonne für alle scheinen wird, dass wir uns nicht fürchten sollen vor den  kalten und trüben Monaten, die wir bestehen und bezwingen müssen, wenn wir den  Menschheitsfrühling erleben wollen. Noch ruht die Macht der Vergangenheit  schwer auf uns. Viel Schutt und Asche muss weggeräumt, viel Arbeit muss noch  geleistet werden. Aber unter Asche, Schutt und Trümmern, unter Eis und Schnee  sprießt doch das Neue, das Zukunftsträchtige. Mächtig und hoffnungsfreudig  drängt es bereits zum Licht!
Vorwärts - 2. Januar 1919
Produzieren!
  Die Arbeit für den Sozialismus beginnt
Der Sozialismus tritt seine Herrschaft an. Er wird die Menschheit aus dem  Elend herausführen. Aber er übernimmt eine böse Erbschaft: Große Gebiete  Europas sind zerstört, es fehlt an Lebensmitteln und Rohstoffen, alle  Industrien sind auf Kriegsbedarf eingestellt. Wir müssen unverzüglich mit der  Arbeit am friedlichen Aufbau beginnen. Wir müssen produzieren, produzieren und  nochmals produzieren. Wir müssen produzieren, auch wenn wir hungern. Es darf  nicht gewartet werden, bis genügend Lebensmittel herankommen. Jeder muss ab  heute seine Pflicht an dem Platz tun, auf den er gestellt wird. Es muss sofort  mit der Arbeit angefangen werden, auch wenn der Magen knurrt. Wenn jeder seine  Pflicht tut, an der Drehbank, am Hochofen, in der Grube, in der  Eisenbahnwerkstatt, hinter dem Pflug, beim Landstraßenball, beim Waggonbau, in  der Schiffswerft, am Schreibtisch und an der Nähmaschine, dann, aber nur dann,  werden wir bald wieder alle satt zu essen haben.
  Jede produktive Arbeit ist gleich wichtig. Alle unproduktiven Arbeiten müssen  wir ausschalten. Millionen von Menschen waren im Kapitalismus mit Arbeiten  beschäftigt, die gesellschaftlich nicht notwendig waren. Alle diese Arbeiten  müssen eingestellt werden. Alle Menschen müssen einer produktiven Beschäftigung  zugeführt werden. Wir müssen rücksichtslos rationalisieren, müssen den  schärfsten Kampf gegen den Bürokratismus sofort und auf der ganzen Linie  aufnehmen.
  Jeder, der eine Arbeit verrichtet, die durch Umstellung oder Rationalisierung  überflüssig gemacht werden kann, und der nicht selbst dafür sorgt, dass dies  geschieht, ist ein Feind der werktätigen Klasse und muss als solcher behandelt  werden, genau so wie der frühere Kapitalist oder der Akademiker, der nicht  seine ganze Kraft für den sozialistischen Aufbau einsetzt.
  Wer Sabotage übt oder sich am Eigentum des Volkes vergreift, wird erschossen.  Wir machen keinen Unterschied mehr zwischen dem Verbrecher, der sich mit  Stemmeisen und Schweißapparat die Mittel zu einem arbeitslosen Leben besorgt,  und dem Verbrecher, der dasselbe mit der Kuponschere tun will und sich weigert,  produktive Arbeit zu verrichten.
  Wir brauchen alle Kopfarbeiter, brauchen sie dringend. Wir müssen nicht nur  Europas Wirtschaft auf ganz neuer Basis wieder aufbauen, wir müssen auch  Sibirien, den Balkan, China, Indien, Mesopotamien und Afrika erschließen.  Millionen russischer Bauern kennen noch keinen Pflug, keine Egge. Wir werden  sie mit den modernsten landwirtschaftlichen Maschinen ausrüsten, dem persischen  Weber, dem indischen Bauer, dem chinesischen Kuli und Handwerker die besten,  modernsten Maschinen liefern. Wir sind aufs stärkste daran interessiert, dass  die Arbeitsproduktivität überall auf ein Höchstmaß gehoben wird. Die  Lebenshaltung der ganzen Bevölkerung des B.d.S.R.S. wird herabgedrückt, wenn  irgendwo ein Bauer mit unvollkommenen Mitteln arbeitet, wenn irgendwo drei  Arbeiter eine Arbeit verrichten, die auch von zwei Arbeitern geleistet werden  könnte, wenn irgendwo ein Waggon mit Waren rollt, deren Transport bei besserer  Organisation nicht notwendig gewesen wäre, wenn irgendwo ein Mensch Formulare  ausfüllt, die abgeschafft werden können, wenn irgendwo eine Fabrik errichtet  wird, während Fabriken der gleichen Art nur in ein oder zwei Schichten  ausgenützt werden. Wir haben die politische Macht erobert und beginnen jetzt  mit der wirtschaftlichen Revolution. Wir werden einen Faulenzer  „Faulenzer" nennen, auch wenn er sich bisher Regierungsrat nannte, und  einen Dummkopf „Dummkopf", auch wenn er Justizrat war. Einen Menschen, der  von der Arbeit anderer Menschen lebt, nennen wir einen Verbrecher, auch wenn er  sich Kaufmann nennt. Wir müssen versuchen, die asozialen Elemente zu nützlichen  Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zu erziehen. Auch in unseren Kreisen  gibt es Elemente, die bekämpft werden müssen. Im Kapitalismus konnte man es  keinem Arbeiter übel nehmen, wenn er sich so gut wie möglich vor der Arbeit  drückte und sich gegen jede Mehrbelastung wehrte. Er traf damit ja nur die  Profitrate des jeweiligen Unternehmers, der ein Heer von Aufpassern und  Antreibern unterhielt, um aus jedem Arbeiter das herauszuholen, was nur irgend  möglich war. Jetzt aber ist es anders. Jetzt muss jeder geistige und  körperliche Arbeiter auch ohne Aufsicht alles hergeben, was in seinen Kräften  steht. Nur wenn die Arbeitsproduktivität steigt, sinkt die notwendige  Arbeitszeit, steigen Lohn und Lebenshaltung des einzelnen und der Wohlstand der  Allgemeinheit.
  Wir sind um so reicher, je mehr und je billiger wir produzieren können. Und wir  können viel, viel mehr produzieren als vor dem Kriege. Alle roten  Fabrikleitungen werden aufgefordert, umgehend anzugeben, für welche  Fabrikationszweige sich ihr Werk eignet, wie viel bisher produziert worden ist,  um wie viel Prozent die Vorkriegsproduktion voraussichtlich gesteigert werden  kann, wenn
  a) die Produktion auf wenige Artikel beschränkt wird,
  b) wenn nur solche Artikel hergestellt werden, in welchen das Werk besonders  leistungsfähig ist,
  c) wenn jahraus, jahrein immer dasselbe produziert wird,
  d) wenn der ganze Betrieb gründlich rationalisiert wird,
  e) wenn in zwei Achtstundenschichten oder in drei Achtstundenschichten oder in  vier Sechsstundenschichten gearbeitet wird,
  f) wenn auch Sonntags gearbeitet wird.
  Alle Fabrikleitungen haben ferner anzugeben, wie viel gelernte oder ungelernte  Arbeiter in jedem Falle notwendig sind, und ob der Mehrbedarf im Betriebe  angelernt werden kann.
  Fast das gesamte europäische Eisenbahnennetz ist in den letzten 5o Jahren  entstanden. Ebenso alle modernen Werkseinrichtungen, Riesenstädte und  Riesenflotten, gewaltige Industrie- und Hafenanlagen sind gebaut worden. Und in  derselben Zeit hat der europäische Kapitalismus für weit über hundert  Milliarden Mark Kapital exportiert, für die er im Inlande keine Verwendung mehr  hatte. Wir werden in den nächsten zehn Jahren über einen riesenhaft  gesteigerten Verbrauch hinaus für weit über hundert Milliarden Mark neue Werte  schaffen: Hunderttausende von Kilometern neue Eisenbahnlinien und Straßen  bauen, die Wasserkräfte in der ganzen Welt nutzbar machen und die ganze  sozialistische Welt elektrifizieren und systematisch nach neuen und günstigen  Rohstoffquellen absuchen. Alle unrentablen und rückständigen Betriebe legen wir  still, soweit sie nicht zu verbessern sind. Es ist keine kleine, aber auch  keine unmögliche Aufgabe, die wir uns da stellen. Wenn wir die Arbeit einiger  Millionen aus einer unproduktiven zu einer produktiven machen, so werden  dadurch jährlich Milliarden von neuen Werten erzeugt, mit denen man in den  folgenden Jahren immer neue Milliarden von neuen Werten herstellen kann.  Dasselbe gilt von den Summen, die bisher für Luxusartikel ausgegeben wurden.  Die meisten Fabriken, die Kriegsmaterial herstellten, müssen sofort auf den Bau  von landwirtschaftlichen Maschinen, von Straßenbaumaschinen, von Automobilen  und Traktoren umgestellt werden. Wir müssen in zwei Jahren soweit sein, dass  wir jährlich mindestens eine halbe Million Lastautos und Traktoren bauen  können. Allein in Russland warten auf uns 15o Millionen Bauern, die wir in  unserem eigenen Interesse so bald wie möglich mit den modernsten Maschinen  beliefern müssen. Zunächst einmal ist im ganzen Bereich des B. d. S. R. S.  alles erreichbare Land unter den Pflug zu nehmen, damit der dringendste Bedarf  an Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen in den nächsten Jahren  gedeckt wird. Dann aber wollen wir alle minderwertigen Böden aus der  Bewirtschaftung herausziehen und in Wald oder Wiese verwandeln, soweit nicht  besondere Anbauarten ihr Bearbeitung lohnend machen. In derselben Zeit ist eine  rationelle Saatgutwirtschaft allgemein durchzuführen. Die Produktion von  künstlichen Düngemitteln wird gesteigert. Eine ganz gewaltige Aufgabe ist  ferner der Austausch des Viehbestandes. In Russland geben z. B. die meisten  Kühe kaum ein Drittel soviel Milch wie eine gute deutsche Zuchtkuh. Der  Exekutivrat hat deshalb schon jetzt ein Schlachtverbot für alle hochwertigen  weiblichen Jungtiere und Kälber in Westeuropa erlassen. Der westeuropäische  Fleischbedarf soll, soweit er nicht durch Schlachtung älterer Kühe oder Ochsen  befriedigt wird, aus Russland und vom Balkan gedeckt werden, wo der gesamte  minderwertige Viehbestand in den nächsten Jahren geschlachtet und durch gute  westeuropäische Rassetiere ersetzt werden soll. Aus diesem einen Beispiel  allein ist ersichtlich, weshalb der deutsche Arbeiter in der Waggonfabrik jetzt  sofort und mit aller Intensität an die Arbeit gehen muss; auch wenn er hungert,  schlechtes Brot ohne Butter isst und seine Kinder keine Milch haben. Je eher er  an die Arbeit geht, je mehr er leistet, um so früher wird er genügend billiges  Brot, billige Butter und billige Milch für sich und seine Kinder haben. Das  gilt für alle Arbeiter, besonders aber für die Arbeiter der Gruben und der  Schwerindustrie und für alle, die Rohstoffe fördern oder herstellen. Rohstoffe  und schwerindustrielle Erzeugnisse brauchen wir in unbegrenzten Mengen. Wir  können in den nächsten Jahren nie genug davon produzieren. Deshalb sind alle  diese Werke der Gruppe I zugeteilt. Sie werden mit allen nötigen Waren  bevorzugt beliefert; sie erhalten das notwendige Kapital zur Erneuerung, zum  Ausbau und zur Rationalisierung. Es wird dort sofort die vierfache  Sechsstundenschicht und die ununterbrochene Produktion eingeführt, da von  diesen Betrieben die Versorgung aller weiteren Industrien abhängt.  Hunderttausende von Arbeitern werden umlernen müssen, um in diesen  lebenswichtigsten Teil der Wirtschaft arbeiten zu können. In den nächsten  Jahren ist jedermann verpflichtet, jede Arbeit, die er verrichten kann, anzunehmen.  Ist das nicht eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, die sich mit dem  System des Sozialismus nicht verträgt? Wer so etwas behauptet, der hat keine  Ahnung vom Sozialismus. Sollen wir etwa den arbeitslosen Schuhmacher jahrelang  unbeschäftigt lassen, weil wir noch nicht genug Leder in Deutschland haben? In  derselben Zeit liegt vielleicht das Leder in Sibirien und kann nicht  transportiert werden, weil es an Straßen oder an Automobilen oder an  Eisenbahnen oder an Lokomotiven oder an Eisen oder an Kohlen fehlt.
  Wäre es nicht ein Wahnsinn, wenn wir unseren Genossen Schuhmacher jahrelang  ohne Gegenleistung mit ernährten, anstatt ihn dahin zu schicken, wo die Kohle,  das Eisen, die Straßen, die Lokomobilen und die Traktoren produziert werden und  wo wir durch den Übergang von der Achtstunden- zur Sechsstundenschicht die  Produktion ungeahnt steigern können?
  Und wenn unser Genosse Schuhmacher uns nun entgegnet, dass er lieber bei halbem  Lohn arbeitslos bleiben wolle, als bei ganzem Lohn Straßen bauen, und dass er  nur Interesse für Leder, aber nicht für Straßenbau habe, so werden wir ihm  entgegnen: „Lieber Genosse! dein eigenes kleines persönliches Privatinteresse  ist im Augenblick gar nicht maßgebend. In den nächsten Jahren haben alle  Privatinteressen zu verschwinden und zurückzutreten hinter dem großen  Allgemeininteresse. Denn das liegt auch im Interesse jedes einzelnen, der etwas  weiter sehen kann als bis an die nächste Straßenecke. Es liegt weder im  Interesse der Allgemeinheit noch in dem des einzelnen Arbeiters, wenn Millionen  von arbeitsfähigen Menschen von ihren Kollegen mit ernährt werden, ohne zu  arbeiten. Arbeitslosenunterstützung ist eine schöne Sache. Im Kapitalismus  haben wir sie immer verlangt, und im Sozialismus werden wir sie beibehalten. Aber  jeder Fall, in dem sie sich als notwendig erweist, ist ein Armutszeugnis für  uns, ist ein Zeichen, dass die Organisation irgendwo nicht klappt. Nur wenn  alle Menschen produzieren, und zwar so viel und so rationell wie möglich,  kommen wir vorwärts. Dabei ist es in den nächsten Monaten ganz gleichgültig,  womit man die freigewordenen Hände beschäftigt, wenn die Tätigkeit, die man  ihnen zuweist, nur produktiv ist. Wenn wir zum Beispiel infolge der jetzt noch  herrschenden Rohstoffknappheit nicht alle Weber beschäftigen können, ist es da  nicht besser, die Weber als Transportarbeiter dahin zu stellen, wo  Straßenbaumaschinen geschaffen werden? Diese Maschinen werden in Turkestan  Straßen herstellen. Und auf diesen Straßen werden Traktoren anrollen, an deren  Herstellung deutsche arbeitslose Spinner mitgewirkt haben. Diese Traktoren aber  werden die Felder in Turkestan bearbeiten, auf denen vor allem Baumwolle  gedeiht. Und im nächsten Jahre werden Autos angerollt kommen, bei deren Bau  gleichfalls arbeitslose deutsche Garnmacher und Strickwarenarbeiter geholfen  haben. Endlich wird die Baumwolle nach Deutschland kommen und es uns  ermöglichen, die Genossen Weber und Strickwarenarbeiter und Garnmacher und  Spinner wieder mit der Arbeit zu beschäftigen, die sie gelernt haben. Und so  ist es mit allem!
  In Russland, China und Indien wachsen jährlich Millionen von Menschen heran,  die auf dem Lande nicht mehr nötig sind und in der Industrie noch nicht  unterkommen können. Die Genossen in Russland, China und Indien, die nur über  eine sehr schwache Industrie verfügen, sind natürlich außerstande, diese  Millionen gleich produktiv zu beschäftigen. Dazu fehlt es an Fabriken,  Maschinen und Arbeitsausrüstung. Aber wir können das Fehlende liefern, denn wir  haben Fabriken und Gruben und Werke, dank denen wir, wenn wir sie richtig  ausnützen, in wenigen Jahren fast den ganzen Weltbedarf an modernster  Arbeitsausrüstung decken können. Wenn das geschehen ist, werden wir die Löhne  gewaltig erhöhen und die Arbeitszeit in einem kaum vorstellbaren Maße verkürzen  können. Wenn es aber so weit kommen soll, dann dürfen wir jetzt in der  Hungerzeit nicht den Kopf verlieren und müssen trotz unserer Not produzieren,  produzieren, produzieren.
  Einige Neunmalkluge meinen, dass es billiger sei, die zur Zeit Arbeitslosen mit  halbem Lohn zu unterstützen, als sie zu vollem Lohn arbeiten zu lassen und  obendrein die Kosten der Arbeitsausrüstung aufzubringen. Gewiss, wenn wir  ebenso kurzsichtig wären wie diese Genossen und nur mit einem Jahre rechnen  würden, dann allerdings könnten wir in diesem einen Jahre Geld sparen. Aber wir  rechnen mit längeren Zeiträumen und sehen weiter als bis zu unserer eigenen  Nasenspitze. Wir wissen, dass es auf die Dauer billiger ist, alle Menschen bei  vollen Löhnen produktiv arbeiten zu lassen, auch wenn daraus dem einzelnen  zunächst Unbequemlichkeiten erwachsen, auch wenn dadurch das allgemeine  Lohnniveau in den ersten Jahren leidet. Um so schneller wird es später steigen,  denn wir arbeiten nach sozialistischen und nicht nach kapitalistischen Prinzipien,  und wir wissen, dass die Opfer, die wir zunächst bringen müssen, für uns selbst  und für unsere Kinder gebracht werden. Deshalb ist es besser, alle Menschen  produktiv zu beschäftigen, auch wenn die Resultate ihrer Arbeit vielleicht  nicht sofort von Nutzen sind. Sofern sie nicht in anderen produktiven  Erwerbszweigen unterkommen können, mögen sie Straßen bauen oder Flüsse  regulieren oder Schachtarbeiten machen, auch wenn die dazugehörigen Häuser oder  Staudämme oder Elektrizitätswerke oder Schleusen erst in späteren Jahren gebaut  werden können. Lasst diese Genossen, wenn sie gesund sind, lieber bei vollem  Lohn im Steinbruch arbeiten oder Holz fällen oder sonst wie produktiv arbeiten,  als bei halbem Lohn untätig bleiben.
  Wir müssen umlernen. Wir müssen lernen, mit ganz anderen Maßstäben zu rechnen  als bisher. Und wenn wir auch zunächst alle noch darben und entbehren müssen,  in wenigen Jahren werden wir die Erfolge unserer Arbeit sehen.
  An die Arbeit!
  Produzieren! Produzieren! Produzieren!
  Vorwärts - 9. Januar 1919
Das Parlament der Arbeit tagt
Die Gesetze, nach denen die sozialistische Welt geleitet werden soll, werden  in den nächsten Tagen beraten. Der Generalrat des B. d. S. R. S. ist noch nicht  gewählt. Aber das ist auch nicht maßgebend: die Hauptentscheidungen fallen im  Kongress der Internationale. Und was in der sozialistischen Internationale  beschlossen wird, das wird durchgeführt. Die Narren und Utopisten, die immer  noch glauben, dass wir nach der Machteroberung den Kapitalisten wieder die Freiheit  einräumen würden, das Volk im Namen der Demokratie zu beschwindeln, sollten  sich endlich eines besseren belehren lassen. Gewiss: wir können den  Kapitalismus nicht sofort überall gänzlich ausrotten. Wir haben noch nicht die  Kräfte, um alles restlos zu organisieren. So lange wir dies nicht können,  müssen wir dem kleinen und mittleren Kapitalisten noch Spielraum lassen, damit  er, durch seine Profitsucht angeregt, die Lücken in unserem Produktionsapparat  erspäht, die noch durch kleinkapitalistische Produktion oder durch  mittelständischen Handel ausgefüllt werden können. Aber diese Lücken werden im  Laufe der Jahre immer kleiner werden, je stärker und je schneller wir  produzieren. Jedenfalls sind alle entscheidenden Kommandohöhen in unserer Hand.  Das Bank- und Versicherungswesen ist ebenso wie die Großindustrie restlos  sozialisiert. Aber wir müssen wissen, wie weit wir gehen.
  An alle Genossen, die fähig sind, eine leitende Stelle im Produktionsprozess  einzunehmen, wird die nächste Zeit ungeheure Anforderungen stellen. Für diese  Genossen, die keinen wesentlich höheren Lohn erhalten sollen als die übrigen  Arbeiter, wird es in den nächsten Jahren keinen Sieben - oder Achtstundentag,  sondern einen Vierzehn- oder gar Sechzehnstundentag geben. Wir werden in den  nächsten Jahren beim Aufbau der sozialistischen Wirtschaft sicher viele Fehler  machen. Aber wir würden noch mehr Fehler machen, wenn wir uns zuviel zumuteten.  Deshalb ist es für uns besser, dem Kleinkapitalismus zunächst noch etwas  Bewegungsfreiheit zu lassen, auch wenn er dabei einige Profite machen sollte.  Viele Genossen sind anderer Ansicht und verlangen, dass wir gänzlich reinen  Tisch machen. Diese Genossen berufen sich dabei auf das Vorgehen unserer  Genossen in Russland. Sie übersehen aber, dass dort die Dinge anders lagen. Der  Kriegskommunismus, der bisher in Russland herrschte, war notwendig, um den  Kapitalisten den Boden unter den Füßen wegzuziehen, um ihnen die Machtmittel zu  nehmen, mit deren Hilfe sie den Bürgerkrieg gegen das Proletariat weiterführen konnten.  Aus diesem Grunde nahm man ihnen über Nacht alle Fabriken, alle Häuser, alle  Geschäfte und allen Boden weg, auch wenn man damit zunächst noch nichts  anfangen konnte. Die Produktion ist dabei fast ganz eingestellt worden. Das  alles musste in der Zeit des Bürgerkrieges hingenommen werden. Der  Kriegskommunismus war aber ebenso wenig Kommunismus, wie der Kriegssozialismus  in Deutschland Sozialismus war. Wir müssen jedoch den Kriegskommunismus in den  wirklichen Kommunismus, den Kriegssozialismus in den wirklichen Sozialismus  verwandeln. Und wir müssen lernen, dass für die Übergangszeit zum Sozialismus  andere Gesetze gelten als in der Zeit des Kriegskommunismus und des  Bürgerkrieges. Das wissen die russischen Genossen ebenso gut wie wir  westeuropäischen Sozialisten. Kriegskommunismus und Bürgerkrieg hätten in  Russland vielleicht noch viele Jahre gedauert, wenn nicht durch unser  Eingreifen die Revolution im Weltmaßstabe gesiegt hätte. Die Produktion wäre  vielleicht ganz zum Erliegen gekommen. Weitere furchtbare Verwüstungen wären  entstanden. Diese Gefahr ist nun behoben.
  Und das Verschwinden dieser Gefahr ermöglicht es uns, liberaler zu sein. Aber  nur in wirtschaftlicher, keinesfalls in politischer Hinsicht. Russland geht uns  auch in dieser Hinsicht voran.
  Noch in den letzten Tagen des alten Jahres hat Genosse Lenin in Moskau eine  Sitzung des Parteiexekutivkomitees einberufen und dort gegen starken Widerstand  durchgesetzt, dass mit Beginn dieses Jahres der Übergang zur Neuen Ökonomischen  Politik (NEP) vollzogen wird. Im Zeichen des Kriegskommunismus musste man den  Kapitalisten möglichst alle wirtschaftlichen Machtmittel wegnehmen. Im  Zeitalter der NEP versucht man, alle versteckten Waren auf den Markt zu locken,  indem man gestattet, einige Profite zu machen. Diese Waren und die Arbeitskraft  der Kleinkapitalisten werden dadurch in den Kreislauf der Übergangswirtschaft  einbezogen und gestatten es uns, unsere Kräfte auf die wichtigsten Punkte zu  konzentrieren. Wir geben den kleinen und mittleren Kapitalisten also eine  gewisse Schonzeit auf wirtschaftlichem Gebiete. Wir können ihnen aber niemals,  solange sie sich als Kapitalisten fühlen oder kapitalistisch denken, die  politische Gleichberechtigung geben. Deshalb ist die Forderung von Presse- und  Koalitionsfreiheit für bürgerliche Parteien idealistisches Geschwätz, wenn sie  aus unseren Reihen kommt. Die Bürgerlichen aber wissen sehr gut, was sie damit  erreichen wollen. Wir haben in den nächsten Monaten große Widerstände zu  überwinden. Vielleicht werden Jahre vergehen, bis wir wieder reichlich zu essen  haben und uns gut bekleiden können. Das alles wäre auch nicht anders gewesen,  wenn wir den Kapitalismus wieder hergestellt hätten. Wahrscheinlich wäre es  aber viel schlimmer gewesen, denn wir hätten auch die Profite für die  Kapitalisten aufbringen und an die kapitalistischen Siegerstaaten  Kriegsentschädigungen zahlen müssen. Aber die bürgerlichen Parteien und  Zeitungen würden alle Missstände als Folgen der Sozialisierung ausgeben. Sie  würden sich sehr sozial gebärden und viele Arbeiter mit demokratischen  Redensarten dumm machen. Und was würde geschehen, wenn wir so grenzenlos  leichtsinnig wären, sie in irgendeinem Staat, in dem sie mit ihren  Schwindelparolen Erfolg hatten, an der Macht zu beteiligen. Glaubt man. dass  sie die Macht je wieder freiwillig aus der Hand gäben? Nein! Nur ein  politischer Säugling kann so etwas glauben. Sie würden bald das wirtschaftliche  Übergewicht politisch missbrauchen. Die demokratische Fassade würde nur eine  neue Entrechtung des Proletariats verschleiern. Aber selbst wenn die  Kapitalisten die ehrlichen Demokraten wären, die sie nicht sind und nie waren,  welchen Sinn hätte es, ihnen die politische Freiheit zu geben? Kann man etwa  vier Jahre lang kapitalistisch produzieren und dann, falls die nächste Wahl den  Sozialisten die Mehrheit bringt, vier Jahre lang sozialistisch, und dann nach  weiteren vier Jahren mal wieder kapitalistisch, und so weiter? Das wäre  Wahnsinn. Jeder Versuch, den Kapitalismus als vorherrschende Wirtschaftsform in  Asien, Europa oder Afrika wieder einzuführen, muss daher mit allen Mitteln  unterdrückt werden. Demokratie für alle, die ehrlich am Aufbau des Sozialismus  mitarbeiten! Aber keine Demokratie für Verbrecher, die ihre eigenen  persönlichen Interessen im Gegensatz zum Allgemeinwohl durchsetzen wollen! Erst  wenn der Sozialismus nicht nur die vorherrschende, sondern die allein  herrschende Wirtschaftsform in der ganzen Welt geworden ist, gibt es überhaupt  eine wirkliche Demokratie. Für die Übergangszeit, in der wir uns jetzt befinden,  kann es nur eine Demokratie innerhalb der sozialistischen Partei geben. Aber  auch die hat ihre Grenzen. Wir sind jetzt die alleinherrschende Partei. Jeder,  der politisch etwas erreichen will, wird versuchen, sich ein sozialistisches  Mäntelchen umzuhängen, um in unsere Partei aufgenommen zu werden. Das müssen  wir verhindern. Jeden Kandidaten, der sich um die Aufnahme bemüht, muss man auf  Herz und Nieren prüfen. Ebenso müssen die Mitglieder der Partei von Zeit zu  Zeit geprüft werden. Es ist die höchste Ehre, Mitglied der sozialistischen  Partei zu sein, aber diese Ehre verpflichtet. Wer nicht imstande ist, alle  persönlichen Interessen hinter das Wohl der Partei und das Wohl des ganzen  Proletariats zu stellen, gehört nicht zur Kerntruppe des Sozialismus, gehört  nicht in die Partei. Erst wenn unsere Macht sich gefestigt hat, werden wir in  der Lage sein, die Todesstrafe für Saboteure aufzuheben. Für korrupte  Parteiangehörige aber muss die Todesstrafe noch lange aufrechterhalten bleiben,  denn sie sind schlimmere Feinde als die Kapitalisten. Um die Korruption in den  Reihen unserer Mitglieder auf ein Mindestmaß einzuschränken, wird ein  Einkommensmaximum (etwa 500 Goldmark im Monat) festgelegt, das von keinem  Parteigenossen überschritten werden darf, selbst wenn er die höchsten Posten  bekleidet. Aber auch dieses Höchstgehalt erhalten nur ganz wenige Genossen, die  infolge ihrer Stellung besonders hohe Aufwendungen haben. Im allgemeinen dürfen  führende Funktionäre nicht mehr als das Anderthalbfache des Lohnes eines qualifizierten  Arbeiters verdienen; nur so kann die Homogenität der Partei gewahrt bleiben.
  Das sind ungefähr die Richtlinien, die in den Ausschüssen aufgestellt worden  sind. Wir zweifeln nicht daran, dass sie im Plenum angenommen werden.
  Vorwärts - 16. Januar 1919
Zehn Millionen Freiwillige vor!
Die Arbeit kommt in Gang. Stockend zwar, aber es geht. Überall fehlt es  jedoch an Rohstoffen. In den Kohlengruben wird fieberhaft gearbeitet, aber es  fehlt an Kräften. In allen Gruben ist jetzt die dreifache Achtstundenschicht  eingeführt worden. Die Produktionsmöglichkeiten sind trotzdem noch längst nicht  voll ausgenützt. Zehntausende von Arbeitern sind noch nötig, damit das  dreifache Schichtwechselsystem sich voll auswirkt. Hunderttausende aber sind  nötig, um zur Sechsstundenschicht übergehen zu können. Zehntausende von  Freiwilligen werden gebraucht, um den Wiederaufbau der im Kriege zerstörten  Gruben und Fabriken zu beschleunigen. Weitere Tausende für die Erzgruben in  Longwy, Briey und in Lothringen, ebensoviel zur völligen Ausnutzung der  Eisenerzgruben in Bilbao und in Norwegen.
  Aber das alles ist noch gar nichts gegen die Aufgaben, die im Osten zu erfüllen  sind. Einige Millionen Arbeiter, Angestellte, Techniker und Lehrer müssen  sofort anfangen, östliche Sprachen zu erlernen. Die Gewerkschaften und  Betriebsräte beginnen bereits mit der Organisation des Unterrichts. Besonderer  Wert wird auf die Erlernung folgender Sprachen gelegt: Russisch, Polnisch,  Chinesisch (wenigstens die Anfangsgründe), Türkisch, Hauptsprachen Indiens,  Indonesiens und Afrikas. Der Unterricht im Englischen und Französischen ist  nicht halb so wichtig, denn in Gegenden, wo diese Sprachen besonders viel  gesprochen werden, wird man vorzugsweise englische und französische Genossen  entsenden. Wir werden Zehntausende von Arbeitern nach England und Frankreich  abgeben müssen, um die dortigen Produktionseinrichtungen voll ausnutzen zu  können, dagegen Hunderttausende, wenn nicht Millionen, nach Russland, Asien und  Afrika, um dort qualifizierter industrieller Produktion Eingang zu verschaffen.  Umgekehrt werden, sobald sich bei uns Arbeitermangel bemerkbar macht,  Hunderttausende von ungelernten russischen Arbeitern nach Deutschland kommen,  die wir anlernen und in die Produktion einreihen müssen. Die Tankfabriken in  Frankreich und England werden in vierfacher Tag- und Nachtschicht auf  Traktorenbau umgestellt. In einem Monat sollen die ersten tausend Traktoren  nach Russland abgehen, um große unbebaute Bodenflächen noch so rechtzeitig zu  bearbeiten, dass sie mit Sommergetreide besät werden können. Für jeden Traktor  brauchen wir drei Führer und drei Hilfsarbeiter, die einige landwirtschaftliche  Kenntnisse besitzen müssen. Die Zahl der Traktoren aber wird sich in einem  Jahre um hunderttausend, in wenigen Jahren um jährlich eine halbe Million  vermehren, und im gleichen Maße wird die Zahl der zu entsendenden  landwirtschaftlichen Fachleute steigen. Sie alle müssen inzwischen Russisch  lernen und sich die Elementarkenntnisse des Marxismus so weit aneignen, dass  sie für den Sozialismus werben können. Sie müssen überdies fähig sein, den  russischen Bauern das Lesen und Schreiben beizubringen, damit so schnell wie  möglich der Analphabetismus in Russland verschwindet.
  Jeder Genosse muss versuchen, sich technisch soweit weiterzubilden, so dass er  nachrückenden ungelernten Arbeitern Platz machen kann, indem er selbst eine  qualifiziertere Arbeit verrichtet.
  Für die Kalibergwerke brauchen wir sofort zehntausend neue Arbeiter, damit die  landwirtschaftliche Produktion im nächsten Jahre gesteigert werden kann.  Zehntausende von begabten jungen Arbeitern müssen sofort auf den Besuch der  Baugewerks- und Maschinenbauschulen, der Universitäten und der technischen  Hochschulen vorbereitet werden; Zehntausende von intelligenten Landarbeitern und  von Söhnen mittlerer und kleinerer Bauern auf den Besuch landwirtschaftlicher  Schulen und Hochschulen.
  Das ist ein kleiner Teil unserer Aufgaben. Tausende andre stehen uns noch  bevor. Wartet nicht, Genossen, bis sie euch gezeigt werden, seht sie selbst! Jetzt  ist die Hauptaufgabe der Gewerkschaften die Organisierung dieser Arbeiten.  Streiks gibt es nicht mehr. Die Gesamtheit der Arbeiter, Bauern und  Angestellten erhält soviel Lohn, wie sie produziert, abgezogen die Summen, die  zur Erweiterung der Produktion oder für allgemeine soziale Zwecke dienen.  Steigerung der Produktion ist die Hauptaufgabe der Betriebsräte, der  Parteizellen, der roten Direktoren. Der beste Revolutionär ist jetzt nicht mehr  der, der am besten agitiert, sondern der, der am meisten zur Vermehrung der  Produktion und zur Verminderung des Bureaukratismus beiträgt. Gewiss, wir  müssen auch weiter agitieren; aber agitieren heißt jetzt vor allem: arbeiten  und lernen, volkswirtschaftliche Kenntnisse erwerben und verbreiten. Die beste  Agitation ist die Vorbereitung der ungeheuren Arbeiten, die wir zu leisten  haben. Ein wirklicher Revolutionär darf in den nächsten Jahren keine Stunde  seiner Freizeit verlieren. Er muss lernen und sich darauf einstellen, jede neue  Aufgabe mit stärkster Intensität anzufassen und zu bewältigen.
  Revolutionär sein heißt jetzt: Arbeiten! Arbeiten an sich selbst und an  anderen. Arbeiten an der eigenen Fortbildung und an der Aufklärung der anderen.  Vor allem aber: Arbeiten an der Steigerung der Produktion.
  Vorwärts - 23. Januar 1919
Die Beschlüsse des Generalrats
Der General rat des Bundes der Sozialistischen Räte-Staaten, der nach  Ankunft der chinesischen und koreanischen Vertreter jetzt vollzählig versammelt  ist, hat folgende Beschlüsse der sozialistischen Internationale unverändert  angenommen:
  1. Beschluss über die Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden und an  Bodenschätzen.
  2. Beschluss über die Sozialisierung aller Bäder, Kurorte, Schlösser, Villen,  Miethäuser, Finanzinstitute, Eisenbahnen und sonstigen Verkehrsmittel,  Forschungsinstitute und aller anderen Betriebe mit mehr als hundert  Beschäftigten.
  3. Beschluss über die allgemeine Einführung des Achtstundentages und über die  Einführung des Sieben- oder Sechsstundentages in besonders  gesundheitsschädlichen Beschäfschäftigungszweigen und in Betrieben, deren  Produktion zur Versorgung aller anderen Industrien besonders gesteigert werden  muss.
  4. Beschluss über den bezahlten Mindesturlaub von 14 Tagen für alle Arbeiter  und Angestellten und den vierwöchigen Urlaub für alle Untertagearbeiter, für  die Arbeiter in gesundheitsschädlichen Betrieben und für Jugendliche bis zur  Vollendung des zwanzigsten Lebensjahrs.
  5. Beschluss über die Errichtung von Arbeiterfakultäten an allen Hochschulen.
  6. Beschluss über unentgeltliche Unterbringung aller beurlaubten Werktätigen in  Kurorten und Erholungsheimen, soweit die vorhandenen Betten nicht durch Kranke  belegt sind.
  7. Beschluss über die Lehr- und Lernmittelfreiheit, die freie Beköstigung aller  Kinder von werktätigen Eltern und über die Errichtung von Kinderheimen.
  8. Beschluss über die Vorarbeiten zur Schaffung einer Einheitswährung.
  9. Beschluss über die Richtlinien für die Friedensverhandlungen mit Amerika und  Japan, die am 26.1.1919 in London beginnen.
  10. Beschluss über die Fortführung der Verhandlungen mit Australien wegen  Garantie einer ständigen Majorität der weißen Rasse und über das Zugeständnis  einiger Reservatrechte für die weißen Arbeiter in Südafrika auf die Höchstdauer  von 5 Jahren.
  11. Beschluss über die Streichung aller früheren Schulden zwischen Gliedstaaten  des B.d.S.R.S. und über die Aufhebung aller Zollgrenzen innerhalb des  B.d.S.R.S.
  12. Beschluss über die Aufrechterhaltung des Privateigentums an Vieh, Geräten  und Maschinen in klein- und mittelbäuerlichen landwirtschaftlichen Betrieben.
  13. Beschluss über die Einführung der Welthilfssprache Esperanto als  Pflichtfach in allen Schulen und höheren Lehranstalten.
  Vorwärts - 25. Januar 1919
Weitere Kürzung der Brotration
Es ist immer noch nicht gelungen, eine genaue Übersicht über die in diesem  Erntejahre verfügbaren Getreidevorräte zu gewinnen. Die vorübergehende  Besetzung Deutschlands durch die kapitalistischen Armeen hat eine Lockerung der  Organisation hervorgerufen, die noch nicht gänzlich behoben ist. Die Umwandlung  des Rohstoff- und Nahrungsmittelversorgungsapparates in einen gemischten  staatssozialistischen und genossenschaftlichen Betrieb, die Verschmelzung aller  genossenschaftlichen und mittelständlerischen Einkaufsgesellschaften ist noch  nicht beendet. Die Eingliederung der „Edeka" in die G. E. G. ging zwar  verhältnismäßig glatt vor sich; aber bei vielen landwirtschaftlichen  Genossenschaften, die von reaktionären Landbündlern geleitet wurden, sind  Schwierigkeiten entstanden, die jedoch bald behoben sein dürften. Ende Februar  soll die Organisation der Zentraleinkaufsgesellschaft (Z.E.G.) durchgeführt  sein. Die Z. E. G. wird nach und nach alle Aufgaben der früheren  Kriegsgesellschaften übernehmen. Erst im März werden wir einen genauen  Überblick über die vorhandenen Nahrungsmittel haben. Bis dahin tappen wir im  Dunkeln und müssen uns auf alles gefasst machen. Die russischen Genossen, die  selbst außerordentlich knapp sind, haben sich bereit erklärt, ein Zehntel alles  requirierten Getreides nach Deutschland zu senden. Dies Angebot ist aber vom  Rat der Volksbeauftragten abgelehnt worden, da es den russischen Arbeitern im  Augenblick noch schlechter geht als uns. Sie sollen ihre Kraft auf zwei Punkte  konzentrieren. Erstens: sofort die industrielle Produktion überall wieder  aufzunehmen, wo es noch nicht geschehen ist. Zweitens: sofort umfangreiche  Vorarbeiten zu treffen, dass die Bodenflächen, die infolge des Bürgerkrieges  nicht mit Wintersaat bestellt wurden, in möglichst großem Umfange mit  Sommersaat und Futtermitteln bestellt werden.
  Aus Zentralrussland können wir also in diesem Erntejahr nichts erwarten.  Dagegen ist mit Zuschüssen aus Polen, Rumänien, der Ukraine und dem Balkan zu  rechnen, die freilich nicht hoch zu veranschlagen sind. England, Frankreich und  Spanien können uns im Notfall mit geringen Mengen unterstützen. Die Zentralräte  dieser Länder haben bereits eine Kürzung der dortigen Rationen vorbereitet.  Diese Maßnahme soll aber nur in Kraft treten, falls der Krieg mit Amerika und  Japan weiter geht. In diesem Fall müssen im B. d. S. R. S. die schärfsten  Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden. Wir sind in der Lage, Amerika und Japan zu  besiegen. Aber es würde weitere gewaltige Opfer von uns verlangen. Die  Opposition ist der Ansicht, dass wir diese Opfer auf jeden Fall auf uns nehmen  müssen, um die ganze Erde sofort vom Kapitalismus zu befreien. Amerika ist aber  schwer zu besiegen. Ja, wenn es die Offensive gegen die Revolution fortgesetzt  und auf europäischem Boden weitergekämpft hätte, dann wäre es ein Leichtes  gewesen. Jetzt aber müssten wir den Krieg auf den amerikanischen Kontinent  hinübertragen und so lange offensiv führen, bis uns in den Vereinigten Staaten  genügend revolutionäre Hilfstruppen erstünden. Wir müssten alle unsere Kräfte  auf diesen Kampf, statt auf den wirtschaftlichen Aufbau, konzentrieren. Deshalb  unterstützen wir die Ansicht des Genossen Lenin, der den Frieden mit Amerika  unter gewissen Bedingungen annehmen will. ' Kommt der Friede zustande, so wird  es schnell gelingen, unsere Nahrungssorgen zu beseiligen. Wir können dann  unsere Kraft dem wirtschaftlichen Wiederaufbau widmen und gewinnen Zeit für die  Industrialisierung. Warten wir ab, welche Vorschläge uns die Amerikaner morgen  machen!
  Vorwärts - 1. Februar 1919
Der Vertrag von London
Folgendes sind die wichtigsten Punkte der Friedensverträge mit den  Vereinigten Staaten und Japan: Die Vertragschließenden verpflichten sich, jede  revolutionäre oder gegenrevolutionäre Agitation in dem Gebiet des  Vertragspartners zu unterlassen.
  Der sozialistische Staatenbund anerkennt alle Vorkriegsinvestitionen der  Regierung sowie von Körperschaften und Bürgern der Vereinigten Staaten von  Amerika im Gebiet des jetzigen B.d.S.R.S.
  Die Vereinigten Staaten anerkennen den Anspruch des B.d.S.R.S. auf das gesamte  Eigentum europäischer Bürger, Körperschaften und Staaten in Nord-, Süd- und  Mittelamerika.
  Der sozialistische Staatenbund tritt in all diese Eigentumsrechte ein und setzt  sich mit den früheren Eigentümern nach eigenen Gesetzen auseinander. Die  Vereinigten Staaten von Nordamerika sind prinzipiell bereit, diese  Eigentumsrechte des B. d. S. R. S. käuflich zu erwerben. Die U. S. A. werden  dadurch nach und nach Eigentümer aller früheren europäischen Besitzungen in  allen Staaten des amerikanischen Kontinents.
  Der B. d. S. R. S. verpflichtet sich, ohne Erlaubnis der U. S. A. keine neuen  Investitionen in Süd- und Mittelamerika vorzunehmen.
  Die eingangs anerkannten amerikanischen Investitionen im Gebiet des B. d. S. R.  S. werden gegen die europäischen Guthaben aufgerechnet. Die Mehrbeträge  zugunsten des B.d.S.R.S. werden von Amerika an den B. d. S. R. S.  zurückgezahlt.
  Die Kriegsschulden werden nicht anerkannt.
  Die Vereinigten Staaten von Nordamerika verzichten offiziell auf die  Philippinen und auf die Erwerbung irgendwelcher Territorien außerhalb Amerikas.
  Der Sozialistische Staatenbund unterlässt jede Einmischung in die  inneramerikanischen Verhältnisse, Amerika unterlässt jede Einmischung in die  inneren Verhältnisse des B.d.S.R.S.
  Der Sozialistische Staatenbund verzichtet offiziell auf Kanada, die Bermudas  und die früheren englischen, französischen und holländischen Kolonien in  Cayenne, die sämtlich von den U.S.A. annektiert werden. Japan verzichtet  offiziell auf Korea.
  Das in China, Korea und Sibirien angelegte japanische Kapital wird gegen die  europäischen Investitionen in Japan aufgerechnet.
  Vorwärts - 6. Februar 1919
Sollen wir ratifizieren?
Wir haben uns in den Meinungskampf über Ratifizierung oder Ablehnung der  Friedensverträge nicht eingemischt. Da aber die Befürworter der Ablehnung in  den letzten Tagen ausführlich zu Worte gekommen sind, werden wir jetzt doch  einmal die Gründe erwähnen, die für eine Ratifizierung der Friedensverträge und  gegen die Wiederaufnahme des Krieges sprechen. Mit Japan wäre leicht fertig zu  werden. Aber Amerika erklärt sich mit dem früher so verhassten Japan  solidarisch. Ein Krieg mit Amerika würde aber ganz gewaltige Opfer von uns  verlangen und vielleicht Jahre dauern. Die Vereinigten Staaten können sich  zunächst auf die reichen Hilfsquellen des ganzen Kontinents stützen, der vom  Weltkrieg überhaupt nicht betroffen wurde. Wenn wir auch schließlich Süd- und  Mittelamerika für den Sozialismus erobern und beim Endkampf, sofern wir ihn mit  äußerster Schärfe führten, auf Bundesgenossen in der farbigen und proletarischen  Bevölkerung der Union rechnen könnten; der Kampf würde auf jeden Fall schwer  sein und sehr lange dauern. Die Jahre, die wir dazu brauchten, wären für den  sozialistischen Aufbau verloren. Wir würden vielleicht Millionen unserer besten  und tapfersten Genossen opfern und dabei vor Rückschlägen in unserem eigenen  Bundesgebiet nicht sicher sein. Ist es nicht besser,
  all diese Kräfte für den sozialistischen Aufbau einzusetzen und uns dabei die  kapitalistischen Hilfsquellen Amerikas nutzbar zu machen, selbst wenn wir den  amerikanischen Kapitalisten dabei große Profite zugestehen müssen? Es ist doch  bezeichnend, dass gerade die russischen Genossen, die schon mehr Erfahrungen  gesammelt haben als wir, für den Friedensschluss eintreten.
  Man wirft uns vor, dass wir dasselbe beabsichtigen, was die deutschen  Reformisten nach Abschluss des Waffenstillstandes machen wollten. Das stimmt  aber nicht. Die Ebert, Scheidemann, Noske wollten sich mit dem deutschen und  dem Ententekapital verbinden. Sie wollten nicht nur Deutschland auf  scheindemokratisch-kapitalistischer Basis „wiederherstellen", soweit es  die Ententekapitalisten zuließen, nein: Deutschland sollte zerstückelt werden  und außerdem ungeheure Reparationszahlungen an die kapitalistischen Machthaber  der Entente leisten. Dieselben „Genossen" waren sogar bereit, dem  schändlichen Verlangen der Ententekapitalisten nachzukommen und die Revolution  in Russland und in den Randstaaten zu bekämpfen. Sie waren ausnahmslos bereit,  die Revolution, den Sozialismus zu verraten! Vergleichen wir einmal, wie es  gekommen wäre, wenn sie ihre schändlichen Pläne durchgeführt hätten, und wie es  voraussichtlich kommt, wenn wir jetzt mit Amerika Frieden schließen.
  Im erstgenannten Fall wäre der Kapitalismus in ganz West - und Mitteleuropa  wieder hergestellt worden. Die proletarische Revolution wäre nur in Russland  siegreich geblieben, das sich, wenn überhaupt, nur unter ungeheuren Opfern  seiner Gegner erwehrt hätte. Russland wäre durch den Bürgerkrieg fast  vollständig zerstört worden. Es hätte mit dem sozialistischen Aufbau erst nach  vielen, vielen Jahren beginnen und nur sehr langsame Fortschritte machen  können. Russland ist ein Land mit einer sehr schwachen Industrie und einer  mittelalterlichen Landwirtschaft. Die Bevölkerung ist arm und besteht  größtenteils aus Analphabeten. Um auf diesem denkbar ungeeigneten Gebiet gegen  eine Welt von Feinden siegen zu können, müsste der Sozialismus wirklich noch  größere Wunderkräfte entwickeln, als wir es erwarten.
  Die proletarische Revolution ist indessen nicht mehr auf ein unentwickeltes,  zurückgebliebenes Land beschränkt, sondern sie hat den größten Teil der Erde  erfasst. Wir haben die Fabriken, Gruben und Bergwerke. Wir brauchen die  Produktion nur zu steigern und neu zu organisieren, um sozialistisch  wirtschaften zu können. Russland allein aber müsste, auf sich allein gestellt,  alle Grundlagen und Voraussetzungen erst mit unvollkommenen Mitteln schaffen.  Russland müsste zunächst alles nachholen, was der Kapitalismus in Westeuropa in  den letzten hundert Jahren auf Kosten der arbeitenden Klasse geleistet hat. Das  wäre eine unausdenkbar schwere Aufgabe, deren Lösung wir uns kaum vorstellen  können.
  Wie aber ist die Lage in Wirklichkeit? Eine kapitalistische Welt steht einer  sozialistischen Welt im Konkurrenzkampf gegenüber. Wir anerkennen zwar die  Ansprüche der Amerikaner an ihrem europäischen, asiatischen, afrikanischen und  australischen Eigentum, aber wir leisten keine Reparationszahlungen. Und  gleichzeitig treten wir die Erbschaft unserer früheren kapitalistischen Herren  an. Die Differenz zwischen den europäischen Investitionen in Amerika und den  amerikanischen in Europa ist erheblich größer als die Summe von 10 Milliarden  Dollars, die Amerika uns als Pauschalentschädigung anbietet. Diese Regelung wäre  also für Amerika ein glänzendes Geschäft, denn es erhielte an Stelle sehr  zweifelhafter Kriegsforderungen reelle und gut fundierte Besitztitel. Der ganze  amerikanische Kontinent käme finanziell restlos in die Hand des  nordamerikanischen Kapitals. Die amerikanische Wirtschaft, die während des  Krieges in das imperialistische Stadium eingetreten ist, wäre auf Jahre hinaus  aller Sorgen enthoben. Alle Produktionsüberschüsse könnten mühelos abgesetzt  werden, die Industrie könnte weiter gewaltig ausgebaut werden. Amerika kann  sich zum idealen kapitalistischen Staat entwickeln. Es verfügt über die  allerbesten Bedingungen, die jemals für den Kapitalismus vorhanden waren oder  vorhanden sein werden. Drüben „fair play" für den Kapitalismus, bei uns  „fair play" für den Sozialismus. Ein gigantischer Wettstreit wird  entbrennen. Wer wird siegen auf der Wirtschaftsfront? Wir sind nicht so  optimistisch, um dem Kapitalismus in Amerika den baldigen Zusammenbruch zu  prophezeien. Wir geben dem Kapitalismus eine unerhört gute Chance. Wir geben  sie ihm aber nur, weil die Bedingungen, unter denen es geschieht, auch für uns  günstig sind. Tausendmal günstiger als die Fortsetzung des Krieges mit  militärischen Mitteln. Wir sind zu stark, um von Amerika besiegt werden zu  können. Wir sind zu schwach, um Amerika leicht besiegen zu können. Deshalb  empfehlen wir die Annahme des Friedensvertrages mit Japan und Amerika.
  Vorwärts - 15. Februar 1919
Der wirtschaftliche Wettkampf beginnt 
  Die Friedensverträge sind ratifiziert
Nach Ratifizierung der Friedensverträge sind sofort für fünf Milliarden  Goldmark Bestellungen in Amerika aufgegeben worden. Das ist eine große Summe,  aber doch nur ein Tropfen auf einen heißen Stein; denn diese fünf Milliarden  Waren, die wir zunächst erhalten werden, verteilen sich auf fast die ganze  Welt. So wie wir nach Brotgetreide schreien, so schreien die russischen und  chinesischen Genossen nach Maschinen und Eisenbahnen. Die 10 Milliarden, die  wir in den nächsten zehn Jahren erhalten, entheben uns nicht der Notwendigkeit,  ganz gewaltige Summen zu akkumulieren. Nach den vorläufigen Plänen des Obersten  Wirtschaftsrates sollen in den nächsten zehn Jahren mindestens fünfhundert  Milliarden Goldmark in den unentwickelten Bezirken des Bundesgebietes  investiert werden. Das ist die Mindestsumme, die aufgebracht werden muss, bevor  ein Vergleich der sozialistischen mit der kapitalistischen Welt möglich ist. So  lange müssen wir mit äußerster Kraft arbeiten und keine Opfer und Entbehrungen  scheuen. Wir werden auf lange Zeit hinaus niedrigere Löhne zahlen als die  amerikanischen Kapitalisten, wir werden noch eine gewisse Zeit darben müssen  und trotzdem von jedem Genossen äußerste Anstrengung verlangen. Wir werden  jeden Tag in die Gehirne hämmern: mehr arbeiten, mehr produzieren, mehr rationalisieren!  Millionen von Menschen müssen sich völlig umstellen. Wir verlangen von jedem,  dass er seine Bequemlichkeit und seine vermeintlichen Sonderinteressen  zugunsten des Allgemeinwohls zurückstellt. Der Sozialismus wird die Menschheit  nicht nur von der Ausbeutung durch andere Menschen befreien, sondern auch von  der Last einer langen Arbeitszeit. Aber erst müssen überall die  wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Der Sozialismus wird die  Produktivität der menschlichen Arbeit ganz gewaltig erhöhen, aber vorerst  müssen alle Naturkräfte in unseren Dienst gestellt, muss das ganze Bundesgebiet  mit den besten Maschinen und einem Höchstmaß von motorischen Kräften  ausgestattet werden. Soll der Sozialismus die jetzige Arbeitszeit um die Hälfte  verkürzen, so müssen alle Hand- und geistigen Arbeiter, die durch  Rationalisierung freigesetzt werden können, an ihrer eigenen Freisetzung  mitarbeiten und sich mit Aufbietung aller Energie auf neue Arbeiten und  Aufgaben vorbereiten. Jeder muss sich täglich und stündlich sagen: Alles was  geschieht, geschieht in meinem Interesse. Alle Opfer, die gebracht werden,  werden für mich und meine Kinder und nicht für eine Herrenklasse gebracht.
  Genossen, erkennt diese Aufgabe! Rüttelt alle Lauen und Gleichgültigen auf! Spornt  sie an, damit sie alle bewusst teilnehmen an der großen Arbeit, an der  Industrialisierung und Elektrifizierung der Welt, am Aufbau der sozialistischen  Gesellschaft!
  Vorwärts - 15. März 1919
Aufklären! Arbeiten! Rationalisieren! 
  Die neuen Wirtschaftsbezirke
Zwei wichtige Beschlüsse sind in den letzten Tagen gefasst worden. Das  Prinzip der freiwilligen Zugehörigkeit der bisherigen Bundesstaaten zum  B.d.S.R.S. wurde durch einstimmigen Beschluss aufgehoben. Unser Bund trägt von  heute ab den Namen: Sozialistische Union.
  Die S. U. ist ein unteilbares Ganzes. Mit Ausnahme von geographisch scharf  abgegrenzten Gebieten wird die Unterteilung nach rein wirtschaftlichen  Gesichtspunkten vorgenommen. Die völlige kulturelle und nationale Freiheit, die  wir allen Menschen geben, gestattet es uns, die zufälligen Sprachgrenzen, die  oft durch zusammengehörende Wirtschaftsgebiete laufen, zu ignorieren. Das  lothringische Erz und die Ruhrkohle gehören zusammen. Die wirtschaftliche  Vereinigung des ganzen Rheingebietes wird uns Rationalisierung und Erhöhung  unserer Produktion bringen. Indem wir die Souveränität der deutschen,  französischen, luxemburgischen, belgischen und holländischen Gebiete aufheben,  machen wir die bisherigen unsinnigen Produktionsumwege überflüssig. Die Bedenken  der Hamburger Genossen sind nicht stichhaltig. Es ist richtig: Millionen von  Zentnern, die bisher über Hamburg gegangen sind, werden in Zukunft ihren Weg  über die früheren belgischen und holländischen Häfen nehmen. Aber unser  Überseeverkehr wird in den nächsten Jahren so gewaltig steigen, dass die  Hamburger Anlagen, wie sie heute sind, nicht einmal genügen werden. Spanien,  Südostfrankreich, Italien, Albanien und Nordafrika werden für besondere  wirtschaftliche Aufgaben in einer Mittelmeerföderation mit lockerer Gliederung  vereinigt. Südbayern und Südböhmen gehören zur Donauföderation. Norwegen bleibt  wegen der gleichstarken Beziehungen zu verschiedenen Wirtschaftsgebieten  selbständig. Schweden übernimmt die Industrialisierung von Finnland und  Karelien und wird mit diesen Gebieten zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet  vereinigt. Ein selbständiges Wirtschaftsgebiet wird gebildet aus Schlesien,  Teilen von Mähren, Galizien, den Westkarpaten und dem südpolnischen  Industrierevier. Dieses Wirtschaftsgebiet mit seinen großen Reichtümern erhält  in nächster Zeit erhebliche Zuschüsse. Der schnelle Ausbau dieses Gebietes ist  gleich wichtig für Russland wie für das Oder-, Weichsel- und Donaugebiet. Die  Vorarbeiten für eine Verbindung der Weichsel, Oder und Donau sollen sofort  aufgenommen werden.
Der kulturelle Aufbau
  In allen Föderationen ist die sozialistische Erziehung obligatorisch, über die  Unterrichtssprache entscheiden bis zum zwölften Lebensjahre die Eltern, von da  ab das Kind selbst. Wo versprengte nationale Minderheiten in so geringer Zahl  leben, dass sich die Errichtung einer eigensprachlichen Schule nicht lohnt,  werden die Kinder oder Studierenden auf Allgememkosten in Kinderheimen  untergebracht, in denen genügend Kinder derselben Sprachzugehörigkeit  zusammenkommen. Alle Nationen wählen sich ein kulturelles Zentrum, das auch für  alle Angehörigen derselben Sprachgemeinschaft zuständig ist, die Tausende von  Kilometern entfernt, in Gebieten mit anderssprachiger Bevölkerung leben. Auf  Wunsch von zehntausend werktätigen Angehörigen einer nationalen Minderheit ist  eine eigensprachliche Universität zu errichten. Die Kosten müssen von dem  Wirtschaftsgebiet getragen werden, in dem die Hochschule liegt.
Die Finanzhoheit
  für das gesamte Gebiet der S. U. steht ausschließlich dem Zentralrat zu. Das  gesamte sozialisierte Eigentum im ganzen Bundesgebiete gehört ausschließlich  der S.U., nicht dem einzelnen Wirtschaftsgebiete. Für die Dauer von zehn Jahren  erhalten alle selbständigen Wirtschaftsgebiete volle Selbstverwaltung unter  strenger Beobachtung folgender Gesetze :
  Alle hoch entwickelten Industriegebiete haben bestimmte Akkumulalionsraten an  die S. U. zu zahlen. Zur Festsetzung der Quote ist festzustellen, wie viel  Produktionskapital und wie viel Pferdekräfte auf den Kopf der Bevölkerung  entfallen. Diese Pflichtabgaben und ihre unentgeltliche Verteilung an die  unerschlossenen Bezirke sollen dazu beitragen, allen Gebieten der S.U. eine  gleichmäßige Entwicklungsmöglichkeit zu sichern. Andrerseits sollen die  einzelnen Gebiete durch gewisse Freiheiten angespornt werden, die Produktion so  weitgehend wie möglich zu steigern. Sobald jedoch in einem Bezirk das  durchschnittliche Lebenshaltungsniveau um mehr als 30 % überschritten wird, ist  die Hälfte der Mehrproduktion dem Zentralrat der S. U. zur Verfügung zu  stellen, der diese Mittel insbesondere den unentwickelten Gebieten der Union  zufließen lässt.
Die Mieten für Altwohnungen
  sind im ganzen Bereich der S.U. bis spätestens 31.XII. 1920 auf Friedenshöhe zu  bringen. Soweit der Mietertrag 10 Mark pro Kopf der Bevölkerung übersteigt, ist  er an den Ausgleichsfonds der S.U. abzuführen. Die im Krieg zerstörten  Gebietsteile sind von dieser Abgabe befreit und erhalten Zuschüsse aus dem  Ausgleichsfonds.
  Vorwärts - 31. März 1919
Einheitswährung und Stabilisierung
Der Zentralexekutivrat der Sozialistischen Union ist in den letzten Tagen  heftig angegriffen worden, weil die Frage einer stabilen Einheitswährung noch  nicht rascher gelöst worden ist. Nun: von morgen ab haben wir — zunächst nur  für den Verkehr mit dem kapitalistischen Ausland — als stabile Einheitswährung  die neue Mark. Ihr Wert entspricht genau dem eines Vierteldollars. Das ist  keine Verbeugung vor dem Kapitalismus, sondern eine Rationalisierungsmaßnahme  auch für unseren inneren Geldverkehr und für unsere Statistiken, die in Zukunft  von außerordentlichem Werte sein werden. Auch musste eine jedermann leicht  verständliche Grundlage geschaffen werden. All diese Gründe sprachen dafür, von  den gebräuchlichsten Vorkriegswährungen nicht allzu sehr abzuweichen.
  Nach der neuen Regelung wird der Goldwert der neuen Mark, die die Einheit der  neuen Währung bilden soll, gleich einem Vierteldollar sein. Schilling und Mark  werden gleichgesetzt. Zwanzig Mark sind also gleich einem Pfund oder gleich  fünf Dollars. Trotz diesen Abweichungen vom Vorkriegskurswert wird hierdurch  ein ziemlich genauer Vergleichsmaßstab mit der Produktion, den Löhnen und dem  Geldumlauf der Vorkriegszeit gewonnen. Für die Staaten, die bisher romanische  Währung hatten, ist dieser Vergleich etwas schwerer. Er wird aber durch folgende  Maßnahme erleichtert: Nach Einführung der neuen Währung auch im Inlande sollen  außer Ein-, Zwei-, Drei- und Fünfmarkstücken auch Viermarkstücke für  Frankreich, Italien und die Donauländer herausgegeben werden. Diese  Viermarkstücke entsprechen einerseits dem Dollar, andererseits hundert  französischen Sous.
  Unsere ungeduldigen Genossen werden nun sagen: das wäre ja alles ganz schön,  wenn wir die feste Währung nur erst im Inlandsverkehr hätten, damit wir erst  einmal richtig rechnen und wirtschaften könnten. Aber darin liegt gerade der  große Fehlschluss. Erst müssen wir rechnen lernen, und dann können wir die neue  Inlandswährung einführen. Wir haben den größten Wert darauf gelegt, dass  überhaupt produziert wird, ohne die Kosten zu berücksichtigen. Das war richtig,  denn wir haben damit die Produktion erst mal wieder in Gang gebracht. Jetzt  aber müssen wir rechnen lernen. Wir dürfen nur soviel ausgeben, wie produziert  wird. Ja, sogar noch weniger, denn wir sollen ja auch ungeheure Summen in  Erzeugnissen unserer Arbeit an die unentwickelten Gebiete abgeben, von denen  wir nur einen kleinen Teil in Form von Nahrungsmitteln und Rohstoffen  zurückerhalten. Wir müssen uns neue Einnahmequellen schaffen, denn alle Zölle  an den früheren nationalen Landesgrenzen sind fortgefallen. Wir sparen zwar  jährlich viele Milliarden dadurch, dass wir nicht mehr stehende Heere und  Kriegsflotten halten. Aber wir übernehmen auch große soziale Lasten. Allein um  die Millionen dringend benötigter Wohnhäuser zu bauen, müssen wir jährlich viele  Milliarden Mark akkumulieren.
  Unsere Einnahmequellen sind vor allem:
  1. Überschuss aus Mieteinnahmen.
  Dieser Überschuss dürfte nach Erreichung der Friedensmiete in Westeuropa  ungefähr zehn Milliarden Mark betragen.
  2. Die zehnprozentige Produktionsabgabe, die an Stelle aller früheren Steuern  von allen sozialisierten und privaten Unternehmungen erhoben wird. Dies ist  unsere Haupteinnahmequelle. Der Ertrag ist vorläufig noch nicht abzuschätzen.
  3. Die zehnprozentige Besteuerung des privaten Kleinhandels.
  4. Die Überschüsse der sozialisierten Handelsunternehmungen, die dadurch  entstehen, dass der Durchschnittspreis zunächst nach den höchsten  Gestehungskosten festgesetzt wird.
  5. Die Zinsen und Amortisierungsquoten von denjenigen landwirtschaftlichen,  gewerblichen und Handeisbetrieben, die noch nicht sozialisiert oder  kollektiviert sind. Wir treten in die Rechte aller früheren Gläubiger dieser  Betriebe oder Privatpersonen ein. Die sehr erheblichen Summen sind mit 5% zu  verzinsen und mit 5% zu amortisieren.
  6. Die Grundrentenabgabe aller sozialisierten oder kollektivisierten Betriebe,  die nach der Bodenklasse und den Transportverhältnissen bemessen wird.
  7. Die zwanzigprozentige Steuer auf Wein und Inlandstabak sowie auf diejenigen  Luxusartikel, die auch in den arbeitenden Klassen in größerem Maße Eingang  gefunden haben und deren Konsum nicht schädlich ist. 8. Die fünfzigprozentige  Steuer vom Verkaufspreis auf alle anderen Luxusartikel, sowie auf Bier,  Zigarettentabak, Zigaretten und Kaffee.
  9. Die achtzigprozentige Steuer vom Verkaufspreis auf Branntwein und andere  Spirituosen.
  Die Zahlungen aus Amerika kommen als Einnahmequelle für Westeuropa nicht in  Betracht. Alle Nahrungsmittel, Rohstoffe und Maschinen, die wir nach Ablauf  dieses Jahres erhalten, müssen wir innerhalb von drei Jahren an die Zentralbank  der S. U. bezahlen. Diese Summen werden ebenso wie die Akkumulationsbeträge,  die wir aufbringen, in den unentwickelten Gebieten der S. U. investiert.
Die Verteilung des neuen Geldes 
  auf die einzelnen Wirtschaftsgebiete soll erst im Laufe des nächsten Jahres  erfolgen. Kein Wirtschaftsgebiet erhält neues Geld, ehe es seinen Etat in  Ordnung gebracht hat. Bis Ende dieses Jahres muss der ganze Verwaltungs - und  Wirtschaftsapparat der früheren Staaten abgebaut und der neue Apparat der  Wirtschaftsgebiete aufgebaut werden. Die Übernahme von geschlossenen Teilen des  alten Apparates in den neuen Apparat ist nicht zulässig. Die Rationalisierung  würde dadurch gefährdet, da viele Beamte, Angestellte und sonstige Bureaukräfte  noch zu kapitalistisch denken, um von sich aus ihre Arbeit für überflüssig zu  erklären und sich freiwillig auf neue Aufgaben umzustellen. Deshalb ist der  ganze Apparat völlig neu nach rationellen Gesichtspunkten aufzubauen. Diese  Arbeit muss sofort in Angriff genommen werden, damit nichts im letzten  Augenblick überhastet wird. Die Erfahrung in Russland hat gezeigt, dass man in  dieser Hinsicht besonders überlegt vorgehen muss. Bürokräfte, die erst einmal  ihren Einzug in die Amtsstube gehalten haben, sind nicht so leicht wieder  daraus zu entfernen. In Russland wirkt sich das besonders schädlich aus, da  dort außer einer Anzahl sehr intelligenter Köpfe Millionen von Menschen die  Büros bevölkern, die kaum den Analphabetismus überwunden und nun eine  kostspielige Überbureaukratisierung erzeugt haben, die nur unter sehr großem  Kraftaufwand zu beseitigen sein wird. Um diesen Abbauprozess zu beschleunigen,  sollen hunderttausend gewandte, umstellungsfähige und zuverlässige Genossen aus  Westeuropa, die den Anforderungen eines modernen Bureaus gewachsen sind, in  Russland eingesetzt werden, sobald sie die russische Sprache erlernt haben. Wir  müssen den Prozess der Auslese und Ausbildung dieser Genossen mit allen Mitteln  beschleunigen. Der Apparat der neuen Wirtschaftsgebiete darf nicht ersticken  unter dem Bureauapparat, der die Nahrungsmittel- und Rohstoffverteilung  durchführt. Seine Aufgaben sollen sobald wie möglich von den Genossenschaften  und sozialisierten Gesellschaften übernommen werden. Die Zwangsbewirtschaftung  soll mit Ablauf des Jahres überall auf das im normalen Sozialismus notwendige  Maß eingeschränkt werden. Damit im nächsten Jahr etwas mehr Spielraum vorhanden  ist, wird die Brotration vorläufig nur um 25% erhöht, obwohl nach den  bisherigen Bestandsaufnahmen und Versandankündigungen eine größere Erhöhung  möglich wäre. Wenn wir bis Ende dieses Jahres noch sparen, werden wir im  nächsten Jahr die Rationierung teils gänzlich aufheben, teils soweit mildern,  dass der Schleichhandel überflüssig wird. Wir haben im nächsten Jahr bedeutende  Nahrungsmittelzuschüsse aus Dänemark, Schweden-Finnland, Polen, der Ukraine,  Rumänien und Holland zu erwarten. Außerdem werden alle verfügbaren  Nahrungsmittelmengen in Nord- und Südamerika, die aufgekauft oder auf Grund des  Zahlungsplans an uns geliefert werden, im nächsten Jahre noch nach Westeuropa  geleitet, damit hier zunächst einmal
  normale Produktionsverhältnisse eintreten. Wir können aber
  auch unter Berücksichtigung dieser Zuschüsse das gesteckte
  Ziel im nächsten Jahre nur dann erreichen, wenn wir mit
  einigen Reserven hinübergehen. In diesem Jahre müssen wir
  also noch etwas darben und zugleich mehr produzieren.
  Vorwärts:
  Mehr produzieren!! Schärfer rationalisieren!!
  Vorwärts - 15. April 1919
Die Stabilisierung in Gefahr!
  Schärfere Durchführung des Außenhandelsmonopols notwendig.
Wir haben eine Schlappe erlitten. Die Währung gleitet von neuem ab.  Untersuchen wir die Ursachen: Die Lockerung des Außenhandelsmonopols hat  infolge der zu geringen Selbstkontrolle zu schweren Schäden geführt. Eine  Anzahl von sozialisierten deutschen Unternehmungen und Trusts hat auf eigene  Faust in Amerika gekauft und Anleihepolitik getrieben. Dabei ist auch altes  deutsches Geld in Zahlung gegeben worden, das an der Börse in Wall Street den  Kurs gedrückt hat. Die Mark war nach dem New Yorker Börsenstand bis vor einer  Woche noch ungefähr vier Pfennige wert, während sie bei uns immerhin eine  Kaufkraft von fünf bis sechs Pfennigen hatte. Dieser Stand kann nicht mehr  zurückgewonnen werden. Wir müssten, um den alten Kursstand zurückzugewinnen,  große Goldmengen an der New Yorker Börse opfern, und das wollen wir nicht. Das  können wir auch nicht, denn alle Edelmetalle sind durch das Dekret vom 2. April  Eigentum der S. U. geworden und gehören nicht mehr den in Liquidation  befindlichen alten Einzelstaaten und auch nicht den neuen Wirtschaftsbezirken.  Außerdem ist die Kursherabsetzung aus inneren Gründen nötig. Wir haben zuviel  Geld in Umlauf gesetzt. Wir haben zu hohe Löhne gezahlt und immer noch zu wenig  produziert. Das ist eine bittere Wahrheit, Genossen, die ausgesprochen werden  muss. Die Aufklärung über die notwendige Erhöhung der Produktion muss von allen  Funktionären energisch fortgesetzt werden. Wir müssen sonst unweigerlich zu  einer Senkung der Löhne schreiten oder die Inflation fortsetzen, die dasselbe  indirekt bewirkt. Wir befinden uns tatsächlich noch in dem Stadium, das wir  eigentlich in Deutschland ganz vermeiden wollten, im Kriegskommunismus. Wir  treiben Raubbau, solange wir mehr konsumieren als produzieren.
  Am 1. Mai beginnt die Periode der sozialistischen Wettbewerbe !
  Von diesem Tage an wetteifern alle Betriebe in der Steigerung der Produktion.  Sobald ein Betrieb die Arbeitsproduktivität unter dem Achtstundentag pro Kopf  des beschäftigten Arbeiters soweit gesteigert hat, dass die Vorkriegsziffer,  die mit längerer Arbeitszeit in demselben Werke erreicht wurde, überschritten  wird, kann er den Siebenstundentag einführen (Achtstundentag mit drei  Arbeitspausen). Abgesehen von dem Anreiz, der in der Verkürzung des Arbeitstages  liegt, sollen sich die einzelnen Werkbelegschaften aus rein ideellen Gründen an  dorn sozialistischen Wettbewerb beteiligen. Trotzdem werden für die ersten  Betriebe, die bei siebenstündiger Arbeitszeit die Vorkriegsproduktion pro Kopf  und Schicht um mehr als 10% überschreiten, Preise im Werte von hundert  Millionen festgesetzt. Diese Preise bestehen in Rittergütern, Schlössern,  Villen, Erholungsheimen usw., die den Arbeiterklubs der betreffenden Werke zur  Verfügung gestellt werden. Außerdem werden Klubeinrichtungen, Musikinstrumente,  Bibliotheken usw. als Preise ausgesetzt. Der deutsche Volkswirtschaftsrat  hofft, dass bereits im Laufe der nächsten Monate die Produktion soweit  gesteigert werden kann, dass das Missverhältnis zwischen Produktion und Konsum  verschwindet und keine neue Währungsverschlechterung eintritt.
  Von morgen ab soll die Währung auf der Basis „eine Papiermark = zwei  Goldpfennige" stabilisiert werden. Von der sozialistischen Aufklärung und  von der Steigerung der Produktion wird es abhängen, ob dieser Stand auf die  Dauer gehalten werden kann.
  Mehr produzieren!!! Schärfer rationalisieren!!!
Vorwärts - 22. April 1919
Die Nordeuropäische Föderation
Der nordeuropäische Sozialistenkongress hat beschlossen: Folgende Gebiete  werden als Nordeuropäische Föderation" zusammengefasst und stellen  gemeinsame Wirtschaftspläne auf:
  Nord- und Ostfrankreich, Rheingebiet, ganz Deutschland mit Ausnahme von  Südbayern, Dänemark, Schweden-Finnland-Karelien. Südbaltikum, Polen, böhmisches  Elbegebiet, Übergangsgebiet der Weichsel, Oder und March (Donau). Auf den  ersten Blick erscheint es befremdlich, dass auch Finnland-Karelien und Polen in  die N.E. F. einbezogen werden. Damit werden jedoch alle nordeuropäischen  industriellen Überschussgebiete zusammengefasst, die für industrielle  Kapitalabgabe an Russland in Frage kommen. Dieser Umstand und einige weitere  Vorteile rechtfertigen die Angliederung derjenigen Bezirke, die früher mit  Russland verbunden waren.
  Die Nordeuropäische Föderation kann sich später mit den wichtigsten  Nahrungsmitteln selbst versorgen, die östlichen Gebiete mit eigener Kraft  industrialisieren und aus eigener Kraft das gewaltige Werk der Verbindung des  Elb-, Weichsel- und Donausystems durchführen. Von diesem Zentralpunkt aus soll  der Ausbau des ganzen mitteleuropäischen Wasserwirtschaftssystems in Angriff  genommen werden. Nach zehn Jahren soll kein Tropfen Wasser mehr ungenützt ins  Meer laufen. Planmäßige Wasservorratswirtschaft soll dafür sorgen, dass das  ganze bis dahin vollständig auszubauende Fluss und Kanalsystem ständig  benutzbar ist. Die gestauten Wassermassen werden auf ihrem Wege vom Berg zum  Meer Millionen und Abermillionen von Kilowatt liefern. Das Kanalsystem soll bis  tief nach Russland hinein erweitert werden. Auch der Wolga-Donkanal, mit dessen  Bau schon im nächsten Jahre begonnen werden soll, wird in die Pläne der  Nordeuropäischen Föderation einbezogen, da sie alle technischen Arbeiten daran  zu leisten hat.
  Die Nordeuropäische Föderation bildet zunächst das stärkste industrielle Kraftzentrum  der Sozialistischen Union. Mit Ausnahme von England, der Donau-Balkanföderation  und der Mittelmeerföderation, mit denen wir nur Austauschverkehr haben, werden  wir an alle anderen Wirtschaftsbezirke große Zuschüsse abgeben. Wir müssen also  in den nächsten zehn Jahren ständig bedeutend mehr produzieren als wir selbst  verbrauchen. Das ist aber für uns nichts Neues. Schon vor dem Kriege wurden  alljährlich Milliarden europäischen Kapitals im Auslande angelegt. Auch damals  mussten wir europäischen Proletarier diese gewaltigen Summen über den Verbrauch  der Arbeiter und Kapitalisten hinaus aufbringen. Aber sie wurden im Interesse  der Kapitalisten erzeugt und angelegt. Jetzt aber wollen wir diese enormen  Produktionsmengen erzeugen und freiwillig ohne Gegenleistung abgeben, da erst  bei vollkommener Industrialisierung der Welt von einer völligen Durchführung  des Sozialismus die Rede sein kann. Erst dann können wir anfangen zu ernten.  Jetzt aber müssen wir das Feld bearbeiten, müssen pflügen und säen, und das heißt:  mehr produzieren!
  Mit Ablauf dieses Jahres verschwinden die alten europäischen Staaten. Wir gehen  dann in der großen Nordeuropäischen Föderation auf. Unser Eintritt in diesen  großen Verband soll mit einer trotz Acht- oder Siebenstundentag um mindestens  10% über das Vorkriegsniveau gesteigerten Produktion verbunden sein. Von der  Steigerung der Produktion hängt alles für uns ab. Die Hebung des kulturellen  Niveaus, die Verlängerung der Schulzeit, die Verkürzung der Arbeitszeit, die  Erhöhung der Löhne, der Neubau von Wohnungen, der Wiederaufbau der zerstörten  Gebiete, das proletarische Hochschulstudium, die Festigung der alten deutschen  Währung, die Einführung der neuen Einheitswährung, die bessere Versorgung mit  Lebensmitteln und Bekleidung, die Anlage neuer Kinderheime und  Arbeitererholungsheime, die völlige Arbeitsbefreiung und ausreichende  Versorgung der schwangeren Frau und stillenden Mutter. Alles ist abhängig von  der Produktionssteigerung.
Der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete
  in Frankreich und Belgien soll auf kollektivistischer Grundlage erfolgen.  Dieser Beschluss ist sehr begrüßenswert. Gerade Frankreich hat ein starkes  Mittelbauerntum, das in kritischen Zeiten den sozialistischen Aufbau gefährden  könnte. Durch den kollektiven Aufbau großer Landstriche wird ein gesundes  Gegengewicht geschaffen, das wir in Ostdeutschland durch den sozialisierten  Großgrundbesitz bereits haben.
  Vorwärts - 30. April 1919
Der Weltfeiertag der Arbeit
Am ersten Maifeiertage nach dem Siege der Revolution, werden die Arbeiter in  der ganzen Welt für den Gedanken des Sozialismus demonstrieren. Es lag nahe,  unseren Sieg an der militärischen Front zu feiern. Wir haben aber keine Zeit,  uns bei Siegesfeiern aufzuhalten. Wir stehen mitten in einem neuen, ungleich  schwereren Kampf, im Kampf auf der Wirtschaftsfront. Auch an dieser Front haben  wir beachtliche Erfolge errungen. Aber wir sind noch weit, sehr weit vom Siege  entfernt.
  Der Charakter des Maifeiertages hat sich grundlegend gewandelt. Früher stellten  wir Forderungen an andere. Jetzt aber müssen wir Forderungen an uns selbst  stellen. Früher waren unsere Kampfmittel negativ: Streik, Obstruktion,  Arbeitsruhe. Jetzt müssen wir lernen, unsere positiven Kampfmittel stärker  anzuwenden. Unser stärkstes Kampfmittel aber ist die Arbeit und die richtige  Organisierung der Arbeit. Der erste Mai soll ein Tag schonungsloser  Selbstkritik sein. Die Diktatur der Aufbauperiode verlangt ständige Kritik aus  den eigenen Reihen. In der Demokratie versuchte jede Partei, ihre eigenen  Fehler möglichst zu verdecken, um Schädigungen des Ansehens nach außen zu  vermeiden. Das ist anders jetzt. Wir müssen unsere Fehler erkennen und sie  ausmerzen. Wir müssen Führer hervorbringen, die denen der Feudalaristokratie  und des Bürgertums nicht nur gleichwertig, sondern überlegen sind. Gestehen wir  offen ein, dass wir noch nicht so weit sind. Nichts liegt uns ferner, als die  alte Führergarnitur immer noch durch die Brille unserer Witzblätter zu sehen  und sie lächerlich zu finden. Die Anforderungen, die an unsere Führer gestellt  werden, sind ganz, ganz andere, als die, welche Adel und
  Bürgertum an ihre Führer stellten. Wir wollen keinen Führertyp schaffen, der  sich künstlich von der Gesamtheit absondert, sondern einen  verantwortungsbewussten Menschentyp, der allen anderen als Vorbild dienen kann  und soll. Niemand darf in die Partei, der unseren Mindestforderungen nicht  entspricht. Niemand kann in der Partei geduldet werden, der eine ihm  übertragene Funktion dazu benutzt, um sich selbst Vorteile oder  Bequemlichkeiten zu verschaffen. Jeder, der sich der hohen Ehre, Mitglied der  sozialistischen Partei zu sein, nicht würdig erweist, wird ausgeschlossen. Wir  dürfen keine Parasiten in unseren Reihen dulden und auch keine verkalkten  Mummelgreise, die sich nicht auf die neuen gewaltigen Aufgaben umstellen  können.
  Der Sozialismus ist kein Automat, in den man einen Parteibeitrag hineinsteckt,  um recht viel herauszubekommen. Der Sozialismus ist das große Wecken aller  schöpferischen Kräfte, die in der Welt und in den Menschen schlummern. Die Bahn  für die neue Entwicklung ist frei. Jetzt gilt es alle Kräfte anzuspannen, um  unser ungeheures Werk zu organisieren und zu vollenden. Kein Rückschlag darf  uns entmutigen, keine Niederlage in Verwirrung bringen. Wir dürfen uns nicht  scheuen, die Fehler, die wir gemacht haben, einzugestehen und den zeitweiligen  Rückzug anzutreten, wenn wir zu weit vorgegangen sind. Wir haben aber schwere  Fehler gemacht, haben eine Niederlage erlitten und müssen jetzt einen Rückzug  antreten. Es ist ein Zeichen unserer Stärke, wenn wir das heute sagen können  und wenn wir morgen, am Weltfeiertage, die harten Maßnahmen, zu denen wir  gezwungen sind, in Kraft treten lassen.
  Es sind schwere Fehler gemacht worden. Zu viele Parteigenossen auf  verantwortungsvollen Posten haben versagt. Sie waren ihrer Aufgabe nicht  gewachsen. Sie haben versucht, sich populär zu machen und aus Schwäche oder  Unverstand dem Drängen unaufgeklärter Elemente nachgegeben, die in der  Revolution weiter nichts als eine Lohnbewegung gesehen haben und die glaubten,  ihre Aufgabe sei es vor allem, möglichst hohe Löhne und möglichst gute  Arbeitsbedingungen herauszuholen. Es ist Aufgabe jedes Parteimitgliedes und vor  allem jedes Funktionärs, solchen schädlichen Auffassungen aufs schärfste  entgegenzutreten und den unaufgeklärten Elementen in unsern eigenen Reihen die  Grundbegriffe sozialistischer Produktions-, Lohn- und Preispolitik  beizubringen. Das ist bisher nur ungefähr zur Hälfte gelungen. Leider müssen  jetzt aber die verständigen Genossen mit unter den Maßnahmen leiden, die im  Gesamtinteresse unvermeidlich sind. Diese Maßnahmen sind sehr scharfer und  einschneidender Natur. Wir haben im Durchschnitt zu hohe Löhne gezahlt. Höhere  Löhne jedenfalls, als wir sie zahlen dürfen, wenn wir alle Arbeiter produktiv beschäftigen  wollen, ohne von der Substanz zu zehren. Ein Teil der roten Direktoren muss  durch verantwortungsbewusste Genossen ersetzt werden. Auch eine Anzahl  Betriebsräte, die ihrer neuen Aufgabe nicht gewachsen waren, sind abzusetzen.
  Der entstandene Schaden ist dadurch allerdings nicht mehr gutzumachen. Die  Währung lässt sich nicht mehr auf dem Stande von zwei Goldpfennigen halten. Von  morgen ab wird der Zwangskurs für eine Papiermark auf einen Pfennig  festgesetzt. Das muss der letzte Rückzug gewesen sein! Wir brauchen für unsere  zukünftige Planwirtschaft zuverlässige Ziffern und einen genauen  Vergleichsmaßstab. Die Inflation muss aufhören. Wir werden deshalb auch vor  drakonischen Maßnahmen nicht zurückschrecken. Es ist uns gelungen, fast alle  Demobilisierten wieder in die Produktion einzureihen und auch den größten Teil  der im Kriege zu Männerarbeiten herangezogenen Frauen in den Betrieben zu  halten. Einige unaufgeklärte Betriebsräte, die wahrscheinlich keine Ahnung von  unseren ungeheuren Aufgaben haben, waren so töricht, Frauen zu entlassen, um  für Männer Platz zu machen. Das ist grundfalsch. Erstens widerspricht es  unseren sozialistischen Prinzipien von der Gleichstellung der Geschlechter auch  in der Produktion, ohne die eine Verwirklichung unserer Ideale überhaupt nicht  möglich ist. Zweitens aber brauchen wir jeden arbeitsfähigen Mann und jede  arbeitsfähige Frau, wenn wir die ungeheuren Aufgaben, die uns gestellt sind,  bewältigen wollen. In dem Augenblick, in dem Millionen von Männern aus dem  Kriege, aus der Gefangenschaft und aus dem Bürgerkriege zurückkamen, waren  vorübergehend mehr Arbeitskräfte vorhanden, als beschäftigt werden konnten.  Dieser Zustand ist heute jedoch überwunden. Jetzt handelt es sich nicht mehr  darum, möglichst viel Leute unterzubringen. Es handelt sich darum, möglichst  viel zu produzieren und in jedem Industriezweig möglichst scharf zu  rationalisieren, um Arbeitskräfte freizusetzen. Freizusetzen, nicht damit sie  arbeitslos zu Hause hocken, sondern damit wir den Riesenbedarf an Arbeitskräften  in anderen wichtigen Industriezweigen decken können. Alle arbeitsfähigen  Menschen müssen produktiv beschäftigt werden. Kein Arbeitsplatz, der besser von  einer Frau ausgefüllt werden kann, darf von einem Manne besetzt werden. Je mehr  Menschen in die Produktion eingereiht werden, je schneller die Produktenmasse  anwächst, um so eher können die Löhne erhöht, um so eher kann die Arbeitszeit  gekürzt werden. Wir müssen das immer und immer wieder sagen. Wir müssen das mit  äußerster Schärfe gerade in den nächsten Monaten sagen, in denen wir von allen  neue Opfer verlangen. Die Löhne müssen vorläufig gesenkt werden. Was bisher von  der Inflation besorgt wurde, muss jetzt mit klarem Bewusstsein von uns selbst  gemacht werden. Die Mark ist von morgen ab nur noch einen Goldpfennig wert.  Alle Löhne werden nach dem Goldwert berechnet. Als Lohn pro Arbeitstag wird  gezahlt (in Prozenten des
  Vorkriegslohns pro Arbeitstag in demselben Gewerbezweig) :
Ab 1. Mai...... 50%
  Ab 1. Juni..... 60%
  Ab 1. Juli..... 70%
  Ab 1. August.... 80 %
  Ab 1. September... 90%
Ab 15. Dezember soll allgemein der Vorkriegslohn pro Arbeitstag trotz der  verkürzten Arbeitszeit gezahlt werden. In allen Werken, in denen die  Arbeitsleistung pro Kopf und Schicht über Vorkriegshöhe gestiegen ist, kann  schon nach dem 1. September der volle Vorkriegslohn gezahlt werden. Die  Verordnung des Volkswirtschaftsrats über den sozialistischen Wettbewerb bleibt  in Kraft. Der Siebenstundentag kann auch weiterhin überall da eingeführt  werden, wo die Produktion in der vorgeschriebenen Weise gesteigert worden ist.  In der Lohnfrage werden aber keine Ausnahmen gemacht, da anders die  Stabilisierung gefährdet würde. Die Vorschriften über die Miethöhe sind strikt  durchzuführen, damit wir unser Bauprogramm und den Ausbau der Baurohstoffabrikation  durchführen können. An Mieten sind immer genau soviel Prozent der Friedensmiete  zu zahlen, wie Löhne gezahlt werden. Die Mieterräte haften persönlich für die  pünktliche Ablieferung der Mieten. Die örtlichen Arbeiterräte setzen neben den Kommunalabgaben  auch die Höhe der Verwaltungskosten und die Höchstsumme der Reparaturrücklagen  fest. Mindestens 60% des Gesamtmietbetrages ist an die Zentralbaubank  abzuführen. Alle Rücklagen für Reparaturen sind in dieser Bank anzulegen.
  Die Zentralbaubank übernimmt die Finanzierung des gesamten Wohnungsbaus und  aller Baurohstoffbetriebe. Die Verwendung der Mieteinnahmen für andere Zwecke  ist verboten.
  Die kürzlich angekündigten Steuern und Abgaben treten sofort in Kraft.
Die Aufgaben der nächsten zwei Jahre
  Am 31. Dezember hören die alten Staaten auf zu existieren. Bis dahin müssen die  neuen Wirtschaftsapparate und die Föderationen auf rationellster Basis  organisiert sein. Bis dahin ist aber auch der alte Wirtschaftsapparat soweit  wieder herzustellen, dass überall die Vorkriegsproduktivität erreicht wird.  Alle Kriegsschäden sind möglichst schon in diesem Jahre auszubessern. Der  Zustand der Eisenbahn und der sonstigen Verkehrszweige muss noch in diesem  Jahre wieder auf Vorkriegshöhe gebracht werden. Über hunderttausend Mann sind  von der Eisenbahnverwaltung neu eingestellt worden, um die notwendigsten  Reparaturen an dem Wagen- und Lokomotivpark mit äußerster Beschleunigung  durchzuführen und um den Unterbau gründlich zu überholen. Weitere Zehntausende  werden in den nächsten Wochen eingestellt, damit die Arbeiten noch in diesem  Jahre zum Abschluss kommen.
  1920 sollen alle Wirtschaftsgebiete und Föderationen ihren Wirtschaftsapparat  und Verkehr auf die neuen Aufgaben umstellen. Die empfindlichsten Lücken im  Verkehrsnetz der Föderationen sollen ausgefüllt werden. Die großen  Wirtschaftspläne für den inneren Ausbau der einzelnen Föderationen und über die  gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen werden zur Zeit ausgearbeitet. Im 1.  Januar 1921 sollen sie bereits in Kraft treten.
  Das Ziel dieser großen Wirtschaftspläne ist die vollständige Industrialisierung  der sozialistischen Welt. Nach den bisherigen Vorarbeiten werden diese Pläne  von zwei leitenden Grundgedanken beseelt:
I. Stadium
  Ausbau des Verkehrsnetzes, Ausbau der Wasserwirtschaft, Dienstbarmachung aller  Wasserkräfte, Elektrifizierung, völlige Ausnutzung aller vorhandenen  Produktionsanlagen ohne Rücksicht auf den Standort, keine neuen  Produktionsanlagen in solchen Industriezweigen, in denen der Bedarf durch  Einführung des Zwei- Drei- oder Vierschichtenwechsels gedeckt werden kann.  Investitionen vor allem in den Wirtschaftszweigen und in den Gebieten, in denen  die menschliche Arbeit jetzt am wenigsten produktiv ist, wo mit den  rückständigsten und veraltetesten Methoden gearbeitet wird und deshalb durch  Einführung neuer Arbeitsmethoden und Maschinen die höchste  Produktivitätssteigerung zu erreichen ist.
II. Stadium
  Standortbestimmung nach sozialistischen Prinzipien. Weiterer Ausbau der  einzelnen Wirtschaftsgebiete mit dem Ziel möglichster Annäherung an den Zustand  der Autarkie, soweit dies nicht den Grundsätzen der Rationalität widerspricht.
  Wir wollen die europäische Industrie bis zur Höchstgrenze ihrer  Leistungsfähigkeit ausnutzen. Der Mehrbedarf an Arbeitern soll aus den  unindustrialisierten Gebieten herangezogen werden. Auch die Million  qualifizierter Arbeitskräfte, die bereits an den Westen, Süden und Osten  abgegeben wurden, müssen wir ersetzen, ebenso die Millionen von Freiwilligen,  die in alle Weltteile gehen, um am Aufbau der neuen Wirtschaft mitzuhelfen.
  Einige Millionen Europäer werden nach Australien auswandern. Die Australier  haben ihren Anschluss an die Sozialistische Union nur unter der Bedingung  vollzogen, dass die numerische Überlegenheit der weißen Rasse gewahrt bleibt.  Der Rassenhochmut, der aus dieser Bedingung spricht, verdient im Zeitalter des  Sozialismus eigentlich keine Berücksichtigung. Wir haben aber nachgegeben, weil  wir Australien nicht dem amerikanischen Kapitalismus ausliefern wollten. Wir  werden die ungeheuren Reichtümer Australiens erschließen, große  Bewässerungsanlagen durchführen und einige Millionen Menschen aus den  überbevölkerten Gebieten Indiens und Chinas ansiedeln. Dieses Zugeständnis  haben wir nach langen Verhandlungen den australischen Genossen abgerungen. Wir  müssen aber, wenn wir die eingegangenen Bedingungen erfüllen wollen, einige  Millionen Freiwillige aus Europa ansiedeln. Diese Ansiedlung wird größtenteils  auf dem flachen Lande erfolgen. Die Genossen, die sich zur Ansiedlung in Australien  melden, brauchen nicht zu fürchten, dort das Leben von Einsiedlern führen zu  müssen. Die australische Landwirtschaft wird die modernsten Großbetriebsformen  aufweisen, Kultureinrichtungen aller Art sind vorgesehen.
  Auch in Südafrika ist noch nicht alles so, wie es sein sollte. Der übergroße  Teil der südafrikanischen Proletarier, die der weißen Rasse angehören, ist noch  nicht aufgeklärt genug, um die alten Rassenvorurteile abzulegen. Wir haben  ihnen deshalb das Zugeständnis machen müssen, dass in den nächsten fünf Jahren  kein weißer Arbeiter gezwungen werden darf, unter dem Kommando eines schwarzen  Kollegen zu arbeiten. Hoffentlich gelingt es uns, durch Erziehungsmaßnahmen die  weißrassigen Kollegen dazu zu bringen, dass sie freiwillig schon vor Ablauf dieser  fünf Jahre auf ihre Vorrechte verzichten. Eine Verlängerung dieser Frist darf  auf keinen Fall erfolgen. Der weiße Arbeiter, der die Ansicht vertritt, dass  seine Rasse geistig regsamer und leistungsfähiger sei als die schwarze, kann ja  durch persönliche Tüchtigkeit den Beweis erbringen, dass dies für seine Person  gilt. Dann wird ihm niemand eine Führerstellung strittig machen. Dem  intelligenten und strebsamen schwarzen Genossen, der mit Aufbietung all seiner  Kraft sein Wissen und Können entwickelt, kann aber nicht zugemutet werden, sich  einem weniger strebsamen und gebildeten weißen Genossen unterzuordnen. „Fair  play" für Angehörige aller Rassen, ist unser Losungswort. Die  Industrialisierung Süd - und Zentralafrikas wird allen intelligenten Arbeitern,  schwarzen wie weißen, genügend Gelegenheit geben, sich ihren Fähigkeiten  entsprechend zu betätigen. Sie soll vorläufig in der Hauptsache der  südafrikanischen Industrie überlassen bleiben, da wir im ersten Stadium des  sozialistischen Aufbaus unsere Kräfte vor allem auf die Industrialisierung der  dichtbevölkerten Gegenden konzentrieren müssen. Die Wiederherstellung und der  Ausbau der europäischen Wirtschaft soll fast vollständig aus eigener Kraft  erfolgen. Von den Summen, die Amerika an uns zahlen muss, geht nur ein sehr  geringer Teil nach Europa. Wir bekommen nur einige Milliarden in Form von  Lebensmitteln und dringend benötigten Rohstoffen und Maschinen. Der größte Teil  der amerikanischen Lieferungen geht jedoch nach China, dessen  Industrialisierung nach den Plänen Sun Yat-sens beschleunigt durchgeführt  werden soll. Wir sind also im wesentlichen auf uns selbst angewiesen. Der erste  Mai muss benutzt werden, um diese Erkenntnis wieder einmal in die Köpfe  hineinzuhämmern. Unsere Losungsworte am Weltfeiertag lauten in diesem Jahr:
  Aufbau, Produktionssteigerung, Rationalisierung!
  Vorwärts - 2. Mai 1919
Der Verlauf des 1. Mai
Berlin hat seit dem 9. November viel imposante Aufmärsche gesehen. Aber was  war das alles gegen das Ungeheure, das wir gestern erleben durften? Berlin ist  zur Welthauptstadt geworden. Gestern konnten wir beobachten, dass dies nicht  etwa eine Redensart, sondern Wirklichkeit ist. Wir stehen noch mitten in  unserem eigenen Wiederaufbau, wir mussten in diesen Tagen sogar einen Rückzug  auf der Wirtschaftsfront antreten. Und dennoch, der Pulsschlag der ganzen Welt  war gestern in Berlin fühlbar. Was bedeutet dieser strategische Rückzug, wenn  jedem Menschen so sinnfällig gezeigt wird, dass es im ganzen vorwärts geht,  unaufhaltsam vorwärts!
  Ungefähr zwei Millionen Menschen sind gestern durch die Linden und den  Tiergarten gezogen. Aber das waren nicht mehr undisziplinierte Individuen wie  in den Tagen nach der Revolution, als wir das alte Joch abgeworfen hatten und  nach den Formen der neuen Organisation suchten. Die Hunderttausende, die  gestern aufmarschierten, gruppierten sich in festen Verbänden, und jeder  Verband hatte seine besonderen, fest umrissenen Aufgaben. Schon früh um 7 Uhr  begann der Aufmarsch der Arbeitersportler und der proletarischen Kulturvereine.  Von 9 Uhr an nahmen zu beiden Seiten der „Linden" „Rote Falken'' und  „Jungpioniere" Aufstellung. Später traten sie an die Häuserfront zurück,  damit Kinder und Frauen den weiteren Aufmarsch mit ansehen konnten. Von 11 Uhr  ab dröhnten beide Fahrdämme der Linden unter dem Tritt der bewaffneten  Arbeiterbataillone, die, nach Betrieben und Industrieverbänden gegliedert, in  Reihen zu 16 Mann vorbeimarschierten.
  Darauf formierten sich die Marschkolonnen der roten Frauen- und Mädchenbünde,  und schließlich zogen bis spät in die Nacht hinein die Hunderttausende auf,  welche in diesen Tagen an neue Arbeitsfronten gehen. Vom Westen her rückten  1000 Lastautos und 1000 Traktoren an, die nach Russland, Sibirien und Kaukasien  geschickt werden. Von Osten her rückten in langen Reihen Lastautos mit  Lebensmitteln an: auf ihnen Finnen, Polen, Russen, Ukrainer, Rumänen, Bulgaren  und Serben. Dann kamen von Westen her die ersten Straßenbau- und  Eisenbahnbaukolonnen, die zunächst in Westrussland und Polen eingesetzt werden.  Ihren ganzen Tross führten sie mit sich, Lastautos mit Werkzeugen und  Maschinen, Straßenrammen, Traktoren, Feldküchen, Zelte, Baracken, Sanitäts- und  Büchereiautomobile.
  Auf der anderen Fahrbahn marschierten hunderttausend Russen auf, die im Westen,  in den zerstörten Gebieten, in den englischen und französischen Kohlengruben  eingesetzt werden. Mitten unter ihnen französische Soldaten, die sich nun,  gemeinsam mit jenen, deren „Gefangene" sie gestern noch waren, an den  sozialistischen Aufbau ihrer Heimat machen.
  Während vom Westen her zehntausend deutsche, englische und französische Lehrer,  Ingenieure, Ärzte und geschulte Bureaukräfte anmarschierten, die nach dem Osten  gehen, zogen von der Gegenseite zehntausend deutsche Freiwillige heran, die  sich noch am selben Abend nach überseeischen Wirtschaftsfronten in Fahrt  setzten.
  Aber so gewaltig auch dieser Aufmarsch war, viel erfreulicher war für uns doch  noch die Feststellung, dass unsere intensive Aufklärungsarbeit über die  Notwendigkeiten sozialistischer Lohn- und Wirtschaftspolitik Erfolg hatte. Die  übergroße Masse der werktätigen Bevölkerung erkennt die großen Zusammenhänge  und sieht ein, dass wir uns nicht gestatten können, Raubbau zu treiben, und  dass die Elektrifizierung und Industrialisierung Osteuropas und Asiens für uns  ebenso wichtig ist wie der Ausbau und die Umstellung der eigenen Wirtschaft.  Einige besonders begeisterte Volkswirtschaftler bemühten sich auszurechnen, wie  viel wir in den ersten Monaten bei niedrigen Löhnen akkumulieren können. Sie  waren dabei allerdings durchweg etwas zu optimistisch. Sie übersehen bei ihren  Berechnungen, dass ein großer Teil der Arbeiten, die wir jetzt verrichten,  überhaupt nicht produktiv, und ein anderer Teil rein wiederherstellender Natur,  also nur sehr bedingt produktiv ist. Der Anteil dieser Arbeiten an der  Gesamtproduktion sinkt aber ständig, so dass wir die Löhne tatsächlich bald auf  Vorkriegshöhe bringen können, wenn die Produktionssteigerung planmäßig  durchgeführt wird. Schon in einem Monat werden die Traktoren, die gestern durch  die Linden" rollten, beginnen, jungfräulichen Boden für die neue Aussaat  vorzubereiten, und im Herbst des nächsten Jahres werden wir das erste Getreide  von den Kollektivwirtschaften erhalten. Das wird aber erst der Anfang der  Agrarrevolution sein. Von uns, von unserer Produktion, hängt es ab, wann der  letzte Bauer den Holzpflug hinlegt und seine kümmerliche Einzelwirtschaft  verlässt, um den Traktor der Kollektivwirtschaft zu besteigen.
Der 1. Mai in Hamburg
  Im ganzen Hamburger Städtegebiet wurde die Arbeit schon am 30. April mittags um  12 Uhr niedergelegt. Zehntausende waren am Nachmittag des 3o. April nach  Brunsbüttelkoog geeilt, um die Einfahrt der ersten Schiffe in den  wiederhergestellten Nordostseekanal anzusehen. Zehn deutsche Schiffe mit Werkzeugen  und Maschinen wurden als Geschenk der deutschen an die russischen  revolutionären Arbeiter nach Petrograd abgesandt.
  Am 1.Mai bildeten die 50000 Spitzbergen-Freiwilligen den Mittelpunkt des  Festprogramms. Sie sollen den Sommer über mit äußerster Anstrengung in den  Kohlenbergen Spitzbergens arbeiten, um so zur Behebung des Brennstoffmangels  beizutragen. Es werden zunächst nur Baracken für den Sommeraufenthalt in  Spitzbergen gebaut. Im Winter soll der größte Teil dieser Freiwilligen in  denjenigen englischen Kohlenbergwerke eingesetzt werden, die man zur Zeit auf  moderne und rationelle Arbeitsmethoden umstellt.
  Der amerikanische Regierungsdampfer, der alle Wochen die auswanderungslustigen  früheren Kapitalisten auf Kosten der amerikanischen Regierung abholt, musste  zum ersten Mal halb leer abfahren. Eine Anzahl junger Ingenieure ging eine  Stunde vor der Abfahrt von Bord und meldete sich geschlossen freiwillig nach  Spitzbergen. Vor Cuxhaven begegnete das Schiff einem Transport deutscher  Rückwanderer aus Amerika, der ihnen signalisierte: „Lieber in Deutschland  hungern als in Amerika für den Kapitalismus schuften! Macht's uns nach, hier  seid ihr Gleiche unter Gleichen, drüben seid ihr Handlanger." Die Stimmung  an Bord war schon vorher sehr bedrückt gewesen. Jetzt entschieden sich die  meisten Passagiere, vor allem die jüngeren, dafür, in Europa zu bleiben. Wenn  dieses Beispiel Schule macht, dann dürfte endlich das Gleichgewicht im  gegenseitigen Auswanderungsverkehr hergestellt sein. Bis Ende Februar entfielen  auf jeden Einwanderer aus Amerika zwei kapitalistisch Gesinnte, die Europa  verließen. Im März war das Verhältnis schon 2:3, im April 4:5.
  Bezeichnend für den Stimmungsumschwung in den Reihen der jüngeren Angehörigen  des früheren Bürgertums ist der Ausspruch eines zurückgekehrten Technikers:  „Was sollen wir in Amerika? Wir werden drüben auch zu Proletariern. Aber drüben  sind die Proletarier die Parias der Gesellschaft, hier sind sie die Herren.  Wenn ihr drei Jahre mit demselben Fanatismus weiter arbeitet, dann wird es dem  europäischen Proletarier besser gehen als dem kleinen Kapitalisten in  Amerika."
Bericht aus Kiel
  Der unermüdlichen Arbeit von Zehntausenden ist es gelungen, den Kanal in  wenigen Monaten wieder zu säubern und stellenweise zu verbreitern. Die ersten  zehn Schiffe, die den Kanal heute am Weltfeiertag der Arbeit passierten, gehen  nach Petrograd. Tausend gelernte Arbeiter, Techniker, Ingenieure und  Werkmeister fahren heute nach Russland ab, um dort, wo ihre Kräfte am  dringendsten gebraucht werden, für den Aufbau des Sozialismus zu arbeiten.  Zweitausend junge Russen im Alter von 17—20 Jahren sind heute hier angekommen  und auf einem als Wohnschiff hergerichteten früheren Kriegsschiff untergebracht  worden. Sie sollen auf den Werften ausgebildet werden. Alle Kriegsschiffe, die  älter als zehn Jahre sind, wurden bereits in Wohnschiffe verwandelt, und immer  noch ist zu wenig Platz. Alle Helligen der Lenin-, Liebknecht- und  Luxemburgwerft (früher Kaiserliche, Germania- und Howaldtswerft) sind voll  belegt. Überall wird in drei Schichten gearbeitet. Nach Einreihung des letzten  Russentransports sowie der Arbeiter, die ihre Arbeit am Kanal beendigt haben,  sind weitere Einstellungen nicht mehr möglich. Da wir aber Ende Mai, Anfang  Juni weitere 8000—10000 Genossen aus Russland erwarten, soll am 1. Juni auf  allen Werften der Sechsstunden tag eingeführt werden. Das bedeutet  rationellste, volle Ausnutzung der Werksanlagen bei ununterbrochener Arbeit in  vier Schichten.
Bericht aus Breslau
  Am 1. Mai wurden die neuen Anlagen der Lenin-Luxemburg-Werke (früher  Linke-Hofmann-Werke) eingeweiht. Obwohl in Breslau größte Wohnungsnot herrscht,  mussten alle verfügbaren Bauhandwerker zum Erweiterungsbau der L. L. W.  herangezogen werden. Die L. L. W. sollen in den nächsten Jahren Zehntausende  von Lokomotiven und Hunderttausende von Waggons für Russland, Polen, den Balkan  und die Türkei liefern. Es herrscht, obwohl bereits zweitausend polnische und  tausend russische Hilfsarbeiter eingestellt wurden, immer noch ein fühlbarer  Arbeitermangel. Nicht einmal die alten Werksanlagen können im  Dreischichtenwechsel voll ausgenutzt werden. Eine Anzahl von hochqualifizierten  Spezialarbeitern arbeitet freiwillig in zwei Elfstundenschichten. Alle Säle und  die Hälfte aller Schulen werden als Quartier für weitere zehntausend russische  und pohlische Hilfsarbeiter eingerichtet. In einer Versammlung in der  Jahrhunderthalle wurde darauf hingewiesen, dass es im Augenblick das Wichtigste  sei, Lokomotiven und Waggons zu bauen, dass aber doch alles mögliche getan  werden müsse, um die katastrophale Wohnungsnot in Breslau zu beheben.
  In Oberschlesien standen alle Maifeierveranstaltungen noch stärker als in  Breslau im Zeichen der Wohnungsfrage. Über 50000 polnische Arbeiter sind ohne  große Schwierigkeiten in die Produktion eingereiht worden. Der Sechsstundentag  bei gleichzeitiger Verschärfung des Arbeitstempos wurde in allen Gruben und  wichtigen Betrieben eingeführt, so dass die Produktion bei Vierschichtenwechsel  bereits wesentlich stieg.
Unruhen in Amerika
  Nach den letzten Telegrammen ist es in einigen Städten Amerikas infolge Verbots  der Maifeiern zu Unruhen gekommen. Über zehntausend Arbeiter sind gefangen  genommen worden und sollen zwangsweise nach Europa abgeschoben werden. Nach  einem anderen Telegramm sollen sich weitere Zehntausende, darunter viele  Deutsche, zur Auswanderung nach Europa entschlossen haben. Der Oberste  Volkswirtschaftsrat der S. U. hat beschlossen, all diese Einwanderer, soweit  sie damit einverstanden sind, nach dem Osten zu leiten, der immer noch an einem  empfindlichen Mangel an gelernten Arbeitern leidet.
  Vorwärts - 14. Juli 1919
1789-1919
Einhundertdreißig Jahre sind seit dem Sturm auf die Bastille vergangen.  Einhundertdreißig Jahre seit der Erklärung der Menschenrechte. Und jetzt erst  können wir langsam daran denken, diese Erklärung in die Tat umzusetzen.  Hundertdreißig Jahre lang hat das Bürgertum, teils offen, teils indirekt  geherrscht. Und in dem Lande, in dem es schon früher zur Macht kam und sich am  folgerichtigsten entwickeln konnte, in Amerika, herrscht es heute noch. Wir  wollen nicht blind sein gegenüber dem, was in diesen 130 Jahren geschaffen  wurde. Westeuropa, Nordamerika und ein Teil der übrigen Welt ist in dieser Zeit  industrialisiert worden. Aus mittelalterlichen Wirtschaften sind gewaltige  moderne Industriestaaten entstanden, die nicht nur Hunderte von Milliarden Mark  im eigenen Lande angelegt, sondern auch Riesensummen im Auslande investiert  haben. Schon in den ersten Jahrzehnten entstanden gewaltige Werte dank der  kläglich bezahlten zwölf- und vierzehnstündigen Arbeit von hundert Millionen  Proletariern, die unter den allererbärmlichsten Verhältnissen lebten. Nach  dieser schrecklichen Zeit des kapitalistischen Aufbaus, gegen Ende des vorigen  Jahrhunderts, wurde es allmählich etwas besser. Der Kapitalismus, der sich im  imperialistischen Stadium, im Zeitalter der kolonialen Überprofite, ungeheuer  rasch entwickelte, gab dem Druck des Proletariats, das inzwischen gelernt  hatte, sich in Gewerkschaften und Parteien zu organisieren, etwas nach, so dass  seine Lebenshaltung sich ein wenig verbesserte.
  Aber auf jeden europäischen Proletarier, der dem Bereiche des Hungers  entfliehen konnte, entfielen zehn Inder, Chinesen oder Russen, die durch den  eindringenden Kapitalismus aus ihrem altgewöhnten bescheidenen Leben  herausgerissen und den Kapitalisten dienstbar gemacht wurden. Nach den Gesetzen  des kapitalistischen Wachstums hätten diese tausend Millionen Menschen jetzt  denselben Leidensweg antreten müssen, den das europäische Proletariat in der  Frühzeit des europäischen Kapitalismus gegangen war. Und in stetig steigendem  Maße hätten diese neuen exotischen Proletariermassen zu Konkurrenten, zu  Totengräbern des Standards der europäischen und amerikanischen Proletarier  werden müssen. Mit fast naturgesetzlicher Notwendigkeit wäre in Europa und  Amerika eine Millionenarbeitslosigkeit eingetreten, die auf die Dauer bestimmt  eine Verschlechterung des Lebenshaltungsniveaus hervorgerufen hätte. Der  Weltkrieg hat diesen Entwicklungsgang unterbrochen. Aber er hätte ihn nicht  aufgehalten, wenn nicht die proletarische Revolution dazwischengekommen wäre. Vielleicht  hätten einige Siegerstaaten auf Kosten der Besiegten diese Folgen der  imperialistischen Entwicklung einige Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte lang  weniger verspürt. Einmal aber würde auch diese Staaten die Krise wieder erfasst  haben, wenn nicht vorher ein neuer Weltkrieg ausgebrochen wäre, der wiederum  nur für die Siegerstaaten auf kurze Zeit einen Ausweg geschaffen hätte.
  Dieser Zyklus ist indessen durch die sozialistische Revolution unterbrochen  worden.
  Der Proletarier hat sein Machtwort gesprochen. Die Weltgeschichte nimmt einen  anderen Lauf. Der Bastillesturm war die Verheißung eines neuen  Menschheitsmorgens. Trotz seiner unbestreitbaren technischen Erfolge ist der  Kapitalismus die Erfüllung uralter Menschheitsforderungen schuldig geblieben.  Er versprach die Freiheit. Er brachte die Freiheit, den Schwächeren  auszubeuten. Er schuf den Liberalismus: „Jeder mag nach seiner Fasson selig  werden!" In welche Fasson jeder hineingeboren und durch das  wirtschaftliche Übergewicht hineingepresst wurde, das kümmerte ihn nicht. Und  als die Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft, die Marx uns erkennen gelehrt  hat, sich immer mehr auswirkten und Krisen und Kriege hervorriefen, da gingen  die Freiheiten des Ausbeutens und des Liberalismus wieder über Bord: Trusts und  Kartelle bändigten den „freien" Unternehmer, der Koalitionsfreiheit  begegnete man mit Maschinengewehren, die Pressefreiheit liquidierten Inserate,  Subventionen und Verbote, und der Liberalismus verendete in den Uniformen der  kapitalistischen Millionenarmeen.
  Heute hat das revolutionäre Proletariat den Kampf um die Freiheit angetreten.  Es „meint" aber eine andere Freiheit. Nicht „Einer gegen Alle" und  „Alle gegen einen" ist unsere Losung, sondern: „Einer für Alle" und  „Alle für jeden". Noch sind wir nicht so weit. Solange die  wirtschaftlichen Verhältnisse schlecht sind, kann der Mensch nicht gut sein.  Der Aufbau einer sozialistischen Weltwirtschaft muss aber mit den Menschen, wie  sie heute sind — wir haben alle noch das Erbe der kapitalistischen Vergangenheit  im Blut — vollzogen werden. Ohne Zwang, ohne Diktatur ist das unmöglich. Aber  „es wächst der Mensch mit seinen höhern Zwecken". Er wird, die  sozialistische Wirtschaft aufbauend, die Fesseln individualistisch beschränkter  Denkungsart Schritt für Schritt abstreifen, und im gleichen Tempo werden Zwang  und Diktatur sich als entbehrlich erweisen. Erst wenn der Mensch die Bastille  seiner engherzigen Eigeninteressen gestürmt hat, ist der Tag der Freiheit  angebrochen.
In West- und Mitteleuropa ist die Vorkriegsproduktion erreicht
  Nach den vorliegenden Berichten kann es als sicher angenommen werden, dass die  Gesamtmasse der im Monat Juli hergestellten Waren nicht hinter der  Gesamtwarenmasse des Monats Juli 1913 zurücksteht. Damit ist aber die  Durchschnittsproduktivität der Vorkriegszeit noch lange nicht erreicht. Die  Zahl der Beschäftigten ist gegenüber der Vorkriegszeit bedeutend gestiegen. Der  einzelne Werktätige erzeugt also immer noch eine geringere Produktenmenge als  1913. Der erste Schritt aber ist getan. Eine ungleich größere Bedeutung erhält  die oben festgestellte Tatsache, wenn wir uns die Art der Produktion ansehen.  Die Herstellung einer Anzahl von Luxusgegenständen ist ganz eingestellt worden.  Der Wohnungsbau hat noch nicht einmal 5o% der Vorkriegsziffern erreicht. In  Anbetracht der Minderproduktion in den Vormonaten können wir damit rechnen,  dass wir im Laufe dieses Wirtschaftsjahres noch nicht einmal 40% der  Wohnraumproduktion von 1913 erreichen. Im Bergbau ist es trotz aller  Anstrengungen noch nicht gelungen, die Arbeitsleistung pro Kopf und Schicht auf  mehr als 70% der Vorkriegsleistung zu bringen. Infolge der verkürzten Schichten  und der großen Belegschaftsvermehrung ist jedoch die absolute  Vorkriegsförderung bereits überschritten. Ganz gewaltige Fortschritte sind  indessen durch rücksichtslose Umstellung in folgenden Industrien gemacht  worden: Lokomotiv-, Waggon-, Automobil-, Traktoren-, Schiffs- und Maschinenbau.  Auch auf diesen Gebieten ist die Vorkriegsproduktivität pro Kopf und Schicht  noch lange nicht erreicht. Durch allgemeine Einführung des Drei- und  Vierschichtensystems, durch Neueinstellung von Hunderttausenden sind aber die  absoluten Produktionsziffern der Vorkriegszeit weit überholt. Die Produktivität  in diesen Industriezweigen wird von Monat zu Monat stark anwachsen. Das ist von  ganz besonderer Bedeutung für Russland und den gesamten Osten. In Russland ist  es trotz allgemeiner Einführung des Mehrschichtensystems, trotz Einreihung  Hundertausender in die Produktion, trotz zahlreicher Subbotniks (freiwillige,  unbezahlte Sonntagsarbeit) noch nicht gelungen, mehr als 60% der gesamten  industriellen Vorkriegsproduktion zu erreichen. Die meisten Fabriken sind zwar  mit unserer Hilfe wieder instand gesetzt worden. Es fehlt aber an allen Ecken  und Enden. Unsere Pflicht ist es, mit Aufbietung unserer ganzen Kraft dieses  Manko rasch auszugleichen. Die Rolle Russlands in der proletarischen  Weltrevolution ähnelt sehr stark der Rolle, die Frankreich in der bürgerlichen  Weltrevolution gespielt hat. Wie damals Frankreich, so hat diesmal Russland die  meisten Opfer bringen und die Hauptlast des sozialen und politischen Kampfes  tragen müssen. Wie damals Frankreich, so hat Russland den schwersten Teil des  Kampfes ertragen und die größten Verwüstungen und Zerstörungen erlitten.  Mitteleuropa, das in einer früheren Revolution, im Zeitalter der Bauernkriege  und der Reformation, einmal eine ähnliche Rolle spielte, ist heute Nutznießer  der harten Kämpfe in Russland, wie es nach 1789 Nutznießer der französischen  Revolution war, deren bleibende Erfolge auch dem mitteleuropäischen Bürgertum  zugute kamen. Wir leben aber heute im Zeitalter der Solidarität und erkennen  daher die besondere Pflicht, die uns daraus erwächst: Zurückstellung aller  Sonderinteressen! Alle Kraft für die Wiederherstellung und die  Industrialisierung Russlands!
  Unser Kampfruf lautet immer wieder: Rationalisierung und Steigerung der  Produktion.
  Dadurch helfen wir uns. Damit helfen wir Russland und damit wieder uns. In  dieser Erkenntnis und in unsrer gesteigerten Arbeit manifestiert sich am  deutlichsten der ungeheure Unterschied zwischen den Jahren 1789 und 1919.
  Vorwärts - 11. August 1919
Mehr produzieren! Schärfer rationalisieren!
  Erste Wirtschaftssiege!
  Stabilisierungsanleihe
  Der Brennstoffmangel beseitigt!
Es geht vorwärts auf allen Fronten. In Mitteleuropa haben wir dank unserer  rücksichtslos scharfen Maßnahmen und der unermüdlichen Aufklärungsarbeit  unserer Funktionäre die Vorkriegsproduktivität auch pro Kopf und Schicht  erreicht. Eine neue Million von zugewanderten Russen ist in Deutschland,  Frankreich, Belgien, England und Skandinavien in die Produktion eingereiht  worden. Mit unserer Hilfe wurden die wichtigsten Betriebe Russlands so weit  wieder hergestellt, dass man noch in diesem Jahre die Gesamtproduktion der  Vorkriegszeit für das letzte Vierteljahr zu erreichen hofft. Die rumänischen  und kaukasischen Erdölgebiete werden noch in diesem Jahr (allerdings mit einer  stark vermehrten Belegschaft) die Vorkriegsproduktion erreichen. Die ersten  größeren Kohlentransporte aus Spitzbergen sind in Archangelsk und Murmansk und  in den Ostseehäfen eingetroffen. Den Kohlenbedarf Süd- und Mittelitaliens sowie  den vorübergehenden Zuschussbedarf der Schwarzmeergebiete deckt England. Den  Zuschussbedarf Frankreichs und Norditaliens liefert das Ruhrgebiet. In  Oberschlesien wird mit Hochdruck an der Erweiterung der Produktionsanlagen  gearbeitet. Zur Zeit werden Notbaracken für hunderttausend neue polnische  Arbeiter errichtet. Im mesopotamischen Erdölgebiet sind umfangreiche Arbeiten  neu in Angriff genommen worden. Die Baumwollanbaufläche in Indien soll im  nächsten Jahre um 30%, in Turkestan sogar um über 100% gesteigert werden. Die  Vergrößerung der Kaffeeanbaufläche auf den Südseeinseln soll vorläufig  zurückgestellt werden, da das amerikanisch-brasilianische Kaffeekomitee uns  gegen Abschluss eines langjährigen Abnahmevertrages ganz bedeutende  Preisermäßigungen und langfristige Kredite zugestanden hat. Die hierdurch  freiwerdenden Summen sollen für die Forcierung des Eisenbahnbaus in Indien  verwandt werden, der vom englischen Eisentrust durchgeführt wird. Deutschland  soll noch in diesem Jahre die größten Lücken in der Bagdadbahn ausfüllen, die  Vorarbeiten für den persischen Bahnbau in Angriff nehmen und mit dem Bau einer  Teilstrecke der sibirisch-turkestanischen Eisenbahn beginnen. In Osteuropa  wurden bereits 3oo km neuer Eisenbahnen gebaut. 800 km sind in Angriff  genommen, 2000 km sind das Ziel für dieses Jahr.
  Der Bau von über hundert Elektrizitätswerken ist im Gange. Einige tausend  Kilometer von Landstraßen sind bereits wiederhergestellt worden. Über 1000 km  neuer Landstraßen nach dem Osten sind bereits fertig, zehntausende sollen in  den nächsten Monaten fertig werden. Das ist nur ein ganz kleiner Teil unseres  Arbeitsprogramms.
Die Finanzierung dieser Arbeiten
  ist nur möglich, wenn wir trotz Steigerung der Produktion an dem Lohnschema vom  ersten Mai festhalten. Eine Anzahl von Gewerkschaften fordert die sofortige  Einführung des Friedenslohns und die Senkung der Mieten. Das ist eine unsinnige  und schädliche Forderung, der wir aufs schärfste entgegentreten. Wenn wir noch  in diesem Jahre trotz unzähliger sozialer Verbesserungen, trotz verkürzter  Arbeitszeit, trotz Kriegs- und Revolutionsfolgen, den Vorkriegslohn erreichen,  so ist dies eine ganz gewaltige Errungenschaft. Aber das wird nur dann der Fall  sein, wenn wir weiterhin die Produktion von Monat zu Monat steigern und ohne  Rücksicht auf Traditionen und veraltete Vorrechte die schärfsten  Rationalisierungsmaßnahmen durchführen. Die bisher nur oberflächlich  durchgeführte Reorganisation des Behördenapparats hat 200000 neue Arbeitskräfte  freigemacht. Durch die Rationalisierung des Bank- und Versicherungsapparates  haben wir 5o 000 neue Arbeitskräfte teils gewonnen, teils durch Frauen ersetzt.  Die Zusammenlegung und Vereinfachung der Sozialversicherung brachte uns weitere  20000 neue Arbeitskräfte. Das ist aber erst der Anfang. Wir müssen noch viel  mehr rationalisieren, noch viel mehr Arbeitskräfte freisetzen. Für den nächsten  Monat werden wieder über 100000 Arbeitskräfte angefordert. Wir können nicht  dauernd neue Menschen aus Russland importieren und in Notbaracken unterbringen,  wir müssen uns daran gewöhnen, unsern Menschenbedarf selbst zu decken. Unser  Verteilungsapparat ist zu teuer und viel zu schwerfällig. Er muss vereinfacht  werden. Sehr viel Arbeit, die von Angestellten verrichtet wird, könnte nach  gründlicher Rationalisierung ehrenamtlich geleistet werden. Wenn wir auf diesem  Gebiete hunderttausend Menschen einsparen, so ist das für uns zehnmal mehr  wert, als wenn wir die Löhne vorzeitig um 10% erhöhen würden. Das wird und muss  jeder vernünftige Mensch einsehen. Der erste Schritt auf diesem Wege wird  bereits am 1. September getan. Die Wochenlöhne werden von diesem Tage ab in  allen größeren Betrieben nicht mehr an einem bestimmten Wochentag, sondern für  je ein Sechstel der Belegschaft getrennt an allen Werktagen gezahlt. Dann hört  die Überfüllung der Läden und Verteilungsstellen in den letzten Wochentagen  auf. Die Arbeit verteilt sich gleichmäßig auf alle Tage. Je nach Lage der Dinge  können in den einzelnen Orten die Verteilungsstellen oder die Belegschaften  verringert werden. Voraussetzung für die Fortsetzung der  Rationalisierungsmaßnahmen und für die Erweiterung der Produktion ist aber, dass  genügend Spielraum in finanzieller Hinsicht vorhanden ist.
Eine Stabilisierungsanleihe
  soll ab 1. September zur Zeichnung aufliegen. Ab 1. September werden 90% der  Vorkriegslöhne gezahlt. Damit ist die größte Not im Arbeiterhaushalt behoben.  Ein Teil der Arbeiterschaft wird auch dann noch Mühe haben auszukommen. Jeder  Proletarier aber, der es irgend kann, ist moralisch verpflichtet,  Stabilisierungsanleihe zu zeichnen und sich die Teilbeträge bis Ende Dezember  vom Lohn abziehen zu lassen. Ganz besonders aber gilt dies für die Familien, in  denen auch die Frau und die älteren Kinder mitarbeiten. Wir bauen unser eigenes  Unternehmen auf, das größte Unternehmen, das es jemals in der Weltgeschichte  gegeben hat. Dieses Unternehmen soll uns später einmal ungeheuren Nutzen  bringen. Es ist also nur natürlich, dass wir alle zunächst einmal Opfer  bringen. Die Kapitalisten haben ihre Unternehmen aufgebaut durch die Mehrarbeit  der Proletarier. Eine andere Quelle haben wir zunächst auch nicht. Aber wir  wollen diese Mehrarbeit über den eigentlichen Konsum hinaus freiwillig leisten,  denn wir wissen ja, dass wir später selbst die Nutznießer dieser Mehrarbeit  sein werden. Unterstützt deshalb alle die Kampagne für die  Stabilisierungsanleihe! Diese Kampagne muss mit unerhörter Wucht geführt  werden, in den Belegschaften, in den Gewerkschaften, in den Arbeiterklubs und  in allen sonstigen Arbeitervereinen. In den Konsumvereinen ist allerstärkste  Propaganda dafür zu machen, dass jedes Mitglied bis zum Ende des Jahres seinen  vollen Anteil von 50 Mark einzahlt. Auch damit dient er der Allgemeinheit.
  Das Gebot der Stunde ist:
  Rationalisieren! Mehr produzieren! Sparen!
  Vorwärts - 15. September 1919
Rationalisieren! Sparen!
  Getreidemangel in Russland
  Schränkt den Verbrauch ein! Propagiert die Warenkampagne!
Mit dem Ende des Kriegskommunismus in Russland hat auch die zwangsweise  Aufbringung von Getreide aufgehört. Der russische Bauer bekommt seine  Erzeugnisse jetzt bezahlt. Er weigert sich aber in vielen Fällen, seine Waren  gegen Geld herzugeben, da er sich oft nichts dafür kaufen kann. In Russland  besteht furchtbarer Mangel an Waren aller Art. Diesen Mangel hat zwar die  Zufuhr aus Westeuropa etwas gemildert, aber noch lange nicht behoben. Die  aufgeklärten russischen Proletarier besitzen genug Selbstzucht, um auf alles  Entbehrliche vorläufig zu verzichten; die russischen Bauern dagegen bleiben  lieber auf ihren Vorräten sitzen oder bauen nur so viel an, wie sie selbst  brauchen, solange sie im Austausch gegen ihre Erzeugnisse nicht andere Waren  erhalten. Unsere Aufgabe ist es, diese Waren aufzubringen. Wir setzen das feste  Vertrauen in die westeuropäischen Proletarier, dass sie die neue Aufgabe lösen,  damit wir im nächsten Jahre genügend Brotgetreide haben und den kostspieligen  Apparat der Zwangswirtschaft abbauen können. Wir müssen den russischen Bauern  erst einmal für viele Milliarden Mark Waren liefern, damit sie so viel Getreide  wie möglich abliefern und die Anbaufläche für die nächste Ernte so weit wie  möglich vergrößern. Wenn sie erst einmal sehen, dass sie für das neue Geld auch  wirklich die Waren bekommen, die sie brauchen, so werden sie bald auch gegen  Geld verkaufen. Wie können wir unsere neue Aufgabe lösen?
  1. Durch massenhafte Aufbringung von Waren in natura.
  2. Indem wir unseren Konsum einschränken und dafür Stabilisierungsanleihe  zeichnen.
  Zu 1. In Russland herrscht zur Zeit ein fast primitiver Tauschverkehr. Es fehlt  an allem, aber auch an allem. Deshalb werden wir in Westeuropa alle Waren  sammeln, die irgendwie entbehrlich sind. Die Mitglieder der Partei und der  Arbeiterjugend werden von Haus zu Haus gehen und sammeln. Alles, aber auch  alles soll dabei angenommen werden. Haushalts- und Wirtschaftsgegenstände  ebenso wiegebrauchte Werkzeuge und Bekleidungsgegenstände und vor allem Schuhwerk,  auch gebrauchtes. Ein Volk von 150 Millionen muss mit allem versehen werden,  was es überhaupt gibt. Dazu kann und soll jeder sein Scherflein beitragen.
  Zu 2. Wir werden dem russischen Bauern vor allem Düngemittel, Maschinen,  Bekleidung und Werkzeuge liefern. Er soll sehen, dass er seine Erzeugnisse für  Geld verkaufen kann und dass er für dieses Geld alle Waren kaufen kann, die er  haben will. Das ist zunächst der einzige Weg, um ihn zur Mehrproduktion zu  veranlassen. Viele Jahre wird es dauern, ehe der russische Bauer so weit  aufgeklärt ist, dass er sozialistisch denken kann. So lange müssen wir ihn bei  seinem Egoismus packen. Wir brauchen über diese altmodische Denkweise nicht  einmal zu lächeln. Sehen wir uns doch einmal bei unseren eigenen Bauern um.  Aber wir brauchen nicht einmal so weit zu gehen: Auch in unseren eigenen Reihen  gibt es noch genug asoziale Elemente, wie uns die Augustbewegung für sofortige  Lohnerhöhung bewiesen hat, an der sich sogar prominente Gewerkschaftler und  Parteigenossen beteiligten (die inzwischen allerdings wegen Disziplinbruchs  bestraft und aus der Partei ausgeschlossen wurden).
  Das bisherige Ergebnis der Stabilisierungsanleihe beweist uns, dass die  Mehrzahl der europäischen Proletarier bereits sozialistisch denkt. In Deutschland  allein sind schon über drei Milliarden gezeichnet worden. Dieser Betrag muss  aber angesichts der neuen Aufgabe verdoppelt werden. Also Genossen, noch einmal  ans Werk! Jedes Haus, jede Wohnung, jede Werkstatt muss noch einmal  abgeklappert werden. Auch dem Einfältigsten muss es einleuchten, dass es sich  lohnt, eine kleine Verbrauchseinschränkung bis Ende dieses Jahres zu ertragen,  damit baldmöglichst genügend Lebensmittel vorhanden sind.
  Lohnerhöhungen über 100% des Vorkriegslohns hinaus sowie Arbeitszeitverkürzungen  dürfen in diesem Jahre auf keinen Fall mehr erfolgen. Andrerseits darf ab 1.  Dezember in keinem öffentlichen oder privaten Betriebe weniger als 3,5o Mark  für den vollen Arbeitstag gezahlt werden. Zuwiderhandlungen von  privatkapitalistischer Seite werden außer mit Gefängnis mit Einziehung des  Vermögens bestraft.
  Von morgen ab erhält die Belegschaft verschiedener gutgeleiteter Werke trotz  Siebenstundentag den Vorkriegslohn. Alle Parteigenossen, die in solchen  Betrieben arbeiten, müssen laut Parteibeschluss, ebenso wie alle anderen  Parteigenossen, die mehr als 150 Mark verdienen, mindestens 20% ihres Lohnes  bis Ende des Jahres in Stabilisierungsanleihe anlegen. Wer damit nicht  einverstanden ist, mag aus der Partei austreten. Auf die Arbeiter, die nicht  Parteimitglied sind, wollen wir keinen unmittelbaren Druck ausüben. Wir  erklären jedoch heute schon, dass wir künftig niemand in die Partei aufnehmen  werden, der in schweren Tagen nicht seine Pflicht getan hat. Wir verlangen  viel, gewiss, die Partei wird sich nicht beliebt machen mit solchen  Beschlüssen. Aber darauf kommt es auch nicht an. Es kommt einzig und allein  darauf an, dass die Stabilisierung nicht gefährdet wird und die ungeheuren  Arbeiten, die wir begonnen haben, ungestört ihren Fortgang nehmen können.
  Vorwärts - 9. November 1919
Rationalisieren! Mehr produzieren! Sparen!
  Ein Jahr Deutsche Revolution
Heute vor einem Jahr flatterten zum ersten Mal die roten Fahnen über dem  befreiten Berlin. Heute vor einem Jahr reichten wir zum ersten Male den  russischen Revolutionären die Bruderhand und gaben damit das Signal zur  Weltrevolution. Voll Stolz können wir heute sagen, dass der Sieg der  Weltrevolution vom deutschen Proletariat entschieden wurde. Wie traurig würde  wohl heute die Welt aussehen, wenn wir damals den Reformisten und Opportunisten  das Heft in der Hand gelassen und vor der Entente kapituliert hätten.  Vielleicht könnten wir in diesem Jahre etwas leichter leben. Viele Kämpfe und  Entbehrungen wären uns vielleicht erspart geblieben. Aber was wäre aus der  Revolution, was wäre aus Russland geworden? Russland ist heute immer noch unser  wirtschaftlich schwächster Punkt. Wir freuen uns, dass wir Russland heute nicht  mehr wie vor einem Jahre mit Soldaten und Maschinengewehren, sondern mit  Maschinen, Lokomotiven, Waggons, Automobilen und Traktoren sowie mit sonstigen  Waren aller Art helfen können. Der Erfolg wird derselbe sein wie damals. Unsere  erste revolutionäre Tat vor einem Jahre war die Sprengung des eisernen Ringes,  den der auch im Kriege internationale Kapitalismus um das rote Russland gelegt  hatte. Eineinhalb Monate später brachten die Helden der russischen roten Armee  an der Oder die Entscheidung im militärischen Endkampf mit dem Kapitalismus.  Zehntausend deutsche, englische, französische, belgische und italienische  Traktoren defilierten vorgestern am zweiten Jahrestage der Oktoberrevolution in  den Straßen Moskaus und Petrograds und wurden von den revolutionären russischen  Arbeitern mit endlosem Beifall empfangen. Von Breslau aus gehen heute wieder  100 neue Lokomotiven und 2000 neue vollbeladene Waggons nach Russland ab.  Morgen werden wieder 10000 neue Traktoren auf ihrem Wege nach Russland durch  die Linden" ziehen. Und am 27. Dezember, am Tage der Weltrevolution,  werden auch in Paris, London und Mailand je 10000 Traktoren aufmarschieren, die  für Russland bestimmt sind. Im Nordkaukasus und in Sibirien sind bereits die  ersten großen Getreidefabriken entstanden. Die Getreidefabrik „Gigant"  z.B. arbeitet mit 600 Traktoren und 1500 Traktorenführern. (Zehntausend solcher  Getreidefabriken, — und unsere Nahrungsmittelsorgen sind für immer behoben.)  Solche Erfolge beweisen, dass die großen Opfer des ersten Revolutionsjahres  nicht umsonst gebracht wurden. In diesem Jahre war die Arbeit in ganz Europa auf  die Hilfsmaßnahmen für Russland konzentriert. Alles wetteiferte, um dem  Mutterland der Revolution, das die schwersten Opfer gebracht hat und  wirtschaftlich am rückständigsten ist, seinen Dank abzustatten. Im nächsten  Jahre aber beginnt die Arbeitsteilung. England, Südfrankreich und Italien  scheiden ab 1.Januar aus dieser Front aus. Die Wirtschaftshilfe für Russland  wird im nächsten Jahre fast gänzlich der Nordeuropäischen Föderation überlassen  bleiben. Wir sollen im nächsten Jahre für 6 Milliarden Mark Waren mehr nach  Russland liefern, als wir von Russland erhalten. Das ist aber nur ein geringer  Bruchteil der Summe, welche wir über die Konsumtion hinaus aufbringen müssen.  Allein für Reparationsarbeiten sind über 3 Milliarden Mark im Etat der  Nordeuropäischen Föderation eingesetzt. Ungefähr 5 Milliarden Mark sind für  Neuanlagen vorgesehen, für 6 Milliarden Waren sollen wir über die Einfuhr  hinaus an die Mittelmeerföderation, an die Donauföderation sowie nach  Kleinasien, Mesopotamien, Indien und China abgeben. Von den amerikanischen  Lieferungen erhalten wir dagegen nur geringe Bruchteile. Der Hauptteil soll  nach Sibirien, China. Indien und Australien gehen. Wir sind also fast ganz auf  unsere eigene Kraft angewiesen, und dennoch werden wir beweisen, dass wir das gesteckte  Ziel nicht nur erreichen, sondern sogar überholen können. Ohne Opfer wird es  auch im nächsten Jahre nicht gehen. Aber wir haben im ersten Revolutionsjahre  gezeigt, dass die sozialistische Idee uns Opfer wert ist. Anders hätten wir den  Stand von heute in Jahren noch nicht erreicht.
  Heute am Jahrestage der Revolution wird in vielen Betrieben der  Siebenstundentag (Achtstundentag mit einstündiger Unterbrechung) eingeführt.  Eine Anzahl von lebenswichtigen Betrieben geht ab morgen zur vierfachen ununterbrochenen  Sechsstundenschicht über. Der Kampf für schärfste Anspannung aller Kräfte, für  rücksichtslosen Abbau aller entbehrlichen Stellen, für Steigerung der  Arbeitsleistung und der Produktion, für Senkung der Gestehungskosten wird  fortgesetzt, auch wenn vorläufig keine sichtbaren Erfolge für den einzelnen  Arbeiter mehr eintreten. Der Vorkriegstageslohn darf bis zum Ende dieses Jahres  nur von den Arbeiterkategorien überschritten werden, die früher weniger als 4  Mark im Tag bekamen. Die Einführung des Sechsstundentages darf nur in solchen  Betrieben erfolgen, in denen alle Arbeitsmöglichkeiten im Dreischichtensystem  restlos erschöpft sind und in denen bei Einführung des Vierschichtensystems  eine wesentliche Steigerung der Produktion eintritt. Die Stabilisierungsanleihe  hat in Deutschland allein fast fünf Milliarden Mark aufgebracht. Die Propaganda  der Sozialisierungsanleihe für das Jahr 1920 muss sofort beginnen.
  So feiern wir den ersten Jahrestag der deutschen Revolution !
  Vorwärts - 15. Dezember 1919
Alle Kräfte angespannt:
  Die Produktion des Jahres 1918 muss erreicht werden!
Als Erfolg unserer unermüdlichen Anstrengungen können wir feststellen, dass  die durchschnittliche Tagesproduktion pro Kopf des beschäftigten Arbeiters  trotz verkürzter Arbeitszeit auf über 120% der Vorkriegsproduktion gestiegen  ist. Wir können annehmen, dass infolge der Umstellung der Produktion, des  rücksichtslosen Abbaus überflüssiger Kräfte, der Rationalisierung und  weitgehender Arbeitsteilung sowie infolge der Einreihung von Millionen  Arbeitskräften in den Arbeitsprozess der Tageswert unserer Produktion jetzt  schon das anderthalbfache der Vorkriegsproduktion übertrifft. Die  Gesamtproduktion des Jahres 13 ist jedoch noch nicht erreicht, da wir im ersten  Halbjahr viel weniger produziert haben als vor dem Kriege. Das ist in  Anbetracht der damals herrschenden Zustände zu entschuldigen. Alle alten  Staaten haben aber vom Zentralwirtschaftsrat der S. U. die Anweisung erhalten,  dass sie bis zum 31.Dezember unter allen Umständen die industrielle  Vorkriegsjahresproduktion erreichen müssen, und dass die landwirtschaftliche  Anbaufläche auf Vorkriegshöhe zu bringen ist. Wir sind in Deutschland nicht  mehr sehr weit von diesem Ziel entfernt. Jeder Funktionär muss noch einmal in  seinem Betriebe nachprüfen, ob nicht noch eine Arbeitsstelle eingespart werden  kann, ob nicht noch eine Rationalisierungsmöglichkeit vorhanden ist, ob nicht  durch arbeits- und kräftesparende Methoden noch eine Leistungssteigerung oder  eine weitere Senkung der Gestehungskosten erreicht werden kann. Eine Anzahl  größerer Betriebe leistet am nächsten Sonntag und am zweiten Weihnachtstag  unbezahlte Überstunden. In den Lenin-Luxemburg-Werken in Breslau, deren  Belegschaft schon seit langem in vier Sechsstundenschichten arbeitet, wird schon  seit September von jeder Schicht an einem Sonntag im Monat eine unbezahlte  Achtstundenschicht geleistet. Das Werk hat den ersten Preis im sozialistischen  Wettbewerb gewonnen. Der Volkswirtschaftsrat hat dem L.L.W.-Club gestern das  Schloss Fürstenstein (ehemaliger Besitz des Fürsten Pleß) mit sämtlichem Land-  und Forstbesitz und dem erstklassigen Marstall übereignet. Das Schloss wird als  Wochenendheim für die L.L.W.-Arbeiter eingerichtet und soll in den Wochentagen  je einer Abteilung von Frauen und Kindern der L. L.W.-Arbeiter als  Erholungsaufenthalt dienen. Der L. L. W.Klub, der bereits 2 Schlösser  (Krieblowitz und Pilsnitz) sowie 5 Landheime im Riesen-, Iser- und Glatzer  Gebirge besitzt, übernimmt die Rennbahn Hartlieb in eigene Verwaltung und plant  größere Neubauten. Auch im nächsten
  Jahr soll allmonatlich eine unbezahlte Sonntagsschicht geleistet werden. Ein  Drittel des Ertrages soll dem sozialistischen Akkumulationsfonds zugeführt, ein  Drittel in Sozialisierungsanleihe angelegt und das letzte Drittel zur  Finanzierung der elektrischen Schnellbahn Breslau—Zobten verwandt werden, wo an  den waldigen Hängen des Zobtenberges eine vorbildliche Arbeitersiedlung  entsteht. Die Belegschaft der L. L. W. soll in den nächsten Jahren auf über  100000 Mann vermehrt werden. Der L..L.W.-Klub, der bereits die Patenschaft und  Industrialisierung einer Anzahl von Dörfern übernommen hat, soll außerdem ab 1.  Januar die Selbstverwaltung von 10 großen Gütern in der Umgebung von Breslau  übernehmen. Wir gratulieren den Breslauer Arbeitern zu ihrem Erfolg. Es ist  ihnen gelungen, ihre Konkurrenten im sozialistischen Wettbewerb zu schlagen.  Wir hoffen, dass sie nach diesem Erfolg nicht müde werden und ihre  Anstrengungen im nächsten Jahre verdoppeln. Breslau, unser Ausfallstor nach Osten  und Südosten, soll in den nächsten fünf Jahren eine Zweimillionenstadt werden.  Eine gewaltige Arbeit ist also noch zu leisten, Breslauer Genossen. Euer Start  war gut. Haltet aus! Nur in härtester Arbeit wird es euch gelingen, die Spitze  im sozialistischen Wettbewerb zu halten. Alle Städte und alle Betriebe der  Nordeuropäischen Föderation werden im nächsten Jahre wetteifern, euch zu  übertreffen. Das nächste Ziel aber ist: Die Produktion des Jahres 13 muss  erreicht werden!
  Vorwärts - 31. Dezember 1919
Rationalisieren! Mehr produzieren! Sparen!
  Das Ende der Nationalstaaten
Mit dem heutigen Tage hören die alten Nationalstaaten auf zu existieren. Der  größte Teil Deutschlands gehört von morgen ab zur Nord-Europäischen Föderation.  Damit wird eine neue, gewaltige Rationalisierung unserer gesamten Wirtschaft  eintreten. Über 1000 veraltete Betriebe werden allein im ehemaligen Deutschland  stillgelegt. Etwa die Hälfte davon soll umgestellt und gründlich rationalisiert  werden. In vielen modernen Betrieben wird vom 2. Januar ab in vier  Sechsstundenschichten gearbeitet. Man schätzt, dass mit der Auflösung der alten  Staatsapparate im Bereiche unserer Föderation heute ungefähr 130000 Menschen  für produktive Beschäftigung freigeworden sind. Ebensoviele werden noch nach  Abschluss der Abwicklungsarbeiten zur Verfügung stehen. Die fast völlige  Auflösung des Apparates der Sozialversicherungsträger wird uns ebenfalls  wertvolle neue Arbeitskräfte bringen. Ebenso der Abbau in unserem  Verteilungsapparat.
  Sehr viel muss aber noch getan werden, um den Abbau der Beamteninflation in den  Rathäusern der kleinen und mittleren Städte zu beschleunigen. Der  Sechsstundentag gibt uns die Möglichkeit, eine ganze Anzahl von  Selbstverwaltungsarbeiten ehrenamtlich erledigen zu lassen. Fast 75% der früher  in den Gemeindebüros erledigten Arbeiten ist vollständig überflüssig geworden.  Wohlfahrtsunterstützungen werden nur noch in wenigen, schlecht geleiteten  deutschen Städten gezahlt. Überall sonst sind die arbeitsfähigen  Unterstützungsempfänger wieder in die Produktion eingereiht worden. Nur die  ständig Arbeitsunfähigen erhalten eine festgesetzte Dauerrente. Die  Steuerreform setzt ebenfalls viele tausend Arbeitskräfte frei. Auch der Apparat  zur Liquidierung des Krieges wird zum größten Teil aufgelöst. Alle  Kriegsbeschädigten mit einer Erwerbsfähigkeitsminderung bis zu 50% sind im  Verlauf der Rationalisierungsarbeiten an geeignete Arbeitsplätze gestellt  worden, die sie voll ausfüllen können. Sie erhalten für die Dauer eines Jahres  noch einen festen Umlernungszuschlag. Im allgemeinen kann gesagt werden, dass  unsere Parole „Arbeit, nicht Unterstützung" in vollem Umfange befolgt  worden ist. Zur Durchführung dieser großen Aufgabe haben wir zwar das  Lohnniveau etwas niedriger gehalten, als sonst notwendig gewesen wäre. Wir  waren hart, manchmal sogar grausam. Fast tausend Saboteure mussten im letzten  Jahre erschossen werden. Aber wir haben auch Gewaltiges erreicht: fast alle  arbeitsfähigen Menschen verrichten jetzt eine gesellschaftlich notwendige  Arbeit. Die Jahresproduktion des Jahres 1913 wurde überschritten. Darauf können  wir mit Recht stolz sein, wenn wir von morgen ab in dem neuen größeren Verband  aufgehen. Aber auch im nächsten Jahre wird die Parole lauten: Rationalisieren!  Mehr produzieren! Sparen!
Sondernummer – Vorwärts - 1. Januar 1920
Wirtschaft und Arbeit in der N.E.F.
Wir haben eine Anzahl leitender Genossen aufgefordert, über die wichtigsten Einrichtungen und Maßnahmen der N. E. F. auf wirtschaftlichem und sozialpolitischem Gebiet zu berichten. Die eingegangenen Antworten sind in vorliegender Sondernummer zusammengefasst:
Die Sozialversicherung
  Die Reorganisation der Sozialversicherung ist abgeschlossen. Wir leugnen nicht,  dass die Neuregelung für viele früher privilegierte Arbeiterschichten  vorübergehend eine Verschlechterung bedeutet. Alle Arbeitnehmer müssen jetzt  10% ihres vollen Lohnes als Sozialversicherungsbeitrag zahlen. Derselbe Betrag  ist von den sozialisierten Unternehmungen bzw. von den privaten Arbeitgebern zu  zahlen. Die Alters- und Unfallrenten sind bedeutend erhöht worden.  Heilbehandlung und Medikamente sind für alle Angehörigen der werktätigen Klasse  vollkommen frei. Die Lauferei nach dem Krankenschein hat aufgehört. Die  Verwaltungskosten, die fast 10% der Betriebseinnahmen verzehrten, wurden auf 1%  heruntergedrückt. Jugendliche stehen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres  unter regelmäßiger ärztlicher Aufsicht. Da das Krankengeld in Höhe von 70 bis  90% des Verdienstes bis zur Dauer von 6 Monaten vom Werk bzw. vom  Privatarbeitgeber gezahlt werden muss, da außerdem in diesem Jahre die  Altersgrenze von 65 Jahren infolge des Arbeitermangels noch aufrechterhalten  bleibt, wird die Gesamtheit der Arbeitnehmer in diesem Jahre an Beiträgen weit  mehr aufbringen als sie an Leistungen erhält. Der Beitragsüberschuss der  Sozialversicherung der N.E.F. wird in diesem Jahre voraussichtlich 1,4  Milliarden Goldmark betragen. Sie wird bedeutend weniger ausgeben als  einnehmen. Warum? Zum Zweck der Kapitalbildung? Gibt es dafür nicht geeignetere  Objekte? Gewiss, aber wir müssen jede Möglichkeit der Kapitalbildung  wahrnehmen. Wenn wir gerade auf dem Gebiete der Sozialversicherung so krasse  Maßnahmen anwenden, so hat dies einen besonderen Zweck. Wir wollen hierdurch nicht  etwa indirekt die Einkommensteuer wieder einführen, die für alle Werktätigen  mit weniger als 200 Mark Monatseinkommen aufgehoben ist. Wir wollen aber in  diesen ersten Jahren der stärksten Kapitalknappheit, in den Jahren, in denen  wir Milliarden und aber Milliarden in neue Werke hineinstecken müssen, die erst  viel später eine Erhöhung des individuellen Konsums ermöglichen, jährlich  größere Summen aus der Sozialversicherung für produktive Zwecke entnehmen, um  sie später doppelt und dreifach zurückzuzahlen. Vom 1. Januar 1921 ab werden  die Altersrenten jährlich um 10% erhöht, die Altersgrenze alljährlich um ein  Jahr herabgesetzt. Bald tritt dann der Zeitpunkt ein, an dem die Einnahmen  vielleicht nicht mehr genügen, um die gesteigerten Ausgaben zu decken. Bis dahin  aber ist die Industrialisierung der Welt einen großen Schritt weiter gekommen.  (Vorausgesetzt natürlich, dass wir das Tempo unserer Arbeit nach wie vor  beschleunigen und die Löhne nicht übereilt erhöhen.) Dann können die  Rückzahlungen an die Sozialversicherung beginnen. Heute und morgen aber müssen  wir jede Möglichkeit der Kapitalbildung ausnützen, auch wenn sie im ersten  Augenblick unsozial erscheint.
Die Konsumgenossenschaften
  Das Netz der Konsumgenossenschaften in der N.E.F. ist jetzt fast restlos ausgebaut.  Ungefähr 90% der städtischen und 50% der ländlichen Bevölkerung werden von den  Konsumgenossenschaften erfasst. Durch Dekret des Volkswirtschaftsrates der N.  E. F. werden den Konsumgenossenschaften im nächsten Jahre ganz bedeutende  Vergünstigungen zugestanden. Alle gemeinnützigen Konsumgenossenschaften haben  in diesem Jahre keinerlei Abgaben (mit Ausnahme der Sozialbeiträge) zu leisten.  Diese Vergünstigung genießen jedoch nur diejenigen Genossenschaften, die  folgende Bedingungen voll erfüllen:
  1. Die Genossenschaften fördern mit allen Kräften die Akkumulation von  Sozialkapital.
  2. Es werden keine Gewinnanteile ausgeschüttet (auch nicht für das abgelaufene  Jahr).
  3. Der Genossenschaftsanteil wird auf mindestens hundert Goldmark festgesetzt  und muss in Wochenraten im Laufe des Jahres 1920 eingezahlt werden. Da die  meisten Genossenschafter bereits 5o Mark Genossenschaftsanteil eingezahlt  haben, wird also in den meisten Fällen wöchentlich noch eine Mark einzuzahlen  sein.
  4. Genossenschafter ist jeder werktätige Mann und jede werktätige Frau.  Doppelmitgliedschaften in Familien mit mehreren werktätigen Personen sind also  nicht nur zulässig, sondern sogar Pflicht. Alle Genossenschaften bzw.  Genossenschaftsverbände erhalten (soweit dies noch nicht geschehen ist) von  Staats wegen so viel Produktionseinrichtungen zinslos zugewiesen, dass auf den  Kopf des Mitgliedes ungefähr 10 Goldmark entfallen. Alle weiteren Kredite  müssen von der Genossenschaft bzw. vom Genossenschaftsverband möglichst bald  aus Eigenkapital oder Spargeldern an die Zentralbank der N.E.F. zurückbezahlt  oder mit 6% verzinst werden.
  5. Die Genossenschaften sind Bestandteile der sozialistischen Planwirtschaft.  Sie übernehmen alle Aufgaben, die ihnen von den Planwirtschaftskommissionen  zugewiesen werden. Die Genossenschaft haftet solidarisch für alle Schäden, die  durch unnötige, d. h. bei sorgfältiger Disposition vermeidbare Produktions- und  Transportumwege entstehen.
  6. Zweck der Genossenschaft ist die möglichst spesenlose Verteilung aller Waren  auf dem kürzesten Wege an die Einzelmitglieder und korporativen Mitglieder  (Arbeiterklubs, Kommunen, Gewerkschaften, Betriebsbelegschaften usw.) Die  Großhandelspreise sind gesetzlich vorgeschrieben. Der beste Konsumverein ist  jener, der die meisten Waren unter möglichst weitgehender Ausschaltung  bezahlter Arbeit mit möglichst geringem Aufschlag auf den Großhandels- oder  Gestehungspreis an die Mitglieder oder Unterabteilungen weiterleitet. Die  Konsumvereine sind jedoch verpflichtet, ihre Eigenproduktion in den nächsten  drei Jahren soweit auszubauen, dass sie in der Lage sind, ihre Mitglieder mit  Frischmilch, Frischfleisch und Backwaren aus eigenen Betrieben zu versehen.  Wenn die von Staats wegen zugewiesenen Betriebe hierfür nicht ausreichen und  der fehlende Bedarf an Produktionseinrichtungen mit dem verfügbaren  Genossenschaftskapital und den zulässigen Krediten nicht gedeckt werden kann,  muss der Genossenschaftsanteil erhöht werden.
  7. Die Genossenschaften sind verpflichtet, alle Kleinhändler und kleinen Gewerbetreibenden,  die in der Genossenschaft aufgehen wollen, aufzunehmen und solange zu  beschäftigen, bis ihnen eine andere produktive Beschäftigung zugewiesen wird.  Eine Abfindungssumme für Aufgabe des Geschäftes darf im Regelfalle nicht  gezahlt werden. Bis zur Höhe von 10000 Mark sind jedoch alle  Einrichtungsgegenstände und einwandfreien Waren zu übernehmen. Die  Einrichtungsgegenstände können je nach Beschaffenheit mit 10 bis maximal 80%  des Anschaffungswertes veranschlagt werden. Die Waren sind mit 90% des Großhandelspreises  zu bewerten. Die Bezahlung erfolgt nicht in bar, sondern in  Sozialisierungsanleihe, die von dem neuen Genossenschafter in voller Höhe des  Kaufpreises gezeichnet und vom aufnehmenden Konsumverein an die  Anleiheausgabestelle bezahlt werden muss. Restbeträge unter 100 Mark können in  bar ausgezahlt werden.
  8. Die Genossenschaften beteiligen sich mit 30% ihres Eigenkapitals an den  Bezirksgenossenschaftsverbänden.
Die Bezirksgenossenschaftsverbände
  werden für je einen Wirtschaftsbezirk gebildet. Ihre Hauptaufgabe ist die  Organisation des Verkehrs zwischen der Z. E. G. und den einzelnen  Genossenschaften und die Organisation des Warenverkehrs zwischen selbständigen  Produktiv- und Konsumgenossenschaften des eigenen Wirtschaftsbezirks. Diese  Tätigkeit soll jedoch möglichst nur vermittelnder Natur sein. Die Hauptaufgabe  des Bezirksverbandes ist nicht die Organisierung eines Apparats zwischen  Produzenten und Konsumenten, sondern im Gegenteil die möglichst restlose  Organisation des Warenverkehrs unter Vermeidung aller Zwischenstufen. Die  Bezirksverbände übernehmen ferner Produktionsaufgaben, die den Rahmen einer  einzelnen Genossenschaft, jedoch nicht den Rahmen des Bezirks überschreiten.  Diese Aufgaben können industrieller, gewerblicher und landwirtschaftlicher  Natur sein. Die Bezirksgenossenschaftsverbände erhalten von Staats wegen  geeignete Produktionseinrichtungen zugewiesen. Bis zur Höhe von 10 Mark pro  Mitglied der angeschlossenen Genossenschaften ist das zugewiesene  Produktionskapital zunächst nicht zu verzinsen. Der diesen Betrag übersteigende  Teil des zugewiesenen Produktionskapitals muss mit 6% verzinst und  baldmöglichst an die Zentralbank der N.E.F. zurückgezahlt werden.
  Die Bezirksverbände organisieren ferner den Warenverkehr zwischen den im Bezirk  gelegenen staatssozialistischen Betrieben und den Genossenschaften.
  Die Bezirksgenossenschaftsverbände entsenden 10 Delegierte in den  Bezirkswirtschaftsrat.
  Die Bezirksverbände haben weiterhin darüber zu wachen, dass keine überflüssigen  Produktions- und Transportumwege innerhalb des Bezirks und im Verkehr mit  anderen Wirtschaftsbezirken eintreten. Alle höheren Funktionäre haften mit dem  150 Mark überschreitenden Teil des Monatseinkommens für alle Schäden, die aus  der Vernachlässigung dieser Pflichten entstehen. Die Schadenhaftung tritt nicht  nur bei böswilligem Verschulden, sondern auch bei Fahrlässigkeit ein. Grobe  Fahrlässigkeit wird bei Nichtparteimitgliedern mit Freiheitsstrafe, bei  Parteigenossen mit Ausschluss und in besonders schweren Fällen mit dem Tode  bestraft.
  Die Bezirksgenossenschaftsverbände beteiligen sich mit der Hälfte ihres  Eigenkapitals an der Zentraleinkaufsgesellschaft.
Die Zentraleinkaufsgesellschaft
  ist die Spitzenorganisation aller Produktions- und Konsumgenossenschaften. Sie  übernimmt gleichzeitig staatliche Aufgaben der N.E.F. und solche  Verwaltungsaufgaben, die durch das Außenhandelsmonopol der S.U. bedingt sind.  Die Z. E. G. ist also Träger des Außenhandelsmonopols der S. U. und zugleich  Verhandlungspartner im Verkehr mit anderen Föderationen oder selbständigen  Wirtschaftsgebieten der S. U. Ein Teil der Bestimmungen für die  Genossenschaften und Bezirksverbände gilt sinngemäß für die Z. E. G. Die Z. E.  G. hat enorme Zuweisungen an Produktions- und Verteilungseinrichtungen  erhalten. Unter anderem sind ihr alle jene Handelsunternehmungen zugewiesen  worden, deren Filialennetz sich seinerzeit über ganze Staaten erstreckte  (Kaisers Kaffee-Geschäft z. B.). Außerdem übernahm sie die Warenhäuser und  Handelsgesellschaften, deren Kapital eine Million Goldmark überstieg. (Die  Handelsbetriebe mit einem Kapital von 10 bis 100000 Goldmark sind den einzelnen  Genossenschaften, die Betriebe mit einem Kapital von 100000 bis 1000000  Goldmark den Bezirksgenossenschaftsverbänden zugewiesen worden.) Ebenso wie bei  den Genossenschaften und Bezirksgenossenschaftsverbänden bleibt von dem  zugewiesenen Kapital ein Betrag von 10 Mark pro Mitglied der angeschlossenen  Genossenschaften zinsfrei; Stichtag für die Mitgliederzahl ist in allen Fällen  der 1. Juli 1920. Der diesen Betrag übersteigende Teil muss mit 6% an die  Zentralbank der N.E.F. verzinst und mit mindestens 5% amortisiert werden. Alle  Betriebe der Z. E. G., der Bezirksverbände und der einzelnen Genossenschaften  sind im Jahre 1920 von der zehnprozentigen Produktionsabgabe befreit. Der  Wirtschaftsrat der N.E.F. hofft, dass diese Maßnahme genügen wird, um den  gesamten privaten Handel im Bereiche der N.E.F. schon im laufenden Jahre zu  erledigen. Die günstigen Übernahmebedingungen für die Kleinhändler gelten nur  in diesem Jahre. Die Kleinhändler, die nicht in diesem Jahre freiwillig in den  Genossenschaften aufgehen, werden in den nächsten Jahren rücksichtslos  niederkonkurriert. Die Großhandelspreise der meisten erfassbaren  Konsumtionsartikel in der N.E.F. sind jetzt trotz Berücksichtigung der  zehnprozentigen Produktionsabgabe zum größten Teil auf Vorkriegshöhe fixiert.  Die Genossenschaften können also durch die Kapitalzuweisung und  Abgabenbefreiung die Großhandelspreise der meisten Waren, die sie in  Eigenbetrieben herstellen, auf 80—90 % der Vorkriegspreise drücken. Da die  Großhandelspreise generell festgesetzt sind, wird die Spanne den Überschuss  dieser Betriebe darstellen, der zur Amortisierung der Darlehen oder, mit  Zustimmung des Wirtschaftsrats, zur Erweiterung der Produktionsan-
  lagen verwandt werden soll. Gutgeleitete Genossenschaften können trotzdem die  Kleinhandelspreise auf 75—90 % der Vorkriegspreise drücken.
  Pflicht jedes werktätigen Mannes und jeder werktätigen Frau ist es, am Ausbau  ihrer Genossenschaft mitzuarbeiten und ihren Genossenschaftsanteil sobald wie  möglich einzuzahlen.
Die Arbeiterklubs
  Ü ber 23000 Arbeiterklubs sind bisher im Bereiche der N.E.F. entstanden. All  diese Klubs haben ganz bedeutende Zuwendungen teils in barem Gelde, teils in  Liegenschaften, Schlössern, Villen, Klubhäusern, Land- und Wochenendheimen  sowie in Einrichtungsgegenständen erhalten. Dabei waren leider große  Ungerechtigkeiten unvermeidlich. Es gibt heute bereits sehr wohlhabende,  daneben aber noch sehr arme Klubs. Diese Unterschiede müssen verschwinden. Auch  in Zukunft werden verschiedene Klubs bedeutende Zuwendungen von Betrieben oder  Gewerkschaften erhalten. Im allgemeinen jedoch soll die Ausgestaltung des  einzelnen Klubs von der Tüchtigkeit und Arbeitsfreudigkeit der eigenen  Mitglieder abhängen. Dazu ist es notwendig, dass zuerst einmal eine möglichst  gleiche Basis für alle Arbeiterklubs geschaffen wird. Alle Zuwendungen und  Übereignungen, die vor dem 1. Januar 1920 erfolgten, sollen deshalb auf ihren  Vorkriegswert geprüft werden. Jeder Klub soll soviel Eigenkapital erhalten,  dass auf das einzelne Mitglied 5o Mark (Vorkriegswert) entfallen. Der diese  Summe übersteigende Betrag muss, wenn er nicht zurückgegeben wird, vom Klub mit  4% verzinst werden. Maßgebend für diese Berechnung ist die Zahl der  Vollmitglieder am 1. Juli 1920. Jeder Arbeiter und jede Arbeiterin darf nur in  einem Klub Vollmitglied sein. Von dieser Regelung werden nur die Klubs  betroffen, welche alle kulturellen Bedürfnisse der werktätigen Menschen  befriedigen wollen. Für Klubs, die sich Spezialaufgaben gestellt haben,  erfolgen noch besondere Anweisungen. Alle Klubs erhalten für ihre  Vollmitglieder laufende Zuschüsse; für Hospitanten, die in einem anderen Klub  ordentliches Mitglied sind, werden keine Zuschüsse gezahlt. Eine Ausnahme macht  nur der Klub der Naturfreunde, dem grundsätzlich alle Werktätigen außer ihrem  Mutterklub angehören sollen. Der Naturfreundeklub hat ganz bedeutende  Zuweisungen von Land, Forst und ländlichem Hausbesitz erhalten. Außer der  wechselnden Zuwendung für jedes ordentliche Klubmitglied (z. Zt. 90 Mark)  erhält er für jedes Gastmitglied jährlich 5 Mark und hat außerdem Anspruch auf  5o Mark unverzinslichen Eigenbesitz für jedes Gastmitglied und auf 100 Mark für  jedes Vollmitglied.
  Das Mindesteintrittsgeld für jeden Klub wird auf 3 Mark, der  Mindestmonatsbeitrag auf 1 Mark festgesetzt. Jeder Klub muss seine Mitglieder,  ohne Eintritt zu erheben, mit Kino- und Theatervorstellungen sowie mit  Musikvorträgen versorgen. Er muss alle vernünftigen Unterhaltungs - und  Fortbildungsbestrebungen seiner Mitglieder befriedigen und ihnen jederzeit  einen angenehmen Aufenthalt bieten. Alle Klubs mit mehr als 1000 Mitgliedern  erhalten von jeder Buchneuerscheinung ein Gratisexemplar ihrer Sprache für ihre  Bibliothek. Alle kleineren Klubs haben das Recht, je ein Exemplar aller  Neuerscheinungen zum halben Preise zu erwerben. Alle Klubs müssen in der Lage  sein, begabte Mitglieder, die sich künstlerisch oder wissenschaftlich  fortbilden wollen, aus Klubmitteln zu fördern, solange sie noch nicht zum  Eintritt in die Arbeiterfakultäten reif sind. Für diejenigen, die zweimal bei  der Aufnahmeprüfung in eine Arbeiterfakultät durchgefallen sind, braucht der  Klub keine Ausgaben mehr zu übernehmen.
  Alle Arbeiterklubs, die diesen Anforderungen bis zum Ende des Jahres nicht  entsprechen können, erhalten im nächsten Jahre keine Zuwendungen aus  öffentlichen Mitteln mehr.
  Sie werden dann entweder aufgelöst oder mit leistungsfähigeren Klubs  verschmolzen.
Die Gewerkschaften
  95% aller Werktätigen in der Stadt und 65% aller Werktätigen auf dem Lande sind  gegenwärtig in Gewerkschaften organisiert. Die Beiträge zu allen Gewerkschaften  werden ab 1. April einheitlich auf 4 Mark monatlich festgesetzt. Die  Hauptaufgaben der Gewerkschaften im Übergangsstadium zum Sozialismus sind:
  Einrichtung und Unterstützung von Arbeiterklubs und kulturelle Versorgung  derjenigen Gewerkschaftsmitglieder, die keinem Klub angehören.
  Errichtung von Wirtschaftsschulen für die Mitglieder. Verbreitung von  volkswirtschaftlichen und technischen Kenntnissen in den Reihen der Mitglieder.
  Auslese und Ausbildung von fähigen Mitgliedern für höhere Arbeitsplätze in der  Wirtschaft.
  Veranstaltung von Kursen über Betriebsleitung, psychotechnische Prüfung  (Berufseignung) und Rationalisierung. Anleitung und ständige Fortbildung der  Betriebsräte und roten Direktoren.
  Vorbereitung von begabten Mitgliedern und Jugendlichen für den Besuch der  Baugewerksschulen und technischen Hochschulen.
  Propaganda für ständige Leistungssteigerung unter Innehaltung der Arbeitszeit-  und Arbeitsschutzbestimmungen. Allgemeine politische Schulung aller Mitglieder  und besonders sorgfältige Schulung derjenigen Mitglieder, die gewillt und  würdig sind, in die Partei einzutreten, bis zur Aufnahmeprüfung.
  Die Gewerkschaften sind einer der wesentlichsten Organisationsfaktoren der  neuen Gesellschaft. Sie haben gleichzeitig das Gesamtinteresse gegen  unberechtigte Ansprüche des einzelnen und die Einzelinteressen gegen unbefugte  Machtüberschreitungen von Staats - und Wirtschaftsorganen zu vertreten. Sie  verbinden den Einzelmenschen mit der Partei und mit der Gesamtheit. Sie müssen  einschreiten, wenn ein unfähiger roter Direktor oder ein ungeeigneter  Spezialist durch Umgehung der Arbeiterschutzbestimmungen oder durch brutale  Schinderei statt durch geeignete und klug durchdachte Maßnahmen eine  Leistungssteigerung erzielen will. Sie müssen aber ebenso einschreiten, wenn  eine Erfolg versprechende Rationalisierungsmaßnahme an der Bequemlichkeit  einzelner Leute zu scheitern droht, die sich von ihrem lieb- aber überflüssig  gewordenen Arbeitsplatz nicht trennen wollen.
  Gewerkschaften und Betriebsräte haben darüber zu wachen, dass alle Fortschritte  der Gewerbehygiene so weit wie möglich angewandt werden, dass die sanitäre  Versorgung allen Anforderungen der Neuzeit entspricht, dass die bestmöglichen  Licht- und Luftverhältnisse am Arbeitsplatz herrschen, dass in den Werkkantinen  und Werkkommunen keine Korruption einreißt, dass genügend billige und  erstklassige Lebensmittel herangeschafft werden, dass vor Beginn und nach Ende  der Arbeitsschicht eine billige warme Mahlzeit verabreicht wird, dass immer  genügend kalte und warme alkoholfreie Getränke zum Selbstkostenpreise vorhanden  sind, dass vor und während der Arbeitszeit kein Alkohol ausgeschenkt wird, dass  die Kinderkrippen und Kinderheime in Ordnung sind.
  Die Gewerkschaften haben entscheidend mitzubestimmen bei der Besetzung  unzähliger Ehrenämter. Kurzum, die Aufgaben der Gewerkschaften im  Übergangsstadium zur sozialistischen Gesellschaft umfassen fast alle Gebiete  des modernen sozialen Lebens. Nur eine Aufgabe haben die Gewerkschaften nicht  mehr eine Aufgabe, die früher den Hauptinhalt des Gewerkschaftslebens bildet:  den Kampf um den individuellen Arbeitslohn.
  Der direkte Arbeitslohn spielt im Leben des Werktätigen längst nicht mehr die  Rolle wie im Kapitalismus. Viele Aufgaben, die früher individuell gelöst werden  mussten, sind jetzt schon von der Gesamtheit oder von Teilen der Gesamtheit  übernommen worden. Dieser Aufgabenkreis wächst ständig. Der Kollektivlohn wird  immer mehr zunehmen auf Kosten des Individuallohns. Der Einzellohn bleibt  voraussichtlich stehen, während der Kollektivlohn immer weiter wachsen wird.
  Aber Kollektivlohn wie Einzellohn sind von dem Grad der Leistungssteigerung in  der Produktion abhängig. In der ersten Zeit werden die Löhne freilich nicht  ebenso schnell wachsen wie die Produktion, da wir zunächst die ganze Welt  elektrifizieren und industrialisieren und in dieser Zeit sehr viel Arbeit in  solchen Wirtschaftszweigen anlegen müssen, in denen sich die Erhöhung der  Verbrauchsgütererzeugung erst später bemerkbar machen wird.
  Nicht mehr, wie früher, Kampf gegen die Unternehmer und ihren Staat, sondern  Aufklärung über volkswirtschaftliche Zusammenhänge, stetige Agitation für  Rationalisierung und Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Senkung der  Gestehungskosten und Propaganda für fortlaufende Zeichnung von  Sozialisierungsanleihe, — das sind die neuen Aufgaben unsrer Gewerkschaften.
Der Jahresrichtlohn
  Als Durchschnittslohn für das Wirtschaftsjahr 1920 ist vom  Zentralwirtschaftsrat der N.E.F. 1 Goldmark pro Stunde bei durchgehender  sechsstündiger Arbeitszeit festgesetzt worden. Dieser Normallohn wird gezahlt  an ledige gelernte Arbeiter und an verheiratete ungelernte Arbeiter ohne  Kinder, wenn die Frau nicht selbst erwerbstätig ist. Der ledige ungelernte  Arbeiter soll bei sechsstündiger Arbeitszeit 90 Pfennig pro Stunde erhalten.  Für die nicht erwerbstätige Frau und für jedes Kind wird eine Sozialzulage
  von 10 Pfennig pro Stunde gezahlt.
  per Mindeststundenlohn beträgt in der
Privatwirtschaft staatl. und genossenschaftl. Wirtschaft
  Ab 1. Januar 80 Pf. 70 Pf.
  Ab 1. Februar 90 Pf. 80 Pf.
  Ab 1. März 100 Pf. 90 Pf.
  Ab 1. April 100 Pf. 90 Pf. Für ungelernte ledige und 100 Pf. Für verheiratete  ungelernte und ledige gelernte Arbeiter
Eine weitere Steigerung des Individuallohns nach dem 1. April ist nicht  vorgesehen, obwohl man für dieses Jahr mit einer Verdoppelung der industriellen  Produktion gegenüber 1913 rechnet. Alle Löhne werden ab 1. Mai um 10% gekürzt,  wenn die vorgesehene Produktionssteigerung bis dahin nicht eingetreten ist und  nicht mindestens für 10 Milliarden Goldmark Sozialisierungsanleihe im Gebiet  der N.E.F. gezeichnet sind. Allen Kleingewerbe- und Kleinhandeltreibenden, die  nicht nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit Sozialisierungsanleihe zeichnen,  wird die Konzession entzogen.
  Vom Parteiexekutivausschuss sind folgende Richtlinien für die fortlaufende  Zeichnung von Sozialisierungsanleihe festgesetzt worden: Ledige  Parteiangehörige haben 20% ihres Einkommens in Sozialisierungsanleihe  anzulegen. Dasselbe gilt für verheiratete Parteiangehörige, wenn beide Eheleute  erwerbstätig sind. Verheiratete kinderlose Parteiangehörige müssen, wenn ein  Ehepartner nicht erwerbstätig ist — das sollte es eigentlich nicht mehr geben!  —, mindestens 15%, verheiratete Parteiangehörige mit Kindern mindestens 10%  ihres Einkommens in Sozialisierungsanleihe anlegen. Von dem Einkommensteil von  150—200 Mark monatlich sind in jedem Falle mindestens 25%, von dem  Einkommensteil von 200—300 Mark mindestens 50% in Sozialisierungsanleihe  anzulegen. Die Parteigenossen, die noch mehr verdienen, müssen für den ganzen 300  Mark übersteigenden Einkommensteil Anleihe zeichnen; der nächste internationale  Parteitag wird übrigens beschließen, dass das Parteimaximum herabzusetzen ist.
  Die Erfüllung dieser Pflichten wird vielleicht manchem Parteigenossen schwer  fallen. Aber es nützt nichts. Wir müssen der übrigen Bevölkerung mit gutem  Beispiel vorangehen. Jeder Sozialist muss für die Zukunft Opfer bringen und im  Augenblick seine persönlichen Ausgaben einschränken. Es darf für den  Sozialisten jetzt kein persönliches Glück und Unglück geben. Wir müssen in den  nächsten Jahren Produktionsfanatiker werden. Wir müssen uns glücklich schätzen,  wenn wir unsere Produktionsziffern überholen, und es als schrecklichstes  Unglück empfinden, wenn die Produktion irgendwo hinter unseren Plänen zurückbleibt.
  Fünf Millionen Mitglieder und Kandidaten zählt unsere Partei im Bereiche der  Nordeuropäischen Föderation. Wenn durchschnittlich nur 200 Mark von jedem  Parteimitglied gezeichnet werden, so ist das eine Milliarde. Eine weitere  Milliarde ist von verschiedenen Arbeitervereinen auf Anhieb korporativ  gezeichnet worden. Damit ist ein Fünftel unseres diesjährigen Programms  erfüllt.
Der Sechsstundentag
  Die Frau in der Produktion
  Die Arbeiterfakultäten
  Volkswirtschaftler behaupten, dass wir zu früh zum Sechsstundentag übergegangen  sind und auch die Löhne zu früh erhöht haben. An diesen Behauptungen ist etwas  Richtiges. In allen gutgeleiteten Betrieben, in denen die Belegschaft  verständnisvoll an der Hebung der Arbeitsintensität mitarbeitete, ist bei allen  früheren Arbeitszeitverkürzungen eine Leistungssteigerung pro Schicht erzielt  worden. Beim Übergang vom Dreischichten- zum Vierschichtensystem, bei der  Einführung der ununterbrochenen Sechsstundenschicht an Stelle der durch drei  Pausen unterbrochenen Siebenstundenschicht ist die Leistung dagegen nicht in  demselben Maße gewachsen. Es ist eine Leistungssteigerung von nur 10—20 % an  Stelle der veranschlagten 25—30 % eingetreten. Das war noch tragbar, solange  die Löhne hinter der tatsächlichen Produktion wesentlich zurückblieben. Die  Steigerung des allgemeinen Lohniveaus hemmt jedoch unsere Akkumulation und  damit unsere ökonomische Bewegungsfreiheit. Im Augenblick können die meisten  Betriebe ohne Erhöhung der Gestehungskosten gerade noch die 10 prozentige  Produktionsabgabe aufbringen. Bei allgemeiner Erreichung des Richtlohns wird  jedoch selbst das kaum mehr möglich sein. Für die Dauer von einigen Monaten  kann dieser Akkumulationsausfall durch die Erträge der Sozialisierungsanleihe  gedeckt werden. Dann aber muss die Umstellung von einigen tausend weiteren  Betrieben auf die modernsten Produktionsmethoden durchgeführt sein. Ebenso  müssen bis dahin die Arbeiten der Normen- und Standardisierungskommissionen zum  Abschluss kommen. Eine weitere Ursache der unbefriedigenden Akkumulation ist  der Arbeitermangel. Wir dürfen vorläufig keine weiteren Arbeitskräfte mehr aus  dem Osten heranziehen, denn die Wohnungsnot ist zu groß. Alle bis zu 50%  erwerbsfähigen Männer haben wir bereits in die Produktion eingereiht. Über eine  Million Männer, die das 65. Lebensjahr überschritten haben, arbeiten  freiwillig. Wir müssen an die letzte große Reserve herangehen, die wir noch  haben, an die Frauen. Und das ist gut so. Am Ende des vergangenen Jahres waren  allein in Deutschland schon 2 Millionen Frauen mehr als im Kriege in der  Produktion beschäftigt. In diesem Jahre sind im Bereich der Nordeuropäischen  Föderation mindestens weitere 3 Millionen Frauen heranzuziehen, wenn wir unsere  umgestellten Produktionseinrichtungen im Vierschichtensystem restlos ausnützen  wollen. Damit ist der erste Schritt zur wirklichen Emanzipation der Frau getan.  Die Frau wird aufhören, Haussklavin zu sein. Sie wird im Laufe der Zeit dem  Manne wirklich ebenbürtig werden. Die Sorge um die Kinder ist behoben. Die  Kinder haben es in den Kinderheimen und Schulklubs viel besser als im  Arbeiterhaushalt. Nach dem Bericht der Kontrollkommissionen sind in  Mitteleuropa jetzt alle Kinderheime vorbildlich eingerichtet. Nur im ehemaligen  Polen und in Oberschlesien sowie in Waidenburg lassen die sanitären  Einrichtungen noch zu wünschen übrig. Die volle Kinderspeisung bis zur  Vollendung des 15. Lebensjahres soll bis zum 1. Mai überall durchgeführt  werden. Die größte Sorge der Frau, die Ernährung und Bewachung der Kinder, ist  ihr also abgenommen. Aber auch die Aufgabe der Bedienung des Mannes hat den  unwürdigen Charakter der bezahlten Pflicht verloren und ist eine rein  freiwillige Angelegenheit geworden. Die Lebenszelle des werktätigen Menschen  ist nicht mehr der ärmliche Arbeiterhaushalt, sondern der Klub. In ihm werden  alle wesentlichen kulturellen Bedürfnisse befriedigt. Die werktätige Frau muss  nun zeigen, dass sie mit ihrer Freizeit auch etwas Vernünftiges anzufangen  weiß. Sie muss sich ebenso wie der werktätige Mann auf mindestens einem Gebiete  des öffentlichen Lebens betätigen, das ihren Fähigkeiten und Neigungen  entspricht. Arbeit ist genug vorhanden: im Betriebsrat, in der Werkkommune, im  Klub, im Kinderheim, in der Partei, in Gewerkschaften und Genossenschaften, in  der Landagitation usw. Der Sechsstundentag gibt uns die Möglichkeit, wiederum  eine ganze Anzahl von Verwaltungsarbeiten, die früher von Beamten geleistet  wurden, ehrenamtlich auszuführen, wodurch wiederum Arbeitskräfte für die  Produktion freigesetzt werden.
  Der Unterschied zwischen Kopf- und Handarbeitern beginnt langsam zu  verschwinden. Viele geistige Arbeiter leisten heute bereits ihre sechs Stunden  Handarbeit im Betrieb und fühlen sich sehr wohl dabei, denn in ihrer freien  Zeit können sie sich jetzt mit Arbeiten beschäftigen, die ihnen wirklich  Vergnügen bereiten und ihren Neigungen entsprechen. Andere wieder leisten in  ihrer freien Zeit Verwaltungsarbeiten oder beschäftigen sich mit ihrer  wissenschaftlichen Fortbildung.
  Die Universitäten der N. E. F. sollen mit Beginn des neuen Semesters ungefähr  100000 Arbeiter aufnehmen, die sich auf das Universitätsstudium vorbereiten  wollen. Die Teilnehmer an Vorbereitungskursen für die Arbeiterfakultäten müssen  in jeder Woche drei Tage je sechs Stunden lang arbeiten und erhalten den vollen  Lohn. Auch die Mitglieder der Arbeiterfakultäten erhalten von ihrem Mutterwerk  den vollen Arbeitslohn und müssen dafür wöchentlich zwölf Stunden im Betrieb  arbeiten.
  Die Studenten der Universitäten erhalten Staatsstipendien und müssen  wöchentlich sechs Stunden manuelle Arbeit leisten. Die Wahl des Betriebes steht  ihnen frei. Für die Professoren und Dozenten wurde ebenso wie für alle  juristischen und Verwaltungsbeamten eine manuelle Pflichtarbeitszeit von sechs  Stunden pro Monat festgesetzt. Der Unterschied zwischen Akademikern und  Nichtakademikern wird also langsam verschwinden. Jeder Handarbeiter kann sich  auf das ordentliche Universitätsstudium vorbereiten oder nach Ablegung einer  Prüfung und entsprechender Vorbereitung ein halbes Jahr lang kostenlos ein  Volkshochschulheim besuchen.
Die Angleichung der Löhne und Gehälter
  ist in der Nordeuropäischen Föderation weiter fortgeschritten als in allen  anderen Gebieten der S.U. Am schlimmsten steht es in dieser Beziehung immer  noch in Russland, China und Indien, wo einer ungeheuren Zahl von Analphabeten  und ungelernten Arbeitern eine verschwindend geringe Zahl von gelernten  Arbeitern und hochqualifizierten Spezialisten gegenübersteht. Obwohl bereits  viele Millionen Westeuropäer in diesen Ländern tätig sind, ist der Mangel an  Facharbeitern und Spezialisten noch lange nicht behoben. Dazu kommt, dass die  Gesamtproduktivität dieser Gebiete im Durchschnitt nicht einmal 30% der  westeuropäischen erreicht. Die Löhne der ungelernten Arbeiter sind  infolgedessen noch außerordentlich niedrig, während gewisse Facharbeiter und  technische Spezialisten besser entlohnt werden als in Westeuropa. Von der  Steigerung der westeuropäischen Produktion und von dem Ausmaß unserer  technischen, finanziellen und wirtschaftlichen Hilfeleistung hängt es ab, wann  diese ungesunden Zustände in den unerschlossenen Gebieten der S. U.  verschwinden. Unverantwortlich ist es, wenn neuerdings, unter Berufung auf die  Verhältnisse im Osten, in den Angestelltensektionen der Gewerkschaften Stimmen  laut werden, die eine Gehaltserhöhung für die Angestellten in leitender  Stellung verlangen. Das Maximum für höchstqualifizierte technische Direktoren,  das im Bereich der N.E.F. gegenwärtig noch an ungefähr 1000 Personen gezahlt  wird, beträgt nach wie vor 1000 Mark monatlich. Ungefähr 10000 leitende  Angestellte (Nichtparteimitglieder) beziehen noch Gehälter von über 500  Goldmark. Alle diese Direktoren und Angestellten dürfen in keinem Klub  aufgenommen werden, gehen also der zahlreichen Vergünstigungen für Klubmitglieder  verlustig. Deshalb haben sich auch viele leitende Angestellte, die nicht  Parteimitglied sind, freiwillig mit der Reduzierung ihres Gehaltes auf 500 Mark  einverstanden erklärt. Ungefähr 80000 leitende Angestellte in der  Nordeuropäischen Föderation erhalten über 400 Mark Monatsgehalt, ungefähr  200000 über 300 Mark. Die Hälfte der qualifizierten Angestelltenschaft und des  Verwaltungs- und Lehrpersonals erhält 200 bis 250 Mark Monatsgehalt. Als  Richtsatz für das Gehalt eines qualifizierten Angestellten sind monatlich 200  Goldmark vorgesehen (Stichtag
  1. Juli 1920). Da an diesem Tage die staatlichen Zuwendungen an die Klubs  verdoppelt werden sollen, dürfte sich die Reduzierung der Gehälter für die  Mehrzahl der Angestellten in gehobener Stellung kaum fühlbar machen. Eine  Massenabwanderung nach Amerika ist nicht mehr zu befürchten. Zweifellos sind  die amerikanischen Löhne und Gehälter immer noch wesentlich höher als die der  Union; aber in wenigen Jahren wird sich das grundlegend geändert haben. Ein  Vergleich der Nominallöhne wird überdies immer schwieriger, da der  Individuallohn bei uns eine immer geringere Rolle im Leben des werktätigen  Menschen spielt. Wenn wirklich noch einmal 100000 Angestellte nach Amerika  auswandern sollten, so werden wir mit Leichtigkeit in der Lage sein, sie zu  ersetzen.
Die Gehälter der Auslandsvertretungen 
  Das Parteimaximum, das nominell immer noch 500 $ beträgt, ist praktisch durch  die Anleihezeichnungspflicht bereits auf 300 $ herabgesetzt worden. Der nächste  Parteitag wird die Herabsetzung auf 300 $, wenn nicht auf
  250 $ beschließen. Eine Ausnahme machen lediglich die Gesandten in Amerika. Der  erste Bevollmächtigte der Sozialistischen Union in Washington erhält ein  Monatsgehalt von 1000 $, die ersten Wirtschaftsbevollmächtigten der Föderationen  in Washington 5oo $. Die ersten Bevollmächtigten der S. U. in den größeren  Staaten Südamerikas und in Mexiko erhalten 700 $, die  Wirtschaftsbevollmächtigten der Föderationen 400 $. Die Gesandten der S.U. in  den kleineren amerikanischen Staaten beziehen 500 $. Besondere  Wirtschaftsvertretungen der einzelnen Föderationen sollen erst gar nicht  eingerichtet werden. Diese Beschlüsse sind heftig umstritten worden. Man hat  entgegengehalten, dass unsere Gesandten mit diesen Gehältern nicht  repräsentieren können. Das sollen sie aber auch gar nicht. Sie sollen arbeiten  und den amerikanischen Arbeitern zeigen, dass wir es mit der proletarischen  Revolution ernst meinen und keine neuen Sonderrechte schaffen wollen. Die  Gesandtschaftsklubs, die allen Mitgliedern der Gesandtschaft — vom Gesandten  bis zum jüngsten Laufjungen — sowie allen Gästen offen stehen, sind in ganz  Amerika jetzt vorbildlich eingerichtet und erhalten laufend besondere  Zuweisungen.
  Der Antrag der Vereinigten Staaten von Nordamerika auf Errichtung von  Botschaften oder Gesandtschaften in den Hauptstädten der Föderationen ist  abgelehnt worden. Washington wird nach wie vor nur in Berlin diplomatisch  vertreten sein.
Die Landwirtschaft
  Westlich der Elbe herrscht die Kleinbetriebsform immer noch vor. Die nicht sehr  zahlreichen Latifundien in Westdeutschland sind fast restlos in den Besitz von  Arbeiterklubs übergegangen, die auch die landwirtschaftliche Nutzung übernommen  haben. Mit Ausnahme der zerstörten Gebiete, die kollektiv aufgebaut werden,  sind in ganz Nordfrankreich, Belgien, Holland und Westdeutschland nur wenige  hundert staatliche Großbetriebe entstanden. Dagegen werden von Kommunen und  Genossenschaften etwa 1000 landwirtschaftliche Großbetriebe bewirtschaftet. In  der mitteldeutschen Landwirtschaft und im böhmischen Eibgebiet sind die  staatlichen Großbetriebe schon stärker vertreten als die genossenschaftlichen  und Kommunalbetriebe. Beide bleiben aber zahlenmäßig noch weit hinter dem  Kleinbetrieb zurück. In Ostelbien und in den früheren polnischen Gebieten  überwiegt bereits der staatliche Großbetrieb, obwohl auch hier die  selbständigen Kleinbetriebe zahlenmäßig zugenommen haben. Viele Klein- und  Mittelbauern haben nach der Revolution so viel Land erhalten, dass sie jetzt  eine genügende Ackernahrung haben. Etwa die Hälfte der neu entstandenen  genossenschaftlichen Großbetriebe hat sich gut bewährt und soll weiter bestehen  und bevorzugt beliefert werden. Die andere Hälfte dagegen soll wegen  ungenügender Schulung der Mitglieder aus dem produktivgenossenschaftlichen  Betrieb in staatlichen Betrieb übernommen werden. Das Lebenshaltungsniveau der  Landarbeiter sowohl in den staatlichen als auch in den genossenschaftlichen  Betrieben ist schon beträchtlich gestiegen. Auch sind die zum größten Teil  immer noch unbefriedigenden Wohnungsverhältnisse nicht mehr so ausschlaggebend,  da alle früheren Herrenhäuser in Klubhäuser umgewandelt worden sind. Die  Normalarbeitszeit in der Landwirtschaft wird für längere Zeit noch der  Achtstundentag sein. In der Aussaat- und Erntezeit darf er noch überschritten  werden, dafür ist die Mehrarbeitszeit im Winter anzurechnen. Der  landwirtschaftliche Richtlohn für den vollen Arbeitstag wird ab 1. April erhöht  auf:
  5 Mark für die ausgebildeten Bedienungsmannschaften der Traktoren und landwirtschaftlichen  Maschinen,
  4 Mark für Stallpersonal und ausgebildete landwirtschaftliche Arbeiter,
  3 Mark für Hilfskräfte;
  10% dieser Summen sind für Wohnung,
  30% für volle Ernährung abzurechnen.
  Durch diese Maßnahmen soll eine Annäherung an die Lebensbedingungen der  städtischen Arbeiter erfolgen. Eine völlige Angleichung ist jedoch zur Zeit  noch nicht möglich in Anbetracht der Konkurrenz der Klein- und Mittelbauern,  die mit allen Familienangehörigen 14 bis 16 Stunden am Tag arbeiten und es  immer noch vorziehen, sich und ihre Angehörigen auf mittelalterliche Art  abzurackern, als im Kollektiv aufzugehen. Im Bereich der N.E.F. sind bisher  erst 1000 Kollektivwirtschaften durch freiwillige Zusammenlegung von  Einzelwirtschaften entstanden. Dagegen haben sich die landwirtschaftlichen  Produktiv- und Berufsgenossenschaften bemerkenswert entwickelt. Die Sorge um  den Nahrungsmittelspielraum hat uns bisher veranlasst, alle  landwirtschaftlichen Betriebe gleichmäßig mit Dünge- und Futtermitteln,  Maschinen und Saatgut zu beliefern. Die nicht unbeträchtlichen Prämien für  Vergrößerung der Anbaufläche sind auch an die Einzelbauern gezahlt worden. In  Zukunft werden Kredite nur noch an Kollektivwirtschaften und Genossenschaften  gegeben werden. Ein Zwang zur Bildung von Kollektivwirtschaften ist jedoch  nicht vorgesehen. Jeder Bauer soll selbst über die Frage: „Einzelwirtschaft,  Genossenschaft oder Kollektiv?" entscheiden. Der Kleinbetrieb dürfte  vorläufig die vorherrschende ländliche Wirtschaftsform bleiben. Erst nach Wegfall  des Schleichhandels mit seinen hohen Preisen für landwirtschaftliche Produkte,  erst nach genügender Steigerung der landwirtschaftlichen und industriellen  Produktion wird sich die Mehrzahl der Mittelbauern zum Gedanken des Kollektivs  bekehren. Deshalb heißt unsere Losung immer wieder: Steigerung der Produktion!
  Vorwärts - 22. Januar 1920
Geht Deutschland unter?
Im abgelaufenen Jahre haben wir eine Erfahrung gemacht, von der viele überrascht waren. Es gibt immer noch Leute, die glauben, dass zwischen Nationalbewusstsein und Internationalismus ein Unterschied besteht. Diese Herrschaften waren natürlich erstaunt, als sie sahen, dass manche früheren Angehörigen der „nationalen Front" sich mit Feuereifer auf die neuen Aufgaben stürzten und zu Kerntruppen der internationalen sozialistischen Revolution wurden. Wir denken hierbei nicht an Bierbankphilister und Stammtischstrategen, und erst recht nicht an die Finanzgewaltigen und Großindustriellen, welche die „Nation" als Aushängeschild für ihre Profitmacherei benutzten, während sie tatsächlich, wenn es den Profit betraf, international waren. Wir denken vielmehr an die junge Frontgeneration, der es ernst war mit ihren Idealen, und die mit Begeisterung ihr Leben für die Vaterlandsidee einsetzte. Nachfolgend geben wir einem bürgerlichen Genossen das Wort, der wegen seiner Verdienste an der Aufbaufront vor Ablauf der Karenzzeit in die Partei aufgenommen wurde. Sein Bericht und sein Offener Brief sind die beste Antwort an unsere falschen Freunde, die sich jenseits des Großen Teiches unter die Fittiche des Kapitals geflüchtet haben und die jetzt über den „Untergang" Deutschlands jammern.
Mukden, den 23. XII. 1919
  Es war im Oktober. Unsere Stoßbrigade war in stürmischem Elan bis tief ins  Kleine Chingangebirge vorgedrungen. Dann aber hatten wir den Anschluss an die  von Süden vorstoßenden Vermessungstrupps verpaßt. Die ganze Arbeit war umsonst  geleistet. Erfroren, müde und missmutig kehrten wir nach Blagowestschensk  zurück. Der Kommandeur fluchte. Im Frühjahr sollte der Bahnbau Blagowestschensk—  Charbin beginnen. Durch unseren Misserfolg war die ganze Arbeit gefährdet. Wir  prüften noch einmal die Pläne und stellten fest, dass wir richtig gearbeitet  hatten. Der Fehler musste an den Südabteilungen liegen, die von Tsitsikar aus  vorgehen und uns im kleinen Chingangebirge begegnen sollten.
  Am nächsten Morgen startete ich mit zwei Kameraden zum Erkundungsflug. Wir  fanden die Vermessungsabteilung 50 km östlich des bezeichneten Punktes in  wüster, unwegsamer Gegend. Der Abteilungsführer verteidigte sich gegen unsere  Vorwürfe und wies an Hand seines Arbeitsplans nach, dass man ihn tatsächlich in  dieses für den Bahnbau völlig ungeeignete Tal geschickt hatte. Der leitende  Ingenieur sollte angeblich in Sanhsing sein, um dort die Projektierungsarbeiten  für das Sungarikraftwerk und die geplante Papierfabrik zu kontrollieren. Aber  auch in Sanhsing konnten wir ihn nicht finden. Endlich gelang es uns, ihn  telephonisch in Wladiwostok zu erreichen. Er wies unsere Angriffe entschieden  zurück, behauptete, korrekt gearbeitet zu haben, und forderte uns auf, den  Generalplan richtig zu studieren.
  Vier Tage später waren wir wieder in Blagowestschensk. Der Originalplan war  spurlos verschwunden. Dafür fand ich unter meinen Zeichnungen folgenden Brief.
New York, den 15. X.1919
  Lieber A.!
  Von Freunden erfuhr ich, dass auch Du von den Roten gezwungen worden bist, an  ihren uferlosen Plänen mitzuwirken. Ich nehme wenigstens an, dass Du dazu  gezwungen wurdest, denn von unserer gemeinsamen Schulzeit her weiß ich, dass Du  sehr national denkst. Du hast den Krieg als Freiwilliger mitgemacht, bist  dreimal freiwillig an die Front gegangen, — und jetzt solltest Du freiwillig  für die roten Hunde arbeiten? Lächerlich! Wahrscheinlich hast Du bisher nur den  Anschluss an unsere geheime Organisation nicht gefunden, die über die ganze S.  U. verbreitet ist. Ich kenne Deinen Aufenthaltsort ganz genau und bin über jede  Deiner Bewegungen unterrichtet. Im nächsten Monat ist unsere Parole  „Demokratie". Verwende das Wort unverfänglich in Deinem Bekanntenkreis.  Wenn dann jemand in der Antwort das Wort „Freiheit" braucht, dann ist es  einer der Unseren. Du kannst Dich ihm ruhig anvertrauen. Unbegrenzte Geld-
  mittel stehen Dir zur Verfügung. Der Augenblick, in dem Deutschland in dem  Mischmasch der Nordeuropäischen Föderation aufgehen soll, muss benutzt werden,  um die nationalen Leidenschaften aufzuputschen. Beteilige Dich an der Arbeit!  Appelliere an das Standesgefühl der Kommilitonen, die man als ehemalige  „Bourgeois" zu Menschen zweiter Klasse gemacht hat, denen man das  Wahlrecht vorenthält und den Zutritt zur herrschenden Partei verwehrt! Amerika  ist jetzt der Hort der Freiheit, die Zuflucht aller Unterdrückten der ganzen  Welt. Gestern abend fand hier eine große Versammlung der Freiheitsliga statt.  Außer dem deutschen Kronprinzen sprachen Kerenski, Pilsudski, Thomas und  Scheidemann. Scheidemann, dieser alte Vorkämpfer der Freiheit, richtete einen  glühenden Appell an das deutsche Volk und forderte es auf, sich gegen seine  Bedrücker zu erheben. Er protestierte energisch gegen den Plan, Deutschland die  Autonomie zu rauben, um es in der N.E. F. aufgehen zu lassen. „Täglich,"  sagte er, „erhalte ich Briefe von nationalgesinnten Deutschen, die gegen dies  schändliche Vorhaben protestieren. Als Vertreter der letzten rechtmäßigen  deutschen Regierung rufe ich alle deutschen Männer und Frauen auf zum Kampf  gegen die Diktatur, — für die soziale Demokratie."
  Ich hoffe, dass auch Du, lieber A., dem Rufe dieses echt deutschen Mannes Folge  leistest, der, obwohl Sozialist, das Vaterland nicht im Stiche lässt, und uns  Deine Kräfte zur Verfügung stellst. Lass bald etwas von dir hören.
  Mit deutschem Gruß Dr. G.
  P.S. Hast Du Nachricht von anderen Schulkameraden?
Meine Antwort:
  Mukden, den 23. XII. 1919
Offener Brief an Herrn Dr. G., New York.
  Dank für Ihren Brief vom 15. X. Er hat uns wertvolle Dienste geleistet. Die  Verspätung meiner Antwort bitte ich damit zu entschuldigen, dass die Aufdeckung  Ihrer weit verzweigten Verschwörung meine ganze Kraft in Anspruch nahm. Jetzt endlich  ist auch das Haupt der Bande, der schurkische Oberingenieur, der es meisterhaft  verstanden hat, unsere Pläne zu stören, an Bord eines japanischen Schiffes  entdeckt und erschossen worden. Damit ist wohl Ihr Brief zur Zufriedenheit  erledigt. Als höflicher Mensch will ich aber auch den Nachsatz beantworten. K.  L. studiert an der deutschen Universität in Bozen. R. H. leitet die deutsche  Fliegerschule in Peking. P. H. ist Leiter der geologischen Station und  Vorsitzender des deutschen Klubs in Tiflis. W. J. lebt in Moskau und will sich  im Frühjahr an einer Expedition nach Novvaja-Semlja beteiligen. P. Z. ist  Straßenbauleiter und Herausgeber einer deutschen Zeitung in Kabul. Soll ich  Ihnen auch noch die Adressen aller anderen Schulkollegen mitteilen, die von den  schrecklichen Roten nach Kapstadt, Kairo, Stambul, Bombay und Kanton  „verschleppt" wurden? Es hätte doch keinen Zweck. Sie alle — ob  Parteimitglied oder nicht — fühlen sich auf ihren Plätzen sehr wohl, denn sie  haben Gelegenheit, sich auszuwirken und nützliche Arbeit zu verrichten, und das  ist wohl für jeden wertvollen Menschen die Hauptsache. Sie alle sind der  seltsamen Ansicht, ihrer Nation mit dieser Arbeit besser zu dienen als die  Deserteure in New York. Nur über einen waren Sie, Herr Doktor, bisher besser  unterrichtet als wir, über Dr. F., dem ebenso wie Ihnen die Universitätsbank  während des Krieges lieber war als der Schützengraben, und der — wie Sie — sein  nationales Herz erst nach der Revolution entdeckte. Immerhin dürfte es Sie  interessieren, dass er vor 14 Tagen in Berlin als Spion entlarvt und erschossen  wurde. Ist es ein Zufall, dass gerade die wirklichen Frontkämpfer auch heute  wieder in der vordersten Front des sozialistischen Aufbaus stehen, während sich  die Helden der Etappe und der Stabsquartiere, die Parlamentarier und  „Unabkömmlichen" in der so genannten Freiheitsliga treffen? Ganz bestimmt  nicht. Die wirklich wertvollen Menschen stehen im Lager der Revolution. Wir  waren unbefriedigt von unserem persönlichen Schicksal. Wir suchten ein höheres  Ideal, ein überindividuelles Ziel, dem wir unsere Kraft widmen konnten, und wir  glaubten es in der Nation gefunden zu haben, in der Kameradschaft des  Schützengrabens. Nach blutigen Kämpfen mit einem tapferen Gegner, der von  denselben falschen Idealen beseelt war wie wir, ist oftmals der Wunsch in uns  aufgetaucht, unsere Kompanien nach rückwärts zu führen und mit dem  Schiebergesindel in Deutschland aufzuräumen.
  Sie freilich haben diese Empfindungen niemals kennen gelernt. Sie saßen ja  damals auf dem Kommers und brüllten nach dem zehnten Salamander: „Am deutschen  Wesen soll die Welt genesen."
  Der Revolution, nicht Ihrem Gejohle, ist es zu verdanken, wenn dieses Wort in  einem ganz anderen Sinne in Erfüllung ging. Nicht der Korporal verkörpert heute  die deutsche Nation. Aber gelernte deutsche Arbeiter, Ingenieure, Lehrer,  Landwirte, Forstwirtschaftler und Techniker sind heute in der ganzen Welt als  Kulturpioniere tätig. Sie hätten sehen müssen, mit welch überschwänglicher  Freude meine Stoßbrigade in allen Orten Sibiriens und der Mandschurei begrüßt  wurde. Und wenn unsere Dreher, Monteure und Tischler dann die Fabriken wieder  instand gesetzt hatten, wenn die Maschinen wieder surrten, wenn wir zu neuer  Arbeit aufbrachen, dann standen die einheimischen Genossen noch lange und  winkten den „Wundermännern", den deutschen Towarischs" nach.
  In solchen Augenblicken waren wir stolz darauf, Deutsche zu sein. Zum ersten  Mal in der Weltgeschichte steht das deutsche Volk auf dem Platz, auf den es  gehört. Was wäre aus Deutschland, was aus der Welt geworden, wenn dieses  tüchtige Volk in früheren Jahrhunderten eine politische Führung gehabt hätte,  wenn die prachtvolle Bauernrevolution nicht von pfäffischen Verrätern, die sich  an die Spitze der Bewegung stellten, verraten und auf ein religiöses Gleis  geschoben worden wäre, wenn die Hansestädte, wenn das kleine welterobernde  Holland an einer einigen deutschen Nation Rückhalt gefunden hätte! Damals wäre  es Zeit gewesen für die nationale Revolution, ihr Herren Langschläfer, die ihr  immer der Geschichte nachhinkt und dreihundert Jahre später eine Entwicklung  anfangen wollt, die andere Völker beendet haben. Ihr wolltet das Rad der  Geschichte um hundert Jahre rückwärts drehen — und hättet euch nicht einmal  geschämt, dieses Regieren als „Revolution" zu bezeichnen, — ihr armseligen  Krämerseelen, ihr aufgewärmten Don Quijotes, ihr Hausknechte des  internationalen Kapitals!
  Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es wirklich eine deutsche Nation. Und die  steht am richtigen Fleck. An der Spitze der Weltrevolution, in der Avantgarde  der befreiten Völker. Die Sterbestunde der alten Staaten war die Geburtsstunde  der deutschen Nation. Jetzt erst reicht Deutschland — soweit die deutsche Zunge  klingt.
  Ihr ehemaliger Schulfreund A.
  Vorwärts - 1. März 1920
Das Jahr des Wiederaufbaus
  Rückblick auf das Jahr 1919
Die oberflächlichen Zahlen über die Produktion des Vorjahres liegen jetzt vor. Im Vergleich zu 1913 sind folgende Produktionsziffern erreicht worden:
Spanien 111% Holland 135%
  England 131% Norwegen 141%
  Ö sterreich-Ungarn 94% Rumänien 98%
  Griechenland 101% Übriger Balkan 73% 
  Russland 67% Frankreich 89%
  Italien 119% Deutschland 103%
  Belgien 87% Schweden 137%
  Dänemark 110% Polen 86%
Für die übrigen Gebiete der S. U. liegen noch keine zuverlässigen Ziffern  vor. Es kann jedoch als sicher angenommen werden, dass auch dort ebenso wie in  ganz Europa einschließlich Russland die Vorkriegsproduktion am Jahresschluss  überschritten worden ist. Fast in allen Ländern war die industrielle  Produktivität im letzten Vierteljahr annähernd doppelt so hoch wie im ersten.  Die Dezemberproduktion überstieg die Produktion des Dezembers 1913  durchschnittlich um mehr als 50% (mit Ausnahme von Russland, das erst im  Dezember die Vorkriegsproduktion wieder erreicht hat). Es ist also zu hoffen,  dass wir in diesem Jahre (wenigstens für das Gebiet der N.E.F.) unser Ziel, die  Verdoppelung der industriellen Vorkriegsproduktion, erreichen werden.
  Die landwirtschaftliche Vorkriegsproduktion ist nur in England überschritten  worden, das seine Anbaufläche sogar gegenüber dem letzten Kriegsjahr noch um  20% gesteigert hat. Die Anbaufläche für das Erntejahr 1920 ist fast überall  ebenso groß wie 1913, teilweise sogar größer. Der Landwirtschaftsrat der N. E.  F. hofft, dass durch besondere Begünstigung der Frühjahrssaatkampagne, durch  weitere Prämien und Kredite und vermehrte Lieferung von Düngemitteln, Traktoren  und landwirtschaftlichen Maschinen die landwirtschaftliche Vorkriegsproduktion  überall erreicht werden kann. Der Landwirtschaftsrat der Balkan-Donauföderation  stellt eine 20 prozentige, Russland eine 5 prozentige, die Mittelmeerföderation  eine Steigerung von 8% in Aussicht. Überraschend ist für den ersten Augenblick  der niedrige Voranschlag für Russland. Er findet seine Erklärung darin, dass  auch die landwirtschaftliche Produktion durch den Bürgerkrieg stark  zurückgegangen ist. Der Zugviehbestand hat außerordentlich gelitten. Der größte  Teil der von uns gelieferten Traktoren kam für die Herbstbestellung zu spät.  Viele Traktoren sind durch falsche Behandlung gebrauchsunfähig geworden. Zudem  arbeiten die meisten Traktoren in staatlichen und genossenschaftlichen  Musterbetrieben, in denen zunächst einmal erstklassiges Saatgut für die  diesjährige Aussaat gezogen wird. Der russische Eigenverbrauch im laufenden  Wirtschaftsjahr wird wahrscheinlich wesentlich höher sein als 1913. Trotz der  erwarteten 5 prozentigen Überschreitung der Vorkriegsziffern wird deshalb die  russische Getreideausfuhr um ungefähr 10% hinter der Vorkriegsausfuhr  zurückbleiben.
Die Verhandlungen über die amerikanischen Lebensmittellieferungen sind in ein neues Stadium getreten. Alle Angebote aus Nord- und Südamerika betreffend vermehrte Lieferung von Lebensmitteln mussten vom Wirtschaftsrat der N.E.F. bisher abgelehnt werden, da vom Zentralwirtschaftsrat der S.U. eine aktive Handelsbilanz im Verkehr mit dem kapitalistischen Ausland streng vorgeschrieben ist. Infolgedessen musste die Rationierung und damit auch der Schleichhandel (die Hauptstütze des privaten Handels) zunächst noch fortbestehen. Die Ablieferungsbestimmungen und Zwangspreise, die den Klein- und Mittelbauern, der möglichst hohe Preise erzielen will, verbitterten, konnten nicht abgebaut werden, ebenso wenig der dazu notwendige große und kostspielige Apparat. Zehntausende von Arbeitskräften könnten einer produktiven Beschäftigung zugeführt werden, wenn diese „Kriegswirtschaft" ein Ende nähme. Vor allem aber wären endlich einmal normale Bedingungen für den Konkurrenzkampf mit dem Einzelhändler und dem Einzelbauern geschaffen. Aus all diesen Gründen hat der Zentralwirtschaftsrat endlich seinen Widerstand gegen die unbegrenzte Einfuhr amerikanischer Lebensmittel aufgegeben. In demselben Maße, in dem die Einfuhr aus Amerika unsere Ausfuhr übersteigt, soll unsere Ablieferungsquote für industrielle Erzeugnisse nach China und Indien erhöht werden. Die Leitung der Z. E. G. ist bevollmächtigt worden, mit den nord-, mittel - und südamerikanischen Lieferantenverbänden einen Vertrag abzuschließen, wonach der gesamte amerikanische Überschuss an Lebensmitteln für die nächsten drei Jahre zu einem festen Preise aufgekauft wird. Die Verhandlungen über die Preishöhe schweben noch.
Die Währungsreform
  ist jetzt abgeschlossen. Die Einheitsmark ist ab 1. April in der ganzen S. U.  das einzige gesetzliche Zahlungsmittel. Der Umtausch der alten nationalen  Zahlungsmittel erfolgt gegen Umtauschschein noch bis zum 1. Mai zu folgendem  Kurs: 1 Einheitsmark ist = 100 deutschen Vorkriegsmark = 1000 österreichischen  Kronen = 100000 Rubeln = 2 englischen Schillingen = 10 französischen und  belgischen Franken =10 Lire = 3 dänischen Kronen = 4 Pesetas und = 1  holländischen Gulden. Der Umtausch von alten Währungssorten findet nur gegen  Vorzeigung des Tauschbogens statt, der von den örtlichen Arbeiterräten ausgestellt  wird. Dieser Tauschbogen ist von allen Personen, die noch über ein Vermögen von  mehr als 10000 Goldmark verfügen, mit der Abgabe der Vermögenserklärung  spätestens am 30. April dieses Jahres an die örtlichen Arbeiterräte abzugeben.  Die Höhe der umgetauschten Zahlungsmittel ist auf dem Tauschbogen einzutragen.  Unbefugter Umtausch von Zahlungsmitteln und die Beihilfe dazu werden ebenso wie  die Verheimlichung von Vermögensbeständen mit dem Tode bestraft. Die Formulare  zur Abgabe der Vermögenserklärung haben folgenden Wortlaut:
1. Welches Vermögen haben Sie am 1. November 1918 besessen?
  Spezifikation (Haus- und Grundbesitz. Wertpapiere. Hypotheken. Guthaben bei  Banken, Sparkassen usw. Sonstige Guthaben und Beteiligungen 1. innerhalb, 2.  außerhalb des jetzigen Gebietes der S. U. Wertsachen. Einrichtungsgegenstände  a) gewerblicher, b) privater Natur. Bares Geld (in welcher Währung?).
  2. Wie viel von diesem Vermögen haben Sie zuletzt versteuert? Wo? Unter welcher  Geschäftsnummer und Steuerrolle?
  3. Welches Vermögen besitzen Sie jetzt noch? Spezifikation (wie unter 1).
  4. Wie viel Stabilisierungsanleihe besitzen Sie?
  5. Wie viel Sozialisierungsanleihe haben Sie bis jetzt gezeichnet?
  a) Wie viel davon bezahlt?
  b) Wie viel wollen Sie bis zum Zeichnungsschluss (15. Mai) noch freiwillig  zeichnen?
  6. Was können Sie über den Verbleib des beweglichen Teils Ihres früheren  Vermögens aussagen, der nicht mehr in Ihrem Besitz ist und über den Sie keine  Ablieferungsbescheinigung vorlegen?
  Vorwärts - 15. April 1920
Die Produktionsabgabe gefährdet!
  Ungenügende Produktionssteigerung und ungenügende Akkumulation in der  staatlichen Industrie
Unsere Befürchtungen wegen der zu raschen Lohnerhöhung und der zu schnellen  Verkürzung der Arbeitszeit haben sich leider als begründet erwiesen. Eine  Anzahl von Betrieben hat die zehnprozentige Produktionsabgabe im Monat März nur  noch durch Rückgriff auf frühere Reserven abführen können. Einige Betriebe  hoffen das Manko in diesem Monat durch Produktionssteigerung und Senkung der  Gestehungskosten ausgleichen zu können. Andere haben aber schon  außerordentliche Kredite angefordert, da sie selbst nur einen Teil der  Produktionsabgabe aufbringen können. Trotz der Einreihung von zwei Millionen  Frauen in den Produktionsprozess sind in verschiedenen Werken noch nicht alle  Produktionsmöglichkeiten ausgenützt. Ohne diese Voraussetzung ist bei der  scharfen Kalkulation die Durchführung unseres Programms nicht möglich. Die  Propaganda für weitere Einsparung von Arbeitskräften, für weitere Steigerung  der Produktion, für verstärkte Zeichnung von Sozialisierungsanleihe und für die  Einbeziehung von noch mehr Frauen in den Produktionsprozess muss mit aller  Energie verschärft werden, wenn die vorgesehenen Verschlechterungsmaßnahmen  nicht am 1. Mai in Kraft treten sollen.
  Genossen! Alle Kräfte angespannt, damit wir am Weltfeiertag der Arbeit einen  neuen Sieg an der Wirtschaftsfront feiern können!
  Vorwärts - 24. April 1920
7 1/2 Milliarden Anleihe gezeichnet! Morgen Beginn der Propagandawoche
Drei Viertel der aufzubringenden Summe sind bereits gezeichnet. Der Rest  muss in der kommenden Woche aufgebracht werden. Morgen beginnt die Propaganda  auf dem flachen Lande. Alle Schulen, Fortbildungsschulen, Arbeiterfakultäten  und Universitäten bleiben in der kommenden Woche geschlossen. Alle jugendlichen  Arbeiter und Lehrlinge werden bis zum 30. April beurlaubt, damit sie sich an  der Landpropaganda beteiligen können. Über zwei Millionen Radfahrer werden in  der N.E.F. aufgeboten. Zehntausend Lastautos, Tausende von Flugzeugen und  sämtliche Luftschiffe werden in den Dienst der Propaganda gestellt. Die  Belegschaften aller Druckereien, Zeitungsbetriebe und Papierfabriken verrichten  unbezahlte Überstunden, um Millionen von Flugblättern und Zeichnungsvordrucken unentgeltlich  herzustellen. Die Eisenbahnangestellten leisten unbezahlte Überstunden, um den  ungeheuren Verkehr in der nächsten Woche zu bewältigen. Der  Eisenbahnverwaltungsrat hat für die Propaganda zehn Millionen Freikarten zur  Verfügung gestellt. Die Klubarbeiten und alle kulturellen Veranstaltungen, die  nicht der Zeichnungspropaganda dienstbar gemacht werden können, ruhen in der  nächsten Woche. Alle werktätigen Männer und Frauen haben sich nach Schluss der  Arbeitszeit in den Dienst der Anleihepropaganda zu stellen. Ihren Höhepunkt  soll die Propaganda am 1.Mai erreichen. Von 7—11 Uhr vormittags werden noch  einmal Radfahrer, Motorradfahrer, Flugzeuge, Automobile und Traktoren aller  staatlichen und genossenschaftlichen Betriebe aufgeboten. Von 12—1 Uhr ruht der  gesamte private Telefonverkehr. Telefon und Telegraph stehen nur für die  Durchsage der neuen Zeichnungsergebnisse zur Verfügung. In Berlin arbeiten am  1. Mai 40000 Büroarbeiter in drei Schichten; die erste Abteilung arbeitet von  Mitternacht bis früh um 6 Uhr und stellt das Ergebnis des sozialistischen  Wettbewerbs fest. Die zweite Abteilung (6—12 Uhr) bearbeitet die Meldungen über  die Urabstimmung vom 3o. April. Die dritte Abteilung (i3—19 Uhr) stellt die  neuen Zeichnungsergebnisse zusammen. Um 13 Uhr beginnt in der ganzen  Nordeuropäischen Föderation der Aufmarsch der uniformierten Abteilungen des  Arbeiter-Flug-, Sport- und Wehrverbandes. Von 14 bis 15 Uhr stehen sämtliche  Personen- und Lastautomobile und alle Luftfahrzeuge für die Propagandaumfahrten  des F.S.W. zur Verfügung. In Berlin wird sich hieran sofort der üblich  gewordene Arbeitsaufmarsch anschließen: Ost-Westrichtung 100000 ungelernte  Arbeiter aus Russland, Polen, Rumänien, Balkan, Türkei, Arabien, Indien und  China, die in der N.E.F. eine dreijährige Ausbildung durchmachen sollen.  West-Ostrichtung 50000 russische Arbeiter, die nach einjähriger Ausbildung  wieder in die Heimat gehen und 50000 deutsche Facharbeiter, die in Russland und  an den überseeischen Wirtschaftsfronten eingesetzt werden. Dazu ein Zehntel der  Berliner Aprilproduktion an Automobilen, Traktoren, Straßenbau- und  landwirtschaftlichen Maschinen. Erst um 18 Uhr beginnen in diesem Jahre die  Veranstaltungen der Gewerkschaften. Um 18 Uhr beginnt die gegenseitige  Kontrolle der Zeichnungen. Drei Tage lang haben alle Werktätigen ihre  Zeichnungsbescheinigungen bei sich zu führen. Jedermann ist moralisch  verpflichtet, dem anderen seine Zeichnungspapiere unaufgefordert zu zeigen und  sich von ihm die seinen zeigen zu lassen.
  Der erste Mai wird also diesmal schon ein ganz, ganz anderes Gepräge haben als  in der vorrevolutionären Zeit. Damals war unsere Losung:
Mann der Arbeit aufgewacht, Und erkenne Deine Kraft. Alle Räder stehen still, Wenn Dein starker Arm es will.
Diesmal ist unsere Losung:
„Alle Räder drehn sich schneller, Arbeitsmann, wenn Du es willst, Jetzt wird Dein eignes Leben heller, Wenn Du den Arbeitsplan erfüllst."
  Vorwärts - 27. April 1920
Der Arbeiter-Flug-, Sport- und Wehrverband
tritt am 1. Mai im Bereich der N.E.F. in folgender Stärke an: 
  Jugendliche:
  12,1 Millionen (männl. 7, weibl. 5,1), 
  Aktive Formationen:
  9 Millionen Männer
  3,6 Millionen Frauen 
  Ausgebildete Reserveformationen:
  10,8 Millionen Männer
  3 Millionen Frauen 
  Unausgebildete Reserven:
  3,5 Millionen Männer
  8,8 Millionen Frauen 
  Notreserven:
  5,1 Millionen Männer
  6,3 Millionen Frauen
Alle Verbände für Körperkultur sind jetzt restlos dem F.S.W. angeschlossen.  Mit dem mächtigen Klub der Naturfreunde ist eine Vereinbarung über zweckmäßige  Arbeitsteilung und -ergänzung getroffen worden. Milliardenwerte an  Liegenschaften, Gebäuden, Spielplätzen, Turnhallen, Badeanstalten,  Bootshäusern, Kleinschiffswerften, Sportbedarfs-, Fahrrad- und Motorradfabriken  sind in den Besitz des F.S.W. übergegangen. Über drei Milliarden Goldmark wurden  in diesem Jahre in der N.E.F. für Zwecke der Körperkultur bereitgestellt. Alle  Schulturnhallen stehen dem F.S.W. unentgeltlich zur Verfügung. Seine Mitglieder  erhalten auf allen sozialisierten Verkehrseinrichtungen eine fünfzigprozentige  Preisermäßigung, bei Stellung von Sonderzügen auf Strecken über 100 km 75%.  Alle Exerzierplätze, Flugplätze und Truppenübungsplätze sind in die Verwaltung  des F.S.W. übergegangen. In allen Städten mit mehr als 10000 Einwohnern, die  noch keine Flugplätze haben, werden welche angelegt. Alle freigewordenen  Kasernen und sonstigen militärischen Gebäude sind in Ledigenheime für  Mitglieder des F.S.W. umgewandelt worden. Der F.S.W. hat die Verwaltung,  sorgfältige Lagerung und Instandhaltung des gesamten Kriegsmaterials übernommen.  Er hat alle jugendlichen Mitglieder so weit militärisch auszubilden, dass sie  nur noch einen zweimonatigen Lehrgang in der roten Miliz durchmachen müssen.  Die Leitung der roten Miliz ist jetzt schon zur Hälfte Sache des F.S.W. In zwei  Jahren soll die Leitung der roten Miliz, in drei Jahren das gesamte  Militärwesen den selbstgewählten ehrenamtlichen Organen des F.S.W. übertragen  werden. Der rote Kriegskommissar der N.E.F. soll dann nur noch ein Aufsichts-  und Vetorecht behalten. In Zweifelsfällen und bei Streitigkeiten zwischen der  Leitung des F.S.W. und dem Kriegskommissar soll grundsätzlich der Parteitag  entscheiden. In eiligen Fällen entscheidet das Partei-Exekutiv-Komitee, dessen  Beschlüsse vom nächsten Parteitag bestätigt oder abgeändert werden.
  Die Rote Armee der N.E.F. wird bis Ende dieses Jahres auf einen festen Bestand  von 250000 Mann reduziert. Sie wird 10000 Berufsoffiziere höherer Grade mit 25  jähriger und 20000 Offiziere mit 10 jähriger Dienstzeit behalten. Für weitere  20000 rote Offiziere, die bis zum Regimentskommandeur ausgebildet werden  sollen, ist eine Dienstzeit von 5 Jahren vorgesehen. Weitere 100000 rote  Freiwillige absolvieren eine Dienstzeit von 2 Jahren und avancieren in dieser  Zeit bis zum Hundertschaftsführer. 10000 besonders befähigte Genossen können  daran anschließend einen halbjährigen Bataillonsführerkursus mitmachen. Diese  150000 Mitglieder der Führerarmee sind Freiwillige und werden sorgfältig aus  den Reihen des F.S.W. ausgesucht, der auch die Mannschaften für Massenübungen stellt.  Ganz anders aber werden die anderen 100000 Angehörigen der roten Armee  aussehen. Sie werden aus Faulenzern und Drückebergern bestehen, die entweder  gar nicht Mitglied des F.S.W. waren oder ihrer Ausbildungspflicht nicht in  genügender Weise nachgekommen sind. Für diese pflichtvergessenen jungen  Arbeiter ist eine einjährige Ausbildungszeit vorgesehen. Der revolutionäre  Kriegsrat hofft jedoch, dass die Zahl dieser Drückeberger ständig abnehmen  wird, so dass die stehende Rote Armee bald auf den Führerstamm von 150000 Mann  reduziert werden kann. Alle anderen Arbeiter, die im F.S.W. vorgebildet sind,  haben nur eine zweimonatige Dienstzeit in der Roten Miliz durchzumachen.
  Angehörige der bürgerlichen Klasse sind weder zum Heeres- noch zum Milizdienst  verpflichtet. Sie können jedoch nach zweijähriger Mitgliedschaft im F.S.W. als  Freiwillige zugelassen werden, wenn sie mindestens zwei gute Bürgen für ihre  politische Zuverlässigkeit stellen und durch Ablegung einer Prüfung den  Nachweis erbringen, dass sie die Grundbegriffe der sozialistischen  Gesellschaftswissenschaft kennen.
  Als militärische Zwangsmaßnahme für Frauen ist nur die Teilnahme an einem  Gasabwehrkursus des F.S.W. vorgesehen. Die militärische Ausbildung der Frauen  wird sich im Regelfalle auf die freiwillige Teilnahme an Veranstaltungen und  Übungen des F.S.W. beschränken. Eine Dienstpflicht in der Roten Armee oder  Miliz besteht für Frauen nicht; sie können jedoch als Freiwillige zugelassen  werden. Alle weiblichen Mitglieder des F.S.W. sind jedoch verpflichtet, sich an  den Vorarbeiten für die technische, wirtschaftliche und Gasmobilmachung zu  beteiligen. Neun Zehntel aller polizeilichen Aufgaben sollen noch in diesem  Jahre von ehrenamtlichen Funktionären des F.S.W. übernommen werden.
  Auch auf wirtschaftlichem Gebiet hat der F.S.W. in Zukunft eine ungeheure  Arbeit zu leisten. Am 1. Mai übernimmt der Flug-, Sport- und Wehrverband die  Verwaltung von weiteren 150 Fabriken und wird dadurch in die Lage versetzt,  fast den ganzen Ausrüstungsbedarf seiner Mitglieder durch Eigenproduktion zu  decken. Nach den Voranschlägen soll dadurch eine ganz gewaltige  Rationalisierung und Verbilligung eintreten. Die Werke werden vollkommen auf  den Bedarf des F.S.W. umgestellt und restlos rationalisiert. Viele Werke  produzieren jetzt bereits nur zwei Artikel, die meisten jedoch nur einen und  auch von diesem einen Artikel in jedem Monat nur ein Modell. Da diese Werke  außerdem von der Produktionsabgabe befreit sind und im Vierschichtenwechsel  restlos ausgenützt werden, ist der wirtschaftliche und finanzielle Erfolg  geradezu verblüffend.
  Die Gesamtausrüstung eines männlichen Jugendmitgliedes des Flug-, Sport- und  Wehrverbandes ist:
  1 Normaltransportkoffer mit 2 Handgriffen
  1 Militärrucksack
  1 Leib- und Tragriemen
  1 Kartentasche
  1 kompl. Kochgeschirr mit Kocher
  1 Wolldecke
  1 Zeltbahn
  1 wattierter Lederkopfschutz
  1 Schutzbrille
  1 Paar Handschuhe
  1 Paar schwere Marschschuhe
  1 Paar Sportschuhe
  1 Badehose
  1 Sportdress nach Wahl
  1 Breecheshose
  1 Lederkniehose
  1 lange Hose
  2 Paar Socken
  1 Paar wollene Überziehstrümpfe oder 1 Paar Gamaschen
  2 Paar Unterhosen 2 Unterhemden
  1 Mütze
  1 graugrünes Oberhemd
  1 braunes Oberhemd
  1 Wollsweater
  1 gummierte Windjacke
  1 Lodenjoppe
  1 Wintermantel
  1 Notizbuch mit Abreißblock
  1 Füllfederhalter
  1 Blei- und Kopierstift.
  Der F.S.W. rüstet also seine jugendlichen Mitglieder mit fast allen  Bedarfsartikeln für Sport und Wanderung, für Land, Luft und Wasser und sogar  für den Kriegsfall aus. Diese ganze Ausrüstung wird an die jugendlichen  Mitglieder für 120 Mark geliefert und kann in 12 Monatsraten bezahlt werden.  Der Selbstkostenpreis ist etwas höher. Die Leitung des F.S.W. hofft jedoch,  durch weitere Rationalisierungsmaßnahmen die Gestehungskosten bis auf den  Verkaufspreis drücken zu können. Der Unterschied wird vorläufig aus  Etatsmitteln der Roten Armee bestritten und erreicht längst nicht die Höhe der  großen Ersparnisse, die durch die Heeresverminderung erzielt werden. Bis jetzt  sind 100 freiwillige Radfahrwegabteilungen mit der neuen Ausrüstung versehen  worden. Der F.S.W. hat die Ausführung des gesamten Bauprogramms für Radfahrwege  übernommen. Die ganze Föderation soll mit einem dichten Netz von Radfahrwegen  überzogen werden, die nur, wenn unbedingt notwendig, mit den Landstraßen  verbunden sind, im übrigen aber ohne Berührung mit Fuß- und Fahrwegen quer  durch Wald und Feld führen. 80% aller Arbeiten werden ehrenamtlich von den  Radfahrwegabteilungen erledigt. Alle Mitglieder dieser Abteilungen sind mit  stabilen Fahrrädern aus den Eigenunternehmungen des F.S.W. versehen, die sie  zum Selbstkostenpreis von 48 Mark (Monatsrate 4 Mark) erhalten. Der Preis kann  voraussichtlich Ende dieses Jahres noch gesenkt werden, da bis dahin das  laufende Band in allen Betrieben des F.S.W. eingeführt wird. Jede  Radfahrabteilung besitzt zwei große Lastautomobile, ein Transport- und  Schrankauto, das hundert Normaltransportkoffer so verstauen kann, dass sie im  Auto bequem geöffnet werden können, und ein Werkzeug- und Reparaturauto, das  außerdem 5 Reserveräder und Ersatzteile mitführt. Der Arbeitsaktionsradius ist  für Wochentage (3 Stunden Arbeitszeit) auf 25 km, für Sonntage (6 Stunden  Arbeitszeit) auf 40 km festgesetzt worden. Eine Überschreitung dieses  Aktionsradius darf auch auf ausdrücklichen Wunsch der Mitglieder bei  Arbeitsausfahrten nicht stattfinden. Bei Propaganda- und Sportausflügen ist an  Wochentagen ein Aktionsradius von 50 km, an Sonntagen von 100 km zugelassen,  aber nur für Mitglieder, die unter dauernder sportärztlicher Beobachtung  stehen. Die Autos für den Materialtransport werden unentgeltlich vom  staatlichen Automobiltrust gestellt. Alle sonstigen Kosten müssen von den  örtlichen oder Kreisarbeiterräten getragen werden.
  Der Bau von Radfahrwegen ist in der ganzen Föderation bereits in vollem Gange.
  Die Mitgliederzahl in den Radfahrabteilungen der F.S.W. steigt ständig.
  Der F.S.W. ist eine wichtige Keimzelle der neuen Gesellschaft und wird später  eine große Rolle bei der Liquidierung des Staates zu erfüllen haben. Vorläufig  aber ist es noch nicht so weit. Die Liquidierung des Staates, der Abbau der  Diktatur und die Einführung der vollendeten Demokratie, das alles sind Fragen,  die erst gelöst werden können, wenn es in Amerika keinen Kapitalismus mehr  gibt. Augenblicklich aber geht es dem amerikanischen Kapitalismus gut, sehr gut  sogar. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, wenn wir ihn wirtschaftlich  überholen wollen. Militärisch besteht keine Gefahr. Dafür bürgen der Flug-,  Sport- und Wehrverband und seine Bruderorganisationen in den anderen  Föderationen.
  Die „Ossoaviakhim" in der Russischen Föderativen Sowjet-Republik hat  bereits ganz gewaltige Erfolge erzielt. Ihr Einfluss auf dem flachen Lande ist  aber, wie auf allen anderen Gebieten, noch sehr schwach. Die  Gesamtmitgliederzahlen bleiben daher auch relativ weit hinter denen des F.S.W.  der N.E.F. zurück.
  In den nördlichen Staaten der Mittelmeerföderation ist die Mitgliedschaft im  Flug-, Sport- und Wehrverband im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sogar größer  als bei uns. In den arabischen, syrischen und nordafrikanischen Gebieten ist  der F.S.W. in der kurzen Zeit seines Bestehens die wichtigste und  bedeutungsvollste Organisation überhaupt geworden. Er leistet wertvolle Arbeit  bei der Liquidierung des Feudalismus, des Analphabetismus und der Unsauberkeit.  Die letzten Bandenaufstände, die von früheren Fürsten geführt wurden, sind von  den einheimischen Abteilungen des F.S.W. aus eigener Kraft niedergeschlagen  worden. In diesen Gebieten muss der F.S.W. viele Aufgaben mit übernehmen, die  bei uns vom Staat, von örtlichen und Bezirksarbeiterräten, von der Partei, von  Klubs und Gewerkschaften gelöst werden, da all diese Organisationsformen dort  entweder noch ganz unbekannt oder in den wirtschaftlichen Verhältnissen zu  wenig verwurzelt sind. In der Donau-Balkanföderation steht der F.S.W. zum Teil  noch vor ähnlichen Aufgaben. Noch größer und schwieriger sind aber die Aufgaben  der Bruderorganisation in Indien. Dort ist der F.S.W. der Hauptträger des  Kampfes gegen das Kastenwesen. In China hat der F.S.W. dagegen überraschend  schnell Fuß gefasst, da er dort gleich eine praktische Aufgabe zu lösen hatte:  die Bekämpfung des Generals- und sonstigen Banditenunwesens. Eine Anzahl von  Arbeiterorganisationen und „Roten Lanzen" (revolutionäre Bauernverbände)  ist im allchinesischen F.S.W. aufgegangen, der als wichtigste  Selbstschutzorganisation wertvolle Arbeit für die Befriedung Chinas geleistet  hat.
  Partei und F.S.W. (Beschluss der Exekutive) Parteikandidaten müssen vor der  Aufnahme mindestens ein Jahr lang aktives F.S.W.-Mitglied sein. 90% aller  höheren Führer des F.S.W. müssen Parteimitglieder sein. Ausnahmen sind nur noch  bis zum 1. Mai 1922 zulässig.
  Vorwärts - 29. April 1920
Das Memorandum des Metallindustrieverbandes
Die Gewerkschaft der Metallarbeiter hat in einem Memorandum an die Partei  und an den Zentralrat der N.E.F. zu den brennenden Fragen der  Wirtschaftspolitik Stellung genommen. Die große Majorität, mit der dieses  Memorandum von der Gesamtmitgliedschaft in der Urabstimmung angenommen wurde,  ist ein Beweis für die vorbildliche Disziplin der Metallarbeiter.
  Die Verfasser des Memorandums weisen auf die Gefahren hin, die durch die  übereilte Einführung des Sechsstundentages und durch die generelle Erhöhung des  Lohnes auch in den weniger produktiven Betrieben und Wirtschaftszweigen  entstehen können. Sie sind trotzdem der Ansicht, dass ein Rückzug möglichst  vermieden werden muss. Nach Ansicht der Verfasser wird in den Monaten Mai bis  Juni ein Defizit entstehen, so dass wir nicht in der Lage sein werden, alle  Neuanlagen und Kapitalzuschüsse an andere Föderationen aus der laufenden  Produktion zu decken. Sie warnen deshalb vor der beabsichtigten Überschreitung  der Wirtschaftspläne in den nächsten drei Monaten und schreiben dann wörtlich:
  „Bei Aufstellung der monatlichen Kontrollziffern wurden meistens von Anfang an  so hohe Forderungen an jedes einzelne Werk gestellt, dass sie nur unter  Anspannung aller Kräfte erreicht werden konnten. Jede Belegschaft setzte aber  trotzdem ihren ganzen Ehrgeiz darein, diese Ziffern noch zu übertreffen, so  dass es bald als selbstverständlich galt, dass die festgesetzten Ziffern um  mindestens 10% zu überschreiten seien, und dass nur das, was noch über diesen  10% lag, als Mehrleistung zu bewerten sei. Das ging zuerst ganz gut. Doch von  Monat zu Monat wuchsen die Kontrollziffern. Von Monat zu Monat stiegen aber  auch die Löhne. Die Arbeitszeit wurde verkürzt. Die Kapitaldecke wurde knapper.  Auch die überplanmäßige Produktion, für die oftmals nicht sofort Verwendung  bestand, verursachte Mehrausgaben und unnütze Kapitalinvestierungen. Die  Neuanlagen in der direkten und indirekten Produktionsmittelsphäre nehmen in so  starkem Maße zu, dass für eine Steigerung der dem Konsum dienenden Produktion  fast keine Mittel vorhanden sind. Bald wird ein schreiendes Missverhältnis  zwischen unserer Produktionsfähigkeit für Konsumtionsmittel und der gestiegenen  Kaufkraft entstehen, das erst nach Vollendung der Umstellungsarbeiten im Laufe  des Monats Juli behoben werden kann. Dazu kommt die Tatsache, dass viele Werke  in den nächsten drei Monaten infolge der höheren Lohnsummen bei verkürzter  Arbeitszeit nicht in der Lage sein werden, die zehnprozentige Produktionsabgabe  voll abzuführen, wenn nicht eine Erhöhung der Preise oder eine Verschlechterung  der Qualität eintreten soll. Beides muss aber unbedingt vermieden werden. Wir  schlagen deshalb vor, dass die Produktionsabgabe für den Monat Mai auf 7%, für  Juni auf 8% und für Juli auf 9% ermäßigt wird. Eine Lohnkürzung oder  obligatorische Arbeitszeitverlängerung halten wir aus den früher erwähnten  Gründen nicht für wünschenswert. Zur Deckung des Einnahmeausfalls schlagen wir  zwei Quellen vor:
  a) Je eine Schicht freiwilliger unbezahlter Sonntagsarbeit aller Werktätigen in  den Monaten Mai, Juni, Juli, August und September. Diese sozialistischen  Sonntage sind auf die sonstigen freiwilligen Sonntagsarbeiten einzelner  Belegschaften nicht anzurechnen. Das gesamte finanzielle Ergebnis dieser  Sonntagsarbeiten ist dem sozialistischen Akkumulationsfonds zuzuführen. Die  Werke dürfen bei Feststellung des finanziellen Ergebnisses die gelieferten  Materialien nur zum Selbstkostenpreise ansetzen. Allgemeine Produktionskosten  dürfen für diesen Tag vom Werk nicht angerechnet werden.
  b) Verstärkte Aufbringung von Sozialisierungsanleihe. Für alle Gewerkschafter  besteht in diesem Jahre die Pflicht, die Mindestsätze, welche die Partei für  ihre Mitglieder für Zeichnung von Sozialisierungsanleihe festgesetzt hat,  ebenfalls zu zeichnen. Eine besondere Zeichnungskampagne ist einzuleiten mit  dem Ziel, dass alle Anleihezeichner
  Einzahlungen, die erst später geleistet werden sollten, bereits in den Monaten  Mai bis Juli machen und ihre Zeichnung womöglich noch erhöhen, wobei der  Mehrbetrag in den Monaten Mai bis Juni einzuzahlen ist.
  Diese Anträge sind in einer Urabstimmung unter den Mitgliedern des  Metallarbeiterverbandes gegen wenige Stimmen angenommen worden. Wir beantragen,  dass sie auch in allen anderen Gewerkschaften oder Betrieben zur Abstimmung  gelangen."
  Das wird nun am 30. April geschehen. Wir hoffen, dass auch die Mitglieder aller  anderen Industrieverbände dieselbe Einsicht zeigen wie die Metallarbeiter und  dadurch die drohenden Schwierigkeiten abwenden. Damit ist aber erst ein Teil  der Aufgaben, vor denen wir stehen, gelöst. Die Vermehrung der Energiequellen  hat mit der Steigerung der Produktion nicht überall Schritt halten können.  Besonders in der vierten Schicht (7 Uhr abends bis 1 Uhr nachts) ist der  Elektrizitätsmangel sehr stark. Die Einschränkung der Straßen- und  Hausbeleuchtung, die wir als Notmaßnahme durchführen mussten, kann nicht noch  weiter verstärkt werden, da das Klub- und Versammlungsleben, das sich vor allem  in dieser Zeit abspielt, darunter leiden würde. Eine vorübergehende Hilfe war  der Fortfall der vierten Schicht in solchen Betrieben, die durch fehlerhafte  Bearbeitung der Produktionspläne bisher zuviel produziert hatten. Auf diese  Weise können wir uns in den nächsten Umstellungsmonaten wohl noch helfen. Bis  zum Herbst müssen aber genügend Kraftspeicherungsanlagen aus Mitteln der  Sozialisierungsanleihe gebaut sein. Auf keinen Fall aber darf in wichtigen  Betrieben die erste Schicht (1 — 7 Uhr früh) ausfallen, wie dies in  vereinzelten Fällen geschehen ist. Die Bequemlichkeit des einzelnen darf nicht  zur Schädigung der Gesamtheit führen. Die Zeit von 1 bis 7 Uhr mit ihrem Energieüberfluss  muss in allen dazu geeigneten Betrieben restlos ausgenützt werden. Noch eine  wichtige Frage ist sofort zu lösen: Nach Meldungen der Arbeitsämter haben in  den letzten Wochen in der N.E.F. über 50000 Arbeitslose Unterstützung bezogen,  die durch Betriebsumstellungen freigesetzt worden sind. Ein Teil davon stammt  aus Betrieben, die vorübergehend zum Zweck des Umbaus und der Rationalisierung  stillgelegt wurden. Diese Arbeiter kann man also sehr bald wieder in den  Produktionsprozess einreihen. Sie erhalten vorläufig nach einer neuen  Verordnung für ihre Urlaubszeit den vollen Lohn, der vorschussweise vom  Arbeitsamt gezahlt und später vom aufnehmenden Betrieb zurückerstattet wird.  Ein Teil der unterstützten Arbeitslosen stammt jedoch aus stillgelegten Betrieben  (veralteten oder Luxusartikelfabriken), die nicht wieder eröffnet werden.  Soweit für diese Arbeiter nicht eine andere Arbeitsgelegenheit am Ort besteht,  müssen sie sofort in die Bauindustrie übernommen werden, die immer noch unter  starkem Arbeitermangel leidet. Alle gelernten Bauhandwerker und früheren  Bauhilfsarbeiter, die während des Krieges und nach der Revolution in anderen  Industriezweigen untergekommen sind, müssen sofort in die Bauindustrie  zurückgeholt werden. Auch die Propaganda für freiwillige Umlerner ist —  besonders unter den Jugendlichen — zu verstärken, ebenso die Lehrlingssperre in  Gewerben, die Arbeiterüberfluss aufweisen. Den führenden Genossen im  Zentralwirtschaftsrat hat das Parteiexekutivkomitee eine Rüge erteilt, weil sie  auf dem Gebiete der Arbeitsbeschaffung nicht genügend Initiative bewiesen  haben. Das hat allerdings seine besonderen Gründe. Der Z. W.R. hat bei der  Zentralbaubank während des Winters und Frühjahrs große Darlehen aufgenommen.  Auch in den nächsten Monaten können infolge der ungenügenden Bautätigkeit  längst nicht alle Mieteinnahmen in der Bauindustrie angelegt werden. Der Z.W.R.  hofft daher, dass er im Laufe dieses Sommers nicht nur keine Rückzahlungen an  die Zentralbaubank zu leisten braucht, sondern sogar noch größere Summen  erhalten wird, die er zur Behebung der Finanznot in den nächsten Monaten gut  brauchen kann. Das wäre allerdings eine sehr bequeme Lösung dieses Problems.  Aber wir sind nicht für solche allzu bequemen Lösungen der Ressortpolitiker.  Unsere Parole lautet: aussprechen, was ist. Alle Fehler müssen aufgedeckt und  rücksichtslos ausgemerzt werden. Das gewaltige sozialistische Aufbauwerk wird  allen Menschen große Vorteile bringen. Wir müssen hart genug sein, auch von  allen Menschen Opfer zu verlangen, vom höchsten Funktionär ebenso gut wie von  dem freigesetzten Arbeitslosen, der einen neuen Beruf erlernen muss. Der erste  Mai wird ein Festtag sein, wenn die Urabstimmungen günstig ausfallen und die  Propagandawoche für vermehrte Zeichnung von Sozialisierungsanleihe Erfolg hat.  Der erste Mai wird ein Trauertag sein, wenn die Zeichnungen hinter dem  Voranschlag zurückbleiben und die Urabstimmung in den Betrieben und  Gewerkschaften negativ ausfällt. Sorgt dafür, dass der erste Mai ein Festtag  wird! !
  Vorwärts - 29. April 1920
Wer wird siegen im sozialistischen Wettbewerb?
Der sozialistische Wettbewerb, der morgen seinen Abschluss findet, ist in  zweifacher Beziehung der letzte seiner Art. Es ist der letzte Wettbewerb, der  mit bedeutenden Geld - und Wertprämien ausgestattet wurde, die auf das  abgabenfreie Grundvermögen der Arbeiterklubs der siegreichen Werke nicht  angerechnet werden. Es ist aber auch der letzte Wettbewerb zwischen einzelnen  Werken. Am 1. Mai ist die Zusammenfassung aller sozialisierten Unternehmungen  in Trusts beendet. Im zweiten Trimester wird der sozialistische Wettbewerb also  schon zwischen den einzelnen Trusts ausgetragen. Die Trusts können allerdings  sozialistische Wettbewerbe unter den angeschlossenen Betrieben veranstalten. Es  ist jedoch verboten, für diesen Zweck Wertprämien auszusetzen. Die siegreichen  Werke oder ihre Arbeiterklubs dürfen lediglich Ehrenurkunden erhalten.
  In der ganzen N.E.F. wird das Ergebnis des ersten sozialistischen Wettbewerbs  im Rahmen der Föderation mit fieberhafter Spannung erwartet. Alle Partei- und  Gewerkschaftszeitungen bringen lange Abhandlungen und Voraussagen über die  wahrscheinlichen Sieger. Sicher ist bis jetzt nur, dass die ersten Preise in  der Textilbranche nach Sachsen fallen werden, wo mehrere gleichwertige Gegner  erbittert miteinander ringen. Aus den anderen vier Hauptindustriezweigen liegen  bisher verschiedene Schätzungen vor, sie widersprechen einander so stark, dass  wir es vorziehen, uns an dem allgemeinen Rätselraten nicht zu beteiligen.
  Die Metallindustrie ist zum Zweck des sozialistischen Wettbewerbs in fünf  Unterklassen eingeteilt. In der Sonderklasse (über 20000 Mann Belegschaft)  dürften die L.L.W.-Breslau wieder das Rennen gewinnen, obwohl dieses Werk durch  die begonnene Elektrifizierung und Rationalisierung des Verkehrswesens zu  starken Umstellungen genötigt worden ist.
  In der A-Klasse hat die Liebknecht- (früher Germania-) werft in Kiel die besten  Aussichten.
  In den anderen Klassen mit ihrer Vielzahl von Betrieben lässt sich überhaupt  noch nichts Bestimmtes sagen. Der Trust für die Erzeugung landwirtschaftlicher  Maschinen hat im Einverständnis mit dem Zentral-Wirtschafts-Rat für alle  landwirtschaftlichen Kollektivwirtschaften, deren Bildung am 1. Mai beschlossen  wird, eine Ehrengabe ausgesetzt, bestehend aus:
  1 Traktor, 1 Vierscharpflug, 1 Egge, 1 Sämaschine, 1 Mähmaschine.
  Der Düngemitteltrust hat zur Unterstützung der Kampagne für  Kollektivwirtschaften ebenfalls bedeutende Preise bereitgestellt.
  Der Landwirtschaftsrat hat beschlossen, allen bis zum Abend des 1. Mai  neugebildeten Kollektivwirtschaften, in deren Bereich nicht ein früheres  Gutshaus liegt, das sich zur Einrichtung eines Klubs eignet, einen Zuschuss zur  Erbauung eines neuen Klubhauses in Höhe der halben Kosten zu übermitteln.
  Die Landagitation wird morgen und übermorgen noch verstärkt. Von Berlin gehen  heute und morgen allein 700 Sonderzüge zur Landagitation ab.
  In jedem Dorf der Nordeuropäischen Föderation finden morgen Versammlungen  statt, in denen die landwirtschaftliche Industrialisierung und die Bildung von  Kollektivwirtschaften propagiert wird.
  Alle Flugzeuge und Luftschiffe in der ganzen N. E. F. werden morgen noch einmal  eingesetzt, um alle ländlichen Ortschaften mit Flugblättern zu versehen.
  Vorwärts - 2. Mai 1920
Gewaltige Fortschritte!
Der Abstimmungssieg: Auf 10 Egoisten — 100 Sozialisten
  Der Anleihesieg: 12 Milliarden Mark erreicht 
  Der Sieg auf dem Lande: 2734 neue Kollektivwirtschaften 
  Der Sieg an der Wirtschaftsfront: 5ooo neue Genossenschaften
  Die Aprilproduktion überschreitet die Planziffern
  Der Sieg des F.S.W.: Zwei Millionen neue Mitglieder
Der 1. Mai war ein Festtag, war ein Siegestag, wie ihn die Welt noch nie  gesehen. Die Morgenstunden standen überall noch im Zeichen der Propaganda. Am  Nachmittag aber stieg die Siegesstimmung mit jeder neuen Nachricht. Ein  Freudentaumel erfasste ganz Europa, die ganze sozialistische Welt. Das  Proletariat feierte seinen Sieg, den Sieg über sich selbst, den Sieg der  Selbstdisziplin. Welch ein gewaltiger Fortschritt seit dem vorigen Jahr! Damals  waren wir gezwungen, einen Rückzug anzutreten. Die revolutionäre Selbstzucht  war damals noch nicht stark genug, so dass wir zu Zwangsmaßnahmen schreiten  mussten. Auch diesmal fiel der 1. Mai in eine Krisenzeit. Aber durch die  Opferfreudigkeit und die heroischen Anstrengungen der Arbeiterklasse ist diese  Krise überwunden worden. Die gewaltigen Arbeiten, die wir begonnen haben,  können fortgesetzt werden ohne Verlängerung der obligatorischen Arbeitszeit und  ohne Lohnkürzung.
  Ü ber 30 neue Elektrizitätswerke sind am 1. Mai eingeweiht worden, aber  gleichzeitig wurden mindestens zehnmal so viel Grundsteine zu neuen  Elektrizitätswerken gelegt. Über tausend Betriebe, die ihre Rationalisierungs-  und Umstellungsmaßnahmen beendet haben, öffnen noch heute ihre Pforten für eine  gesteigerte Produktion, aber dreimal so viel Werke werden in diesen Tagen zu  demselben Zweck stillgelegt. Im nächsten Vierteljahr dürfte die Umstellung der  stillgelegten Luxuswarenbetriebe, Brauereien und Brennereien in der Hauptsache vollzogen  sein. In der ganzen N.E.F. sind von heute ab nur noch 10 große moderne  Brennereien und 30 große Brauereien in Betrieb. Der Konsum alkoholischer  Getränke ist leider trotz aller Propaganda erst auf 32% des Vorkriegskonsums  zurückgegangen. Das Verbot des Ausschanks alkoholischer Getränke an Jugendliche  bleibt bestehen. Jedem Gastwirt, in dessen Lokal sich ein Gast sinnlos  betrinkt, wird die Konzession entzogen. Die Steuern auf Alkohol sind gestern  nochmals erhöht worden; dafür ist die Herstellung von alkoholfreien Getränken  seit gestern von allen Abgaben frei. Die früheren Luxusgaststätten sind jetzt  ausnahmslos Arbeiterklubs oder Kinderheime. Durch diese Maßnahmen und durch  weitere Begünstigung und Verbilligung der Herstellung und des Vertriebs alkoholfreier  Getränke hoffen wir, den Alkoholismus besser bekämpfen zu können als durch  völliges Verbot. Durch ein solches Verbot würde, wie die Erfahrung in anderen  Ländern zeigt, die Entstehung von Geheimbrennereien und damit die Bildung von  privatem asozialen Kapital begünstigt. Revolutionäre Selbstzucht ist auch hier  die Parole. Mit der alten Generation wird die Alkoholseuche langsam aussterben.  Die aufgeklärte Jugend verabscheut und bekämpft den Alkohol. Parteigenossen,  die bereits eine Verwarnung wegen Trunkenheit erhalten haben, werden im  Wiederholungsfalle unweigerlich aus der Partei ausgeschlossen. Die  Alkoholindustrie ist also die einzige Industrie, in der die Produktionsziffern  ständig zurückgehen, und das ist gut so.
  Die Wiederaufbauarbeiten im nördlichen Frankreich und in Belgien schreiten gut  vorwärts. Die Industrie und die Gruben in diesen Bezirken sind fast völlig  wiederhergestellt. Die landwirtschaftlichen Kollektivwirtschaften mit allen  Gebäuden und Einrichtungsgegenständen sollen zum größten Teil noch im Laufe  dieses Jahres ausgebaut werden. Die Dörfer und kleineren Ortschaften sollen  Mitte nächsten Jahres, die mittleren Städte Ende übernächsten Jahres, die  größeren Städte im September 1923 nach den modernsten Städtebauplänen  wiederaufgebaut sein. Der Wiederaufbaurat West hat am 1. Mai weitere zwei  Milliarden von der Zentralbaubank erhalten. Hundert bewährte Baukolonnen sind  verdoppelt, zwölf Baukolonnen mit schlechten Leistungen, die sich nicht zu  korporativer Arbeit eigneten, aufgelöst worden. Die zwanzig besten Baukolonnen,  die mit den modernsten Arbeitsmethoden geradezu Hervorragendes geleistet haben,  werden im Laufe dieses Jahres ständig verstärkt und zu Bauregimentern  erweitert. Nach Vollendung des Wiederaufbaus sollen fünf Bauregimenter in Deutschland  (Ruhrgebiet, Mitteldeutschland, Neuberlin, Breslau, Oberschlesien), je zwei  Bauregimenter und 20 Baukolonnen in der Donau-Balkan-Föderation und in der  Mittelmeerföderation, die übrigen freigewordenen Bauregimenter, -bataillone und  -kolonnen in den östlichen Randgebieten der N. E. F. und in Russland eingesetzt  werden. Die Kriegsschäden im Rheinland, in West- und Mitteldeutschland und in  Böhmen sind zum größten Teil behoben. Der Wiederaufbau in Holstein, auf den  dänischen Inseln und im Odergebiet wird in diesem Jahre beendet. Die Schweiz  hat sich jetzt völlig auf die neuen Verhältnisse umgestellt und kann in diesem  Jahre 100000 erholungsuchende Bauern, Arbeiter, Kinder und Frauen mehr  aufnehmen als im vorigen Jahr.
  Der Ausbau der Wasserkraftwerke in der Schweiz schreitet, ebenso wie in  Süddeutschland und in Schweden-Norwegen, gut vorwärts. In Skandinavien herrscht  bereits ein fühlbarer Arbeitermangel. In den nächsten Jahren sollen dort  mehrere Millionen aus Deutschland, Polen und Russland angesiedelt werden, damit  die neuen gewaltigen Energiemengen an Ort und Stelle in modernen Fabriken  ausgenützt werden können. Noch in diesem Jahre beginnen zwei, im nächsten Jahre  fünf neu gebildete Bauregimenter in Skandinavien und in Finnland-Karelien mit  dem Bau neuer Fabriken und Arbeiterwohnhäuser. Für die Beschäftigung der  Bauhandwerker im Winter ist bereits gesorgt. In Spitzbergen sind bereits seit  dem 15. März 12 Kohlenabbauregimenter und zwei Baubataillone tätig. Fünf  Regimenter können diesmal bereits in dem neuen „Haus der Arbeit"  überwintern und die Förderung mit modernster Ausrüstung auch im Winter  fortsetzen. Vier Regimenter gehen nach England weiter, wo bis dahin auch die  letzten Gruben modernisiert und auf rationelle Arbeitsmethoden umgestellt sind.  Die restlichen drei Regimenter und die beiden Baubataillone werden im nächsten  Winter in der Mittelmeerföderation eingesetzt. Die Baubataillone werden zu  Regimentern verstärkt. Alle Mannschaften der Kohlenabbauregimenter mit Ausnahme  der Urlauber sollen bis dahin in die Lage versetzt sein, zu überwintern und  weiterzuarbeiten. Die Spitzbergen-Freiwilligen erhalten alle zwei Jahre ein  halbes Jahr voll bezahlten Urlaub. Der Ausgang der sozialistischen Wettbewerbe  hat eine eigenartige Note dadurch erhalten, dass in den größeren  Betriebsklassen fast aller Föderationen und früheren Nationalstaaten die  ehemaligen Rüstungsbetriebe an der Spitze marschieren, in Russland Lebedew, in  England Armstrong, in Frankreich Schneider-Creuzot, in der Donauföderation  Skoda. In Deutschland gelang es den Kruppwerken, dicht hinter Borsig und ganz  knapp vor L. L. W., den dritten Platz zu belegen. Eine Ausnahme macht lediglich  Italien, wo die Fiatwerke durch ihre gewaltige Automobilproduktion alle anderen  Betriebe weit hinter sich zurückließen. Die Fiatwerke gewannen damit auch den  großen Preis der Sozialistischen Union für stärkste Förderung des  Automobilbaus, während der Sonderpreis für Steigerung der Traktorenproduktion  an die Kruppwerke fiel. Die deutschen und französischen Automobilfabriken  konnten trotz größter Anstrengungen den Vorsprung der Fiatwerke nicht mehr  einholen. Die Fiatwerke produzieren schon seit November vorigen Jahres nur noch  einen Wagentyp. Die meisten Werke der N. E. F. bauten dagegen noch im Januar  zwei oder gar drei Typen. Die Opelwerke hatten sogar fünf verschiedene  Wagenarten im Bau. Nunmehr sind jedoch alle Automobil- und Traktorenfabriken  auf die rationelle Herstellung eines einzigen Typs umgestellt worden, so dass  der Vorsprung der Italiener bald eingeholt werden dürfte. Der Sieg der  ehemaligen Rüstungswerke ist unserer Meinung nach kein Zufall und auch nicht  allein auf die moderne Ausrüstung dieser Werke zurückzuführen. Die Arbeiter und  technischen Angestellten der früheren Rüstungsindustrie haben sich mit einem  wahren Feuereifer auf die neuen Aufgaben umgestellt. In den Kruppwerken gab es  in den letzten Monaten keinen Sonntag, der nicht durch freiwillige unbezahlte  Arbeitsschichten ausgefüllt wurde. Die Arbeiter, die wochentags in vier  Sechsstundenschichten arbeiteten, verrichteten am Sonntag in drei Schichten  unbezahlte Überarbeit, so dass jeder Arbeiter durchschnittlich nur einen  Sonntag im Monat frei hatte. In Breslau herrscht über diese Tatsache, die von  der Kruppschen Belegschaft bisher sorgfältig geheim gehalten wurde, starke  Empörung. Die Arbeiter der L. L.-Werke, die den Kruppwerken ganz knapp  unterlegen sind, bezeichnen die Handlungsweise der Krupparbeiter als  sozialistisches Dumping und das verlorene Rennen als ein ungerechtes Handikap.  Ein Antrag der Waggonbauabteilung verlangt für die nächsten Monate die völlige  Aufhebung des freien Sonntags. Diesem Antrage dürfte aber kaum stattgegeben  werden. Bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden kann in kritischen  Zeiten die Leistung von zwei freiwilligen unbezahlten Sonntagsschichten im  Monat bedenkenlos gestattet werden. Im Höchstfalle dürfen drei  Sonntagsschichten pro Monat genehmigt werden. Ein Sonntag muss auf jeden Fall  frei bleiben, auch wenn die davon betroffenen Arbeiter es in ihrem sozialistischen  Wetteifer anders wollen.
  Als die Nachricht von dem Verlust der Spitze im sozialistischen Wettbewerb in  der Stadt bekannt wurde, schlug die freudige Stimmung der Breslauer sofort in  das Gegenteil um. An einigen Häusern wurden die roten Fahnen sogar auf Halbmast  gesetzt. In einer überfüllten Abendversammlung wurde jedoch den Breslauer  Arbeitern erklärt, dass sie keinen Anlass hätten, mit ihren Leistungen  unzufrieden zu sein. Am 8. Mai 1913, also ein Jahr vor Kriegsausbruch, wurde  die tausendste Lokomotive von den L.L.W. fertig gestellt. In der Nacht zum 1.  Mai dieses Jahres leistete ein Teil der Belegschaft freiwillige unbezahlte  Überstunden, um die fünftausendste Lokomotive noch bis zum 1. Mai fertig zu  stellen. Durch die Umstellung der Produktion auf einen einzigen Typ, durch die  Erweiterung der Werkanlagen, durch die Rationalisierung und die Einführung der  vierfachen Sechsstundenschicht ist es den L. L.W. möglich, noch in diesem  Jahre, also in acht Monaten, weitere 5ooo russische Einheitslokomotiven herzustellen.  Dieses Beispiel beweist am deutlichsten die Überlegenheit der sozialistischen  Wirtschaf t. Dabei stehen die L.L.-Werke im Gebiet des früheren Deutschland im  Lokomotivbau erst an fünfter Stelle (hinter Henschel & Sohn, Krupp, Borsig  und Schwartzkopf). Im Waggonbau dagegen stehen die L. L. W. nach Fertigstellung  der neuen Erweiterungsbauten an erster Stelle. In Zukunft werden nur noch zwei  Arten von Personen- und Güterwaggons in Breslau produziert (Typ Russland und  Typ Balkan). Dadurch wird eine weitere Steigerung der Produktion eintreten. Die  Breslauer Arbeiter können also mit ihren Erfolgen zufrieden sein. Wie ein  Pflaster auf die Wunde wirkte dann noch die Mitteilung, dass Breslau in der  Betriebsgrößenklasse C den ersten Preis im sozialistischen Wettbewerb erhalten  hat. Der Preisträger ist das Feldbahnwerk „Lassalle" (früher Smoschewer),  das große Lieferungen nach den Straßenbaufronten in Polen und Russland und nach  dem Donau—Weichsel—Oder-Verbindungsgebiet zu leisten hat.
  Die Arbeiten in diesem Gebiet gehen rüstig vorwärts. Die Roharbeiten zu zwei  Staustufen sind am 1. Mai eingeweiht worden. Im ganzen sind zwanzig Staustufen  geplant. Das Kanalsystem wird so angelegt, dass es sofort nach Fertigstellung  für 1000-Tonnen-Flußkanalschiffe befahrbar ist. Als Mindestwassertiefe ist  zunächst 1,60 m vorgesehen. Nach völligem Ausbau des Staubecken- und  Wasserwirtschaftssystems soll jedoch eine stetige Fahrwassertiefe von 1,80 m  erreicht werden, so dass das ganze Fluss und Kanalsystem später auch für  größere Flussschiffe befahrbar sein wird. Die Schleusen werden bereits  entsprechend angelegt. Drei Staubecken werden noch in diesem Jahre fertig; das  Staubecken von Ottmachau dagegen erst Ende nächsten Jahres.
  Die Leistungsfähigkeit der schlesischen Zementindustrie ist bereits  verdreifacht worden, kann aber immer noch nicht alle Anforderungen erfüllen. Am  1. Mai wurden die Erweiterungsbauten der Werke Neudorf und Silesia eingeweiht.  In Groschowitz ist der Bau einer großen Zementfabrik in Angriff genommen  worden. Die oberschlesische Produktion steigt ständig. Der Wohnungsbau wird  stark gefördert, trotzdem kann der Bedarf noch nicht annähernd befriedigt  werden.
  Die mitteldeutschen Kanal- und Wasserwirtschaftsbauten sind durch die  Fertigstellung neuer Bagger und anderer Maschinen und durch den Zuzug von  weiteren 80000 russischen und polnischen Landarbeitern stark gefördert worden.  Der dringendste Bedarf des Ruhrgebiets ist durch den Zuzug von 50000 polnischen  Arbeitern vorläufig gedeckt. Auch in der lothringischen Industrie und im  Erzbecken von Longwy und Briey sind wieder 50000 polnische Arbeiter eingestellt  worden.
  Das polnische Menschenreservoir ist nun bald erschöpft, da die Straßen-,  Eisenbahn- und Wasserwirtschaftsbauten in Polen sehr viel Arbeitskräfte  beanspruchen. Die landwirtschaftliche Anbaufläche in Polen ist stark vergrößert  worden. Im nächsten Erntejahre wird alles landwirtschaftlich nutzbare Land  unter dem Pfluge sein. Die Anforderungen von polnischen Arbeitern aus dem  wiederhergestellten nordfranzösischen Industriegebiet sowie aus Belgien und  England konnten gerade noch befriedigt werden. In Zukunft werden wir immer mehr  ungelernte Arbeiter aus Russland heranziehen müssen. Die Bekämpfung des  Analphabetismus der russischen Landbevölkerung ist deshalb eine Frage, an der  wir aufs allerstärkste interessiert sind. Im nächsten Jahr sollen weitere 10000  Lehrer nach Russland gehen. Für die freiwillige Übersiedlung nach Australien  dagegen darf in Zukunft in West- und Mitteleuropa nicht mehr agitiert werden.  Wir können niemand mehr entbehren. Angesichts dieser Menschenknappheit ist es  geradezu ein Verbrechen, dass wir nach den Meldungen vom 30. April immer noch  30000 Arbeitslose unterstützen. Wir begrüßen deshalb die Verordnung des  Zentralwirtschaftsrats, wonach nur noch für einen Monat  Arbeitslosenunterstützung gezahlt werden darf. In diesem Monat muss sich der  Arbeitslose für eine andere Tätigkeit entscheiden, wenn er in seiner Branche  keine Arbeit finden kann. Wir brauchen jede Kraft. Ist es nicht ein Wahnsinn,  dass 30000 leistungs - und arbeitsfähige Menschen untätig herumlaufen, während  Tausende von russischen Bauernsöhnen unter großen Kosten herangeholt und  ausgebildet werden! Diese skandalösen Zustände müssen wir sofort ändern.
  Vorwärts - 4. August 1920
Vor 6 Jahren
  Wir und Amerika
Wir denken nur mit Beschämung an jene Zeit zurück, in der wir deutschen  Proletarier versagt haben. Aber wir haben unser Unrecht, soweit das noch  möglich war, nach dem 9. November 1918 wieder gutgemacht. Wir haben dafür  gesorgt, dass sich die Ereignisse von 1914 nicht wiederholen können. Die  Sozialistische Union steht fest. Wenn es den Kapitalisten Amerikas jemals  einfallen sollte, uns anzugreifen, so werden sie auf Granit beißen. Das wird  heute wieder der Millionenaufmarsch des Flug-, Sport- und Wehrverbandes  bezeugen. Wir sind gegen jeden Angriff gerüstet. Zudem kann Amerika auch aus  innenpolitischen Gründen nicht an Krieg denken. Die Zahl der von Amerika  Deportierten nimmt ständig zu, die Zeiten des amerikanischen  Einwanderungsüberschusses sind — trotz den hohen Löhnen, die jetzt in Amerika  gezahlt werden — längst vorbei. In diesem Jahre sind allein im Bereich der N.  E. F. ungefähr 100000 Menschen mehr aus Amerika eingetroffen, als wir an  Amerika abgegeben haben. Natürlich denkt Amerika auch gar nicht an Krieg. Es  will uns nicht mit Granaten, sondern mit Anleihen überschütten. Der  amerikanischen Industrie geht es gut. Sie ist im Kriege ausgebaut worden und  hat ungeheure Gewinne gemacht, die jetzt durch das Schuldenregelungsabkommen  restlos realisiert worden sind. Kanada, Mittel- und Südamerika sind trotz allen  Revolten fest in der Hand der Yankees. Die Schuldentilgung geht flott vorwärts.  China allein hat bisher für 3 Milliarden Dollar mehr aus Amerika bezogen, als  es in Landesprodukten geliefert hat. Aber den Amerikanern ging es immer noch zu  langsam. Sie wollen angeblich so schnell wie möglich ihre Verbindlichkeiten  loswerden. In Wirklichkeit möchten sie natürlich nur ihre Unternehmungen  restlos ausnutzen und möglichst viel verdienen. Wir sind ihnen entgegengekommen  : Die Amerikaner bauen allein in China in den nächsten Jahren ein Eisenbahnnetz  in der Länge von 200000 km (das entspricht dem halben Eisenbahnnetz der  Vereinigten Staaten). Wir zweifeln nicht daran, dass sie diese Verpflichtung ebenso  wie alle anderen Lieferungsverträge erfüllen werden. Trotzdem waren wir  überrascht, als sie uns das erste Anleiheangebot machten. Sie wollen uns über  den Betrag ihrer Zahlungsverpflichtungen hinaus 5 Milliarden Dollars leihen,  vielmehr: sie wollen uns dafür Waren liefern. Sollen wir dieses Angebot  annehmen, oder sollen wir, wenn es seine Schulden beglichen hat, die  finanziellen Beziehungen zu Amerika abbrechen? Die Meinungen sind geteilt. 20  Milliarden Mark sind eine Summe, die wir bei Durchführung der großen Pläne, die  im nächsten Jahrfünft verwirklicht werden sollen, gut verwenden könnten. Wir  brauchen sie nicht unbedingt: wir könnten unseren Aufbau auch aus eigener Kraft  durchführen und finanzieren. Aber weshalb sollen wir das amerikanische Angebot ablehnen?
  Wir geben den Amerikanern damit allerdings die Möglichkeit, ihren  Wirtschaftsapparat restlos auszunützen und die kapitalistische Wirtschaft zu  höchster Blüte zu bringen. Aber wir können anderseits auch unseren Aufbau  ungeheuer beschleunigen. Die Fünfjahrespläne, die jetzt zur Debatte stehen,  könnten durchweg erweitert werden. (Was die achtprozentigen Zinsen anbetrifft,  an denen sich manche Genossen stoßen, so wird ihre Aufbringung für unsere  ausgebaute Wirtschaft eine Kleinigkeit sein. In fünf Jahren können wir die  geliehenen Summen mit Leichtigkeit zurückzahlen. Eine andere Frage ist es, ob  den Amerikanern die Aufnahme dieser Summen dann überhaupt noch möglich ist.  Aber das soll ja nicht unsere Sorge sein. Deshalb sind wir für Annahme des  amerikanischen Angebots.)
Rückblick
  In der kurzen Zeit seit Beendigung des Krieges ist Gewaltiges geleistet worden.  Der Wiederaufbau liegt bald hinter uns. Allerdings, unsere Erfolge sind mit  großen Opfern aller Werktätigen bezahlt worden. So gewaltig aber auch unsere  freiwillig gebrachten Opfer sein mögen, wie verschwindend gering sind sie doch  gegen die Opfer, die von der ganzen Menschheit während des Krieges erzwungen  wurden. Ungefähr 10 Millionen Menschen sind den kapitalistischen  „Vaterländern" geopfert worden. 350000 rote Soldaten fielen nach dem 9.  November im Kampf für den Sozialismus. So schmerzvoll auch dieser Verlust für  uns ist, wir können doch stolz sagen, dass der Erfolg nicht zu teuer bezahlt  worden ist. 10 Millionen Menschen fielen für ein Phantom, für ein Nichts. Jene  350000 dagegen starben für eine hellere Zukunft der Menschheit. Und ebenso ist  es mit den anderen Opfern, die wir alle gebracht haben. Sie waren schwer,  gewiss, aber nicht umsonst. Und nun stellen wir uns einmal vor, wie die Welt  heute aussehen könnte, wenn all die Opfer, die im Kriege gebracht wurden,  ebenso planmäßig wie im letzten Jahr für den sozialistischen Aufbau gebracht  worden wären, wenn all die Energien, die der Krieg verschlang, zum Zweck des  Aufbaus verwandt worden wären, wenn die 20 Millionen Menschen, die aus dem  normalen Produktionsprozess herausgerissen wurden, und die 20 Millionen  Menschen, die nur für die Zerstörung gearbeitet haben, für eine planmäßige  Aufbauarbeit verwandt worden wären! 
  Die Welt wäre heute schon ein Paradies! Was war, lässt sich nicht ungeschehen  machen. Wir haben bezahlt für unsern kritiklosen Glauben an den Kapitalismus  und an unsere „Führer", die „im Augenblick der Gefahr das Vaterland nicht  im Stich ließen". Und unsere Schuld ist noch immer nicht ganz getilgt.  Darum, Genossen! Vorwärts! Marsch! Erkämpfen wir unseren Kindern das Paradies,  das wir uns selbst verscherzt haben!
Was erreicht wurde
  In der N. E. F. sind die Umstellungen der industriellen Produktion größtenteils  beendet. Die Produktion ist weiterhin gestiegen und damit auch unsre  Konsumtionskraft, die sich in den Löhnen und den Ausgaben für soziale Zwecke,  sowie in den Zuwendungen an die Arbeiter-, Jugend- und Bauernklubs und an die  Kinderheime ausdrückt. Eine Erhöhung des Individuallohns ist nicht geplant: sie  widerspräche dem Prinzip der Kollektivierung des Konsums. Die noch immer nicht  überwundene Wohnungsnot wird heute bereits nicht mehr so stark empfunden, da  allen Werktätigen in Klubs, Tageserholungsheimen, Landhäusern, Erholungsheimen und  Badeorten schöne und gut ausgestattete Räume zur Verfügung stehen. Manche Klubs  sind sogar schon in der Lage, ihren Mitgliedern und Gästen Reitpferde zur  Verfügung zu stellen. Wann hätte je ein Arbeiter vor der Revolution Zeit und  Mittel gehabt, diesen schönen und gesunden Sport auszuüben? Er leistete sich  bestenfalls ein Fahrrad, und das in der Regel auch nur, um zur Arbeit zu  fahren.
  Was hätte wohl ein Arbeitgeber in der Vorkriegszeit einem Arbeitnehmer  geantwortet, der trotz sechsstündiger Arbeitszeit vier Wochen bezahlten Urlaub  verlangt hätte, um ein Schweizer Sanatorium aufzusuchen? Wir finden das schon  selbstverständlich. Was uns früher als Ideal erschien, genügt uns heute schon  nicht mehr. Und mit Recht: wir könnten ja wirklich schon viel weiter sein, wenn  wir nur an uns selbst, nur an West- und Mitteleuropa zu denken hätten. Aber wir  sind Sozialisten und denken nicht nur an uns, sondern auch an die anderen, an  die Genossen in den armen, unentwickelten, zurückgebliebenen Ländern, denen wir  beim Aufbau ihrer Wirtschaft helfen müssen. In den anderen Föderationen, mit  Ausnahme der englischen und der Mittelmeerföderation, geht es natürlich  langsamer vorwärts als bei uns.
  Am gewaltigsten, noch größer als bei uns, sind die Fortschritte in Australien.  Dort sind bisher 3 Millionen Inder, 5 Millionen Chinesen und 3 Millionen  Europäer angesiedelt worden, so dass die Majorität der weißen Bevölkerung  plangemäß erhalten blieb. Und noch immer hält Australien daran fest, dass nicht  mehr Exoten als Weiße einwandern dürfen. Auf Grund eines neuen Abkommens werden  allerdings die Inder arischer Abstammung den Europäern gleichgesetzt, so dass  die Schwierigkeiten für eine weitere Erschließung Australiens damit behoben  wären, wenn nicht eben dadurch Indien in neue Schwierigkeiten geriete. Die  Inder sind im allgemeinen schwer zur Auswanderung zu bewegen. Gerade diejenigen  aber, die sich freiwillig zur Auswanderung melden, gehören dem  fortgeschrittensten Teil der indischen Bevölkerung an. Durch ihre Abwanderung  gehen also die wertvollsten Kräfte verloren, die zur Industrialisierung Indiens  und zur Bekämpfung des Kastenunwesens dringend im Lande selbst gebraucht  werden. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass immer weitere Kreise der im  übrigen sehr weit fortgeschrittenen australischen Genossen von den veralteten  Rassevorurteilen abrücken und sich für stärkere Zulassung der chinesischen  Einwanderer aussprechen. In der australischen Partei wird voraussichtlich bald  eine Mehrheit für diesen Standpunkt vorhanden sein. Für Japaner (es handelt  sich meistens um Deportierte) besteht bereits völlige Einwanderungsfreiheit. Zu  dieser Konzession entschloss sich die australische Partei, da der Zustrom  „weißer" Einwanderer aus Nord- und Südamerika von Monat zu Monat zunimmt.  Leider sind diese Amerikaner meistens im doppelten Sinn des Wortes weiß":  da die Sozialistische Partei Amerikas Auswanderung als Fahnenflucht im  Klassenkampf brandmarkt, handelt es sich fast durchweg um Unorganisierte  (freigesetzte Landarbeiter und Bewohner der Slums, die mit den Behörden auf  Kriegsfuß leben). Ob die Genossen in Australien viel Freude an diesen Brüdern  „gleicher Farbe" erleben werden? Wir möchten es bezweifeln.
  In der britischen Föderation (England, Schottland, Irland) geht es mit  Riesenschritten vorwärts. Der katastrophale Arbeitermangel verhindert  allerdings eine völlige Ausnutzung der englischen Industrie, so dass in England  noch viele Millionen von Arbeitern freiwillig in drei Achtstunden bzw.  Siebenstundenschichten arbeiten. Die Gegensätze zwischen England und Irland,  die im Kapitalismus niemals gänzlich beseitigt werden konnten, sind jetzt  völlig behoben. Die englische Kohlenproduktion, die vor dem Kriege ihren  höchsten Stand mit 290 Millionen Tonnen erreichte, ist schon im Jahre 1919 auf  350 Millionen Tonnen gestiegen. Sie wird noch in diesem Jahre 400 Millionen  Tonnen überschreiten und soll im nächsten Jahre 500 Millionen Tonnen erreichen.
  Durch die weitere Steigerung der Förderung auf Spitzbergen, durch Ausbau der  nordfranzösischen und Ruhrkohlenbergwerke, durch gewaltige Forcierung der  mitteldeutschen Braunkohlenförderung, durch Ausbau der oberschlesischen Gruben,  verstärkte Arbeit im Donezbecken, sofortige Erschließung der gewaltigen  sibirischen Kohlenvorkommen und der riesigen russischen Torflager, durch  Verdoppelung der Erdölproduktion in Rumänien, im Kaukasus und in Mesopotamien  und nicht zuletzt durch die neuen gewaltigen Wasserkraftwerke werden wir also  bald in der Lage sein, unseren wachsenden Energiebedarf zu befriedigen. Wir  haben diese gewaltigen Energiemengen aber auch bitter nötig, wenn wir die  großen Aufgaben bewältigen wollen, vor die uns die Fünfjahrespläne stellen.
  Russland, vor kurzem noch das industriell rückständigste Land, ist nahe daran,  uns zu überflügeln: Es holt unsern Vorsprung mit Riesenschritten ein und  schreckt nicht davor zurück, von seinen Arbeitern gewaltige Opfer zu verlangen.  Russland will während des Fünfjahresplans ungefähr 100 Milliarden Mark  investieren. Dazu kommen noch die 45 Milliarden Mark, die wir nach den vorliegenden  Entwürfen liefern werden, sowie 15 Milliarden aus der britischen und 5  Milliarden aus der Donau-Balkanföderation (letztere trägt praktisch auch die N.  E. F., da sie 7,5 Milliarden an die Donau-Balkanföderation liefern soll). Die  Mittelmeerföderation erhält 3 Milliarden von uns und soll ebensoviel Waren an  Russland liefern. Am Ausbau Australiens und Südafrikas sind wir mit je 2, am  Aufbau Chinas und Indiens mit je 5 Milliarden beteiligt. Zu den Kosten der  ersten Erschließung Zentralafrikas haben wir im nächsten Jahrfünft 3 Milliarden  Mark beizutragen. Den Löwenanteil der Industrialisierungskosten in den  vorgenannten Gebieten hat England zu tragen. China erhält darüber hinaus noch  die großen Lieferungen aus Amerika. Die Mittelmeerföderation wird ihre ganze  Kraft auf Nordafrika, Syrien und Arabien konzentrieren, während wir die  Hauptkosten der Erschließung Kleinasiens, Persiens und Mesopotamiens  übernehmen. Wir sollen also, falls die Entwürfe, so wie sie jetzt vorliegen,  angenommen werden, in den nächsten fünf Jahren für zirka 70 Milliarden Mark  mehr Erzeugnisse an andere Föderationen abführen, als wir auf dem Wege des  Austausches von ihnen erhalten. Eine gewaltige Aufgabe, aber wir können sie  lösen, und wir werden unseren ganzen Ehrgeiz einsetzen, die gesteckten Ziele  nicht nur zu erreichen, sondern über sie hinaus zu gelangen. Im Kapitalismus  betrug die Akkumulation der Länder, die heute die N. E. F. umfasst, jährlich  schätzungsweise 20 Milliarden. Dazu kamen jährlich mindestens 5 Milliarden  Verluste durch Wirtschaftskämpfe. Diese Beträge allein sind doppelt so hoch wie  die Summe, die wir akkumulieren müssen, um unsere Abgaben an andere  Föderationen aufzubringen. Aber heute bereits akkumulieren wir, dank den  Ersparnissen im Heerwesen, in der Flotte, der Polizei und der Verwaltung  jährlich zirka 68 Milliarden. Und der Produktionsüberschuss wird in den  nächsten fünf Jahren noch sehr erheblich steigen. Die Vorteile der  Planwirtschaft, der restlosen Rationalisierung und völligen Ausnutzung aller  modernen Betriebe werden sich erst in Zukunft richtig auswirken, so dass trotz  den gewaltigen Abgaben und neuen Plänen (allein für Wohnungsbau sollen 20—25  Milliarden verausgabt werden) bald eine Lohnerhöhung oder Arbeitszeitverkürzung  erfolgen könnte. Die vorliegenden Pläne sehen jedoch weder in diesem noch im  nächsten Jahre eine Erhöhung des Normalstundenlohns vor. Da aber die  Fünfjahrespläne, mit Ausnahme des russischen, keine neuen  Sozialisierungsanleihen bringen, steigt in Wirklichkeit der Reallohn erheblich.  Die 10 prozentige Stabilisierungsanleihe wird sogar zum 1. Juli 1921 gekündigt  und zurückbezahlt, soweit sie der Zeichner nicht freiwillig in eine 6  prozentige Anleihe konvertiert. Mit der 8 prozentigen Sozialisierungsanleihe  soll dasselbe je zur Hälfte per 1. Juli 1922 und 1923 geschehen. Aus den Reihen  der radikalen Mitglieder und besonders aus den Reihen der Jugend sind schwere  Vorwürfe gegen den Zentralwirtschaftsrat erhoben worden. Es wird behauptet, er  habe durch die Politik der hochverzinslichen Anleihen eine Art neuen  Kapitalismus geschaffen. Diese Vorwürfe sind kaum gerechtfertigt. Ohne unsere  Anleihepolitik hätten wir nie das erreichen können, was wir bis jetzt  geschaffen haben. Der Anreiz der hohen Verzinsung war zunächst notwendig, da  die breiten Massen noch nicht sozialistisch geschult waren. Außerdem war es uns  durch diese Anleihepolitik möglich, das versteckte Warenkapital der kleineren  und mittleren Kapitalisten für die Volkswirtschaft nutzbar zu machen. Wir haben  dadurch dem wirklichen Kapitalismus und vor allem dem privaten Handel viel mehr  geschadet, als wir es durch bloße Konfiskationen jemals vermocht hätten. Das  beste Beispiel ist Holland: Die holländische Wirtschaft und Währung hatte durch  die Umwälzung so wenig gelitten, dass bei der Stabilisierung der Gulden einer  Einheitsmark gleichgesetzt werden konnte. In Holland war aber auch der kleine  und mittlere Kapitalismus noch um die Mitte des vorigen Jahres so stark, dass  er beinahe als die vorherrschende Wirtschaftsform angesehen werden konnte. Obwohl  in Holland wenig Zwangsmaßnahmen angewandt worden sind, ist es doch gelungen,  den Anteil der privaten Produktion auf etwas über 20% und den Anteil des  privaten Handels auf unter 40% des Gesamthandels herabzudrücken. Das ist immer  noch unbefriedigend im Vergleich zu Deutschland und sogar im Vergleich zu  Frankreich, dennoch ein beachtlicher Erfolg.
  Unsere Anleihepolitik ist also ebenso notwendig wie erfolgreich gewesen. Was  aber im vorigen und zum Teil noch in diesem Jahre galt, gilt nicht mehr im  nächsten Jahre. Wo sollen die Liliputkapitalisten, die auch nach der  Vermögensabgabe ihr ganzes in Anleihen angelegtes Kapital behalten haben, in  Zukunft ihr Geld anlegen? Wenn sie nach Amerika auswandern, dürfen sie nur die  Hälfte und im Höchstfalle 5000 Mark mitnehmen. Sie werden es also vorziehen,  hier zu bleiben und sich mit 6% zufrieden geben. Der Zentralwirtschaftsrat  rechnet damit, dass nach der Kündigung der Anleihen nur ungefähr 10%, höchstens  15% der gezeichneten Beträge zurückgezahlt werden müssen und der übrige Teil in  6 prozentige Anleihen konvertiert wird. Da die Parteimitglieder zur  Konvertierung verpflichtet sind und die andern Arbeiter wahrscheinlich nicht  nachstehen wollen, erscheint uns dieser Voranschlag nicht zu optimistisch.
  Vorwärts - 1. Oktober 1920
Der russische Fünfjahresplan in Kraft
Es ist bedauerlich, dass durch das vorzeitige Losschlagen der Russen eine gewisse Unklarheit in den Wirtschaftsplänen eintritt. Die Laufzeit aller anderen Fünfjahrespläne beginnt am 1. Januar. Die Genossen in Russland aber glauben, dass sie uns ebenso wie in der politischen auch in der wirtschaftlichen Revolution vorausgehen müssen. Wir geben zu, dass die Russen für ihr übereiltes Tempo triftige sachliche Gründe haben. Russland ist auf fast allen Gebieten am weitesten zurück. Es will vor allem unseren technischen Vorsprung so bald wie möglich einholen. Auch spielt dort die Landwirtschaft noch eine so ausschlaggebende Rolle im Gesamtproduktionsprozess, dass es durchaus vernünftig erscheint, das Wirtschaftsjahr (also auch das erste Jahr des Fünfjahresplans) mit dem Erntejahr zusammenfallen zu lassen. Das hervorstechende Merkmal des russischen Fünfjahresplans ist die in den ersten Jahren fast etwas übertriebene Investition in solchen Produktionsmitteln, die von der Konsumtionssphäre noch sehr weit entfernt sind. Trotz den gewaltigen Zuschüssen von Fertigwaren, die wir in den nächsten fünf Jahren an Russland zu leisten haben, muss daher der Massenkonsum im Durchschnitt weit hinter dem west- und mitteleuropäischen zurückbleiben. Das russische Lohnniveau wird in den ersten drei Jahren noch tiefer unter dem unsrigen liegen, als es schon infolge der niedrigen Gesamtproduktivität der russischen Wirtschaft an sich notwendig wäre. Es geht den russischen Arbeitern und Bauern heute schon besser als vor dem Kriege. Aber es geht ihnen noch lange nicht so gut wie dem Arbeiter in der N.E.F. Nicht nur, dass die meisten russischen Arbeiter noch sieben oder gar acht Stunden arbeiten und niedrigere Löhne als in Westeuropa erhalten, auch die Zahl und Ausrüstung der russischen Klubhäuser, Kinderheime, Tages- und Landerholungsheime sowie der Kurorte ist noch viel geringer als bei uns. Die vom russischen Kapitalismus übernommene Erbmasse war eben in dieser wie in jeder Hinsicht sehr dürftig. Russland wird daher erst in einigen Jahren, nach Beendigung zahlreicher Neubauten an den Ufern des Schwarzen Meeres, in der Krim und im Kaukasus, daran denken können, jedem Arbeiter alle Jahre einen unentgeltlichen Ferienaufenthalt in einem Kurorte zu bieten, während wir schon im nächsten Jahre dazu in der Lage sind. Hier soll der Ferienaustausch einige Abhilfe schaffen: Für Arbeiter aus der N. E. F. werden im nächsten Jahre 100000 Plätze in russischen Kurorten freigehalten. Die russischen Arbeiter und Bauern erhalten dagegen 500000 Freiplätze in Deutschland, in der Schweiz, in Dalmatien, an der Riviera und in Italien. Schwerkranke kommen natürlich nach wie vor in das Bad oder in den Luftkurort, wo sie am ehesten Heilung finden, einerlei, ob dieser Ort nun an der See, in Russland oder Ungarn, in der Schweiz, in Italien oder in Ägypten liegt. Wenn das arme Russland mit seiner schwachen Industrie, seiner zum großen Teil immer noch aus Analphabeten bestehenden Bevölkerung und seinen unentwickelten Hilfsmitteln den Fünfjahresplan voll erfüllt, so stellt es uns in den Schatten. Trotz den gewaltigen Aufgaben, die wir uns gestellt haben, reicht unser Fünfjahresplan im Verhältnis zu unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei weitem nicht an den russischen heran. Haben wir unsere Leistungsfähigkeit unterschätzt, oder haben die russischen Genossen die ihre überschätzt? Müßige Frage! Der gigantische Fünfjahreswettbewerb innerhalb der Sozialistischen Union hat begonnen: Fünf Jahre lang heißt es, noch einmal alle persönlichen Wünsche zurückstellen zum Wohl des Ganzen. Dann aber ist die Verwirklichung des sozialistischen Ideals in greifbare Nähe gerückt.
  Vorwärts - 15. Oktober 1920
Maritimes Wettrüsten?
Bei den Friedensverträgen mit Amerika und Japan ist es leider unterblieben,  eine Abmachung über die Einstellung von Kriegsschiffbauten zu treffen. Jeder  Gedanke an einen möglichen Krieg lag damals so fern, dass Rüstungsfragen  überhaupt nicht erörtert wurden. Jetzt zeigen sich die Folgen: Amerika und  Japan arbeiten — zuverlässigen Meldungen zufolge — fieberhaft an der  Verstärkung ihrer Kriegsflotten. Sie können unmöglich daran denken,  gegeneinander Krieg zu führen, denn die Beute, um die sie ihn früher vielleicht  geführt hätten, China, ist ja Unionsgebiet. Es kann sich also nur um  Kriegsvorbereitungen gegen die Sozialistische Union handeln, so unsinnig dieser  Gedanke auch ist. Die Treiber sind natürlich die Kriegslieferanten. Wir können  dem nicht tatenlos zusehen. Das revolutionäre Kriegskomitee hat beschlossen,  alle Kriegsschiffe, die weniger als 15 Jahre alt sind, instand zu setzen und  gefechtsbereit zu halten. Außerdem werden alle Torpedo- und Unterseeboote  sofort wieder instand gesetzt sowie durch Neubauten ergänzt. Das vollkommen  neuzeitliche Scapa-Flow-Geschwader wird mit Dreijährig-Freiwilligen bemannt.  Alle anderen Schiffe erhalten eine ständige Bemannung, die in den Werften und  Fabriken der Hafenorte arbeitet, alle Jahre eine vierwöchige Übung mitmacht und  bei Mobilmachung sofort zur Verfügung steht.
  Europa und die Mittelmeergebiete lassen sich also ohne allzu hohe Kosten gegen  jeden maritimen Angriff schützen. Anders steht es dagegen um Südafrika, China,  Ostsibirien, Australien, Ozeanien und Indien. In Kapstadt soll ein Geschwader  stationiert werden, dessen Bemannung sich aus Kapstädter Arbeitern rekrutieren  wird. Auf den Philippinen muss dagegen zum Schutz gegen einen plötzlichen  Überfall ein modernes aktives Geschwader liegen, das jederzeit imstande ist,  die Durchfahrten zwischen dem asiatischen und australischen Kontinent mit  Unterstützung von Unterseebooten und Hilfskreuzern zu verteidigen. China,  Ostsibirien und Indien sollen dagegen keine moderne maritime Verteidigung  erhalten, da uns das unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde.
  Der Zentralrat der S. U. hat in einer Note an die amerikanische und japanische  Regierung Verwahrung gegen die Neubauten eingelegt und sofortige Verhandlungen  angeboten. Sollten die Kapitalisten sich weigern, die Schiffsbauten  einzustellen, so werden wir ihrer gesamten Handelsflotte das Anlaufen unserer  Häfen verbieten und den Handel mit dem kapitalistischen Ausland sofort  einstellen. Natürlich werden wir, da eine solche Maßnahme die Fünfjahrespläne  undurchführbar machen würde, alles daran setzen, um die Frage friedlich zu  lösen.
  Vorwärts - 20. November 1920
Das Ergebnis der Verhandlungen mit Amerika 
  Einstellung aller Kriegsschiff bauten Fünf Milliarden-Dollar-Anleihe
Also da lag der Hase im Pfeffer! Die Amerikaner wussten genau, dass sie gar nicht an einen Krieg denken können. Aber die Herren Rüstungspatrioten haben trotz der industriellen Hochkonjunktur immer noch nicht genug verdient. Deshalb mussten sie für einige hundert Millionen Dollars Kriegsschiffe bauen. Deshalb auch das dauernd wiederholte Angebot von Anleihen, obwohl wir nichts davon wissen wollten. Zuerst verlangten sie 10%, dann 8%, schließlich 7%, und jetzt sind sie froh, ihr Geld mit 6% loszuwerden. Kapitalistische Logik! Was hätten sie wohl gemacht, die Herren Amerikaner, wenn die sozialistische Revolution auf ein einziges Land beschränkt geblieben wäre? Nicht einen Pfennig Kredit hätte dieser sozialistische Staat erhalten, solange es noch andere Möglichkeiten der Kapitalsanlage gab. Aber das ist es ja gerade: die profitversprechenden Anlagemöglichkeiten werden knapp. Die Schulden an die Union sind fast abgedeckt. Die südamerikanischen Staaten und Mittelamerika haben zwar auch Milliarden Dollars aufgenommen, aber immer noch nicht genug, um für die ungeheuren Mehrwerte der blühenden nordamerikanischen Wirtschaft eine Anlagemöglichkeit zu bieten. In dieser beispiellosen Hochkonjunktur konnten die amerikanischen Kapitalisten ihren Arbeitern trotz Riesengewinnen immer höhere Löhne zahlen. Löhne von 5 Dollars pro Tag sind nichts Seltenes mehr, so dass sich Millionen von amerikanischen Arbeitern an der Kapitalakkumulation beteiligen. Aber wohin mit all dem Segen? Die Riesengewinne können nur realisiert werden, wenn große Warenmassen oder Kapitalmengen, für die es in der kapitalistischen Inlandswirtschaft keine rentable Absatz- oder Anlagemöglichkeit mehr gibt, ins Ausland gehen. Deshalb bieten die Kapitalisten uns, ihren Todfeinden, Anleihen an, ja, drängen sie uns geradezu auf. Gut, wir werden sie nehmen. Wir werden unsern industriellen Aufbau damit beschleunigen. Aber was wird in Zukunft, wenn wir wirklich keine Anleihen mehr brauchen können? Werden die Kapitalisten dann Krieg machen, die Welt zerstören, um Platz zu schaffen für das Geld, in dem sie zu ersticken drohen? 1914 soll uns eine Warnung sein: Wir dürfen uns nicht in Friedensillusionen wiegen.
  Vorwärts - 4. Dezember 1920
Die Forderungen der kommunistischen Jugend
In der ganzen S. U. demonstrierte gestern die kommunistische Jugend für die  Parole:
  Weg mit der kapitalistischen Anleihepolitik! Macht Ernst mit dem Kommunismus!
  Die Forderungen der Jugend sind zum Teil berechtigt, zu einem andern Teil  schießen sie weit über das im Augenblick Erreichbare und Wünschenswerte hinaus.  Sie wenden sich gegen die Annahme amerikanischer Anleihen und zugleich gegen  die Verzinsung der Inlandsanleihen. Sie verlangen, dass der Individuallohn  herabgesetzt und der größte Teil des Konsums kommunisiert wird. Gleichzeitig  soll der Gesamtlohn, also Individual- plus Kollektivlohn, gesenkt werden, damit  die sozialistische Akkumulation verstärkt werden kann.
  Gestern abend haben Verhandlungen zwischen dem Exekutivkomitee der  Internationale und den Delegierten der Jugend stattgefunden. Der Jugend wurde  klargelegt, dass wir zunächst einmal die sozialistische Wirtschaft restlos  aufbauen müssen, bevor wir an die Verwirklichung des Kommunismus denken können.  Die Pflicht der Jugend ist es, bei der Lösung beider Aufgaben voranzugehen.  Tatsächlich ist das Leben in den kommunistischen Jugendklubs des Flug-, Sport-  und Wehrverbandes ein Beispiel für uns alle! Sie lernen kostenlos Motorrad  fahren, fliegen und Auto fahren, schwimmen, reiten, fechten und schießen, haben  Kanus, Ruder-, Segel- und Motorboote, Lastkraftwagen und Reitpferde zu ihrer  Verfügung. Überall, wo sie hinkommen, stehen ihnen Klub- und Landhäuser,  Jugendherbergen, Bootshäuser, Autogaragen und Flughallen offen. Die  Bibliotheken sind geradezu mustergültig organisiert. Die künstlerischen und  populärwissenschaftlichen Veranstaltungen mancher Klubs werden von  Nichtmitgliedern so überlaufen, dass diese Klubs sogar erhebliche  Barüberschüsse erzielen. Ihren Urlaub (dies Jahr sechs Wochen, im nächsten  schon acht) verbringt die kommunistische Jugend auf Wanderungen oder auf  ehemaligen Truppenübungsplätzen. Viele wohnen dauernd in den Ledigenheimen der  Jugendklubs, wo sie preiswert mit einfachem Essen und alkoholfreien Getränken  versorgt werden. In manchen dieser Klubs wurde bereits die Wäscheversorgung und  die Reparatur von Kleidung und Schuhwerk kommunisiert. Dem Alkohol und dem  Tabak haben die meisten Mitglieder abgeschworen. Übermäßiger Aufwand gilt als  Laster. Der — allerdings ziemlich hohe — Klubbeitrag ermöglicht ihnen freien  Eintritt in Kinos, Theater, Ausstellungen und alle sonstigen Veranstaltungen.
  Es ist deshalb nur selbstverständlich, dass die K.J. jetzt den Beschluss  gefasst hat, alles irgend entbehrliche Geld, soweit es nicht zum weiteren  Ausbau der Klubeinrichtungen gebraucht wird, in einer selbstorganisierten  freiwilligen Industrialisierungsanleihe anzulegen.
  Aber die Jugendlichen sind damit nicht zufrieden: sie wollen auch uns, die vom  Kapitalismus verseuchte alte Generation, umkrempeln. Sie wollen ihre Eltern und  alle anderen Erwachsenen mit Verachtung strafen, wenn sie nicht auf eine  Verzinsung ihrer Anleihebeträge verzichten. Sie verlangen die Umwandlung aller  Anleihen in zinsfreie Obligationen. Diese Forderung ist aber vom  Zentralwirtschaftsrat abgelehnt worden. Dagegen wurde stärkste Propaganda für  die freiwillige Konvertierung aller alten Anleihen beschlossen: jeder  Anleihezeichner wird vor die Frage gestellt, ob er alte Anleihen bei  Fälligwerden zuzüglich Zinsen ausgezahlt zu bekommen wünscht oder ob er sie in  6 prozentige bzw. in unverzinsliche Industrialisierungsobligationen  konvertieren will. Die Forderung der kommunistischen Jugend nach Auflegung  unverzinslicher Industrialisierungsobligationen wurde angenommen. Daneben soll  aber auch eine 4 prozentige Industrialisierungsanleihe aufgelegt werden, damit  die funktionslos gewordenen Kapitalien der Liliputkapitalisten aufgesaugt und  auch die Arbeiter, die sich von kapitalistischen Gedankengängen noch nicht  freigemacht haben, zur Zeichnung angeregt werden. In Wirklichkeit dürfte jedoch  auch für den kapitalistisch denkenden Menschen die Zeichnung von  unverzinslicher Anleihe rentabler sein als die Zeichnung verzinslicher. Die  verzinsliche Anleihe wird nämlich in Markbeträgen nominiert, während die  unverzinsliche auf Arbeitsstunden lautet: bei der Einzahlung wird ein  Stundenlohn einer Mark gleichgesetzt. Die Zeichner von unverzinslicher  Stundenanleihe werden nach Ablauf des Fünfjahresplans von so viel  Pflichtarbeitsstunden befreit, wie sie Stundenanleihe gezeichnet haben. Die  Pflichtarbeitszeit beträgt augenblicklich im Monat 150 Stunden und wird nach  Ablauf des Fünfjahresplans wahrscheinlich nur noch 100 Stunden betragen. Der  Anleihezeichner, der jetzt 10 Stunden monatlich zeichnet, opfert damit also ein  Fünfzehntel seiner Monatsarbeitsleistung, er wird aber in fünf Jahren ein Zehntel  seiner monatlichen Arbeitsleistung zurückerhalten. Wer im nächsten Jahre 300  Stunden zeichnet, wird also im Jahre 1926 über seine Urlaubszeit hinaus (die  dann wahrscheinlich zwei Monate betragen wird) weitere drei Monate von der  Pflichtarbeit ohne Kürzung seines Einkommens befreit sein.
  Dagegen ist der Zeichner von Markanleihe, der in der Zwischenzeit allerdings  seine 4% Zinsen erhält, 1926 gezwungen, das zurückerhaltene Geld in teuren und  hochbesteuerten Luxusartikeln anzulegen. Eine andere Anlagemöglichkeit gibt es  dann für ihn nicht mehr. Von der Arbeitspflicht wird er nicht befreit, und die  Gegenstände des notwendigen Bedarfs wird er entweder umsonst oder zu billigen  Preisen erhalten. Sozialistisches Sparen ist also selbst nach kapitalistischen  Gesichtspunkten rentabler als kapitalistisches Sparen. Wir zweifeln nicht  daran, dass weit mehr Stundenanleihen als Markanleihen gezeichnet werden.  Parteimitglieder können natürlich nur Stundenanleihen zeichnen. Schon dadurch  ist der Sieg der Stundenanleihe verbürgt, denn wir haben im letzten Jahre  allein in der Partei und in den der Partei gleichgestellten Jugendverbänden  1500000 ordentliche Mitglieder neu aufgenommen, denen nur ein Abgang von zirka  100000 durch Tod, von 10000 durch Austritt und von zirka 300000 durch  Ausschluss gegenübersteht. Die Zahl der Parteikandidaten hat sich um fast 3  Millionen vermehrt. Über 2 Millionen Anwärter haben sich ferner zu  vorbereitenden Kursen angemeldet. Der Parteibeschluss über Anleihezeichnung  wird sich also auf ungefähr 10 Millionen Menschen beziehen. Ganz sicher ist  dieser Beschluss allerdings noch nicht, da er eine völlige Umgestaltung aller  Fünfjahrespläne (mit Ausnahme des russischen) bedingte. Mit Ausnahme des  russischen Fünfjahresplans wurden bekanntlich alle Pläne auf der natürlichen  Akkumulation aufgebaut, die in den nächsten Jahren infolge der gewaltigen  Steigerung der Produktivkraft bei stehen bleibenden Individuallöhnen und  unverkürzter Arbeitszeit gigantische Dimensionen annehmen wird. In Russland  liegen die Verhältnisse anders, die russischen Genossen wollen ihren Aufbau zum  größten Teil aus eigener Kraft vollbringen und haben daher eine  Sozialisierungsanleihe ausgegeben, die von der Arbeiterschaft große Opfer  verlangt. Das wäre nicht nötig gewesen, wenn die Russen sich etwas mehr Zeit  gelassen und sich mehr auf unsere Hilfe verlassen hätten. Aber sie haben ihren  Willen durchgesetzt. Und wir werden ihnen, falls die neuen Anleihen  Zustandekommen, auf diesem Wege folgen. Unsere armen Genossen in den  Planwirtschaftskommissionen tun uns allerdings leid. Sie werden in der  Umstellungszeit statt sechs Stunden wahrscheinlich 16 Stunden täglich arbeiten  müssen, damit die Änderung der Produktionspläne ohne Reibungen vor sich geht.  Um ihnen ihre schwere Arbeit etwas zu erleichtern, wird wahrscheinlich die  Zeichnungsfrist auf einen Monat beschränkt.
  Vorwärts - 12.Dezember 1920
Wegfall der Soziallohnzuschläge 
  Keine Frauenzulagen mehr! Staatlicher Kinderzuschuss!
Vom 1. Januar ab fallen alle Frauen- und Kinderzuschläge zum Normallohn  fort. Frauenzuschläge gibt es überhaupt nicht mehr, da für Frauen die gleichen  Arbeitsmöglichkeiten bestehen wie für Männer und alle kranken Frauen  ausreichend betreut werden. Die Schwangeren erhalten vom fünften Monat der  Schwangerschaft an bis acht Wochen nach der Entbindung den vollen Arbeitslohn.  Voraussetzung hierfür ist die einwandfreie Feststellung der Schwangerschaft  durch den Arzt. Die Aufnahme in Schwangeren-, Entbindungs- und  Wöchnerinnenheimen erfolgt unentgeltlich. Schwangere Frauen sind von jeder  Pflichtarbeit befreit, können sich jedoch freiwillig mit leichteren Arbeiten  beschäftigen, wenn der behandelnde Arzt es gestattet. Die Schulpflicht wird auf  alle Kinder im Bereich der S.U. bis zur Vollendung des sechzehnten Lebensjahres  ausgedehnt. Am 1. Januar werden in der S.U. über 5000 neue Schulen und 195 neue  Universitäten eröffnet; damit ist Platz geschaffen für alle Schulpflichtigen in  der S. U., außer in einigen innerasiatischen und innerafrikanischen Gebieten.
  Eine Erziehungsbeihilfe von 20 Mark monatlich wird ab 1. Januar an alle Eltern  oder Erziehungsberechtigten für Kinder unter 16 Jahren gewährt, die nicht in  stationären Kinderheimen untergebracht sind. Die Zahlung dieser  Erziehungsbeihilfe wird allerdings davon abhängig gemacht, dass die  schulpflichtigen Kinder die Schule besuchen, und dass die Vier- bis  Sechsjährigen mindestens drei Stunden täglich in die ambulanten Kinderheime  gebracht werden. Lehrmittel werden unentgeltlich von Heimen und Schulen  gestellt, ebenso Frühstück und Mittagessen.
  Vorwärts - 12. Februar 1921
Zum Ergebnis der beiden Anleihen
Obwohl die Stärke der Propagandaaktion weit hinter der vorjährigen  zurückstand, ist das Ergebnis der Industrialisierungsanleihezeichnung durchaus  zufrieden stellend. In der ganzen Sozialistischen Union sind über 47 Milliarden  Stundenanleihen gezeichnet worden. Der an 50 Milliarden fehlende Rest wird  korporativ von der Partei, von den Verbänden der Genossenschaften, von den  Gewerkschaften und von den Jugendabteilungen des Flug-, Sport- und  Wehrverbandes übernommen. Die Planwirtschaftskommissionen können also mit rund  5o Milliarden rechnen. Der Ertrag der internationalen Stundenanleihe wird  vollständig von der Zentralplankommission der S. U. verwaltet und verteilt. Die  Plankommission der Föderationen haben also damit nur insofern zu tun, als ihnen  von der Zentralkommission Lieferungsaufträge in Höhe der in der Föderation  gezeichneten Beträge erteilt werden. Das Aufkommen aus der Markanleihe (im  ganzen rund 11 Milliarden, davon in der N. E. F. ungefähr 3 Milliarden) fließt  restlos den Föderationen zu.
  Da eine Umarbeitung und Erweiterung der Fünfjahrespläne nicht in der kurzen  Zeit durchgeführt werden konnte, bleiben diese Pläne zunächst noch bestehen.  Der Überschuss aus den Anleihen und die eventuellen Mehrerträge infolge  überplanmäßiger Steigerung der Produktion sollen dazu verwandt werden, die  planmäßigen Arbeiten zu beschleunigen, also eventuell noch in diesem Jahr mit  Arbeiten zu beginnen, die eigentlich erst im nächsten Jahr in Angriff zu nehmen  waren.
  Die Steigerung der Produktion erfolgt vor allem zugunsten der Urproduktion von  Rohstoffen. Eine überplanmäßige Steigerung von 20% im ersten Jahre ergäbe  infolgedessen eine vielleicht 40 prozentige Steigerung im dritten und vierten  Jahr des Fünfjahresplans.
  Man hofft, dass es gelingen wird, den Gesamtplan schon bis zum 30. April 1925  durchzuführen. Die Verwirklichung des Fünfjahresplans würde danach nicht länger  dauern als der Weltkrieg (4 Jahre und 4 Monate). Der 1. Mai 1925 würde zum  gewaltigsten Siegestag, den die Menschheit je gefeiert hat. Die sozialistische  Menschheit! Denn in Amerika und Japan — wo die Presse uns heute als Utopisten  lächerlich macht — hat man dann bestimmt keine Lust, mit uns zu feiern!
  Im einzelnen soll sich die Beschleunigung des Tempos folgendermaßen auswirken:  Die industriellen Produktionsziffern des ersten Jahres sollen erreicht werden  am 30. November 1921 
  die des zweiten Planjahres am 31. Oktober 1922
  die des dritten Planjahres am 31. August 1923
  die des vierten Planjahres am 30. Juni 1924
  die des fünften Planjahres am 30. April 1925.
  Alle diese Fristen sind errechnet ohne Einsetzung von weiteren Anleihen in den  nächsten Jahren. Bei Fortsetzung unserer Anleihepolitik könnten sie noch  erheblich verkürzt werden. Sie könnten, sagen wir. Aber in Wirklichkeit können  sie nicht. Wenn wir unsere Anleihepolitik auch im nächsten Jahre fortsetzten,  dann gerieten wir in eine schwere Krise. Einerseits würden dann die Ziffern der  Fünfjahrespläne (mit Ausnahme des russischen, der ja die Anleihen mit  einkalkuliert hat) vollkommen hinfällig. Andererseits müssten wir an unserer  Überproduktion ersticken. Das ist zunächst unglaubwürdig: konnte doch die  Schwerindustrie, obwohl in vielen Werken die Produktion bereits auf über 400%  gestiegen ist, den gewaltig gestiegenen Bedarf nicht einmal voll befriedigen.  Besonders in der Baurohstoffproduktion blieb unsere Erzeugung so weit hinter  dem Bedarf zurück, dass wir gezwungen waren, während des ganzen Winters unter  Anwendung besonders kostspieliger Methoden die Anlage und den Ausbau von  Ziegeleien, Zementwerken und sonstigen Baurohstoffbetrieben mit Hochdruck  fortzusetzen. Die unzureichende Ziegel- und Kunststeinproduktion zwang uns,  Unsummen für den Transport von Natursteinen in steinarme Gebiete auszugeben. In  unsere Waldbestände mussten wir große Breschen legen, weil die  Stahlbauindustrie noch lange nicht leistungsfähig genug ist. Im Gebiet des  ehemaligen Deutschland werden die durch diesen Raubbau entstandenen Lücken bald  vernarben, da wir etwa dreimal so große Flächen aufforsteten und uns in den  meisten Fällen darauf beschränken konnten, schlagreifes Holz zu fällen. Durch  die rechtzeitige Erschließung der polnischen und Karpatengebiete blieben wir  vor allzu starkem Raubbau verschont. In den ohnehin waldarmen Gebieten  Frankreichs, Italiens und Spaniens dagegen hat die Waldarmut sehr bedenkliche  Formen angenommen. Im nächsten Jahre wird nun das russische Verkehrssystem so  weit ausgebaut sein, dass wir gewaltige Holzmengen erhalten können. Allerdings  werden diese Transporte in vielen Fällen auch nach sozialistischen  Gesichtspunkten noch unrentabel sein, da wir wegen des noch immer ungenügenden  Ausbaus des Verkehrssystems vielfach gezwungen sind, lange und kostspielige  Verkehrswege in Anspruch zu nehmen. Trotzdem dürfen wir auf diese Quelle nicht  verzichten. Die Abholzung nicht schlagreifer Waldbestände ist in Mitteleuropa  völlig verboten. In Frankreich und in der ganzen Mittelmeerföderation darf  überhaupt kein Holz mehr geschlagen werden. Dort beginnen in diesem Jahre die  großen Aufforstungsarbeiten, für die Milliarden zur Verfügung stehen.  Hundertdreißigtausend russische Freiwillige sollen dazu herangezogen werden.  Diese Arbeiten sind sehr schwierig. Millionen und aber Millionen Kubikmeter  Erde heißt es auf die kahlen Gebirge transportieren, die durch Raubbau in  früheren Jahrhunderten verödeten. Kostspielige Berieselungsanlagen und  sorgfältigste Pflege des Moosanbaus ist notwendig, damit sich an den kahlen  Hängen, die früher von Wald bestanden waren, die ersten Ansätze einer neuen  Vegetation halten können. Es gibt also noch genug Gebiete, auf denen eine  weitere Steigerung der Produktion und große Investierungen notwendig sind.  Diese Investierungen müssen aber mehr und mehr aus laufenden Einnahmen aufgebracht  werden. Die ständige Verbrauchseinschränkung durch fortlaufende Zeichnung von  Anleihen kann auf die Dauer nicht ohne Einwirkung auf den Absatz unserer  Fertigfabrikate bleiben. Gewiss, wir können auf Vorrat produzieren. Wir können  es uns leisten, größere Warenmengen aufzustapeln, als das im Kapitalismus  möglich und rentabel war. Das würde aber, wenn es übertrieben wird, dem  Gedanken der Planwirtschaft widersprechen. Nur bei schärfster Anspannung aller  Kräfte, nur wenn ein Rad reibungslos ins andere greift, nur wenn all unsere  Erzeugnisse sobald wie möglich ohne große Umwege in den Kreislauf der  Wirtschaft eingehen, können wir die Aufgaben lösen, die wir uns gestellt haben.  Wenn wir aber zu viel Waren aufstapeln, die nicht sofort abgesetzt werden, so  ist das im gegenwärtigen Zeitpunkt gleichbedeutend mit teilweisem Leerlauf der  Konsumtionsmittelproduktion, — also Vergeudung. Bei Fortsetzung der  Anleihepolitik ist das aber kaum zu vermeiden. Anleihe zeichnen heißt:  gegenwärtige Konsumtion einschränken zugunsten zukünftiger Mehrkonsumtion oder  Minderproduktion. Niemand kann mit Bestimmtheit voraussagen, in welchen  Artikeln die Anleihezeichner ihre Produktion einschränken werden. Wenn bisher  keine Überproduktion in verschiedenen Warengattungen eingetreten ist, so kommt  das daher, dass wir zunächst einmal die durch den Krieg erschöpften Bestände  wieder auffüllen mussten. Und was in unserem Gebiet nicht dringend gebraucht  wurde, mussten wir abgeben, um den geradezu unstillbaren Warenhunger im Osten  und in Übersee zu stillen. Dabei sind wir fast alles losgeworden, was überhaupt  da war. Das riesige Russland mit seinen 150 Millionen Bauern verschlang allein  fast all unsere Warenüberschüsse.
  Es machen sich aber doch schon die ersten Anzeichen von Warensättigung bemerkbar.  In diesem Jahre wird der Absatz zwar noch nicht auf Schwierigkeiten stoßen,  denn die Kaufkraft in allen neuerschlossenen Gebieten steigt enorm und wird  voraussichtlich etwa in einigen Jahren die europäische erreichen. Noch sind die  Fabrikationsanlagen in diesen Gebieten nicht soweit ausgebaut, dass sie einen  nennenswerten Teil des Bedarfs decken können. Aber das ändert sich sehr rasch.  Im Prinzip sollen allerdings nur Fabriken derjenigen Wirtschaftszweige in  diesen Gebieten gebaut werden, in denen wir keine überschüssige  Produktionskapazität besitzen. In der Praxis lässt sich das aber nicht immer  durchführen. Es würde auch volkswirtschaftlich sinnlos sein, z. B. alle  Eisenbahnschienen in Europa herstellen zu lassen und jährlich Millionen und  Abermillionen für unnötige Transporte auszugeben, wenn man sie im Kaukasus oder  in Sibirien per saldo billiger herstellen kann. Trotzdem wird unsere  Metallindustrie auf Jahre hinaus nicht nur voll beschäftigt, sondern sogar kaum  in der Lage sein, den Bedarf voll zu decken. Anders in der Textilindustrie.  Solange wir zum größten Teil auf amerikanische Baumwolle und australische Wolle  angewiesen waren, ließen wir natürlich die Rohstoffe für die Wäsche der  russischen Arbeiter und Bauern auf ihrem Wege nach Osten über England, Sachsen  oder über Lodz gehen und dort verarbeiten : Wolle für Anzüge ging nach  Manchester, Paris, Lyon, Chemnitz, Neumünster, Berlin oder Breslau. Je stärker  aber der Baumwollbau in Indien, Ägypten und Turkestan gefördert wird, je besser  die osteuropäischen und innerasiatischen Verkehrsverbindungen nach dem Süden  sind, um so unrentabler werden diese Umwege. Die nördlichen Strecken der  Eisenbahn Sibirien—Turkestan sollen bis zum Herbst, die südlichen fünfviertel  Jahr darauf fertig werden. Die Arbeiten am Wolga-Donaukanai gehen ebenfalls so  rasch vorwärts, dass der größte Teil des Baus noch im nächsten Jahre beendet  werden kann. Die nordafghanische Bahn wird noch im nächsten Jahre, die  mittelafghanische Bahn in zwei Jahren fertig gestellt. Auch die transpersische  Bahn und die letzte Strecke der Berlin— Basra-Bahn sollen Ende des nächsten  Jahres dem Verkehr übergeben werden. Das Kaspische Meer hört auf, ein  Binnenmeer zu sein: es wird ein wichtiger Brennpunkt des Weltverkehrs. Sobald  diese Pläne verwirklicht sind, müssen wir unsere Wirtschaft vollkommen  umstellen und die Arbeitszeit weiter verkürzen. Viele Arbeiten, die jetzt  Europa leistet, können dann in diesen Gebieten ausgeführt werden. Alle schweren  Waren, in denen verhältnismäßig wenig Arbeit steckt, sollen dann soweit wie  möglich in den Gegenden produziert werden, wo man sie verbraucht. Erzeugnisse  jedoch, in denen bei verhältnismäßig leichtem Gewicht sehr viel qualifizierte  Arbeit steckt, werden auch künftig vorzugsweise wir herstellen.
  Bis dahin wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Die Leistungen unserer  Textilfabriken finden vorläufig ihre Begrenzung nur in den zur Verfügung  stehenden Rohstoffen, obwohl wir den ganzen enormen Anbauüberschuss der  gewaltig gesteigerten amerikanischen Produktion aufnehmen. Der Anbau von  Flachs, Hanf und anderen Textilpflanzen in unserem Bundesgebiet wird in diesem  Jahre fast verdoppelt. Selbst nach Fertigstellung der großen Erweiterungsbauten  in Westpolen und der großen neuen Textilfabriken im russischen Industrierayon  wird unsere Textilindustrie bei vierundzwanzigstündiger Fabrikation in  Schichtenwechsel immer noch restlos ausgenützt werden können. Wir fühlen uns  aber verpflichtet, schon jetzt auf die Gefahren hinzuweisen, die bei  andauernder Steigerung des Tempos und bei Fortsetzung der Anleihepolitik  entstehen können, denn das, was wir von der Textilindustrie gesagt haben, gilt  natürlich in ebenso starkem oder in noch stärkerem Maße von anderen Zweigen der  Fertigwarenfabrikation.
  Auch sind wir der Ansicht, dass endlich angefangen werden muss, den Werktätigen  die Vorteile des Sozialismus in dem Maße fühlbar zu machen, wie es uns der  heutige Stand der Wirtschaft erlaubt. Die Arbeitszeit kann verkürzt, die Löhne  können erhöht werden. Das wäre unseres Erachtens bei der jetzigen Lage durchaus  zu rechtfertigen. Wir wissen, dass diese Auffassung nicht mit der des  Föderations-Wirtschaftsrats und mit der des Zentralwirtschaftsrats  übereinstimmt, fühlen uns jedoch verpflichtet, einer Meinung Ausdruck zu geben,  die weiter verbreitet ist, als diese Behörden annehmen. Auf die Gefahr hin,  dass die hier entwickelte Auffassung als reformistisch angesehen wird, stellen  wir den Vorschlag zur Diskussion, vom nächsten Jahre ab keine weiteren Anleihen  mehr aufzunehmen, was praktisch auf eine Erhöhung des Reallohns hinausliefe.  Trotz allen Beteuerungen, dass die letzte Anleihe für die Werktätigen, mit  Ausnahme der Parteiangehörigen, eine rein freiwillige Angelegenheit gewesen  sei, muss doch gesagt werden, dass sie von weiten Kreisen als ein Abzug vom  Lohn empfunden wurde, da die moralische Beeinflussung im Klub, in der  Gewerkschaft, im Betriebe usw. ebenso wirkt wie direkter Zwang. Wer nicht  zeichnet, wird oft schlimmer geächtet als ein Verbrecher. Es ist gewiss zu  begrüßen, dass gegenseitige Kontrolle und revolutionäre Selbstdisziplin sich  als so wirksam erwiesen haben. Wir müssen uns aber davor hüten, dies an sich  gesunde Prinzip zu übertreiben. Den Einwänden des Wirtschaftsrates und der  Plankommissionen begegnen wir von vornherein mit dem Argument, dass sie selbst  vor nicht allzu langer Zeit ebenso gedacht und daher in die ursprünglichen  Pläne keine Erträge aus Anleihen einkalkuliert haben. Die Änderung der  Anleihepolitik ist letzten Endes doch nur auf die russischen Genossen  zurückzuführen, die mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts gehen, weil sie sich  nicht nachsagen lassen wollen, dass ihre Industrialisierung nur durch die Hilfe  des Westens möglich gewesen sei.
  Vorwärts - 20. Februar 1920
Ein Sturm der Entrüstung
Unser Leitartikel vom 12. Februar hat uns eine Flut von empörten Zuschriften  eingetragen. Wir wollen nicht selbst dazu Stellung nehmen, sondern begnügen uns  mit der Erklärung, dass der inkriminierte Artikel nicht von einem ständigen  Mitglied unsrer Redaktion stammt, sondern von einem gelegentlichen Mitarbeiter,  der selbst an verantwortlicher Stelle in einer Planwirtschaftskommission  arbeitet. Wir gehen nicht so weit wie der französische Genosse, dessen  Zuschrift wir nachfolgend veröffentlichen, sind aber doch der Ansicht, dass der  Verfasser des strittigen Artikels aus der ökonomischen Lage falsche Schlüsse  zieht und sich — so beachtenswert einige seiner Argumente sind — zum Wortführer  kleinbürgerlicher Anschauungen macht. Rene Didier aus Longwy schreibt:
  „Nieder mit den Defaitisten und Miesmachern! Um es vorneweg zu sagen: Der  Genosse, der den Artikel vom 12. Februar verbrochen hat, scheint mir für die  nächste „Reinigung" reif. Wohin sind wir gekommen, wenn solche Reformisten  schon im Zentralorgan der Partei zu Wort kommen? Natürlich gibt es Kollegen,  auch Genossen, die nur widerwillig ihrer Anleihezeichnungspflicht genügen. Es  gibt sogar Arbeiter, die am liebsten nur noch drei Tage in der Woche arbeiten  möchten und den industriellen Aufbau Russlands und Asiens als eine Aufgabe  ansehen, die nur die Bewohner dieser Gebiete etwas angeht. Es gibt auch  Arbeiter, die acht Stunden am Tage arbeiten möchten, um hohen Lohn zu bekommen.  Sie wollen Luxusartikel oder gar ein eigenes Auto, wie es neuerdings in Amerika  Mode geworden ist. Sollen sie doch nach Amerika gehen! Warum gehen sie denn  nicht? Weil sie genau wissen, dass es dem amerikanischen Arbeiter trotz ständig  steigenden Löhnen lange nicht so gut geht wie uns, dass auch der bestbezahlte  amerikanische Arbeiter sich nicht entfernt das leisten kann, was dem Arbeiter  in der S. U. in Klubs, Erholungsheimen und sonst geboten wird. Gewiss, der  gutbezahlte amerikanische Arbeiter kann sich für sein Geld eine Menge  Luxusartikel kaufen, die es bei uns glücklicherweise nicht gibt. Aber warum  kommen dann, obwohl Gewerkschaften und Partei das Verlassen der Vereinigten  Staaten als Desertion im Klassenkampf verurteilen, Tausende von amerikanischen  Arbeitern zu uns? Weil sie genau wissen, dass es ihnen hier trotz niedrigeren  Nominallöhnen heute schon besser geht als drüben, und morgen erst recht. Vor  allem aber, weil sie nicht für das sterbende Wirtschaftssystem der Ausbeuter  arbeiten wollen, sondern lieber ihre Kraft dem Sozialismus widmen. Diese  Bewegung unter den amerikanischen Arbeitern würde noch viel stärker sein, wenn  wir den amerikanischen Kapitalismus nicht durch unsere Anleihepolitik künstlich  unterstützten. Es ginge den amerikanischen Kapitalisten bestimmt nicht so gut,  wenn wir ihnen nicht Gelegenheit gäben, ihre Produktion bei uns abzusetzen. Weshalb  wirft man die amerikanischen Unterhändler nicht einfach raus, die uns jetzt  schon wieder eine Anleihe von 5 Milliarden Dollars aufhalsen wollen? Wir  könnten auch ohne amerikanische Anleihen fertig werden, sie aber würden an  ihrem Mehrwert ersticken. Deshalb sollten wir die Mittel zu einer gesteigerten  Industrialisierung lieber aus eigener Kraft aufbringen und nicht davor  zurückschrecken, für weitere Anleihen auch in den nächsten Jahren intensivste  Propaganda zu machen. Die Löhne dürfen nicht erhöht, die Arbeitszeit darf noch  nicht verkürzt werden. Alle Produktionsüberschüsse gehören dem Ausbau der  sozialistischen Weltwirtschaft! Eine Verlangsamung des Tempos darf erst  eintreten, wenn der Sozialismus wirklich auf der ganzen Welt gesiegt hat. Aber  ein Viertel der Welt ist noch in Händen der Kapitalisten, und auf diesem  Viertel geht es den Kapitalisten gut. Ich meine, kein Sozialist darf sich Ruhe  gönnen, solange der Kapitalismus nicht endgültig erledigt ist. Ist das Opfer  denn wirklich so groß, wenn man vom Arbeiter verlangt, dass er Anleihe  zeichnet? Die Zuweisungen an die Klubs sind am 1. Januar wieder erhöht worden.  Am 1. Mai soll eine neue Erhöhung erfolgen. Wenn es nach mir ginge, würde die  Kommunisierung aller Bedarfsartikel viel mehr beschleunigt, so dass der  Geldlohn bald überhaupt verschwände. Da wir aber noch nicht so weit sind, bin  ich für verstärkte Anleihezeichnung."
  Vorwärts - 15. März 1920
Die Stellungnahme des Volkswirlschaftsrates
Nachdem sich Genossen aus allen Föderationen zur Frage der beschleunigten  Durchführung der Fünfjahrespläne und der weiteren Fortsetzung der  Anleihepolitik geäußert haben, nimmt der Zentral-Wirtschaftsrat der  sozialistischen Union jetzt selbst Stellung dazu. Auf Grund der endgültigen  Ziffern des vorigen Jahres und der Schätzungen für das erste Quartal 1921 kommt  er zu der Überzeugung, dass wir unsere Kraftquellen, unsere  Produktionsfähigkeit und das zur Akkumulation zur Verfügung stehende Einkommen  zu gering veranschlagt haben, so dass schon allein dadurch eine wesentliche  Beschleunigung der Arbeiten möglich wäre. Hinzu kommt noch eins: Für dieses  Jahr war eine ganz gewaltige Senkung der Preise für Getreide und für alle  übrigen landwirtschaftlichen Produkte geplant. Die selbständigen Landwirte, die  eine große Gefahr für die sozialistische Wirtschaft zu werden drohten, sollten  damit gezwungen werden, in den Kollektiven aufzugehen. Sie wären buchstäblich  verhungert, wenn sie versucht hätten, mit unsern Riesenbetrieben zu  konkurrieren. Die Erfolge unserer mit den modernsten Maschinen und Geräten  ausgestatteten Großbetriebe sind jedoch so überwältigend, dass der Andrang zu  den Kollektiven immer stärker wird. Trotz aller Produktionssteigerung sind wir  nicht in der Lage, den vollen Bedarf an landwirtschaftlichen Maschinen usw. zu  decken. Russland allein hat fast eine Viertelmillion Traktoren verschlungen.  Die großen Getreidefabriken, mit deren Errichtung im Sommer 1919 begonnen  wurde, haben glänzende Erfolge gezeitigt. Eine einzige Getreidefabrik  („Gigant" bei Rostow am Don), die mit 600 Traktoren und 7000 Mann eine  Saatfläche von 64000 Hektar bestellt hat, konnte allein 5o 000 Tonnen Weizen  ernten. Hunderte von solchen staatlichen Getreidefabriken wurden neu angelegt.  Tausende von neuen Kollektivwirtschaften sind entstanden. Die Anbaufläche soll  im Verlauf der diesjährigen Frühjahrssaatkampagne auf 150000000 Hektar  ausgedehnt werden. Dazu wird dringend der ganze Überschuss unserer Erzeugung  benötigt, zumal wir auch in den östlichen Gebieten der N. E. F. noch Unmengen  von Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen brauchen und überdies in  diesem Jahre 50000 Traktoren an die Donau-Ralkan-Föderation liefern sollen. Wir  haben also zunächst keinen Anlass, die Bildung von Kollektivwirtschaften noch  mehr als bisher zu beschleunigen. Solange wir aber nicht alle Einzelbauern  kollektivieren können, dürfen wir sie nicht lebensunfähig machen. Die  Kampfpreise werden also noch nicht eingeführt. Da die jetzigen Getreidepreise  nach dem schlechtesten Boden berechnet sind, macht die Getreidehandelsgesellschaft  der Föderation zur Zeit Milliardengewinne. Sie sollen so lange für die  Verstärkung der Industrialisierung ausgegeben werden, bis in der Fabrikation  landwirtschaftlicher Maschinen das Missverhältnis zwischen Produktion und  Nachfrage beseitigt worden ist.
  Dann allerdings wird die Stunde der Einzelbauern geschlagen haben. Dann wird es  bald keine Bauern im früheren Sinne mehr geben. Der alte Unterschied zwischen  Stadt und Land wird verschwinden. Vorläufig spielen die Einzelbauern noch eine  Rolle in unserer Wirtschaft, und zwar nicht nur in Bezug auf den Getreidebau,  sondern auch hinsichtlich der Viehzucht. Solange die großen sozialistischen  Musterviehzuchtbetriebe nicht genügend Schlachtvieh abgeben können, sind die  ländlichen Einzelwirtschaften unentbehrlich. Namentlich die schnelle Vermehrung  des Schweinebestandes wäre niemals möglich gewesen, wenn wir dem Einzelbauer  nicht eine gewisse Schonzeit gegeben und ihn dadurch zu einem produktiven  Faktor unserer Gesamtwirtschaft gemacht hätten. Auch der Viehaustausch mit  Russland wäre ohne die Inanspruchnahme der beiderseitigen Einzelbauern niemals  so schnell vonstatten gegangen. Die mitteleuropäischen Bauern haben dabei ein  gutes Geschäft gemacht, denn sie haben hohe Preise für ihr wertvolles Vieh erhalten.  Die russischen Bauern machten aber dabei ein ebenso gutes Geschäft, denn sie  haben ihr Schlachtvieh gut bezahlt bekommen und zur Anschaffung des bedeutend  besseren Zuchtviehs Zuschüsse erhalten. Wir haben weit über eine Milliarde bei  diesem Austausch zugesetzt, dafür ist die russische Milchproduktion um 48%  gestiegen. Diese Tatsache ist sehr erfreulich, bringt uns aber auch wieder neue  Sorgen, denn wir sind nun gezwungen, über 100 Millionen Mark mehr als im Plan  vorgesehen, für die sofortige Anlage von neuen Molkereien und  Kondensmilchfabriken auszuwerfen. Die gewaltige Umwandlung aller Verhältnisse  zeigt sich am besten in einem Fehler, den wir auf dem Gebiete der Pferdezucht  gemacht haben. Eine unserer ersten Maßnahmen nach der Revolution war die Aussetzung  einer hohen Prämie für jedes geworfene Fohlen. (Nach der Stabilisierung 50—100  Mark.) Alle Pferdehalter haben natürlich ihre Stuten belegen lassen, so dass  sich der Pferdebestand ganz gewaltig vermehrt und den Friedensstand schon jetzt  überschritten hat. Es ist nun leider versäumt worden, dieses Versprechen  rechtzeitig zu kündigen, so dass wir, da wir nicht wortbrüchig werden wollen,  gezwungen sind, die Prämie noch bis Ende dieses Jahres zu zahlen, obwohl wir,  bis die im Dezember geborenen Fohlen spannfähig sind, vielzuviel Pferde haben  werden. Auf der einen Seite zahlen wir also dem Bauern eine hohe Prämie für  jedes geworfene Fohlen. Andererseits müssen wir froh sein, wenn uns die  Kleinbauern die Pferde, die in der Industrie, im Verkehr und in den landwirtschaftlichen  Großbetrieben freigesetzt werden, zu niedrigen Preisen abnehmen. Auch die  veralteten und halbmodernen Maschinen und landwirtschaftlichen Geräte, die wir  in gewaltigem Umfange durch bessere ersetzt und zu niedrigen Preisen abgestoßen  haben, wurden fast restlos von den bäuerlichen Einzelwirtschaften aufgesogen.  Infolge der mannigfaltigen Vorteile, die den Einzelbauern hierdurch entstanden  sind, infolge der Übergewinne und Anbauprämien in den Jahren der Getreide- und  Fleischknappheit sowie infolge der teils unentgeltlichen, teils stark  verbilligten Belieferung mit Düngemitteln, und weil die Gemüseknappheit noch  immer nicht restlos behoben ist, sind viele bäuerliche Mittelbetriebe durchaus  noch in der Lage, die wachsende Konkurrenz der Großbetriebe zu ertragen,  allerdings unter viel schlechteren Arbeitsbedingungen als in unseren modernen  Großbetrieben. Das darf uns aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass  hier eine grandiose Vergeudung von Volksvermögen und Arbeitskraft getrieben  wird. Wir müssen deshalb die Industrialisierung der Landwirtschaft stärker  fördern, als es in den Plänen vorgesehen ist. Wir müssen die Anbaufläche in der  ganzen S. U. weiter steigern, und möglichst viel Gebiete mit gutem Boden durch  beschleunigte Anlage neuer Verkehrswege erschließen, damit wir alle unrentablen  Böden der Bebauung entziehen können.
  Die eingehende Behandlung dieser einen Frage zeigt, dass es nicht nur möglich,  sondern sogar sehr notwendig ist, unsere Produktionspläne weiter auszubauen und  die Fristen zu verkürzen. Ursprünglich war geplant, unsere  Produktionseinrichtungen so gut wie möglich auszunutzen, die Arbeiter aber  nicht noch mehr zu belasten. Da uns nun aber durch die Initiative der  Werktätigen selbst 50 Milliarden Mark bzw. Stunden mehr zur Verfügung gestellt  wurden und uns voraussichtlich durch weitere Anleihen in den nächsten Jahren  noch mehr Mittel zufließen, erscheint es möglich, das Programm der  Fünfjahrespläne schon in vier Jahren zu bewältigen. An dem Prinzip der  Freiwilligkeit der Anleihezeichnung wollen wir allerdings nicht rütteln (für  Parteimitglieder ist die Zeichnung natürlich Pflicht). Wenn wir dagegen vor die  Frage gestellt werden: kapitalistische oder sozialistische Anleihen? so  antworten wir: Wir werden das eine tun und das andre nicht lassen. Die neue 5  Milliarden Dollar-Anleihe ist zu einem Zinsfuß von nur 5% abgenommen worden. Es  ist nicht etwa Opportunismus, der uns bewogen hat, dem Drängen der  amerikanischen Bankiers nachzugeben. Es waren sehr wohlerwogene Gründe. Als wir  anfingen zu wirtschaften, haben wir dem Kleinhändler, dem kleinen Handwerker  und Fabrikanten in unserem Bundesgebiet gewisse Freiheiten eingeräumt. Wir  konzentrierten uns zunächst darauf, die wichtigsten Punkte, die  „Kommandostellen", zu besetzen und ließen den Überbleibseln des  Kapitalismus einen gewissen Spielraum. Sie wurden, ohne dass wir es wollten, zu  einem Bestandteil unserer Planwirtschaft. Man hat es uns oft genug vorgeworfen.  Aber jetzt können wir fragen: Wo sind die Kleinhändler, wo die privaten Fabrikanten,  die Schieber und Nepmänner geblieben? Nahezu verschwunden, aufgesogen! Ebenso  hat man uns Vorwürfe gemacht, weil wir nicht gleich mit aller Schärfe gegen den  größeren und mittleren Landwirt vorgegangen sind. Bei den ersten zwangsweisen  Versuchen der Kollektivisierung leisteten die Bauern energischen Widerstand und  schreckten selbst vor Sabotagemaßnahmen nicht zurück. Nachdem wir sie aber  immer reichlicher mit Waren belieferten und sie für einige Zeit frei schalten  und walten ließen, wurden sie zu wertvollen Bestandteilen unserer  Planwirtschaft. Die Frage der restlosen Kollektivisierung der Landwirtschaft  ist jetzt nur noch eine Frage der industriellen Produktionssteigerung. Noch im  vorigen Jahre ist es in Russland vorgekommen, dass die unaufgeklärten Bauern  unsere Agitatoren, die für die Kollektivisierung Propaganda machten, mit  Knüppeln wegjagten. Aber je mehr Traktoren, landwirtschaftliche Maschinen und  Autos mit Werkzeugen, Waren und Düngemitteln anrollten, je mehr Straßen und  Eisenbahnen gebaut wurden, um so schneller änderte sich das Bild. Wenn Ende  vorigen Jahres Kollektivisierungspropaganda gemacht wurde, dann standen die  Traktorenkolonnen und landwirtschaftlichen Maschinen vor dem Versammlungslokal.  Dann kam der Instruktor, der das neue Kollektiv leiten sollte, gleich mit. Und  jetzt ist es unmöglich, alle Anträge auf Bildung von Kollektivwirtschaften zu  bewilligen, weil wir nicht genügend Traktoren, Maschinen und Autos liefern  können. Wo wird, so fragen wir, in einigen Jahren der Einzelbauer geblieben  sein? Verschwunden, aufgesogen! Ist es aber mit Amerika anders?
  Wo wird das kapitalistische Amerika in 10 bis 15 Jahren sein, wenn wir das  rasende Tempo unseres Aufbaus beibehalten?
  Verschwunden, aufgesogen von der weltumspannenden S.U! Zukunftsmusik? Gewiss,  aber eine Zukunftsmusik, zu der wir heute schon die Instrumente bauen. Es steht  außer Frage: den Amerikanern geht es glänzend. 
  Die Produktion steht auf schwindelnder Höhe. Die Löhne steigen. Die Gewinne  gehen ins Ungemessene. Die amerikanischen Milliardäre lassen sich ihre Villen  und Landhäuser mit dem Golde dekorieren, das wir ihnen für Kupfer und Baumwolle  bezahlen mussten. Ihre Frauen behängen sich mit den Perlen und Diamanten, die  wir ihnen haufenweise im Austausch gegen Maschinen geliefert haben. Sie zahlen  in ihren neuen Modebädern Tausende von Dollars für einen Quadratmeter Boden.  Die Abdeckung der übernommenen Schulden nimmt ein geradezu rasendes Tempo an,  so dass die völlige Industrialisierung Chinas, der Mongolei, der Mandschurei und  Ostsibiriens um Jahre früher, als vorgesehen, beendet sein wird. Aber das alles  genügt noch lange nicht, um die ungeheuer gestiegene Produktion Amerikas  aufzunehmen. Weshalb sollen wir Amerikas Produktionsüberschüsse nicht ebenso in  unsere Weltplanwirtschaft einbeziehen wie bisher die Arbeit und das  Kleinkapital der Privathändler und Nepmänner, wie heute noch die Arbeit der  Groß- und Mittelbauern? Wenn dadurch Amerika auch noch reicher und  leistungsfähiger wird, — unsere Leistungsfähigkeit steigt in viel höherem Maße,  falls wir unsere gewaltigen Pläne nicht nur in der vorgesehenen Art und Weise  durchführen, sondern sogar erweitern und beschleunigen.
  Die Kritiker unserer Anleihepolitik sagen: dadurch, dass wir jährlich für  Milliarden Dollars mehr Waren aus Amerika importieren, als wir dorthin  ausführen, verstärken wir die Lebens- und Leistungsfähigkeit des amerikanischen  Kapitalismus. Das trifft zu. Verfehlt aber wäre es zu glauben, dass der  amerikanische Kapitalismus schon in den nächsten Jahren ohne diese Kapitalexpansion  zugrunde gehen müsste. In Kanada und in Süd- und Mittelamerika gibt es immer  noch genug Anlagemöglichkeiten, um den amerikanischen Imperialismus während der  Zeit unsres Aufbaus über alle Schwierigkeiten hinweg zu helfen. Jetzt wird die  Durchindustrialisierung und Durchkapitalisierung dieser Gebiete so nebenbei mit  vorgenommen. Dem amerikanischen Kapitalismus würde es sicher auch nicht  schlecht gehen, wenn die Revolution in Eurasien, Afrika und Australien nicht  siegreich gewesen wäre. Eine solche Blütezeit, wie Amerika sie zur Zeit  durchlebt, ist jedoch nur unter den besonderen augenblicklichen Verhältnissen  möglich. Wir dürfen die Lebens- und Leistungsfähigkeit des amerikanischen  Kapitalismus weder unterschätzen noch überschätzen. In Wirklichkeit ist unsere  Leistungsfähigkeit schon heute viel größer als die amerikanische, trotz dem  ungeheuren Vorsprung, den Amerika im Kriege und im ersten Revolutionsjahre  gewonnen hat. Wir sind dabei, ungeheure Summen in Werke und Anlagen zu stecken,  deren Leistungsfähigkeit sich erst in Jahren auswirken wird. Wenn wir uns  lediglich auf den Ausbau der europäischen Wirtschaft beschränkt hätten, dann  könnten wir Amerika schon heute auch in den Endziffern der  Fertigwarenproduktion weit überholt haben. Da wir aber mehr Wert darauf legten,  zunächst die unentwickelten Gegenden der S. U. auszubauen, wirkt unsre Arbeit  sich noch nicht voll aus. Eine Ahnung von unserer Überlegenheit gewinnen wir  schon heute, wenn wir die Riesensummen, die wir aus eigener Kraft investieren,  den amerikanischen Lieferungen entgegenhalten, die im Vergleich dazu lächerlich  gering sind.
  Es gibt aber noch einen wichtigen Grund für unsere Anleihepolitik, der gerade  von den französischen Genossen sehr oft und mit Recht angeführt wird. Ein  großer Teil gerade der französischen Produktion war vor der Revolution auf die  Befriedigung von Luxusbedürfnissen gerichtet. Diese Produktion ist zu einem  großen Teil überflüssig geworden und findet bei uns keinen Absatz mehr. Wir  könnten diese Industrie ganz stilllegen und die darin beschäftigten Arbeiter  anderweitig verwenden. Volkswirtschaftlich richtiger ist es aber, auch diese  Produktionskraft und das Kapital, das die Arbeitskraft der gelernten Arbeiter  in diesen Industrien darstellt, restlos auszunutzen und die Erzeugnisse nach  Amerika auszuführen, wo sie infolge der erheblich gestiegenen Kaufkraft  reißenden Absatz finden. Im Austausch hierfür erhalten wir wertvolle Rohstoffe  und Maschinen. Ebenso steht es mit den Erzeugnissen einer ganzen Reihe von  anderen Industrien, vor allen Dingen der chemischen Industrie. Solange Amerika  seinen ganzen Produktionsüberschuss mühelos absetzt, solange wir mehr Waren von  dort beziehen als wir hin liefern, hat die Mehrzahl der amerikanischen  Kapitalisten gegen unsere Einfuhr nicht viel einzuwenden. Im Augenblick aber,  in dem das anders wird, werden sie sich gegen uns abschließen und den  Kapitalüberschuss, den wir ihnen nicht mehr abnehmen, dazu benutzen, ihre  Produktionseinrichtungen auch in denjenigen Wirtschaftszweigen auszubauen, in  denen wir jetzt den größten Teil des amerikanischen Marktes beliefern. Ebenso  wären die Amerikaner im Verlauf einiger Jahre bei Investierung großer  Kapitalien durchaus in der Lage, sich von dem größten Teil unseres gewaltigen  Exports in Tee, Reis, Kautschuk und anderen Tropenerzeugnissen unabhängig zu  machen, während wir andererseits in der Lage wären, uns gänzlich unabhängig von  der amerikanischen Einfuhr zu machen. Dazu wird es wahrscheinlich ohnehin  kommen. Eine überschnelle Beschleunigung dieses Prozesses zwänge indessen beide  Seiten zu weltwirtschaftlich unnötigen Kapitalinvestierungen, das heißt zu  Milliardenverlusten. Die Dynamik des kapitalistischen Systems wird Amerika von  allein auf diesen Weg drängen, vorläufig aber ist es daran interessiert,  Anleihen bei uns unterzubringen, — und wir wollen sie nehmen, um unsern Aufbau  zu beschleunigen.
  Noch ein Wort zur inneren Anleihepolitik. Wir teilen die Bedenken, die in dem  vielumstrittenen Artikel vom 12. Februar geäußert wurden, nicht. In diesem und  im nächsten Jahre kann nach unseren Berechnungen eine bedeutende Überproduktion  in keinem Wirtschaftszweige eintreten. Wenn sie aber später eintreten sollte,  so schadet es nichts. Wir werden bis dahin reich genug sein, um uns die  Anhäufung einiger Vorräte erlauben zu dürfen. Wenn durch eine zu starke  Konsumeinschränkung infolge Anleihezeichnung eine Unterkonsumtion in  leichtverderblichen Nahrungs - und Genussmitteln eintreten sollte, die sich  allein durch Erhöhung der Zuwendungen an die Klubs nicht ausgleichen lässt, so  werden wir diese Genussmittel kommunisieren. Wenn z. B. infolge dieser  individuellen Konsumeinschränkung der Fall eintreten sollte, dass unsere  gewaltig gesteigerte Produktion von Südfrüchten trotz des neuerschlossenen  riesigen Marktes nicht rechtzeitig abgesetzt werden kann, dann werden wir die  Naturalzuwendungen an Schulklubs und Kinderheime so weit erhöhen, dass ein  Ausgleich eintritt. Im übrigen ist es uns ja jederzeit möglich, die Löhne zu  erhöhen oder die Preise zu senken. Wir haben es also gar nicht nötig, uns jetzt  schon den Kopf über die Behebung einer partiellen Überproduktion oder  Unterkonsumtion zu zerbrechen. Unsre Löhne sind nicht hoch, lange nicht so hoch  wie die der amerikanischen Arbeiter, aber sie sind gegenüber früher auch nach  Zeichnung von Anleihen immer noch ausreichend und sogar reichlich. Für Kinder  und Invaliden wird geradezu vorbildlich gesorgt. Kulturelle und sanitäre  Einrichtungen stehen den Werktätigen entweder unentgeltlich oder zu sehr  geringen Gebühren zur Verfügung, ebenso die Lieferung von alkoholfreien  Getränken. Die öffentlichen Theater und sonstigen Bildungs - und  Kultureinrichtungen werden vom 1. Mai ab völlig aus öffentlichen Mitteln  unterhalten. Nur die Klubs, die infolge schlechter Organisation einen Teil der  beantragten Plätze nicht belegen, werden eine Strafe pro Platz zahlen müssen.  In Zukunft müssen also nicht mehr die besetzten, sondern die leeren Stühle  bezahlt werden. Der Filmkonsum wurde durch die Klubs schon fast restlos  kommunisiert. Die Buchproduktion wurde durchschnittlich um 60—80% verbilligt.  Die öffentlichen Büchereien und die der Klubs und Betriebe vermehren ihren  Bücherbestand zusehends. Trotzdem können sich die Buchfanatiker auch bei dem  jetzigen Lohn Privatbüchereien anlegen, wenn sie nicht gerade starke Trinker  oder Raucher sind. Auf die Trinker und Raucher werden wir in Zukunft ebenso  wenig Rücksicht nehmen wie bisher. Es gibt immer noch vielzuviel Arbeiter, die  50 Pfennig für ein Glas Bier oder einen Schnaps und 5, 8 oder 10 Pfennige für  eine Zigarette ausgeben. Die Millionenüberschüsse, die die Alkohol- und  Tabakindustrie allein in der N. E. F. jetzt monatlich abwirft, zeigen aufs  deutlichste, dass infolge der Verbilligung aller Gegenstände des notwendigen  Bedarfs auch für den Anleihezeichner immer noch Geld genug übrig bleibt, um  Alkohol oder Tabak zu konsumieren. Obwohl es uns durch  Rationalisierungsmaßnahmen gelungen ist, den Herstellungspreis für die  billigste Zigarette auf unter einen Pfennig zu drücken, werden wir an dem  Mindestpreis von 5 Pfennigen festhalten. Im Gegensatz zu dem erfreulicherweise  stark zurückgehenden Alkoholkonsum (ausgenommen Wein) hält sich der  Tabakverbrauch auf fast unveränderter Höhe. Bei dieser Gelegenheit sei noch ein  Wort zu zwei vielumstrittenen Fragen gesagt: Kaffee und Auto. Die Kaffeefrage  verdient zweifellos eine andere Behandlung als die Alkohol- und Tabakfrage.  Infolge der durch unser Außenhandelsmonopol bedingten Stellung, die uns eine  völlige Abschließung ermöglicht und dadurch den ganzen brasilianischen  Kaffeeanbau ruinieren könnte, sowie infolge unserer Konkurrenzfähigkeit auf den  Südseeinseln war es uns möglich, den Kaffeeankaufspreis bis auf die  Gestehungskosten zu drücken, wobei wir uns allerdings verpflichtet haben, den  ganzen brasilianischen Überschuss abzunehmen, wenn nicht ohne unsere  Genehmigung eine weitere Ausdehnung der Anbaufläche vorgenommen wird. Wir haben  nicht nur diese gewaltigen Mengen mühelos verdaut, sondern können weiter ohne  Absatzschwierigkeiten den Kaffeeanbau im Bereich der S.U. mehr als verdoppeln.  Der Kaffeekonsum ist vor allem in den östlichen Gebieten stark gestiegen,  obwohl wir an dem hohen Richtpreise von A Mark für den gewöhnlichen und 3 Mark  für den koffeinfreien Kaffee pro Pfund (früher war das Preisverhältnis umgekehrt)  festgehalten haben. Wir erzielen hierdurch Milliardenüberschüsse. Eine von der  Minderheit vorgeschlagene Erhöhung der Preise soll nicht stattfinden, da sich  der verstärkte Kaffeekonsum als wertvolle Hilfe bei der Bekämpfung des  Alkoholismus bewährt hat. Gegen eine Preisermäßigung spricht die Gefahr, die  eine zu starke Erhöhung des Kaffeekonsums für die Volksgesundheit bedeute.  Maßgebend für unsere Kaffeepolitik ist aber auch der Handelsvertrag mit  Brasilien, nach dessen Muster wir auch die Verträge mit den übrigen süd- und  mittelamerikanischen Staaten abschließen werden, soweit sie sich noch genügend  Unabhängigkeit vom nordamerikanischen Kapital bewahrt haben. Nach dem neuen  Handelsvertrag mit Brasilien zahlen wir nichts mehr bar, sondern ausschließlich  mit Waren, und verkehren nur noch mit der brasilianischen Handelskammer, welche  die Bestellung und Weiterleitung unserer Erzeugnisse übernimmt. Eventuelle  Spitzenforderungen werden gutgeschrieben, aber nicht verzinst. Die  brasilianische Regierung ist gewiss alles andere als sozialistenfreundlich. Sie  befindet sich aber durch unser Außenhandelsmonopol in einer Zwangslage. Wir  nützen diese Zwangslage aus und zwingen Brasilien, staatskapitalistische und  sogar staatssozialistische Maßnahmen zu ergreifen. Die brasilianischen  Kaffeebarone müssen die Gewerkschaften der Plantagenarbeiter anerkennen, müssen  ihnen Tariflöhne zahlen und sie menschenwürdig unterbringen.
  In derselben Situation befinden sich Argentinien und Chile. Wir können auf die  Einfuhr aus Argentinien verzichten, haben uns aber trotzdem bereit erklärt, den  enormen Überschuss Argentiniens an pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln  abzunehmen, wenn wir nach dem Beispiel des brasilianischen Handelsvertrages in  Industrieprodukten bezahlen können und wenn den argentinischen Arbeitern  dieselben Mindestrechte gewährt werden wie den brasilianischen. Die  argentinische Regierung und die Latifundienbesitzer haben sich bis vor kurzem  verzweifelt gewehrt. Aber es hat ihnen nichts genützt: in wenigen Tagen wird  der Handelsvertrag unterzeichnet sein. In Chile steht es ebenso. Wir könnten  unsre Förderung und Erzeugung von Düngemitteln — allerdings bei bedeutenden  Investitionen — in einem Jahre verdoppeln. Trotzdem sind wir nicht abgeneigt,  so viel chilenische Landeserzeugnisse abzunehmen, wie die Chilenen von unseren  Erzeugnissen einführen. Wir drücken auch hier die Preise bis knapp über die  Gestehungskosten. Die chilenischen Rohstoffe sind in Ostsibirien, in der  Mandschurei und Mongolei und ganz besonders in Südchina gut zu brauchen. Sie  kommen uns bedeutend billiger, als wenn wir sie aus unseren europäischen  Fabriken und Förderstellen transportierten. Auch der Transport aus den  neuentdeckten russischen und sibirischen Riesenlagern würde uns noch teurer  kommen. In den Küstengebieten würden auch die synthetisch hergestellten  Düngemittel weit teurer sein als die auf dem Seewege aus Chile kommenden, ganz  abgesehen davon, dass wir hierzu erhebliche Kapitalinvestitionen machen  müssten, die vorläufig besser und zweckmäßiger anderweitig vorgenommen werden.  Chile kann also so viel Waren und Industrieerzeugnisse von uns beziehen, wie es  nur will. Es kann alles in Landeserzeugnissen bezahlen. Wir werden nach  Abschluss eines sozialistischen Handelsvertrages alles restlos abnehmen, denn  wir haben auch Verwendung für alle sonstigen chilenischen Reichtümer an  Bodenschätzen. Wir werden aber auch ohne diese Dinge fertig werden. Chile kann  dagegen auf seine Ausfuhr nicht verzichten und wird ebenso wie Argentinien und  Brasilien in den sauren Apfel beißen müssen, trotz dem Wutgeheul der Yankees  und der chilenischen Kapitalisten.
  In diesem Punkte werden wir hart bleiben. Auch mit Mexiko steht der Abschluss  eines Handelsvertrages bevor. Die anderen süd- und mittelamerikanischen Staaten  sind dagegen so fest in der Hand des nordamerikanischen Kapitals, dass sie kaum  ähnliche Verträge abschließen werden, zumal sie sich nicht in einer solchen  Zwangslage befinden wie die ABC-Staaten.
  Die nordamerikanische Presse ist außer sich. Sie behauptet, unser Vorgehen sei  ein Bruch des Friedensvertrages. Dem ist aber nicht so: wir haben uns lediglich  verpflichtet, keine Kapitalinvestitionen in Amerika vorzunehmen, aber niemals  darauf verzichtet, sozialistische Handelspolitik zu treiben. Was wird bei dem ganzen  Geschrei herauskommen? Die Amerikaner werden sich noch mehr als bisher mit  ihren Lieferungen beeilen und uns sobald wie möglich eine neue Anleihe  aufdrängen. Und wir? Wir werden sie nehmen, aber nur noch zu 4%. Oder seid ihr  immer noch dagegen, ihr überradikalen Genossen?
  Wir sind nun vom Kaffee über die Handelsverträge glücklich wieder zu den  Anleihen zurückgekehrt. Aber das war nötig, damit die Genossen, die unsere  Handlungen in bester Absicht kritisieren, den ganzen Fragenkomplex überblicken,  den man vor Augen haben muss, um sozialistische Wirtschaftspolitik treiben zu  können.
  Für den Wirtschaftskrieg gelten teilweise dieselben Regeln wie seinerzeit für  unseren militärischen Krieg gegen die kapitalistischen Regierungen. Ein  strategischer Rückzug ist oft die Vorbedingung für den künftigen Sieg. Die  Hauptsache ist, dass wir das Heft in der Hand behalten. Und das tun wir. Wir  setzen genau wie damals die gegnerischen Kräfte in unsere Rechnung ein. Und wir  werden den Wirtschaftskrieg ebenso sicher gewinnen wie damals den militärischen  Krieg.
  Und nun die Autofrage. Weshalb werden die hohen Steuern auf private Automobile  nicht abgebaut? Arbeiter, die ihre finanziellen Pflichten gegenüber der  sozialistischen Gesellschaft erfüllen, können sich im Augenblick kein Auto  leisten. Nur Familien mit mehreren Vollverdienern wären dazu in der Lage. Aber  auch die müssten die Anleihezeichnung einschränken und unverhältnismäßig viel  Kraft und Zeit in ihr Auto stecken. Die Massenherstellung von Kleinautos im  gegenwärtigen Augenblick schärfster Kräfteanspannung wäre verfehlt. Wir werden  erst dann dazu übergehen, wenn wir jedermann ein eigenes Auto liefern können.  Soweit sind wir noch nicht. Zunächst müssten wir das Straßennetz nach ganz  neuen Gesichtspunkten anlegen. Das ist im Fünfjahresplan nicht vorgesehen.  Sorgt dafür, ihr Autoenthusiasten, dass der Fünf jahresplan so schnell wie  möglich verwirklicht wird, damit wir neue größere Pläne in Angriff nehmen  können! Zeichnet so viel Anleihen wie nur irgend möglich! Ihr bezahlt damit  schon heute euer Auto und sorgt gleichzeitig dafür, dass ihr es so schnell wie  möglich erhaltet. Vorläufig müsst ihr euch mit den Klubautos oder mit eurem  Fahrrad begnügen, mit denen ihr auf den neuen herrlichen Radfahrwegen weit  hinaus ins Land fahren könnt. Benutzt diese Gelegenheit ebenso wie alle anderen  Erholungsgelegenheiten, die euch jetzt so reichlich geboten werden! Stärkt eure  Kräfte, damit ihr sie einsetzen könnt in dem gewaltigen Kampf für den Aufbau  der internationalen sozialistischen Gesellschaft!
  Vorwärts - 15. April 1921
Die Pläne sind umgearbeitet!
  Am 30. April Urabstimmung
  Fünfjahresplan in drei Jahren vier Monaten!
Am 30. April wird die Arbeiterschaft in der ganzen sozialistischen Welt über  die Pläne zur beschleunigten Abwicklung des Fünfjahresplans abstimmen. Die  neuen Pläne sind auf der Voraussetzung aufgebaut, dass in jedem Abschnitt des  Fünfjahresplans wieder die gleiche innere Anleihesumme aufgebracht wird wie im  ersten Abschnitt. Der gezeichnete Betrag für das Jahr 1921 soll aber bereits  bis zum 3o. September aufgebracht werden.
  Das ist diesmal wirklich ein empfindliches Opfer, da der für acht Monate  gezeichnete Betrag in fünf Monaten aufgebracht werden muss. Im nächsten  Abschnitt wird es dann besser, da sich die ganze Anleihesumme gleichmäßig auf  neun Monate verteilt (1. Oktober 1921 bis 30. Juni 1922). Auch der dritte  Abschnitt soll in neun Monaten erledigt werden (bis 31. März 1923), der vierte  dagegen schon in acht Monaten (bis 30. November 1923) und der vierte sogar in  fünf Monaten (bis 30. April 1924). Durch die Urabstimmung am 30. April sollen  die Werktätigen entscheiden, ob sie in allen Abschnitten die gleiche  Anleihesumme zeichnen wollen wie im ersten Abschnitt. Aus diesem Grunde muss  die Abstimmung diesmal öffentlich unter Namensnennung vor sich gehen. Teilnahme  an der Abstimmung ist Pflicht. Alle Stimmen der Fernbleibenden werden als  Jastimmen gezählt, mit der Konsequenz, dass alle Personen, die unentschuldigt  der Abstimmung ferngeblieben sind, mit der Mindestanleihesumme belastet werden.  Nur diejenigen, die mit „Nein" stimmen, sind von der  Anleihezeichnungspflicht befreit. Es wird für sie allerdings das beste sein,  wenn sie sich gleich entschließen, nach Amerika auszuwandern.
  Das Weltproletariat rafft und streckt sich. Der Pflug, der die ganze Welt  auflockert, wird noch schneller gezogen. Aber je mehr Opfer wir heute bringen,  um so eher wird die Zeit der Ernte kommen. Sorgt alle dafür, dass die Ernte  reichlich ausfällt, denn es ist eure Ernte! Die Zeiten sind vorbei, wo die  Nichtstuer die Früchte der Arbeit anderer Menschen geerntet haben. Wer jetzt  ernten will, muss selbst den Pflug ziehen und säen. Die Welt erzittert unter  dem Tritt der Arbeiterbataillone, unter dem Stampfen der Dampfhämmer, unter dem  Fauchen der Traktoren. Und diese ganze Arbeit leistest du für dich, Prolet!
  Vorwärts - 30. Juli 1921
Dürre und Missernte im Wolgagebiet!
  Völlige Umstellung der russischen Wirtschaft
Die bisherigen Schätzungen über die Auswirkungen der katastrophalen Dürre im  Wolgagebiet sind leider durch die Wirklichkeit noch weit übertroffen worden.  Die Ernteerträge im Dürregebiet sind fast gleich Null. Die Getreide- und  Futtermitteltransporte, die ins Hungergebiet geleitet werden, kommen leider zu  spät, um den Viehbestand, der ohnehin schon stark dezimiert ist, zu retten.  Alles minderwertige Vieh, einschließlich des Zugviehs, soll sofort geschlachtet  und zur Ernährung verwendet werden. Die Trockenheit hält noch an. Die  Aussichten für die Wintersaat sind sehr schlecht. Große Umstellungsmaßnahmen  der russischen Wirtschaft müssen eingeleitet werden, um die ungeheuren Schäden,  die ein zweites Jahr landwirtschaftlichen Produktionsausfalls in diesen sonst  so fruchtbaren Gebieten für unsere Gesamtwirtschaft bedeuten würde, zu einem  Teil auszugleichen.
  Das ganze von der Dürre heimgesuchte Gebiet soll mit einem Schlage  kollektivisiert werden. Die zu einem Teil schon fluchtartig verlassenen  Einzelwirtschaften werden nicht wieder aufgebaut. In den neuzubildenden  Riesenbetrieben kann die Arbeit allerdings zum größten Teil erst im nächsten  Frühjahr aufgenommen werden. Das Wolgagebiet soll das agrarische Musterland  werden, das erste Land, in dem wir die sozialistischen Betriebs- und  Gesellschaftsformen restlos verwirklichen. Alle Kräfte Russlands werden in den  Dienst dieser großen Aufgabe gestellt. Die Kollektivisierungspropaganda in  anderen Gebieten Russlands wird für zwei Jahre unterbrochen, um die Belieferung  des Wolgagebiets mit landwirtschaftlichem Bedarf sicherzustellen. Die Anlage  riesiger Staatsgüter in den noch unbebauten Teilen des großen Reiches wird  jedoch beschleunigt. Die Bebauung des kollektivierten Wolgagebiets wird, statt  wie bisher 3o, nur noch 10 Millionen Menschen beanspruchen. Die Umgruppierungen  sollen sofort beginnen, da Millionen von Ansässigen ohnehin im Wolgagebiet in  diesem Jahr nicht produktiv beschäftigt werden können. In Sibirien, in  Nordrussland, in der Kirgisensteppe und in Nordkaukasien werden in diesem Jahr  gewaltige Landflächen zum ersten Male unter den Pflug genommen. Dorthin sollen  einige Millionen Menschen aus dem Dürregebiet verpflanzt werden. Weitere  Millionen beansprucht Wege-, Straßen-, Städte- und Eisenbahnbau im Wolgagebiet,  der sofort mit äußerster Macht verstärkt wird. Der Ausbau der Industrie im Ural  und in Sibirien wird beschleunigt und soll etwa eine Million Menschen aus dem  Wolgagebiet aufsaugen. Einige Zehntausend werden zum beschleunigten Ausbau der  Turksib-Bahn herangezogen, weitere Hunderttausende werden längs dieser Bahn und  in Turkestan selbst angesiedelt. Der Bau des Wolga—Don-Kanals wird beschleunigt  und beansprucht ebenfalls Tausende von neuen Arbeitskräften. Ebenso werden im  Donezgebiet und beim Bau des Dnjeprostoj Tausende von weiteren Arbeitskräften  eingesetzt. Vielleicht wandern auch einige tausend Russen nach Australien aus.  Westeuropa erhält in diesem Jahre anstandslos alle benötigten Hilfskräfte und  hat dafür eine erhöhte Menge Maschinen zu liefern. In ganz Russland ist für ein  Jahr die wirtschaftliche Generalmobilmachung angeordnet worden. Die Gewerkschaften  haben erklärt, dass alle Arbeiter, die an Brennpunkten des großen  Umstellungsprogramms arbeiten, und von deren Arbeit das Schicksal dieser Pläne  abhängt, die Verordnungen über die Mindestarbeitszeit überschreiten dürfen.  Unbezahlte Überarbeit soll in viel größerem Ausmaß als bisher geleistet werden.
  Vorwärts - 23. Oktober 1921
Wir haben eine Schlappe erlitten!
Das ist jetzt nicht mehr zu leugnen. Alles Vertuschen nützt nichts. Es steht  endgültig fest, dass wir in der N.E.F. bis zum 3o. September nur 92% des ersten  Abschnitts im Fünf jahresplan erfüllen können. Es wäre vielleicht möglich  gewesen, die Differenz durch freiwillige sozialistische Sonntagsarbeit  auszugleichen. Aber der Wirtschaftsrat unserer Föderation hat das Verbot trotz  allem Drängen nicht aufgehoben, obwohl es feststeht, dass in Russland, China  und Indien immer noch in sehr großem Umfange Sobotniks gemacht werden. Der  Metallarbeiterverband hat sich jetzt beschwerdeführend an den  Zentralwirtschaftsrat der S. U. gewandt, damit er die Erlaubnis zur unbezahlten  Sonntagsarbeit erteilt. Auch die Partei wird über diese Frage abstimmen. Ein  zeitweiliges Verbot der freiwilligen unbezahlten Sonntagsarbeit ist zweifellos  notwendig gewesen, da sonst die Ruhetage überhaupt verschwunden wären. Diese  Betrachtungsweise ist aber jetzt unangebracht. Wenn wir unsere Scharte  auswetzen wollen, dann müssen wir das Verbot der freiwilligen Sonntagsarbeit  mindestens bis zum 1. Mai außer Kraft setzen. Es ist für alle Proletarier  unseres hoch entwickelten Industrielandes niederdrückend, dass wir im  sozialistischen Wettbewerb der Föderationen unterlegen sind. In jedem  Wirtschaftsbezirk, in jedem Trust und in jedem Betrieb muss noch einmal  rücksichtslos aufgeräumt werden. Unfällige Menschen an leitender Stelle haben  zu verschwinden. Der Leerlauf muss noch stärker als bisher bekämpft werden. Die  Gestehungskosten müssen weiter gesenkt, die Produktion weiter gesteigert und  rationalisert weiden. Wir sind zu faul geworden. Wir haben Fett angesetzt. Seht  einmal nach in euren Betrieben und Verwaltungen! Vergleicht den Personalbestand  mit den Listen und Statistiken. Allein bei der letzten Kontrolle sind über 1000  Fälle bekannt geworden, wo sich alte und neue Bürokraten einen ruhigen Posten  mit einer Scheintätigkeit geschaffen haben. Ein Teil dieser bequemen Herren  erschien in den Listen sogar als „Arbeiter". Leider ist auch die  Parteimitgliedschaft von dieser Korruptionserscheinung nicht ganz frei  geblieben. Unter den bekannt gewordenen Fällen befanden sich mehr als 3oo Parteigenossen;  sie wurden natürlich sofort ausgeschlossen. Insgesamt mussten wir im letzten  Jahre über 10000 Parteigenossen wegen Korruption ausschließen und über 3oooo  wegen leichterer Verfehlungen von den Parteirechten auf ein Jahr suspensieren.  Eine neue allgemeine Parteireinigung scheint uns dringend notwendig zu sein.  Jeder Parteigenosse hat die Pflicht, mehr als in den letzten Monaten sein  Augenmerk auf die Rationalisierung und Produktionssteigerung zu lenken. Unser  kulturelles Leben hat im letzten Jahre einen außerordentlichen Aufschwung  genommen. Das ist begrüßenswert. Wir dürfen darüber aber nicht die materielle  Grundlage aller Kultur, die Produktion, vernachlässigen. Immer muss daran  gedacht werden, dass der Kampf mit dem Kapitalismus noch nicht abgeschlossen  ist. Wir arbeiten heute mit dem Kapitalismus in Amerika zusammen. Das ist aber  kein endgültiger Friede, sondern nur ein Waffenstillstand. Der Ausbau der  Stellungen geht auf beiden Seiten weiter, — eines Tages wird es zum offenen  Gefecht kommen. Ob diese Auseinandersetzung blutig oder unblutig verlaufen  wird, hängt nicht von uns ab. Auf jeden Fall müssen wir aber bis dahin mit dem  Ausbau unserer Hauptstellungen fertig sein: mit der Industrialisierung und  Elektrifizierung der ganzen Union. Bei der Lösung dieser Aufgabe haben wir, die  am besten entwickelte Föderation, unsere Soll-Leistungen nicht erreicht und uns  von anderen Föderationen überholen lassen. Das wird von allen Arbeitenden in  der N. E. F. als eine Schande empfunden. Sie wollen die Scharte so schnell wie  möglich wieder auswetzen. Das ist beim besten Willen nicht möglich ohne  freiwillige Überarbeit. Die nordeuropäischen Arbeiter haben durch die  beschleunigte Aufbringung der Anleihe große Opfer gebracht. Das waren aber doch  ziemlich passive Opfer. Weshalb gibt man ihnen nicht Gelegenheit, auch aktiv  durch unentgeltliche Sonntagsarbeit den Aufbau zu beschleunigen? Ist das Verbot  nicht eine übertriebene Sonntagsheiligung? Weshalb lernen wir nicht aus dem  russischen Beispiel? Die Russen haben ihre Sollziffern überschritten  (allerdings ohne Verkürzung des Planjahres). Sie gehen jetzt, um ihre  Industrieanlagen restlos auszunutzen, zur Fünftagewoche über und hoffen,  dadurch im zweiten Jahre des Fünfjahresplans die Sollziffern um ein Drittel  überschreiten zu können. Jeder russische Arbeiter wird also in Zukunft vier  Tage arbeiten und einen Tag ruhen; allerdings ist die Siebenstundenschicht  immer noch die Regel.
  Jede Schicht wird aber einen anderen Ruhetag haben, so dass die Werke ohne  Unterbrechung arbeiten. Wir können dem russischen Beispiel nicht von heute auf  morgen folgen. Aber das Mögliche muss sofort geschehen. Und darum fordern wir:  Aufhebung des Verbots der freiwilligen Sonntagsarbeit!
  Vorwärts - 6. November 1921
Verbot der Sonntagsarbeit gefallen! 
  Die sozialistischen Feiertage der Arbeit!
Das Verbot der freiwilligen Sonntagsarbeit ist gefallen. Wir feiern diesmal den g. November durch freiwillige unbezahlte Arbeit. Auch Weihnachten und Neujahr feiern wir durch freiwillige Überarbeit. Bis dahin leisten wir außerdem an jedem zweiten Sonntag unbezahlte Arbeit. Ab Januar werden jeden Sonntag drei Achtstundenschichten eingelegt, so dass allen Arbeitern nur ein Ruhetag im Monat verbleibt. Das soll solange weitergehen, bis das Produktionsmanko ausgeglichen ist und wir mit den planmäßigen Lieferungen an die anderen Föderationen nicht mehr im Rückstand sind. Und wenn dieses Ziel erreicht ist, dann wird auch bei uns die Fünftagewoche eingeführt.
  Vorwärts - 15. April 1921
Die Scharte ist ausgewetzt!
Die Planziffern sind überschritten. Die Fünftagewoche wird am 1.Mai eingeführt.
  Vorwärts - 14. Juli 1922
Die N. E. F. an der Spitze
Die Nordeuropäische Föderation hat im zweiten Abschnitt des Fünfjahresplans die Spitze im sozialistischen Wettbewerb der Föderationen erobert. Wir haben nicht nur den Fehlbetrag im ersten Abschnitt restlos gedeckt, sondern die Planziffern des zweiten Abschnittes sogar um 8% überholt. Die Einführung der Fünftagewoche bei gleich bleibenden Stundenlöhnen bedeutete eine Verringerung des Nominallohns, die durch erhöhte Zuwendungen an die Klubs und durch beträchtliche Preissenkungen allerdings fast ausgeglichen wurde. Immerhin wird mit Rücksicht auf diese Tatsache in der N.E.F. von der Erlaubnis des Zentralrats, weitere Anleihen aufzulegen, kein Gebrauch gemacht. Wir sind auch so imstande, unsere innerföderativen Pläne in diesem Abschnitt restlos auszuführen und die anderen Föderationen sogar noch etwas über die Pläne hinaus zu beliefern.
Der Endkampf mit den Mittelbauern beginnt
  Alle neugebildeten Kollektivwirtschaften sind jetzt restlos mit den modernsten  Maschinen und Geräten ausgestattet. Wir können innerhalb eines Jahres soviel  Traktoren und Maschinen produzieren, dass kein Gebiet der S. U. mehr unbearbeitet  bleiben muss. Dadurch wird voraussichtlich eine landwirtschaftliche  Überproduktion eintreten, wenn auch die zunehmende Sabotage der Einzelbauern  einen rückläufigen Einfluss haben dürfte. Am 1. August werden die Preise für  landwirtschaftliche Produkte soweit herabgesetzt, dass sie den Gestehungskosten  auf hochmodernen Großfarmen mit dritter Bodenklasse gleichkommen. Sobald die  Kollektivisierung der Landwirtschaft restlos durchgeführt ist, werden wir alle  schlechteren Böden der landwirtschaftlichen Bebauung entziehen und dadurch eine  weitere Senkung der durchschnittlichen Gestehungskosten herbeiführen. Zuvor  aber wollen wir Reserven anlegen und die wichtigsten Lebensmittel  kommunisieren. Alle Klubs und Werkgemeinschaften erhalten schon ab 1. August  kostenlos Frischmilch, Brot und Semmeln.
  Auch die hartnäckigsten Einzelbauern werden unter diesen Umständen den Kampf  mit dem sozialistischen Großbetrieb höchstens noch ein Jahr lang aushalten, so  dass wir von Zwangsmaßnahmen völlig absehen können. Die letzten Überbleibsel  des Kapitalismus in der S. U. werden ganz von selbst verschwinden.
  In der S.U. Wann aber kommt Amerika dran? Das ist nur noch eine Frage der Zeit.  Noch ein letztes Mal haben wir dem Drängen der Amerikaner nachgegeben und eine  Anleihe aufgenommen unter der Bedingung, dass nicht nur diese, sondern auch die  früheren Anleihen nur mit 4% verzinst werden. Schon jetzt haben die Amerikaner  einzelne Zölle erhöht, aber das hat dem Absatz unsrer immer billiger werdenden  Waren nicht im geringsten geschadet. Unsere Preissenkungsaktion schreitet immer  weiter vorwärts. Die Produktionsabgabe wurde bereits auf 7% gesenkt und soll  noch gegen Ende dieses Jahres auf 6% ermäßigt werden, um nach Ablauf des  Fünfjahresplans auf 5% zu sinken. Wenn wir nicht noch größere Aufgaben zu  erledigen hätten, könnten wir heute schon die amerikanische Konkurrenz, auch  bei Verdoppelung der Zollsätze, entscheidend schlagen. Die Abnahme desjenigen  Teils der amerikanischen Anleihe, der in Fertigfabrikaten geliefert werden  soll, macht schon erhebliche Schwierigkeiten. Die Lücken in unserem  Wirtschaftsapparat schließen sich immer schneller. Auf fast allen Gebieten  produzieren wir bedeutend schneller und billiger als Amerika. Trotzdem nehmen  wir die restlichen Beträge in diesem Jahre noch ab und gewähren den Amerikanern  damit eine letzte Schonzeit. Um so schlimmer wird dann der Umschwung sein. Im  Augenblick allerdings nimmt die amerikanische Hochkonjunktur immer noch zu. Die  Spekulationssucht hat sogar Millionen von Arbeitern erfasst. Die amerikanischen  Kapitalisten scheinen zu glauben, dass das unbegrenzt so weitergeht. Sie  täuschen sich :
  Unaufhaltsam schreitet der sozialistische Aufbau vorwärts. Bald wird Amerika  auf allen Gebieten überholt sein. Bald wird man im entlegensten Dorf Sibiriens,  Indiens und Innerasiens im Bewusstsein der überlegenen materiellen und  geistigen Kultur sagen können: Armes Amerika.
  Vorwärts - 11. August 1922
Zuviel Kohlen!
Obwohl unser Energie- und Brennstoffbedarf im Augenblick immer noch wächst,  kann doch heute schon mit Bestimmtheit gesagt werden, dass wir nach  Durchführung des Fünfjahresplans und nach Fertigstellung der gewaltigen  Elektrizitätswerke mit einem großen Brennstoffüberschuss rechnen dürfen. Der  Übergang zur Ölfeuerung geht immer rascher vor sich. Durch neue Verfahren wird  der Heizwert der Kohle immer besser ausgenutzt. Der unrentable Hausbrand wird  bis gegen Ende des Fünfjahresplans bis zu 60% durch bessere Verfahren ersetzt.  Es ist deshalb zu begrüßen, dass die Anlage neuer Kohlenschächte bereits eingeschränkt  wird. (Natürlich nicht in den großen sibirischen und innerasiatischen Lagern,  die aus Gründen der Transportrationalisierung weiter ausgebaut werden.)
  Zugleich wird die Stilllegung vieler unrentabler Kohlenschächte erwogen. Das  Waldenburger Revier z. B., das sehr große Zuschüsse erfordert, soll mit  Ausnahme der relativ besten Schächte, die den örtlichen Bedarf decken, ganz  stillgelegt werden.
  Wir dürfen die Ölproduktion und den Ölverbrauch jedoch nicht ins Ungemessene  steigern, sondern wir müssen auch an die kommenden Generationen denken. Der  Zentralwirtschaftsrat hat deshalb beschlossen, weitere 20 Millionen Mark  auszuwerfen, um die Versuchsarbeiten zur Verflüssigung von Kohle zu  beschleunigen.
  Nach restloser Durchführung der Verkehrsrationalisierung wird eine gewaltige  Kraftersparnis eintreten. Die rationellen Großraum-Güterwagen mit ihren  automatischen Ent - und Beladevorrichtungen werden am Ende des Fünfjahresplans  schon 20% des gesamten Wagenparks stellen. Das größte Kontingent aber stellen  die neuen Einheitsbehälterwagen: sie lassen sich vollständig auseinander nehmen  und von allen Seiten ohne großen Kraftaufwand be- und entladen. Bei Umschlag  vom Land- auf Fluss oder Seetransport wird der ganze Einheitsbehälter durch  einen Kran vom Fahrgestell abgehoben und im Kahn oder Schiff verstaut. Alle  neuen Flusskähne und Seeschiffe werden jetzt für Aufnahme von Einheitsbehältern  ausgebaut. Der Einheitsbehälter kann sich aber auch aus eigener Kraft auf  kleinen Rädern mit Hilfe eines Einsatzmotors fortbewegen, so dass sich selbst  bei den längsten Transporten mit häufigem Umschlag kein Behälterwechsel  notwendig macht. Ein Teil des Getreidetransports aus Westrussland vollzieht  sich heute schon folgendermaßen: Der Einheitsbehälter läuft am Silo voll und  rollt aus eigener Kraft zur nächsten Bahnstation. Dort wird er auf das  Fahrgestell gehoben und bis zur nächsten Umschlagstation des Mittellandkanals  transportiert, von einem Kran erfasst und im Kahn verstaut. Am Zielhafen  angelangt, rollt er aus eigener Kraft zur Mühle, wird vom Fahrstuhl hochgehoben  und lässt das Getreide fallen. Es ist vorgesehen, dass ungefähr 30% mehr  Behälter als Fahrgestelle gebaut werden. Die praktische Erfahrung muss uns aber  erst lehren, ob dieses Verhältnis richtig ist. Die gewaltigen Anlagen des  Dnjeprostoj werden Ende nächsten Jahres in Gebrauch genommen. Damit ist dann  ein wichtiger Punkt des russischen Fünfjahresplans erreicht. Der  wirtschaftliche Aufschwung Russlands wird dann ein viel schnelleres Tempo  einschlagen. Das Dnjepr-Werk sollte eigentlich zusammen mit dem  Oder-Weichsel-Donaukanal fertig werden. Die Russen investierten aber weit mehr  eigene Mittel als vorgesehen in dieses Werk und haben dadurch einige Monate  gewonnen. Allerdings sind bis dahin die großen Industriekombinate und  Arbeitersiedlungen noch nicht alle fertig, so dass es eine Zeitlang gar nicht  möglich sein wird, die gewaltigen Energiemengen zu verwerten. Die am Bau  beteiligten Arbeiter haben jedoch beschlossen, zwei Monate lang täglich 8  Stunden zu arbeiten und sich nur 2 Ruhetage im Monat zu gönnen. Sie erhalten  dafür nach Fertigstellung der Bauten einen Monat Sonder-Urlaub. Eine starke  Rationalisierung, die sich jetzt erst auswirkt, hat der Fortfall des Zinswesens  gebracht. In der ersten Zeit unserer Umstellung mussten wir das Zinssystem vom  Kapitalismus übernehmen. Wir mussten alle Gelder, die in einem gewissen  Augenblick funktionslos waren, aufsaugen, um keine Stockungen im  Wirtschaftskreislauf eintreten zu lassen. Das Geld war damals nicht nur  Wertmesser, sondern auch der Verfügungstitel über Werte aller Art, die wir,  wenn sie brachlagen, in der Anfangszeit des Übergangsstadiums nur durch  Zinsversprechen erfassen konnten. Wir mussten den Geldbesitzer (auch den  korporativen) durch den Reiz des Zinses veranlassen, uns sein Geld, das heißt  die Verfügung über entsprechende Warenmengen, so lange zu überlassen, bis er  selbst wieder Verwendung dafür hatte. Je mehr aber die sozialistische Schulung  der Gesamtbevölkerung und der Funktionäre in sozialisierten und genossenschaftlichen  Unternehmungen wuchs, je mehr unsere Planwirtschaft ausgebaut wurde, um so mehr  verlor das Geld diese Funktion, so dass wir uns jetzt den teuren Luxus des  Zinswesens ersparen können. Unsere ganze Verwaltung und unser  Überweisungsverkehr kann jetzt restlos maschinisiert werden. Das neue  Vielfeldlochkartensystem und seine Koppelung mit dem Telegraphensystem  ermöglichen uns den Abbau von über fünfzehntausend Bureaukräften. Der  Augenblick war äußerst günstig, denn durch die Umstellung auf die Fünftagewoche  ist unser Bedarf an Arbeitskräften wieder stark gestiegen. Wir konnten zwar  nochmals eine Million Freiwilliger aus Russland und China in den  Produktionsprozess einreihen. Aber das wird das letzte mal gewesen sein. In  Russland gibt es jetzt schon fast keine Arbeitslosen mehr. Die russische  Industrialisierung hat ein rasendes Tempo angenommen. Wenn nicht die Umstellung  in der Wolga-Landwirtschaft fast 20 Millionen Arbeiter freigesetzt hätte, dann  wäre der russische Menschenüberfluss schon versiegt. Wir werden in Zukunft  übrigens kaum noch Einwanderer benötigen. Asien kann sich schon im nächsten  Jahre mit einem großen Teil der Güter selbst versorgen, die wir bisher liefern  mussten; Russland erzeugt im nächsten Jahre über 200000 Traktoren und  Automobile.
  Das Mittelland-Kanalsystem ist mit Ausnahme einiger Strecken in Zentralrussland  völlig ausgebaut. Das ganze europäische Wasserwirtschaftssystem wird bis Ende  nächsten Jahres fertig gestellt sein.
  Der Wohnungsbau, bisher unser Schmerzenskind, macht in letzter Zeit geradezu  rasende Fortschritte. Das Regiment „Bebel", das im französischen  Wiederaufbaugebiet zusammengestellt wurde, ist auf seiner Ostwanderung bereits  bis an die Oder gelangt und hat in jeder größeren oder mittleren Stadt, die es  passierte, mindestens einen Häuserblock hinterlassen. Es will seine  Ostwanderung bis nach Wladiwostock fortsetzen und hofft, dass bis dahin auch  Amerika für den Sozialismus erobert worden ist, damit es seine originelle  Weltumwanderung fortsetzen kann. Das Regiment „Bebel" verfügt über 100  Automobile und über die modernsten Winterbaumaschinen. Die ganze Ausrüstung des  Regiments hat über 16 Millionen Mark gekostet. Die Spezialität des Regiments  ist die Fabrikation eines besonderen Typs von Zweifamilienhäusern, von denen es  10 Stück in 4 Tagen herstellt. Das erste Bataillon übernimmt die  Ausschachtungsarbeiten und das Fundament. Das zweite Bataillon stellt in vier  Sechsstundenschichten das Skelett her. Das dritte Bataillon vollendet den  Rohbau und das vierte Bataillon den Putz und Innenausbau. Jede Arbeitsleistung  ist bis in die geringste Kleinigkeit vorausberechnet, kein überflüssiger  Handgriff wird gemacht. Dieser Rekord des Bauregiments „Bebel" dürfte  jedoch nach Fertigstellung der neuen Kruppschen Hochbaumaschinen geschlagen  werden. Mit deren Hilfe ist es möglich, in der gleichen Zeit achtstöckige  Häuser herzustellen. Das erste Kruppsche Baukombinat, das in den nächsten  Wochen fertig gestellt wird, kostet allerdings 3 4 Millionen, aber man hofft  den Preis bei Serienfabrikation erheblich senken zu können.
  Der Städtebau tritt jetzt in sein entscheidendes Stadium. Die größten  Schwierigkeiten waren in Marxstadt, der größten Stadt der Welt, zu überwinden.  Marxstadt soll das ganze Ruhrgebiet umfassen, das dadurch ein vollkommen neues  Gesicht erhält. Das ganze Gebiet wird aufgelockert und nach einheitlichen  Gesichtspunkten bebaut. Ganz Marxstadt wird einem riesigen Park gleichen. Nur  kleine Bodenflächen bleiben für den Anbau von Frischgemüse reserviert. Alles  andere Land wurde für Siedlungs- und Erholungszwecke aufgeteilt. Nur einige  landwirtschaftliche Musterbetriebe lässt man für Schulzwecke bestehen.
  Neu-Berlin wird sich in Form einer in Häuserblocks aufgeteilten Kreisstraße von  50 km Durchmesser rund um das heutige Berlin legen. Jedes Häuserquadrat wird  acht Stock hoch sein und eine Seitenlänge von 1 km haben. Hamburg, das lange  gefesselte, wird sich gleichfalls nach allen Richtungen hin gewaltig ausdehnen.  Breslau wird das Musterbeispiel einer Trabantenstadt. Das oberschlesische Industrierevier  wird zu einem einheitlichen Stadtgebiet vereinigt.
  Die Vorarbeiten gehen überall flott vorwärts. Das nächste Jahr wird das erste  Jahr wirklich systematischen Städtebaus sein.
  Vorwärts - 10. März 1923
Sozialistischer Städtebau
  Ein Monat gewonnen! Dennoch geschlagen!
Die industriellen Sollziffern des dritten Abschnitts sind bereits Ende  Februar erreicht und zum Teil sogar überschritten worden. Die N. E. F. ist aber  von der russischen, von der sibirisch-mandschurischen, von der indischen und  von der australisch-ozeanischen Föderation mit einer so großen Überlegenheit  geschlagen worden, dass wir nur unter Aufbietung aller Kräfte noch hoffen  können, den ungeheuren Vorsprung dieser Föderationen wieder aufzuholen. Sogar  die Donau-Balkanföderation hat uns offenbar um den Bruchteil eines Prozents  geschlagen. Bestimmtes kann jedoch erst gesagt werden, wenn die genauen  Endziffern vorliegen. Fest steht dagegen, dass die Mittelmeerföderation und  sogar die britische Föderation hinter uns zurückgeblieben sind. Symptomatisch  für den Ausgang des dritten sozialistischen Wettbewerbs der Föderationen ist  der Umstand, dass die höchste Steigerung der Produktionsziffern und die größte  Überschreitung der Planziffern in den Ländern eingetreten ist, die vor der  Revolution am weitesten zurückgeblieben waren. Allerdings haben wir hieran das  Hauptverdienst, da wir diese Föderationen weit mehr als zunächst vorgesehen  durch Lieferung von Maschinen, Verkehrsmitteln, Industrieerzeugnissen und  Fertigwaren unterstützten. Auch die Zahl qualifizierter Kräfte, die freiwillig  in diese Länder gingen, war größer als ursprünglich geplant. Allein aus dem  ehemaligen Deutschland sind über 4 Millionen gelernte Arbeiter, Lehrer, Ärzte,  Bureauangestellte, Techniker, Ingenieure und hochqualifizierte Landwirte in der  ganzen sozialistischen Welt tätig. Ein großer Teil der gewaltigen  Produktionssteigerung in diesen Ländern ist auf das Konto dieser Pioniere zu  schreiben. Den gewaltigsten Sprung nach vorwärts hat Russland im dritten  Abschnitt des Fünfjahresplans gemacht. Das größte und geschlossenste  sozialistische Wohn- und Arbeitsgebiet der Union, das Wolgaland, wird in diesem  Jahre restlos ausgebaut. Die kühnsten Menschheitsträume sind dort bereits  Wirklichkeit. Trotz der gewaltigen Verbesserungen, die im Bereiche unserer  Föderation durchgeführt worden sind, können wir, wenn wir einen Vergleich  zwischen dem Wolgaland und West- und Mitteleuropa ziehen, nur sagen: wir wohnen  in einem Schweinestall, die Wolgaleute in einem Palast. Für das reiche kapitalistische  Amerika aber bleibt, wenn wir uns die Wohnhöllen der Werktätigen und nicht die  Paläste der Kapitalisten ansehen, nur noch der Vergleich mit einer Dunggrube  übrig. Zwischen einem Schweinestall und einer Dunggrube bestehen allerlei  Berührungspunkte, — nur werden die amerikanischen Arbeiter immer noch in der  Dunggrube hausen, wenn wir schon längst unsere Paläste bezogen haben.
  Kommt man aus dem blühenden Wolgagebiet nach Moskau, dann ist man überrascht.  Welcher Gegensatz! Dort die spiegelblanken Asphalt- und Zementstraßen, die  Wohnpaläste, die sozialistischen Städte und die blinkenden Schmuckkästen der  landwirtschaftlichen Kollektive, — hier in der Hauptstadt holpriges Pflaster  aus vorsintflutlichen Zeiten, baufällige Häuser, kleine, lichtarme Wohnungen,  alte Straßen. Moskau ist zu kurz gekommen. Alle Energie ist in den Aufbau der  Industrie, ins Wolgaland und in die großen Staatsgüter gesteckt worden, die  jährlich Millionen Hektar neu unter den Pflug nehmen.
  Die Moskauer sind sich immer noch nicht klar, was sie mit ihrer Stadt anfangen  sollen. Wahrscheinlich werden sie an anderer Stelle ein ganz neues Moskau  aufbauen und das alte Moskau als Museum stehen lassen. Nicht viel anders wirkt  aber der Gegensatz, wenn man aus Indien, aus der Mandschurei oder gar aus  Australien-Ozeanien nach Berlin, der sozialistischen Hauptstadt kommt. Gewiss,  es gibt bei uns kein Holperpflaster wie in Moskau. Wie weit, wie furchtbar weit  sind wir aber dennoch hinter den Gebieten zurück, die in sozialistischem Sinne  aufs modernste aufgebaut wurden! Wir sind stark zurückgeblieben, weil auch wir  alle Kraft auf den Neuaufbau des Wolgagebiets konzentriert haben. Die  Städtebaumaschinen, die schon im vorigen Jahre den Bau Neu-Berlins beginnen  sollten, gingen alle ins Wolgagebiet. Um so schneller soll es aber jetzt  vorwärts gehen.
  Die neuen Städtebaumaschinen, die vor einer Woche ihre Arbeit begonnen haben,  sind wahre Wunderwerke der Technik und viel besser und praktischer ausgestattet  als die ersten. So ein Städtebaukombinat kostet über 40 Millionen Mark. Eine  gewaltige Summe. Aber doch nur halb so viel wie ein moderner Panzerkreuzer.  Atemberaubend ist es, der Arbeit dieser Maschinen zuzusehen: Die gewaltigen  Trockenbagger mit ihren zahlreichen Hilfsmaschinen (wir konnten sie schon bei den  neuen Kanalbauten bewundern) ziehen wie ein Riesenpflug 1000 m lange Furchen  durchs Land. In 14 Tagen ist der Baugrund eines viermal 1000 m-Blocks  ausgehoben. Dann kommen die Fundamentiermaschinen: wie Riesenlindwürmer  kriechen sie die Furchen entlang. Die erste Maschine frisst unaufhörlich Eisen  und Stahl und hinterlässt ein Gewirr von eingerammten Pfählen, Eisenstäben,  Winkeleisen und Drahtflechtwerk.
  Die zweite Maschine frisst Riesenmengen von Sand und Zement und lässt eine  glatte glänzende Spur hinter sich zurück. Das Fundament ist fertig. Bös sieht's  aber an den Rändern der Baufurche aus, die von den Greifern, Klauen und Raupen  der Lindwürmer wüst zerhackt wurden. Traktoren und Walzen glätten den Grund,  auf dem dann ein breites Band aus Stahlplatten montiert wird. Und auf dieser  „Schiene" rollt nun das gewaltigste Ungetüm heran, das sich jemals über  die Erde bewegt hat. Ist es ein Sagenungeheuer aus vorgeschichtlichen Zeiten?  Oder eine fahrbare Riesenluftschiffhalle? Alle Vergleiche verblassen gegenüber  dieser Wirklichkeit aus Eisen und Stahl, gegenüber dieser Manifestation des  schöpferischen, sozialistischen Kollektivwillens. Das Staunen beginnt schon,  wenn wir uns diesen Giganten von außen ansehen. Ein Fahrstuhl, ein Aufzug neben  dem anderen. Kräne, Winden, Laufbrücken, laufende Förderbänder. Unaufhörlich  werden riesige Eisenträger von diesem Koloss verschluckt. Wir gehen ins Innere.  Zuerst müssen wir eine Ausgleichskammer passieren. Dann noch eine, in der es  schon bedeutend wärmer ist. Und jetzt stehen wir in der Riesenhalle. Wärme und  Lärm, das sind die ersten Eindrücke. Einige halbnackte Arbeiter huschen vorbei.  Dann sind sie verschwunden — das Eisen hat sie verschluckt. Kein Mensch ist  mehr zu sehen; aber die ganze Halle ist lebendig, alles bewegt sich. Sinnlos  scheinbar. Laufbrücken, Kräne, Aufzüge, Förderbänder. Die Wände bewegen sich,  das Dach bewegt sich, die tausend Lampen bewegen sich, sogar der Boden scheint  sich zu bewegen. Plötzlich kommt Sinn in das Chaos. Von der Decke herab senken  sich schnell in gleichmäßigen Abständen gewaltige senkrecht hängende  Eisenträger. Noch bevor sie den Boden berühren, schwenken von allen Wänden  drehbare Arme aus, die den Fuß jedes Trägers umklammern. Auf beiden Seiten  jedes Trägerfußes sitzt jetzt plötzlich ein Arbeiter mit Apparaten in der Hand.  Ein ohrenbetäubender Lärm setzt ein. Aber nicht nur da unten. Auch über uns.  Ohne, dass wir es gemerkt haben, sind von oben her die Querträger gekommen. An  allen Pfeilerköpfen sitzen Arbeiter auf ausgeschwenkten Körben und bedienen die  Schraub-, Schweiß- und Nietmaschinen. Schon senken sich wieder neue senkrechte  Träger herab, — da scheint die Well unterzugehen, oder vielmehr; hochzugehen.  Der Grund, auf dem wir stehen, geht plötzlich in die Höhe. Die Arbeiter, die  vor 20 Sekunden an der Bausohle die Niethämmer abstellten, bedienen jetzt schon  die Schraub-, Niet- und Schweißmaschinen im nächsten Stock. Die Arbeiter aber,  die eben noch an dieser Stelle saßen und die Querversteifungen befestigten,  sitzen jetzt schon wieder zu unseren Köpfen und warten auf die neuen  Querträger, die sich, scheinbar leicht wie Streichhölzer, herabsenken.
  Kaum haben wir Zeit, zu begreifen, was um uns geschieht, da kommen schon wieder  senkrechte Träger herab, und das Quadrat, auf dem wir stehen, bewegt sich  wieder nach oben. Das Spiel beginnt von neuem.
  Wir werden nicht müde zuzuschauen. Auf einmal sind wir im achten Stock, nahe  unter der Decke des Baugiganten. Das Skelett ist fertig. Während wir den  Fahrstuhl besteigen, der uns nach unten bringt, öffnen sich die Seitenwände der  Baumaschine und schieben sich ineinander. Der ganze Koloss erzittert und  schiebt sich zwanzig Meter nach rechts weiter. Die rechte Seitenwand ist schon  geschlossen. Links geht es nicht so leicht, da die Abdichtungswand hier den  neuen Querträgern angepasst werden muss. Einen Augenblick lang war es bitter  kalt. Jetzt flutet schon wieder Wärme durch den Raum. In einigen Minuten  beginnt die neue Schicht ihr Werk. Die Arbeiter, die wir auf ihrer Wanderung  nach oben begleitet haben, ziehen sich aus, hängen ihre Bademäntel um und gehen  durch einen festabgedichteten Verbindungsgang in den Badewagen. Die  Vierstundenschicht ist zu Ende. Wir gehen in einen Kantinenwagen. Gleich werden  die gebadeten Genossen erscheinen und an derselben Stelle Mittag essen, wo eben  noch die ablösende Schicht, die jetzt schon wieder im ersten Stock arbeitet,  ein knappes, aber kräftiges Mahl eingenommen hat. Es wird in sechs  Vierstundenschichten gearbeitet. Alle vier Stunden schiebt sich der Baugigant  20m weiter. In diesen vier Stunden wird kein Wort gesprochen, kein Befehl  erteilt, keine unnütze Handbewegung gemacht. In diesen vier Stunden verlässt  kein Arbeiter seinen Arbeitsplatz. Achtmal fünfzehn Sekunden beträgt in diesen  vier Stunden die Mindestruhezeit (während des Hinaufschraubens). Die meisten  haben jedoch außerdem noch weitere achtmal zehn Sekunden Ruhe, da für jeden  Arbeitsgang zehn Sekunden über die Mindestzeit hinaus einkalkuliert sind. An  jedem Arbeitsplatz ist eine Klingel. Sobald darauf gedrückt wird, ruhen alle  Maschinen so lange, bis die unvorhergesehene Hemmung, wegen der geklingelt  wurde, beseitigt ist. Nur bei solch unvorgesehenen Hemmungen, die jedoch  äußerst selten eintreten, darf die vierstündige Arbeitszeit um eine Stunde  überschritten werden. Die Arbeiterstoßbrigade, die diesen kollektiven  Arbeitsprozess so musterhaft durchführt, hat schon mehrmals den Antrag  gestellt, unbezahlte Überstunden zu machen. Dieser Antrag ist aber mit Recht  abgelehnt worden. Diese intensive Tätigkeit ist ohne Schädigung des Arbeiters  und des Werkes nur möglich, wenn sie auf vier Stunden beschränkt wird. Für alle  Arbeiter gilt dagegen die sechsstündige Anwesenheitspflicht. Sie müssen sich  eine Stunde vor Arbeitsbeginn in der Kantine melden, damit sie völlig ausgeruht  an die Arbeit gehen. Die Speisen und Getränke, die vor der Arbeit genossen  werden, sind ärztlich vorgeschrieben. Erst eine Stunde nach Beendigung der  Arbeit dürfen die Arbeiter die Speise-, Lese- oder Siestawagen verlassen und  die Autos besteigen, mit denen sie in ihre Wohnviertel oder in ihren Klub  befördert werden. Bezahlt werden 6 Stunden. Ein Wunderwerk sozialistisch er  Technik ist dieser Baugigant Nr. 1. Aber noch wunderbarer ist sein Nachfolger,  Gigant Nr. 2, der sich wie sein Schatten immer hinter ihm her bewegt. Gigant  Nr. 1 schluckt Eisen und lässt nach vier Stunden 20 Meter fertiges Skelett der  1000 Meter-Achtstockwerkfront hinter sich zurück.
  Gigant Nr. 2 aber frisst wie eine Riesenschlange 20 Meter dieses Skeletts,  indem er sich über sie hinwegschiebt. Er schluckt riesige Mengen Mörtel,  Zement, Platten und sonstige Baumaterialien und lässt nach vier Stunden den  fertigen Rohbau hinter sich zurück. An seine Stelle tritt bald Gigant Nr. 3,  der einen Teil des Innenausbaus und die Fenster einsetzt und nach weiteren vier  Stunden 20 Meter abgeputzte Häuserfront hinter sich lässt. Dann fangen die  großen Heizkessel an, ihre Rüssel in die Fenster zu stecken. Sie trocknen den  Gebäudeteil aus und ermöglichen gleichzeitig den weiteren Innenausbau und die Montage  der Leitungen bei angenehmer Temperatur. So fressen sich die Giganten weiter  und weiter. Wenn ein 1000 Meter-Quadratblock beendet ist, geht es zum nächsten.  Wenn sie sich um ganz Berlin herumgefressen haben, dann wird die letzte  Wohnhöhle verlassen sein. Wir verlassen dann alle unseren Schweinestall und  ziehen in das Haus der Arbeit.
  Die Neuberliner 160 km-Straße wird alle Riesenbauten der Vergangenheit an  Ausmaßen weit in den Schatten stellen. Die Straße selbst mit allen Bahnanlagen  soll in drei bis vier Jahren beendet sein. Sie soll durchgängig mit 1000  Meter-Quadratblocks bebaut werden. Sobald allerdings genügend Wohnraum  vorhanden ist, sobald alle Wohnhöhlen und engen Straßen innerhalb dieser  Rundstraße entvölkert und abgerissen sind, wird die weitere Bautätigkeit  zunächst eingestellt: wir wollen die gut erhaltenen Bauten Altberlins  ausnutzen, solange die in der Nähe liegenden Betriebe noch nicht als veraltet  abgerissen werden.
  Neuberlin wird also größtenteils aus der Rundstraße mit ihren 1000 Meter-Quadratblocks  bestehen, die sich an den engsten Stellen auf 100 Meter einander nähern. Die  einzelnen Blocks werden untereinander durch Gänge unter den Straßen und durch  zweistöckige Brücken über den Straßen verbunden sein.
  Das Gelände innerhalb des Ringes wird sich mit fortschreitendem Abbruch  Altberlins mehr und mehr in Parks, Sport-, Spiel- und Reitplätze verwandeln, in  denen einzelne Gebäude und Straßen als Museen der Vergangenheit stehen bleiben  werden.
  Neue Bauten innerhalb des Ringes sind nicht geplant, auch keine Flachbauten.  Liebhaber von Einfamilienhäusern müssen sich außerhalb der Rundstraße  ansiedeln. Die Straße selbst wird Dreietagenstraße. Zuunterst laufen die sechs  Schienenstränge der Rundbahn, in jeder Richtung drei. Je ein Strang ist für die  Blitzbahnen bestimmt, die nur an den Haupthaltestellen (alle 40 km) halten. Die  nächsten beiden Schienenstränge dienen dem Schnellverkehr (alle 5 km eine  Haltestelle). Auf den äußersten Linien beider Straßenseiten fahren die Züge,  die an jeder Radialstraße zwischen den Häuserblocks, also alle 1000 Meter  halten. Jeder Häuserblock hat seinen eigenen unterirdischen Bahnhof. Die  Blitzzüge werden die Ringstadt in einer halben Stunde umfahren, die Schnellzüge  in einer Stunde. Die anderen Züge werden erheblich mehr Zeit brauchen. Bei  zweimaligem Umsteigen wird man also jeden Punkt der Stadt in höchstens 20  Minuten erreichen können.
  Zu ebener Erde liegen die beiden je 20 Meter breiten Fahrbahnen, die so viel  Tageslicht erhalten, dass sie erst bei Beginn der Dämmerung beleuchtet zu  werden brauchen. Darüber zwei je zehn Meter breite Fußgängerwege, die alle  hundert Meter durch Brücken verbunden sind. Ein Achtel der Ringstraße und die  ersten zehn Häuserblocks sollen bis zum ersten Mai fertig gestellt sein.
  Vorwärts - 30. April 1923
Zum ersten Mai
Die ganze sozialistische Welt wird morgen 24 Stunden lang ihren  Arbeitsrausch vergessen und den Sieg des sozialistischen Aufbaugedankens  feiern. Die Arbeit ist zum Sport, zum Fest geworden. Ein wahrer Taumel hat die  ganze Bevölkerung erfasst. Die Genossen in den Plankommissionen arbeiten  ununterbrochen, um die Flut von Erzeugnissen, die in unbezahlten Überstunden  produziert werden, richtig und zweckmäßig zu dirigieren. Jetzt können alle  Anforderungen fast restlos und in kürzester Frist erledigt werden. Jetzt macht  es keine Schwierigkeit mehr, die Hunderttausende der Freiwilligen, die an ihrem  Arbeitsplatz selbst keine Gelegenheit zu nutzbringender Überarbeit haben, an  geeignete Plätze zu stellen. Weit über 100000 Ehrentafeln und Ehrenurkunden  werden morgen ausgegeben. Überall sieht man sie jetzt schon, diese kleinen  unscheinbaren und doch so vielsagenden Ehrentafeln: „Diese Lokomotive wurde in  unbezahlter Überarbeit von den Arbeitern der Borsigwerke erbaut." „Dieser  Park wurde in 10 Feiertagsschichten von Professoren und Studenten  der___Universität und von der Sektion des... . Industrieverbandes  angelegt." „Dieses Bootshaus wurde in Feiertagsschichten erbaut  von___" „In dieser Landstraße stecken 10000 unbezahlte Stunden der Büroangestellten  von___" „Dieser Spielplatz wurde von Lehrern und Schülern der___schule
  angelegt." „An dieser Stelle war früher ein Schuttablade.
  platz. Die schöne Grünanlage wurde geschaffen von___"
  „Dieser Radfahrweg ist das Werk von___" „Dieses Klubhaus ist ein Geschenk  der ersten westfälischen Baubrigade an die erste westfälische  Dorfkommune." „Dieses 10000-t-Schiff ist den russischen Vorkämpfern der  proletarischen Revolution gewidmet. Es ist das Produkt der einjährigen  freiwilligen Sonderschichten aller Werktätigen der Werft."
  Die Arbeit ist eine Freude geworden. Denn jeder sieht jetzt die Erfolge unsres  Aufbaus. Gewaltiges wurde bei uns schon geschaffen, aber noch mehr — mit  unserer Hilfe — in Russland, auf dem Balkan, in Kleinasien, Indien, Indonesien,  Australien, in China und ganz besonders in der Mandschurei. Morgen wird ein  durch das Los ausgewählter chinesischer Bauer an der Spitze eines riesigen  Triumphzuges in die neue Hauptstadt der Sibirisch-Mongolisch-Mandschurischen  Föderation einziehen. Die dortigen Genossen behaupten, dass er gerade der  hundertmillionste Mensch sei, der in dieser Gegend angesiedelt wird. Ob sie  sich nicht verzählt haben? Glauben wir ihnen! Sie haben sich ihren Triumph  redlich verdient. Das China von heute lässt sich mit dem von 1918 überhaupt  nicht mehr vergleichen. Die kühnsten Pläne Sun Yat-sens sind verwirklicht  worden. Der gewaltige Aufbau, der im Osten vor sich geht, hat mit dem  Fünfjahresplan kaum mehr etwas zu tun. Die Entwicklung nimmt in diesem Jahre  ein Tempo an, das allen Vergleichen spottet. Es ist ausgeschlossen, den  gewaltigen Vorsprung der fernöstlichen Föderationen in der  Produktionssteigerung noch einzuholen. Wie ist dieser gewaltige Aufschwung zu  erklären? Haben die Fünfjahrespläne nicht gestimmt? Nein, die Pläne waren  anfänglich richtig; die gewaltige Steigerung der Produktivkraft, die nach  Ablauf der ersten zwei Abschnitte eintreten musste, ist allerdings zu niedrig  eingeschätzt worden. Aber nicht hierin liegt der entscheidende Fehler. Er wurde  gemacht, als die erste Umarbeitung der Fünfjahrespläne auf Grund der  Fünfzigmilliardenstundenanleihe pro Abschnitt vorgenommen wurde. Das Aufkommen  dieser Anleihe ist größtenteils in den unentwickelten Gebieten investiert  worden, neben den Riesensummen, die ohnehin im ursprünglichen Fünfjahresplan  vorgesehen waren. Der Löwenanteil dieser Anleihen wurde aber in den hoch  entwickelten Industriestaaten aufgebracht. In den unentwickelten Gebieten  beteiligten sich nur wenige Millionen an der Anleihezeichnung. Die Massen  wurden entweder überhaupt nicht erfasst, oder sie waren nicht in der Lage,  Anleihen in nennenswertem Umfange zu zeichnen, da ihr „Einkommen", wenn  man so sagen darf, entsprechend der geringen Durchschnittsproduktivität der  Wirtschaft sehr niedrig war. Je schneller aber die Industrialisierung dieser  Gebiete vor sich ging, je mehr Menschen in den Kreislauf der modernen  sozialistischen Wirtschaft einbezogen wurden, um so schneller stieg auch die  Gesamtproduktivität. Millionen Menschen, noch vor kurzem in primitivsten Wirtschaftsverhältnissen  lebend, sind jetzt mit den besten und modernsten Arbeitsmitteln ausgerüstet.  Sie produzieren unter Leitung hervorragender Fachmänner, die wir gestellt  haben, durchschnittlich schon ebensoviel oder gar mehr pro Kopf als wir; denn  unsere Betriebe sind teilweise veraltet. Die Löhne sind zwar nur etwa halb so  hoch wie bei uns, aber doch schon viel höher als noch vor wenigen Jahren, so  dass sich das Lebensniveau der dortigen Arbeiter, die ja äußerst bedürfnislos  sind, schon sehr gebessert hat. Milliarden und Abermilliarden konnten aber bei  den niedrigen Löhnen überplanmäßig akkumuliert und investiert werden. Der  schwerste Fehler der zweiten Fassung der Fünfjahrespläne liegt in Folgendem:  Die vier europäischen Föderationen wurden bei der Zeichnungskampagne fast  restlos erfasst und konnten den Arbeitern nicht noch größere Opfer zumuten. Sie  haben deshalb von der Möglichkeit föderativer Zusatzanleihen keinen Gebrauch  gemacht. Sie werden es auch in den letzten Abschnitten nicht können, denn die Abschnitte  werden immer kürzer, und die Zeichnungssumme ist für alle Abschnitte gleich.  Die Anleihesummen restlos aufzubringen, wäre bei der Verkürzung der  Planabschnitte überhaupt nicht möglich gewesen, wenn die Steigerung der  Produktionskraft und der föderativen Einnahmen nicht die Kommunisierung einer  weiteren Reihe von Produkten und die Erhöhung der Zuwendungen an die Klubs  möglich gemacht hätte. Nur wenn diese Maßnahmen noch verstärkt werden, sind wir  überhaupt in der Lage, die geplante weitere Verkürzung des vierten Abschnitts  vorzunehmen. Der vierte Abschnitt sollte eigentlich am 1. April beginnen und am  30. November beendet sein. Da er aber schon am 1 März begann, wäre er ohne  Verkürzung sowieso schon Ende Oktober beendet. Aber es ist nun schon Ehrensache,  dass auch dieser Abschnitt von acht auf sieben Monate verkürzt, also schon Ende  September beendet wird. Damit hatten wir gerechnet. Jetzt verlangt man aber gar  von uns, dass wir die Produktionsziffern des vierten Abschnitts schon Ende  August erreichen. Da die Produktions- und die Finanzierungspläne untrennbar  zusammenhängen, bedeutet das, dass auch die Anleihesumme für den vierten  Abschnitt in sechs Monaten aufgebracht werden soll. Schon das erscheint uns  unmöglich. Was soll aber erst im fünften Abschnitt werden? Zugegeben: die  Produktionsziffern für diesen Abschnitt sind in der ersten Fassung des  Fünfjahresplans zu niedrig eingesetzt worden. Das wird aber mehr als  ausgeglichen dadurch, dass der fünfte Abschnitt in der zweiten Fassung auf fünf  Monate zusammengedrängt worden ist.
  Jetzt soll aber dieser Abschnitt nochmals um einen Monat verkürzt werden, so  dass das ganze Fünfjahrsprogramm statt in fünf in drei Jahren verwirklicht  würde. Das ist produktionstechnisch wohl möglich, aber finanziell undurchführbar.  Die volle Anleihesumme lässt sich in dieser kurzen Zeit nicht aufbringen.  Unsere Genossen haben ungeheure Opfer für den sozialistischen Aufbau gebracht.  In allen Köpfen rast der Produktionsteufel. Unzählige Hirne sinnen darüber  nach, wie wir es fertig bringen, den Vorsprung der fernöstlichen Genossen  wenigstens insoweit einzuholen, dass wir den Fünfjahresplan noch in diesem  Jahre durchführen. Alle sind bereit, für dieses hohe Ziel ihr Letztes  herzugeben. Aber bei alledem muss die Finanzierungsfrage im fünften und  teilweise auch schon im vierten Abschnitt anders geregelt werden.
  Unser Verhältnis zu den Tochterföderationen, die wir großgezogen haben, hat  sich grundsätzlich gewandelt. Bald sind sie die Starken, und wir werden die  Schwachen sein. Wir haben bei dem fieberhaften Tempo unserer Arbeit nicht Zeit  gehabt, unseren ganzen Produktionsapparat zu erneuern. Unsere Werke, die  größtenteils noch vom Kapitalismus übernommen wurden und die nach  kapitalistischen Gesichtspunkten angelegt sind, lassen sich nicht vergleichen  mit den neuen Industrieanlagen in den früheren kolonialen und halbkolonialen  Ländern. Dort konnte man den Standort nach den Gesichtspunkten unserer  Wirtschaftsweise wählen und alles höchstmodern einrichten. Der Ausbau dieser  neuen Industriegebiete geht in rasendem Tempo vorwärts und lässt alle  Kontrollziffern der Fünfjahrespläne weit hinter sich. Abgesehen von der  gewaltigen Akkumulation infolge der niedrigeren Löhne stehen diesen  Föderationen Milliardensummen aus den neuen föderativen Zusatzanleihen zur  Verfügung. Von der internationalen Industrialisierungsanleihe wurden im ersten  Abschnitt des Fünfjahresplans in diesen Gebieten nur etwa 5—10% der  Gesamtbevölkerung erfasst, im zweiten Abschnitt dagegen von der föderativen  Zusatzanleihe schon etwa 25%. Im dritten Abschnitt waren es rund 50%, und jetzt  im vierten Abschnitt werden es wahrscheinlich schon 75% sein. Im letzten  Viertel dieses Jahres hofft man 90% aller erwachsenen Personen erfassen zu  können. Man stelle sich vor, was das bei einer Bevölkerung von nahezu einer  Milliarde Menschen bedeutet, die wir aus jahrtausendelangem Schlaf und ebenso  langer Knechtschaft herausgerissen und in den allermodernsten  Produktionsprozess eingereiht haben. Das Aufkommen aus der internationalen  Industrialisierungsanleihe verschwindet ja vollkommen gegenüber den föderativen  Anleihen in diesen riesigen Gebieten.
  Der Weltwirtschaftsrat befasst sich seit drei Tagen ausschließlich mit der  Frage, in welcher Weise der Fünfjahresplan den veränderten Verhältnissen anzupassen  ist.
  Extrablatt – Vorwärts- 30. April 1923
Die Beschlüsse des Weltwirtschaftrates
  Kommunisierung der Mieten! Keine Sozialbeiträge mehr!
Von morgen ab hören die Abgaben an andere Föderationen auf.
  Im vierten Vierteljahr erhalten wir 10 Milliarden Mark Zuschuss von  Russland-China-Indien.
  Gezeichnete Anleihebeträge sind in den beiden kommenden Abschnitten von jedem  Zeichner voll einzuzahlen. 10 Mark Mietsumme pro Person (also auch für jedes  Kind) sind frei. Das heißt praktisch: die Mieten werden kommunisiert, da ja  normale Wohnungen nicht mehr kosten. Die Sozialbeiträge kommen ab 1. Oktober in  Fortfall. Eine Reihe weiterer Verbesserungen, die planmäßig erst am Ende des  Fünfjahresplans in Kraft treten sollten, werden vorzeitig eingeführt.
  Vorwärts - 2. Mai 1923
Der Siegestag der Arbeit
In der ganzen S.U. wurden gestern rund 1000 neue Elektrizitätswerke  feierlich eingeweiht, 6000 Fabriken in Betrieb genommen, 130 neue Bahnstrecken  mit einer Länge von insgesamt 37000 Kilometern und
  520 neue Kraft-Verkehrslinien dem Verkehr übergeben,
  170 Talsperren, 300 Schleusen und 23000 km Kanäle eingeweiht.
  Tausende und Abertausende von Parks, Grünflächen, Spielplätzen, Radfahr- und  Wanderwegen, Klubhäusern, Erholungshäusern, Wochenend- und Ferienheimen,  Badeanstalten, Krankenhäusern, Mutter- und Kinderheimen wurden gestern ihrer  Bestimmung zugeführt. Der Flug-, Sport- und Wehrverband hat 10000 neue  Flugzeuge und ebensoviel Autos neu in Betrieb genommen und die Preise für die  Ausrüstungsgegenstände nochmals herabgesetzt. Hunderttausende von neuen  Wohnungen in Kleinhäusern oder Wohnpalästen wurden den „Mietern"  übergeben.
  Die Jungpioniere Berlins haben es sich nicht nehmen lassen, gestern die ganze  Münzstraße und einzelne Mietkasernenblocks im Wedding und Neukölln, die vollkommen  geräumt waren, in die Luft zu sprengen. Alle weiteren Abbrucharbeiten werden,  ebenfalls in unbezahlten Überstunden, von den Jungpionieren ausgeführt.
  Zehn große Wohnpaläste wurden gestern allein in Berlin eingeweiht. Welch  gewaltiger Unterschied! Die Arbeiter, die aus den allerschlimmsten Berliner  Wohnhöhlen in diese ersten zehn Blocks der Großen Berliner Ringstraße  verpflanzt werden, sehen jetzt, dass wir in den letzten Jahren uns nicht  umsonst geplagt, dass wir nicht umsonst geschuftet und gespart haben.
  Als Normalwohnraum steht jedem Erwachsenen und jedem mehr als zehn Jahre altem  Kind ein Zimmer mit eingebauten Schränken zur Verfügung. Die Miete für ein  Normalzimmer beträgt 10 Mark; fällt also nach der neuen Verordnung ab 1. Juli  fort. Die Miete für Küche, Bad, Abstellkammer, Abort usw. beträgt zusammen 5  Mark. Alle Küchen sind mit Warmwasserleitung und mit elektrischem  Wasserkochbehälter versehen. Man drückt auf einen Knopf, worauf Warmwasser  einläuft und bis zum Siedepunkt erhitzt wird. Die vollkommene elektrische  Kücheneinrichtung wird zum Preise von 60 Mark geliefert.
  Ein lediger Arbeiter, der eine Einzimmerwohnung bezieht, hat also zunächst 15  Mark und ab 1. Juli 5 Mark Miete zu zahlen; ein kinderloses Ehepaar für eine  Zweizimmerwohnung zunächst 25 Mark und ab 1. Juli 5 Mark. Ein Ehepaar mit einem  Kinde wohnt ab 1. Juli in einer Zweizimmerwohnung völlig mietefrei. Alle  Einrichtungen des Wohnpalastes stehen ihnen und ihrem Kinde unentgeltlich zur  Verfügung (mit Ausnahme der Klubeinrichtungen, die durch den Klubbeitrag  abgegolten werden).
  Der Innenraum jedes Quadratkilometerblocks ist von Parkanlagen, Spiel- und  Sportplätzen, Planschbecken und einem Freibade ausgefüllt.
  Auf den laufenden Transportbändern im zweiten Keller und im zweiten und dritten  Stock sind auch die Nachbarblocks und die Blocks der gegenüberliegenden  Straßenseite schnell und bequem zu erreichen. Wenn einmal der ganze Ring bebaut  sein wird, was allerdings wohl noch ein Jahrzehnt dauern dürfte, kann man also  in ungefähr sechs Stunden rund um die ganze Stadt rutschen, ohne auf die Straße  zu gehen oder ein Gefährt zu benutzen.
  Diese Ringstraße, die in ungefähr zehn Jahren fertig werden soll, wird ein  Wunderwerk der Technik sein. Wir müssen uns aber heute schon darüber klar sein,  dass sie nicht unser Ideal ist. Wir werden dieses Werk vollenden und als einen  großen Erfolg sozialistischen Willens und sozialistischer Arbeit feiern. In  Zukunft aber wollen wir andere Wege gehen. Die Städte müssen aufgelockert  werden. Die Industrie (mit Ausnahme der an bestimmte Standorte gebundenen  Schwerstindustrie) ist planmäßig zu dezentralisieren, so dass der Unterschied  von Stadt und Land immer mehr verschwindet. Das ist nur eine der vielen  Aufgaben, an die wir uns nach Durchführung des Fünfjahresplans machen werden.  Aber der schwerste Teil unseres Weges wird doch hinter uns liegen, wenn am Ende  dieses Jahres der letzte Hammerschlag verklingt und die Produktionsziffern und  Arbeitspläne des Fünfjahresplans erreicht, ja vielfach sogar übertroffen sind.
  Wie hat man in Amerika über uns gespottet, als wir die Fünfjahrespläne bekannt  gaben. „Utopien, Phantastereien, wahnsinnige Experimente" nannte man  unseren Versuch, alle schöpferischen Kräfte der S.U. wachzurufen und planmäßig  dem großen Ziel des Sozialismus dienstbar zu machen. Und wie höhnte man uns  erst, als die ersten Vorschläge zur beschleunigten Durchführung des  Fünfjahresplans gemacht wurden! Als dann aber die Arbeiter in der ganzen  sozialistischen Welt ein Viertel bis ein Drittel, ja manchmal sogar die Hälfte  ihres Einkommens als Anleihe zeichneten, als die Produktionsziffern nicht nur  innegehalten, sondern überschritten und die Fristen noch weiter verkürzt  wurden, als die Zahl der Anleihezeichner in Russland sich verzehnfachte und die  Anleihesumme fast auf das Zwanzigfache anschwoll, als die Produktivkräfte in  den zurückgebliebensten Ländern immer schneller wuchsen und auch hier Millionen  und aber Millionen Menschen von dem Anleihefeldzug erfasst wurden, da  verstummte Hohn und Spott, und man versuchte, unsere Erfolge totzuschweigen.  Das konnte gelingen, solange die Überlegenheit der sozialistischen Wirtschaft  sich erst in der Vermehrung der Produktionsmittel, aber noch nicht im Konsum  der Massen auswirkte. Dieser kritische Zeitpunkt ist aber jetzt überschritten.  Immer deutlicher wird jetzt auch der Einfältigste unsere gewaltigen Erfolge  erkennen.
  Mit Ablauf dieses Jahres, also schon nach drei Jahren (in Russland  dreieinviertel Jahren) soll der Fünf jahresplan der Union überall restlos  verwirklicht sein. Dann wird sich unser Erfolg in seiner ganzen Größe zeigen.  Dann erst werden wir erkennen, welch gewaltiges Werk Energie und  Opferfreudigkeit geschaffen haben.
  Acht Monate trennen uns noch von diesem Zeitpunkt. Acht Monate lang müssen wir  noch alle Kraft zusammennehmen und weitere Opfer bringen. Aber das Ziel ist  schon näher gerückt. Ungeduld nützt nichts. Die Zähne zusammengebissen. Fester  den Hammer gefasst! Der Endspurt beginnt! Seid ihr fertig? — Achtung! — Los!!!
  Vorwärts - 2. September 1923
Wir hinken nach!
Nach den vorläufigen Schätzungen ist das Programm des vierten Abschnitts in der N. E. F. nicht voll erfüllt worden. An der Augustproduktion fehlen 3%. Wir treten in die letzte Runde mit einer winzigen Verspätung ein. Aber wir werden aufholen. Überall, wo es möglich ist, werden die Schichten verlängert, die Ruhetage ausgelassen. Noch eine letzte gewaltige Kraftanstrengung, dann ist das selbstgesteckte Ziel erreicht. Gewaltiger und immer gewaltiger erbraust das hohe Lied der befreiten Arbeit. Tausend Millionen Menschen sind am Werk. Ein Wille beseelt sie, ein Pulsschlag durchströmt sie, ein Ziel steht vor aller Augen: die letzte Schlacht im Kriege gegen Elend, Hunger und Rückständigkeit zu gewinnen. Vor Ablauf dieses Jahres muss das gewaltige Werk beendet werden. Bald erdröhnen die letzten Hammerschläge. Bald ist das Fundament der sozialistischen Gesellschaft vollendet. Alle Maschinen: „Volldampf voraus!!!"
  Vorwärts - 26. Dezember 1923
Am Ziel!
  Sieg ! Sieg ! Sieg !
  Eine Woche Arbeitsruhe
  Ein Vierteljahr Urlaub
  Sechstagewoche: Vier Arbeitstage! Zwei Ruhetage!
Wir haben es geschafft. Der Sozialismus hat seine Feuerprobe bestanden. Die  erste große Saat ist durchgeführt. Die erste Ernte beginnt.
  Fünf Jahre nach dem Siege an der militärischen Front feiern wir unseren Sieg an  der Wirtschaftsfront. Jetzt können wir ausruhen und ein ruhigeres Tempo  einschlagen. Morgen beginnt die erste „Fünftagewoche der Weltrevolution."  Sie wird durch Arbeitsruhe gefeiert. Am 1.Januar tritt die neue Kalenderreform  in Kraft. Das Jahr hat jetzt 12 Monate zu je 30 Tagen oder 5 Wochen.
  Die letzten 5 bzw. 6 Tage des Jahres bilden die Woche der Weltrevolution, in  der nur die allernotwendigsten Arbeiten verrichtet werden dürfen.
  Die durchgehende Arbeitswoche wird beibehalten. Auf je vier Arbeitstage  entfallen aber jetzt zwei Ruhetage. Für je ein Drittel aller Werktätigen  beginnt die Arbeitswoche am 1., 3. oder 5. Tage der Kalenderwoche. Die Anträge  auf Wiedereinführung fester Sonntage wurden abgelehnt. Jeder Werktätige soll  Gelegenheit haben, seine beiden Ruhetage in einem Landerholungsheim zu  verbringen. Wir haben aber noch nicht genug Erholungsheime, um alle Werktätigen  an einem Tage unterbringen zu können, ganz abgesehen davon, dass es eine  sinnlose Verschwendung wäre, Tausende von neuen Erholungs- und Wochenendheimen  zu bauen, die nur an zwei Tagen belegt wären und an den anderen Tagen leer  stünden. Die Einführung fester Ruhetage würde aber auch den Nachteil haben,  dass wir unsere modernen Betriebe nicht voll ausnutzen könnten und durch diesen  Ausfall gezwungen wären, eine Anzahl von Betrieben aufrechtzuerhalten, die  nicht mehr auf der Höhe der Technik stehen und deshalb stillgelegt werden  sollen. Wegen der großen Umstellungen, die im nächsten Halbjahr erfolgen,  müssen eine ganze Reihe von Betrieben geschlossen werden. Jeder Werktätige  erhält ein Vierteljahr Urlaub (bisher nur einen Monat). Um den Urlaub angenehm  verbringen zu können, ist er berechtigt, von seinem Anleihekonto Beträge bis  zur Höhe von zwei Monatseinkommen abzuheben.
  Eine Barrückzahlung von Anleihegeldern über diesen Betrag hinaus ist vorläufig  nicht zulässig. Dagegen können Anleihepapiere bei Kauf von Fahrscheinen oder  von Fahrscheinheften, die in der ganzen S. U. gelten, in Zahlung gegeben  werden. Eine ganze Anzahl von Arbeitern wird große Reisen unternehmen. Der  Rundreisebetrieb wird ab 1. Februar auf den südlichen und ab 1. Mai auch auf  den nördlichen Reiserouten aufgenommen. Die Anmeldung muss unter Beifügung der  Anleihepapiere in Höhe der Fahrpreise bis spätestens 1. Februar erfolgen. Im  Jahre 1925 soll der Rundreiseverkehr noch weiter ausgebaut werden. Anmeldungen  für 1925 müssen bis zum 1. Oktober erfolgen.
  Am meisten Voranmeldungen liegen bisher für die Route III vor. Flussfahrt  donauabwärts bis Schwarzes Meer — Autofahrt durch den Kaukasus — Schiff-Fahrt:  Kaspisches Meer
  — Transpersienbahn — Schiff-Fahrt: Indien, ostafrikanische Küste, Suezkanal,  Mittelmeer — Heimfahrt über Italien— Marseille, oder Genua, oder Venedig, oder  Albanien. Auch für die Weltrundfahrt und für die Rundfahrt um die ganze S.U.  liegen schon sehr viel Anmeldungen vor. Wir empfehlen diese großen Fahrten  jedoch noch nicht. In einem Vierteljahr kann man den Reiz dieser Reisen nicht  richtig auskosten. Bei allen Annehmlichkeiten, die in unseren neuen  Kontinentalzügen und auf unseren Personendampfern geboten werden, sind diese  Routen noch mit zuviel Strapazen verbunden. Wenigstens alle jüngeren Männer und  Frauen sollten warten, bis die Union in der Lage ist, jedem Arbeiter nach  zehnjähriger Beschäftigung ein halbes oder gar ein ganzes Jahr Urlaub zu geben.
  Die Arbeiter, die mit ihrer Familie gar zu große Reisen unternehmen,  verbrauchen fast die ganze Anleihe, die sie gespart haben. Das ist sehr  unwirtschaftlich. Unsere Produktivität wird immer mehr steigen, je mehr wir mit  dem Ausbau der Produktionsmittelfabriken fertig werden und uns der Schaffung  von Konsumgütern zuwenden können. Die monatliche Arbeitszeit beträgt jetzt 120  Stunden und das Durchschnittseinkommen 120 Mark. Abgaben werden
  — mit Ausnahme des Klubbeitrages — nicht mehr erhoben. Die Menge der  kommunisierten Lebensmittel, die die Klubs und Werkgemeinschaften umsonst  verabreichen, steigt zusehends. Auch die Fischnahrung wird ab 1. Januar  kommunisiert. In allen Meeren und Gewässern der S. U. wird jetzt planvolle  Fischzucht getrieben. Das Zentralfischzuchtinstitut der S. U. hofft, durch neue  Zucht- und Auslesemethoden den Fischbestand bedeutend verbessern zu können. Für  Schuhwerk und dauerhafte, einfache Bekleidung genügt jetzt eine monatliche  Ausgabe von 15—20 Mark pro Person. Selbst wer sich diesen oder jenen Luxus  gestattet, kann also noch sparen. Und es ist kein Fehler, wenn er es tut, weder  für ihn noch für die Gesamtheit. Für ihn ist es von Vorteil, weil die Kaufkraft  unseres Geldes ständig steigt, und für die Gesamtheit, weil wir noch auf Jahre  hinaus mehr produzieren als konsumieren müssen. Je mehr heute noch gespart  wird, um so schneller wird der Zeitpunkt erreicht sein, wo das Sparen  überflüssig wird.
Partei und Diktatur
  In den europäischen Föderationen kann eigentlich von Diktatur keine Rede mehr  sein. Eine ganze Anzahl Räte sind bereits bis zu 40% von Parteilosen besetzt.  In der ganzen N. E. F. gibt es nur noch etwa eine Million Menschen ohne  Wahlrecht. Die Karenzzeit für ehemalige Angehörige der besitzenden Klassen, die  sich in den Produktionsprozess eingegliedert haben, soll ab 1. Mai von drei  Jahren auf ein Jahr verringert werden. Für Landwirte, die einem Kollektiv  angehören, ist die Karenzzeit bereits herabgesetzt worden. In einigen Jahren  werden also außer den Geistlichen nur noch einige Spezialisten, die auf ihre  hohen Gehälter nicht verzichten wollen, des Wahlrechts beraubt sein. Die  Rätedemokratie wird dann fast vollkommen sein. Auch in Russland nimmt die Zahl  der nicht Wahlberechtigten zusehends ab, ebenso in China, wo sie noch ungefähr  vier Millionen beträgt. Sehr hoch ist die Zahl der nicht Wahlberechtigten  dagegen in Tibet und einigen anderen innerasiatischen Gebieten, wo die  Propaganda gegen das Mönchsunwesen erst vor kurzem aufgenommen wurde. In Indien  sind noch ungefähr 30% der Bevölkerung vom Wahlrecht ausgeschlossen, da hier  nur Werktätige wahlberechtigt sind die sich verpflichtet haben, alle religiösen  Streitigkeiten einzustellen und den Kampf gegen die restlose Liquidierung des  Kastenunwesens aktiv zu unterstützen. Ab 1. Januar 1925 wird allen Männern  unter 5o und allen Frauen unter 40 Jahren, die bis dahin nicht Lesen und  Schreiben gelernt haben, sowie allen Personen, die nachweislich gegen die zehn  Gebote der Volksgesundheit verstießen, das Wahlrecht entzogen. Das ist jedoch  eine reine Erziehungsmaßnahme und hat mit der Frage Demokratie und Diktatur  nichts zu tun.
  In Tibet und Indien bestand bisher die Bestimmung, dass in den Bezirksräten  mindestens 60% Parteimitglieder sitzen müssen. Diese Bestimmung fällt ab 1.  Januar 1924 und gilt für die übergeordneten Räte nur noch bis zum 1. Januar  1925.
  Unter den Eingeborenen Asiens und Ozeaniens ist die Zahl der ausgebildeten  Parteimitglieder schon so groß, dass sie die Parteiaufgaben restlos erfüllen  können. Wir mussten in diesen Gebieten mit der Aufnahme von neuen  Parteimitgliedern doppelt vorsichtig sein und haben, um den Charakter der  Partei reinzuhalten, lieber auf eine zu schnelle Vergrößerung verzichtet und  viele Parteiaufgaben dem F.S.W. und den Gewerkschaften überlassen, aus deren  Reihen wir dann nach und nach eine Anzahl tüchtiger Parteigenossen gewinnen  konnten.
  In Australien und Südafrika bestehen leider immer noch an einigen Stellen  getrennte Räte für weiße und farbige Werktätige. Sie verschwinden aber langsam.  Zentralafrika ist leider immer noch sehr rückständig: nur bei etwa 20% der  Bevölkerung sind die Bedingungen für volle Rätedemokratie gegeben, obwohl das aktive  Rätewahlrecht hier nur den ehemaligen Häuptlingen und Medizinmännern  vorenthalten ist. Das passive Wahlrecht wird jedoch nur denjenigen zugestanden,  die einen halbjährigen Kursus an einer afrikanischen Schule oder einen längeren  Kursus an einer Exotenschule in Paris, Rom, Berlin, Brüssel oder London  durchgemacht haben. Der internationale Parteitag tritt am 22. Januar zusammen  und wird sich vor allem mit der zentralafrikanischen Frage beschäftigen.
  Vorwärts- 23. Januar 1924
Lenins Vermächtnis
Die Eröffnungssitzung des internationalen Parteitages wurde zu einer  Trauerkundgebung für unseren großen Führer. Aber es war eine Trauerkundgebung  besonderer Art. Eine Kundgebung ganz im Sinne Lenins. Nach Eröffnung der  Sitzung wurde folgende Entschließung der deutschen Delegierten vorgelesen und  einstimmig angenommen: „Es ist unmöglich, das Verdienst Lenins in Worten zu  würdigen. Sein Werk lebt. Der erste Abschnitt der proletarischen Revolution und  des sozialistischen Aufbaus liegt hinter uns. Lenin konnte unseren ersten  großen Sieg an der Wirtschaftsfront miterleben und hatte gerade noch die Kraft,  uns zuzurufen: ,Erlahmt nicht! Werdet nicht müde und bequem! Setzt den  Wirtschaftskampf mit dem Kapitalismus rücksichtslos fort! Nehmt alle Energie  zusammen! Haltet durch bis zum Endsieg!'
  Ein Mann wie Lenin kann nur durch Taten gefeiert werden. Unsere Tat sei:  Debattelose Annahme der Vorschläge Wladimir Iljitschs für den wirtschaftlichen  Endkampf. Sofortige Inangriffnahme der Arbeit."
  Nach Annahme dieser Entschließung wurden die Kommissionen zur Bearbeitung der  neuen Pläne gewählt. Die Plankommissionen beginnen ihre Arbeit. Sie sind die  einzigen, die auch während der vierundzwanzigstündigen Arbeitsruhe nicht  feiern.
Der Pulsschlag der Welt stockt
  Vierundzwanzig Stunden lang wird kein Zug fahren, kein Telefon läuten, kein  Hammerschlag erdröhnen. Dann werden die sterblichen Reste unseres unsterblichen  Führers aus Bad Kissingen nach Berlin überführt. Von dort wird das Auto mit dem  großen Toten auf der „Ost-West-Chaussee" langsam nach Moskau rollen.
  Wie sehr hat Wladimir Iljitsch gerade auf Fertigstellung dieses Werkes  gedrängt! Die zwölf Meter breite Chaussee Moskau—Berlin ist der erste Teil des  weltumspannenden Ringes, der im nächsten Jahre fertig gestellt sein soll. Eine  Lücke klafft noch in diesem Ring, Amerika. Lenin konnte den Augenblick nicht  mehr erleben, in dem sich der Ring schließen wird. Aber er hat uns noch  sterbend den Weg dazu gewiesen: „Verstärkt das Tempo des sozialistischen  Aufbaus!" Wir werden seinen letzten Willen erfüllen. Von Osten nach Westen  ging der Weg der Revolution. Von Westen nach Osten kehrt unser Lenin nun nach  Moskau zurück. Millionen und aber Millionen werden aufmarschieren, um ihm die  letzte Ehre zu erweisen. Doch während er langsam dem Roten Platz zustrebt,  tagen in Berlin schon die Plankommissionen.
  Lenin ist tot!
  Der Sozialismus marschiert!
Vorwärts - 15. März 1924
Die Pläne für den Wirtschaftskrieg
Genau zehn Jahre nach dem Beginn des imperialistischen Weltkrieges wird der  sozialistische Wirtschaftskrieg beginnen, und am zehnten Jahrestage der  deutschen Revolution soll er beendet sein. Ebenso lange wie damals das sinnlose  Zerstören dauerte, soll jetzt, zehn Jahre später, der gesteigerte Kampf für den  sozialistischen Aufbau dauern. Am 4. August 1914 begann der Todeskampf des  Kapitalismus. Zehn Jahre später beginnt der Kampf um den sozialistischen  Endsieg. Wir werden weitere Opfer bringen in diesem neuen schöpferischen Krieg.  Keine weitere Lohnerhöhung, keine weitere Arbeitszeitverkürzung soll in dieser  Zeit eintreten. Der geplante Übergang zur dreitägigen Arbeitswoche wird noch  nicht stattfinden. Die Rückzahlung von Anleihe wird beschränkt. Nur Anleihen,  die vor mindestens drei Jahren gezeichnet worden sind, werden zurückgezahlt,  und zwar nur bis zum Höchstbetrage von 120 Stundenmark (Normalmonatslolm). Die  für dieses Jahr getroffene Urlaubsregelung bleibt in Kraft. Vom 1. Januar ab  beträgt jedoch der Höchsturlaub nur noch 2 Monate (1 Monat ordentlicher Urlaub,  1 Monat Anleiherückzahlungsurlaub). Bis zum Ende des Wirtschaftskrieges wird  die Vollkommunisierung auf folgenden Gebieten restlos durchgeführt:
  1. Fleisch bis zur ärztlich empfohlenen Höchstgrenze.
  2. Sonstige Lebensmittel und giftfreie Genussmittel sowie alle alkoholfreien  Getränke, die in Klubs, Werkspeisehäusern, Erholungs-, Wochenend- und sonstigen  Heimen verzehrt werden.
  3. Mieten.
  4. Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel von der "Wohnung bis zur  Arbeitsstätte, bis zum Klub und bis zu den Wochenend- und Tageserholungsheimen.
  5. Krankenhilfe und Krankenpflege.
  6. Gesundheitspflege und hygienischer Bedarf.
  Vom 1.Januar 1927 ab soll der jährliche Mindestbedarf an Kleidung und Schuhwerk  unentgeltlich geliefert werden. Von diesem Tage ab wird die Produktivität  unserer Wirtschaft ungefähr dreimal so hoch sein wie die ausgezahlten  Einzellöhne, so dass wir uns allmählich das Rechnen mit Geldbeträgen abgewöhnen  können. Nach Abzug der Milliardensummen für die Beschaffung der kommunisierten  Gegenstände usw. bleiben also noch gewaltige Summen für die sozialistische  Akkumulation übrig. Insgesamt sollen während des Wirtschaftskrieges für 1250  Milliarden Mark Investitionen erfolgen, die zu 60% aus der natürlichen  Akkumulation und zu 40% aus Anleiheaufkommen stammen.
  Man rechnet damit, dass diese 500 Milliarden Mark Anleihe aufzubringen sind,  wenn jeder Werktätige durchschnittlich ein Sechstel seines Geldlohns zeichnet.  Die beschränkte Rückzahlung alter Anleihen erfolgt aus laufenden Etatsmitteln.
  Die Welt wird neu gegliedert. Für die gewaltigen neuen Aufbaupläne sind die  alten Föderationen zu eng geworden. Vier neue große Wirtschaftsgebiete werden  gebildet.
  1. Eurasien (Osteuropa, Russland, Persien, westl. Vorderindien).
  2. Eurafrika.
  3. Ostasien (Sibirien, China, östl. Indien). 
  4. Australozeanien.
  Mit Ausnahme des letzten Wirtschaftsgebietes sollen die neuen großen  Wirtschaftsprovinzen, die alle Zonen umfassen, zu 90% autark werden und bis zum  Abschluss des "Wirtschaftskrieges ihren Aufbau so weit vollenden, dass die  Grundlagen der statischen Wirtschaft geschaffen sind. Alle veralteten Werke  sollen bis dahin restlos durch neue ersetzt werden. Die neuen Werke sollen  allen Anforderungen der sozialistischen Dauerwirtschaft entsprechen. Sie werden  erbaut, wo die besten Voraussetzungen für die Ausnutzung der natürlichen  Kraftquellen vorhanden sind. Was bedeutet das für uns Europäer? Das bedeutet,  dass in Europa fast überhaupt keine neuen Industrieanlagen mehr entstehen. Nach  und nach wird ein großer Teil unserer Industrie nach Afrika verpflanzt. Über  200 Milliarden Mark werden in Zentralafrika investiert. Zentralafrika besitzt  43% aller Wasserkräfte der ganzen Welt (das Kongogebiet allein fast 30%). Diese  Naturkraft wollen wir restlos ausnützen. An der westafrikanischen Küste entstellt  das Hauptindustriegebiet der neuen Welt. Die neuen Fabriken werden den heutigen  sehr wenig ähneln. In hellen, sauberen, luftigen Sälen werden wenige Arbeiter  und Ingenieure den Gang der fast restlos automatisierten und mechanisierten  Produktion überwachen. Die Stundenleistung von 100000 Arbeitern wird gleich  derjenigen von 3 Millionen vor dem Kriege sein. Alle Produktionsvorgänge, in  denen die Warme eine wesentliche Rolle spielt, sollen sich im Tropengebiet  abwickeln, soweit Transportüberlegungen nicht dagegen sprechen. Auch die  Getreideproduktion wird mehr und mehr nach tropischen und subtropischen  Gebieten verlegt. Der Charakter der Landwirtschaft wandelt sich in den nächsten  Jahren grundlegend. Die vollständige Industrialisierung ist nur der Anfang. Der  Gehalt des Bodens an Nährstoffen und Bakterien wird ständig untersucht und  verbessert. Der Etat für bakteriologische und chemische Institute und Fabriken  soll in den nächsten beiden Jahren um 100 Millionen Mark erhöht werden. Durch  die bakteriologische und chemische Bodenbearbeitung wird die jetzige Qualität  des Bodens zu einer fast nebensächlichen Angelegenheit. Eine viel wichtigere  Rolle als die ursprüngliche Bodenqualität haben in Zukunft die beiden Faktoren:  Sonne und Wasser. Die Getreidegroßproduktion ist in Zukunft unter Anwendung der  modernsten Methoden im Tropengebiet auch bei schlechterer Anfangsqualität des  Bodens immer noch rationeller als auf gutem Boden in der gemäßigten Zone. Wir  brauchen aber gar nicht auf den schlechten Boden im Tropengebiet  zurückzugreifen. Wir müssen einen gewissen Waldbestand im Tropengebiet  erhalten. Dieser Wald soll auf schlechtem Boden, der in den nächsten Jahren  aufgeforstet wird, entstehen. Auf den guten Böden wird dagegen der Urwald  ausgerodet und macht hochmodernen Getreidefabriken Platz. Fast unsere ganze  Getreidefabrikation und ein Teil unserer industriellen Produktion wird künftig  im tropischen Afrika erfolgen. Nur wenige Millionen Menschen sind dann noch  nötig, um die ganze Menschheit mit den Gegenständen des notwendigsten Bedarfs  zu versorgen. Die Wohngebiete sollen dagegen auch in Zukunft größtenteils in  der gemäßigten Zone liegen. Das Mittelmeergebiet wird zweifellos stärker  besiedelt werden. In Italien sollen während des Wirtschaftskrieges neue Wohnstätten  für 20 Millionen Menschen entstehen. Millionen werden nach Schluss des  Wirtschaftskrieges der Lockung des Südens folgen und sich an den Ufern des  Mittelmeers ansiedeln. Vorläufig aber sind wir noch an unsere Scholle  gefesselt. Während der Dauer des Wirtschaftskrieges müssen wir unsere  Produktionseinrichtungen restlos ausnützen, alle Kraft zusammennehmen und  weitere Opfer bringen, damit wir unsere Pläne durchführen können. Die großen  Mittelmeerpläne (Soermusplan) werden zunächst noch zurückgestellt. Die  künstliche Abschließung des Mittelmeers durch Staudämme bei Konstantinopel,  Gibraltar und am Suezkanal ist eine Aufgabe, die wir leicht durchführen können.  Anders steht es dagegen um die vollständige Verlegung aller Häfen im  Mittelmeergebiet, die durch die natürliche Verdunstung des Mittelmeeres und die  Senkung des Wasserspiegels notwendig würde. Hierzu wären große  Kapitalinvestitionen notwendig, die wir uns sparen können. Die späteren  Generationen wollen auch noch etwas zu tun haben. Die Forschungsarbeiten für  diesen gewaltigen Plan werden jedoch fortgesetzt. Die Pläne für die  Erschließung und teilweise Bewässerung der Sahara wurden auch noch  zurückgestellt. Vorläufig sind nur zwei Vegetationsgürtel mit Eisenbahnen und  Straßen durch die Sahara vorgesehen. Spätere Generationen können diese Wüste in  ein fruchtbares Gebiet verwandeln, wenn sie wollen. Eine Notwendigkeit dafür  besteht nicht. Wahrscheinlich würde die vollständige Aufforstung der Sahara und  die Verwandlung ihrer 3o m unter dem Meeresspiegel liegenden Teile in ein  Verdunstungsgebiet sogar schädliche Folgen für das Klima Europas haben.
  Vielleicht werden die jüngeren von uns noch die Verwirklichung dieser Pläne  erleben. Wir haben vorläufig Wichtigeres zu tun und mussten deshalb in den  Plänen des Wirtschaftskrieges diese Dinge unberücksichtigt lassen.
  Was wird aus Nordeuropa?
  Nordeuropa bleibt der Hauptwohnsitz von vielen Millionen. Der Anbau von  Kartoffeln, Rüben und anderen Pflanzen mit verhältnismäßig hohem Gewicht wird  auch weiterhin hier erfolgen, ebenso der Gemüse- und Obstanbau und die  Viehzucht. Zum Getreideanbau sollen nur noch die besten Bodenarten benutzt  werden. Die Wald- und Parklandschaft wird vorherrschen. Ganz Mesopotamien wird  bis zur Beendigung des
  Wirtschaftskrieges bewässert und in ein fruchtbares Gartenland verwandelt.
  Der Himalaja wird das zweite Hauptkraftzentrum der Welt. Gewaltig sind schon  die Energiemengen, die künftig am Südabhang des Himalaja gewonnen werden  sollen. Aber diese riesigen Elektrizitätswerke sind ein Nichts im Verhältnis zu  denen, die im Gebirge selbst am Oberlauf des Indus und Brahmaputra entstehen  sollen. Der ursprüngliche Plan sah von 5ooo m Höhe abwärts Staustufen in  regelmäßigen Abständen mit einer durchschnittlichen Fallhöhe von 100 m vor.  Dadurch würde eine fast restlose Ausnutzung der Energie möglich. Die beiden  Flusstäler würden auf einer Strecke von rund tausend Kilometern in riesige  Stauseen verwandelt, in denen Straßen, Dörfer und Klöster verschwänden. Der  neue Plan der indischen Genossen geht aber noch viel weiter. Seine Autoren  behaupten, dass er wirtschaftlicher und trotz der Milliardenkosten billiger sei  als der ursprüngliche Plan. Die Energie des obersten Indus wollen sie in fünf  gewaltigen Staustufen ausnützen. Oberhalb Skardo, in einer Höhe von 2700 m soll  dann ein 2400 m tiefer senkrechter Schacht in das Gebirge gebohrt werden. Von  der Ebene aus, oberhalb von Sialkot soll gleichzeitig ein wagerechter Tunnel  durch das Gebirge vorgetrieben werden und am Schnittpunkt von Schacht und  Tunnel soll tief im Innern des Gebirges das gigantische Elektrizitätswerk  entstehen, das die Wasserkraft des oberen Indus in einem Fall von 2300 m  ausnutzt Das unterhalb der Durchbruchsstelle zufließende Wasser soll dann in  kleineren Staustufen ausgenützt werden. Für den Brahmaputra liegt ein  Parallelprojekt vor (Schachtausgangsstelle westlich des Yamdroktso,  Tunnelausgang östlich Darjiling), eine Entscheidung über dieses Projekt wurde  noch nicht getroffen. Nach den bisherigen Berechnungen scheint jedoch die  Durchführung dieser Mammutpläne tatsächlich um einige hundert Millionen  billiger zu sein als das Projekt der vielen Staustufen. Im Fall der Annahme  soll die erste Sprengung am 4. August erfolgen.
  Den Kernpunkt des russisch-asiatischen Ausbaus bilden die beiden großen Kanalprojekte.  Zunächst wird die direkte Verbindung des Schwarzen Meers mit dem Kaspischen  Meer hergestellt, damit der große Umweg über den Wolga-Donkanal fortfällt. Die  ziemlich hohen Baukosten werden zu einem Teil durch Ausnutzung des  Wassergefälles amortisiert. (Der Spiegel des Kaspischen Sees liegt 26 m unter  dem des Schwarzen Meers.) Der Kanal spielt aber auch eine große Rolle in der  planmäßigen Bewässerung des nordkaukasischen Gebietes mittels  Verdunstungsanlagen. Dasselbe gilt von dem Verbindungskanal Kaspisches  Meer—Aralsee. Der Aralsee liegt 74 m über dem Spiegel des Kaspischen Meeres, so  dass auch hier eine Ausnutzung der Wasserkraft erfolgen kann. Der Kirgisenkanal  verbindet den Aralsee mit dem Ischin, dem Ob und dem mittelasiatischen  Kanalsystem. Im Laufe des Wirtschaftskrieges soll noch der obere Irtysch mit  dem Ob und mit dem Jenissei an der Mündung der oberen Tun-guska verbunden  werden. Für später ist eine Verbindung der oberen, steinigen und der unteren  Tunguska mit der Lena und eine Verbindung des Lenanebenflusses Maja mit dem  Ochotskischen Meer geplant.
  In zehn Jahren kann man vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean auf Flüssen und  Kanälen fahren, ohne das offene Meer zu berühren. Ein Teil dieser  „Schiff-Fahrt" wird allerdings unseren gewohnten Vorstellungen nicht  entsprechen. Einige Gebirgszüge werden nicht durch Kanäle, sondern durch  Förderbänder überwunden, auf denen kleinere, besonders festgebaute Schiffe  eingeklemmt und bis zum nächsten Wasserarm transportiert werden. Diese  Förderanlagen sind bedeutend billiger als die Kanalbauten, verbrauchen aber  größere Energiemengen. Durch rationelle Ausnutzung der Schwerkraft auf dem  Talwege werden immerhin über 50% der beim Bergtransport angewandten Energie  wiedergewonnen.
  Die Ausführung dieser gewaltigen sibirischen Kanalprojekte erfordert so große  Summen, dass die Wirtschaftlichkeit auf den ersten Augenblick zweifelhaft  erscheint; sie ist jedoch eine Voraussetzung für die restlose Erschließung  Sibiriens. Im Gegensatz zum europäischen Russland ist Sibirien sehr reich an  Bodenschätzen, sie liegen aber teilweise sehr weit voneinander entfernt und  müssen durch billige Verkehrswege miteinander verbunden werden. Die großen  sibirischen Ströme sind die Einfallspforten nach Norden. Die Summen, die für  Flusskanalisierung und Vergrößerung des Schiffsparks ausgegeben worden sind und  weiter ausgegeben werden, sind aber auch nach sozialistischen Gesichtspunkten  wenig rentabel angelegt, da ein Teil dieser Ströme fast während der Hälfte des  Jahres nicht schiffbar ist. Durch die neuen Kanalbauten wird also nicht nur der  Anschluss dieser Ströme an das Weltwasserstraßennetz erreicht; wir haben  dadurch auch die Möglichkeit, den Schiffspark während des ganzen Jahres voll  auszunutzen und die Schiffe den Schäden der harten Wintermonate zu entziehen.  Auf den sibirischen Flüssen werden zehn Schiffs-Fabriken zur Herstellung von  Papier und Zellulose eingesetzt, die in den Sommermonaten nach Norden vorstoßen  und sich im Winter südwärts zurückziehen, so dass die Produktion während des ganzen  Jahres im Gang bleiben kann. Die Transportschiffe verkehren in den  Sommermonaten zwischen Nordsibirien und den waldarmen Gebieten Zentralasiens  und tauschen Holz- und Holzprodukte gegen Nahrungsmittel und  Industrieerzeugnisse aus. Im Winter stoßen sie in das waldarme Mittelmeergebiet  vor und kehren mit Südfrüchten beladen im Frühjahr zurück. 3oo Straßenbau- und  Ausholzungskolonnen stoßen quer durch die Taiga in jedem Frühjahr nordwärts  vor. In vier Jahren wird ganz Sibirien mit Ausnahme der großen
  Naturschutzgebiete nach den modernsten Grundsätzen forstwirtschaftlich genutzt  werden. Nordsibirien wird auch in Zukunft das Land ohne Eisenbahnen bleiben. Im  Sommer beherrschen Automobile und Traktoren, im Winter die  Propellermotorschlitten das Feld. In diesem Winter nehmen 30  Propellertraktoren-Schleppzüge ihre Tätigkeit auf. In vier Jahren sollen es  5000 sein. Am Jahrestage der Oktoberrevolution wird die erste elektrische  Schlittenlinie in Betrieb genommen. Die motorlosen Personen- und Lastschlitten  werden auf dieser Linie von kleinen Elektrolaufkatzen gezogen, die sich an der  Montageleitung entlang bewegen. Alle Gerüstmontagen sind transportabel und  können in jedem Sommer verlegt werden. Die neue 500 km lange  Elektroschlittenlinie deckt den ganzen Holzbedarf der größten Papierfabrik der  Welt bei Naryn am Ob. Jedes Jahr wird sie um 1 km seitwärts verlegt. Der Urwald  rechts und links der Linie wird durch Abholzkommandos, die mit den neuesten  Baumfällmaschinen ausgerüstet sind, rasiert. Traktoren und Raupenschlepper  bringen das Holz bis an die Elektrolinie heran, auf der es dann im Winter bis  in die Fabrik geschleppt wird. Im nächsten Sommer beginnt die Wiederbepflanzung  des rasierten Gürtels. Sun Yat-sen, der rastlose Revolutionär, ist mit seinem  gewaltigen Aufbauwerk immer noch nicht zufrieden. Seine früheren Riesenpläne,  die von seinen Gegnern als eine Ausgeburt des Wahnsinns hingestellt wurden,  sind längst überholt. Er plant jetzt nicht weniger als die völlige Kultivierung  und Erschließung ganz Zentralasiens, der Wüsten sowohl als auch der Hochebenen.  Trotz der allgemeinen Hochachtung, der sich der große chinesische Revolutionär  erfreut, ist sein Antrag im Zentralwirtschaftsrat der S.U. mit 243 gegen 127  Stimmen abgelehnt worden. Die Durchführung seiner Pläne würde weit über 100  Milliarden Mark kosten und in den nächsten Jahrzehnten keinen greifbaren Nutzen  bringen. Diese gewaltige Aufgabe können wir ruhig späteren Generationen  überlassen, denn die Nahrungsmittel- und Rohstoffbasis der sozialistischen Welt  ist mehr als hinreichend. Die Durchführung dieser Pläne widerspricht auch dem  Sinn des Wirtschaftskrieges. Im Wirtschaftskriege soll doch die sozialistische  Wirtschaft unter Anspannung aller Kräfte so weit ausgebaut werden, dass Amerika  hoffnungslos hinter uns zurückbleibt. Die Riesensummen, die wir in die Wüsten  und Hochebenen stecken müssten, wären als Fehlinvestitionen zu betrachten, denn  sie steigern unsere Wirtschaftskraft in absehbarer Zeit nicht. Der  Zentralwirtschaftsrat musste also diesen Plan ablehnen. Zum Zeichen unserer  unveränderten Hochachtung vor dem großen Revolutionär ist jedoch beschlossen  worden, den Etatsbetrag für die gründliche Erforschung und erste Erschließung  der Wüstengebiete und Hochebenen von 2 auf 3 1/2 Milliarden Stundenmark zu erhöhen.  Außerdem soll die Hälfte der Raukosten für die Eisenbahnlinie und Autostraße  Samarkand—Kanton aus dem Etat des Wirtschaftskrieges bestritten werden. Sun hat  schließlich die Berechtigung unseres Standpunktes eingesehen. Er will trotzdem  nicht locker lassen und ganz China für seinen neuen Plan mobilisieren. Die  Voraussetzungen dafür sollen in China selbst geschaffen werden. Innerhalb des  allgemeinen Wirtschaftskrieges proklamiert er einen besonderen chinesischen  Wirtschaftskrieg mit der Parole: China überholt Europa. Ob es ihm gelingt? Alle  chinesischen Werktätigen müssen ebenso wie wir ein Sechstel ihres Lohnes als  Anleihe zeichnen. Bei der Bedürfnislosigkeit der Chinesen und infolge der fast  abgöttischen Verehrung, die Sun in China genießt, ist es immerhin möglich, dass  er seine Pläne durchführt. Die durchschnittliche Produktivität der chinesischen  Wirtschaft pro angewandte Arbeitskraft ist jetzt fast fünfmal so hoch wie vor  dem Kriege. In den Produktionsziffern ist übrigens die Landwirtschaft mit enthalten,  in der nur eine Produktivitätssteigerung von etwa 88% erreicht worden ist. Die  Industrialisierung Chinas wird auch weiterhin in rasendem Tempo fortgesetzt.  Der Anteil der industriellen an der Gesamtproduktion steigt nach wie vor. Das  Lebenshaltungsniveau der chinesischen Bevölkerung ist jedoch nur um 100 bis 200  % gestiegen, da alle Proletarier und werktätigen Bauern während des ganzen  Fünfjahresplans sehr hohe Anleihesummen zeichnen mussten. Es wird also auch in  Zukunft möglich sein, sehr große Mehrbeträge an Anleihen in China aufzubringen;  damit rechnet Sun Yat-sen. Auf Malaga, Sumatra, Borneo, Java, Celebes,  Neu-Guinea und auf den Philippinen wird am 4. August die dreitägige  Arbeitswoche (drei Tage Arbeit, drei Tage Ruhe) eingeführt. In allen tropischen  Gegenden darf diese Verordnung in der industriellen Produktion auf keinen Fall  überschritten werden. In der Landwirtschaft und auf den Plantagen sind in der  Saison Ausnahmen zulässig, doch darf die Gesamtzahl der Arbeitstage 180 im Jahr  nicht überschreiten. Das Südseeparadies wird also Wirklichkeit. Die Hölle, zu  der die kapitalistischen Sklavenhalter diese Gebiete einst gemacht haben, ist  verschwunden. Auch Indien, früher das Land des allergrößten Elends und der  schlimmsten Raubwirtschaft und Ausbeutung, wird jetzt bald das Märchenland  sein, das es früher nur in der Phantasie der belogenen Europäer war.
  Wir bauen neu die alte Welt. In harter, planmäßiger, zielbewusster Arbeit  schaffen wir das Paradies auf Erden. Hammer und Sichel sind unser Zeichen, Turbine  und Traktor unsere Waffen im Wirtschaftskrieg gegen den Kapitalismus. Der  Sozialismus marschiert!
  Vorwärts - 15. April 1924
Amerika schließt sich ab 
  Unsre Antwort: Kündigung der Anleihen!
Die nordamerikanische Union erhöht nochmals die Zollsätze. Obwohl die kapitalistische Hochkonjunktur immer noch anhält, machen sich schon die ersten Anzeichen der Absatz- und Anleihekrise bemerkbar. Milliardensummen sind in Mittel- und Südamerika, in Kanada und vor allem in den Südstaaten der Union investiert worden, wo mit großer Geschwindigkeit ein neues Industrierevier aus dem Boden wächst. Gewaltige Produktionsanlagen sollen Amerika völlig von unserer Einfuhr unabhängig machen. Der Kapitalismus kann aber nur dann neue Investitionen vornehmen, wenn nach kapitalistischen Gesichtspunkten eine Rentabilität gewährleistet ist, mit anderen Worten also, wenn genügend Mehrwert aus den beschäftigten Proletariern herausgeholt werden kann, und wenn eine Realisierungsmöglichkeit durch Absatzsicherung besteht. Diese Absatzsicherung soll durch die neuen Zollschranken erreicht werden. Das ist natürlich vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft aus sehr kurzsichtig. Wir werden nach wie vor nur so viel Waren aus Amerika beziehen, wie wir dort absetzen. Während also der Absatz für die neuen Produktionsanlagen gesichert wird, geht gleichzeitig der Absatz derjenigen Unternehmer zurück, die bisher die für die S. U. bestimmten Waren geliefert haben. Ein Ausgleich soll allerdings durch die neuen Riesenanlagen erfolgen, die der amerikanische Kapitalismus in Süd- und Mittelamerika errichten will. Eine Zeitlang wird er hierdurch die drohende ökonomische Krise hinausschieben können. Der Zusammenbruch wird dann aber um so furchtbarer sein. Beschleunigen wird den Eintritt der Krise die Kündigung unserer Anleihen. Je ein Viertel der gesamten Anleihesumme wird zum 1. Januar 1925, zum 1. Juli 1925, zum 1. Januar 1926 und zum 1. Januar 1927 gekündigt. Wie wird Amerika das aushalten? In welcher Form wird es die Anleihesummen zurückfordern? Wie sollen die gewaltigen Warenmassen zurückgenommen werden, ohne eine Massenarbeitslosigkeit in Amerika hervorzurufen? Die kapitalistische Regierung muss sich jetzt schon mit hohen Zollschranken gegen unsere Einfuhr wehren. Vergeblich! Wir haben bis jetzt die amerikanischen Preise nicht wesentlich unterboten und dadurch Milliardensummen für unseren Aufbau gewonnen. Wenn wir jedoch die Verkaufspreise unserer Erzeugnisse für den amerikanischen Markt auf die Gestehungs- plus Transportkosten herabsetzen, so können wir die inländische Konkurrenz auf dem amerikanischen Markt auch bei Zollsätzen von 50% auf fast allen Gebieten schlagen. Ob wir so vorgehen, ist noch die Frage. Wir brauchen Amerika nicht mehr. Der sozialistische Aufbau geht unaufhaltsam vorwärts. Bald hat die Sterbestunde des Kapitalismus auch auf dem amerikanischen Kontinent geschlagen.
  Vorwärts - 3. August 1924
Die „Kriegserklärung"
Auch vor zehn Jahren zogen begeisterte Menschen durch die Straßen. Damals  herrschte ein fast ebenso großer Jubel wie heute. Aber welch ein gewaltiger  Unterschied besteht zwischen 1914 und 1924! Damals schickte die Menschheit sich  an, sich selbst zu zerfleischen. Millionen Menschen wurden dem  Produktionsprozess entzogen und von den kapitalistischen Herrschern auf die  Schlachtbank geführt. Trotzdem wurde die Produktion noch ausgedehnt.
  Aber fast die Hälfte aller Menschen produzierte mittelbar oder unmittelbar für  die Zerstörung. Milliardenwerte wurden vernichtet, Milliardenwerte zum Zweck  der Zerstörung produziert, 25 Millionen Menschen wurden getötet oder verwundet.
  Heute marschieren wir abermals in den Krieg. Aber es ist ein anderer Krieg, den  wir beginnen. Der Krieg des Aufbaus, der heilige Krieg des Sozialismus! Eine  Milliarde Menschen marschieren heute unter den roten Bannern auf, um ihre  Kampfentschlossenheit zu zeigen. Von den Lippen einer Milliarde erklingt heute  der Schwur:
  „Ich gelobe, meine ganze Kraft in den Dienst des sozialistischen Aufbaus zu  stellen. All mein Sinnen und Trachten sei während des Wirtschaftskrieges dem  großen Ziele geweiht. Alle persönlichen Wünsche will ich in dieser Zeit  zurückstellen. An meinem Arbeitsplatz will ich dafür sorgen, dass die  Produktion gesteigert und verbilligt wird. In meiner Freizeit will ich  freiwillig Aufgaben übernehmen, die zum Wohl der Allgemeinheit notwendig sind.  Ich will dafür sorgen, dass während des Wirtschaftskrieges alle hauptamtlichen  Kräfte aus dem Verwaltungs- und Verteilungsapparat entfernt und durch  ehrenamtliche Kräfte ersetzt werden. In allen Gemeinschaften will ich dafür sorgen,  dass keine kommunisierten Lebens- und Genussmittel vergeudet oder verdorben  werden, dass alle geeigneten Abfälle der tierischen Ernährung zugeführt und  alle sonstigen Abfälle sachgemäß verwendet werden. Ich will mit all meinen  Kräften den Kampf gegen Schmutz und Unsauberkeit, gegen Schlendrian und  Bürokratismus, gegen Rückständigkeit und Unwissenheit unterstützen. Alle  Missstände will ich bekämpfen und sie — wenn keine Abhilfe geschaffen wird —  ohne Rücksicht auf persönliche Freundschaft den Kontrollausschüssen melden. Ich  will mich körperlich, geistig und moralisch gesund erhalten, mich weiterbilden  und allen Genossen und Kindern bei diesem Bestreben behilflich sein. Den  schlimmsten Feind der Menschheit, den Eigennutz, will ich an mir und anderen  bekämpfen.
  Ich will mich militärisch weiterbilden und an den Mobilmachungsvorbereitungen  mitarbeiten. Ich schwöre, dass ich im Ernstfalle weder meine Kraft noch mein  Leben schonen, sondern mich rücksichtslos einsetzen will im Kampf um die  Verteidigung der Sozialistischen Union."
  Dieses Bekenntnis ist beim größten Teil der Bevölkerung der S.U. kein  Lippenbekenntnis mehr. Der kapitalistisch denkende Mensch stirbt bei uns  allmählich aus. Der Eigennutz wird von allen als Todsünde empfunden, auch von  denen, die ihn noch nicht restlos abgestreift haben. Jeder Mensch, der heute  noch versucht, für seine Person besondere Vorteile irgendwelcher Art zu  erlangen, fällt der allgemeinen Verachtung anheim. Die Eigentumsdelikte sind  fast ganz verschwunden. Privateigentum bringt keine Vorteile mehr. Was sollte  ein Verbrecher heute mit gestohlenem Geld anfangen? Er kann es ja kaum los  werden! Alle Nahrungs- und Genussmittel stehen mit wenigen Ausnahmen allen  Werktätigen zur Verfügung. Auch ein starker Raucher kann heute nicht sein ganzes  Geld ausgeben. Lohnt es sich aber zu stehlen, um sich an teurem Schnaps bis zur  Bewusstlosigkeit zu betrinken? Oder wird heute ein normaler Mensch etwa  stehlen, um sich ein Dutzend besonders teurer Anzüge in den Schrank zu hängen,  wenn durch den Besitz dieser Anzüge sein Ansehen bei den Mitmenschen eher fällt  als steigt? Ein Mensch, der heute über einen größeren Besitz an  Luxusgegenständen verfügt, degradiert sich in den Augen aller, denn er  demonstriert nur seine moralische Minderwertigkeit. Er ist, auch wenn er nicht  gestohlen hat, in den Augen aller anderen Menschen ein Verbrecher, der seine  Pflichten gegenüber der Allgemeinheit nicht erfüllt und nicht so viel Anleihe  gezeichnet hat, wie er konnte. Wer heute noch nach alter Mode geschniegelt und gebügelt  statt im gesunden Waschanzug im Wochenendheim oder im Sommerlager erschiene,  könnte sich vor dem Spott seiner Mitmenschen nicht mehr retten. Wird es heute  noch jemand geben, der es wagt, mit einer goldenen Uhr, mit echten Ringen oder  ähnlichem „Schmuck" zu protzen? Geltung hat heute nur derjenige, der  Körper und Geist gesund erhält, ordentlich Anleihe zeichnet und seine ganze  Kraft in den Dienst des sozialistischen Aufbaus stellt.
  Am Ende des Wirtschaftskrieges wird nicht nur die vollkommene sozialistische  Wirtschaft, sondern auch die sozialistische Gesellschaft und der sozialistische  Mensch stehen.
  Vorwärts - 12. August 1924
Sun Yat-sen schlägt los
Gestehen wir es ruhig ein: China ist nicht nur im Begriff, uns einzuholen, es hat uns bereits überholt. Die Mobilisierung ist Sun Yat-sen in vollem Umfange gelungen. Während wir uns vom Fünfjahresplan ausruhten und Kräfte sammelten für den Wirtschaftskrieg, hat China mit Hochdruck weitergearbeitet. 20 Milliarden Sonderanleihen sind in diesem Jahr in China eingezahlt worden. Die Kapitalakkumulation ist noch bedeutend größer. Überall, wo es möglich ist, wird in Acht- statt in Sechsstundenschichten gearbeitet. Der zweite Feiertag in der Sechstagewoche wird nur dort innegehalten, wo noch nicht genügend Produktionsmittel vorhanden sind. Für alle Jugendlichen vom achtzehnten bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres ist in China die Arbeitspflicht eingeführt worden. Es haben sich aber auch Hunderttausende von älteren Genossen freiwillig gemeldet, um in den „Matten"-fabriken und in den Wüstengebieten zu arbeiten. In der Arbeitsarmee ist der Kommunismus fast restlos durchgeführt. Die Angehörigen der Arbeitsarmee erhalten nur noch ein Taschengeld von monatlich 10 Mark. Etappenkolonnen der Arbeitsarmee haben jetzt auch den Gespinstanbau, den Fronttransport und die Fabrikation von Pumpen, Röhren, Windmotoren und „Wüstenmatten" übernommen. Wie ist dieser ungeheure Erfolg möglich geworden in einem Lande, das vor kurzem noch vollkommen in mittelalterlichen Anschauungen befangen war? Die persönliche Initiative Sun Yat-sens hat Wunder gewirkt. Sein Wort ist für jeden Chinesen ein Befehl. Die Begeisterung und Opferfreudigkeit für den neuen Aufbauplan ist in China, so unglaublich es auch klingen mag, noch weit größer als bei uns. Die Erfolge der bisherigen Arbeiten sind aber gerade in China trotz allen Opfern, die Sun von den Chinesen verlangt, so auffällig, dass niemand sich dem Aufbaufieber entziehen kann. Ganz China debattiert jetzt schon den neuesten Plan Sun Yat-sens. Sun hat dem australischen Zentralrat den Vorschlag gemacht, 100 Milliarden Mark für die restlose Erschließung Australiens auszugeben und 20 Millionen Chinesen in Australien anzusiedeln. Wir sind neugierig, ob die australischen Genossen endlich ihren Rassedünkel aufgeben werden.
  Vorwärts - 1. September 1924
Eine Gnadenfrist für Amerika
  Die Bemühungen der amerikanischen Kapitalisten um Zurücknahme der  Anleihekündigung haben nun doch noch Erfolg gehabt. Sun Yat-sen will diese  Riesensummen für seine erweiterten Pläne verwenden und die ganze Verpflichtung  für zwei Jahre auf die Ostasiatische Föderation übernehmen. Die übrigen  Föderationen sollen ihren Anteil an den amerikanischen Krediten direkt (in  Waren) an die Ostasiatische Föderation zurückzahlen. Die Amerikaner bemühten  sich, 3% Zinsen herauszuholen. Sun war großzügig und gewährte ihnen 2%, obwohl  sie vielleicht auch mit 1% abgeschlossen hätten; denn wo sollen sie mit den  Waren hin? Alle Rückzahlungstermine werden um 3 Jahre verschoben.
  Europafrika liefert an Ostasien während des Wirtschaftskrieges eine Million  Traktoren und Lastautomobile und für 10 Milliarden Mark Röhren,  Eisenbahnschienen, Lokomotiven und Waggons, Windmotoren, elektrische Maschinen  und Drahtleitungen.
  Auch Russindien will sich mit 100000 Traktoren und weiteren 10 Milliarden Mark  sowie durch Stellung von zwei Millionen Winterfreiwilligen an der gewaltigen  Aufgabe beteiligen. In Sibirien sollen im nächsten Jahre zwei Millionen Hektar  Steppenland mit Gespinstpflanzen bestellt werden, die sich zur Herstellung von  so genannten Wüstenmatten eignen. Die größte Bedeutung für die  Wüstenbepflanzung in Zentralasien ha aber die neue, von den russischen Genossen  konstruierte Holzfasermatte. Russland wird während des Wirtschaftskrieges für  fünf Milliarden solcher Holzfasermatten produzieren. China beteiligt sich dafür  mit derselben Summe am beschleunigten Ausbau des transasiatischen Kanalsystems.
An der chinesischen Front 
  Im Flugzeug über der Wüste Gobi
Wenn es einem nicht bekannt wäre, so käme man nicht auf den Gedanken, dass  Gobi eine Wüste ist. Niemals sahen wir ein so eindringliches Bild menschlicher  Tätigkeit wie hier. Überall Bohrtürme, Schacht- und Straßenbaukolonnen,  Traktorenzüge und einmal sogar eine Eisenbahnlinie. In regelmäßigen Abständen  wird ganz Zentralasien bis auf 2000 m Tiefe angebohrt. Wichtige Funde sind  bisher gemacht worden: Metalle, Salze, Kohle, Gold und sogar ein noch viel  wertvollerer, — Wasser. Wasser! Leider nicht so viel, wie die Optimisten  hofften. Wo immer man auf Wasser stößt, wird es heraufgeholt, und wenn es aus  2000 m Tiefe ist. In drei Jahren ist Zentralasien das Land der Windmotore.  Hunderttausende von Windmotoren heben das Wasser aus dem Erdinnern und aus den  nordchinesischen und sibirischen Staubecken empor. In sechs Jahren soll Gobi  das bestbewässerte Land der Welt sein. In zehn Jahren soll der natürliche  Wasserreichtum so groß sein, dass die meisten Windmotoren ihrer jetzigen  Funktion enthoben und in den Dienst der Elektrizitätserzeugung gestellt werden  können. In drei Jahren schon, so versichern die Sachverständigen, wird der  Wolkenreichtum über der „Wüste" Gobi ebenso groß sein wie in Europa, wird  es keine eisigen Nächte und glutheißen Tage mehr geben. Dann ist die weitere  Erschließung ein Kinderspiel. Wie ein Kinderspiel sieht von unserer Höhe aus  das lustige Treiben heute schon aus. Als wir aber landeten, sahen wir, dass  hier nicht Kinder spielen, sondern junge Menschen mit fanatischem Eifer daran  arbeiten, unserem Planeten ein neues, ein sozialistisches Gesicht zu geben.
  Wir gehen neben einer Zeltstadt nieder. Eine Zeltstadt mitten in der Wüste! Der  Regimentskommandeur empfängt uns; er erklärt, weshalb die Stadt gerade hier  angelegt worden ist. Von zwölf Bohrungen, die auf 10 Kilometer im Quadrat  niedergetrieben wurden, hat nur diese eine reichlich Wasser gegeben.
  Im Umkreis von 5 km sind weitere zwölf Bohrungen an geologisch aussichtsreichen  Stellen geplant. Der Regimentskommandeur hofft, so viel Wasser zu finden, dass  der Anschluss dieses Gebietes an das Zentralröhrensystem unterbleiben kann. Wir  befragen ihn über die Aufgaben seines Regimentes.
  „Weshalb wird es gerade hier, mitten in der Wüste, eingesetzt?"
  „Unser Regiment ist ein Rohr- und Mattenkombinat. Die Mattenkolonnen werden nur  in völlig vegetationslosen Gebieten eingesetzt. An den Randgebieten und auf den  Landstrecken, wo schon geringe Ansätze einer Vegetation vorhanden sind, wird  mit weniger kostspieligen Methoden gearbeitet. Wir müssen Wasser suchen und  fördern, Oasen anlegen und Wolken fabrizieren." „Wolken fabrizieren?"
  Ja, die zu starke Erhitzung am Tage und die furchtbare Abkühlung in der Nacht  muss gemildert werden, damit erst einmal normale Vegetationsbedingungen  entstehen. Die Hauptaufgabe fällt natürlich den zwölf Röhrenmattendivisionen  zu. Sie legen zwölf Vegetationsstrecken durch die Wüste, zehn in nordsüdlicher,  zwei in ostwestlicher Richtung. Diese zwölf Strecken sind das  Vegetationsgerippe. Von dort aus werden dann nach und nach die Innenflächen der  Vierecke bewässert und angebaut. Die Hauptsache ist aber zunächst die  Wolkenfabrikation. Sobald wir genügend Wolken und Luftfeuchtigkeit haben, kann  der planmäßige Anbau mittels Wechselmatten beginnen, durch den ungefähr 20% der  Wüstenoberfläche erfasst werden sollen. Dann können wir auch die Gebiete mit  spärlicher Vegetation weiter anbauen und aufforsten. Diese Gebiete sind viel  größer als bisher angenommen wurde. Viele Landstrecken, die als vegetationslos  galten, zeigen in der Regenzeit Vegetationsspuren, sind also nach Veränderung  des Klimas ohne allzu hohe Kosten anbaufähig."
  In diesem Augenblick kommt ein Traktorenschleppzug an und hält dicht vor uns.  Der riesige Raupenschlepper hat zwanzig Walzen mitten durch die Wüste  herangeschleppt. Jede Walze hat einen Durchmesser von 4 m und ist 6 m breit.  Vom Lager her naht eine Hundertschaft. Je fünf Mann beschäftigen sich mit einer  Walze. Im Nu sind die Verbindungsstege ausgehakt, die Walzen gedreht und  abmontiert. Die 20 Ballen werden nebeneinander abgerollt. Je fünf Mann stoßen  einen riesigen Mattenballen vor sich her. Auf dem Wüstensand, auf dem wir eben  noch standen, wird in einigen Tagen die erste Vegetation sprießen. Wir sehen  uns die Matten an. Sie sind sechs Zentimeter dick und bestehen scheinbar nur  aus einem filzigen Schwamm. Der Führer erklärt uns aber, dass jede Matte auch  Nährsubstanzen und Samen enthält. In Abständen von je 10 m werden quer über den  neu gelegten 120 m breiten Mattenstreifen durchlochte Wasserleitungen gelegt.  Der Schwamm saugt das Wasser auf und verteilt es gleichmäßig über die ganze  Fläche. Ein großer Teil des Wassers verdunstet. Bei starker Bewässerung sickert  Wasser in den Boden. In einigen Tagen gehen die ersten der in der Matte  enthaltenen Samen auf; sie finden in der Matte selbst genügend Nährstoffe. Dann  beginnt das Wachstum des Mooses. Die Ernährung des Mooses erfolgt durch  Chemikalien, die dem Wasser beigemischt werden. Erst die dritte und vierte  Samensorte senkt nach dem Aufgehen die Wurzeln in den Boden. Drei bis vier  Jahre lang schützt die Matte die jungen Pflanzen vor zu strenger Hitze am Tage  und den Boden vor zu starker Abkühlung in der Nacht; dabei verdunstet  unaufhörlich Wasser. Dann beginnt die Matte langsam zu verfaulen und düngt  hierbei die Pflanzen, die sich unter ihrem Schutze festgesetzt haben. Nach Fertigstellung  der zwölf durch Leitungen bewässerten Vegetationsbezirke werden täglich  gewaltige Wassermengen verdunsten. Diese Arbeit wird durch die  Bohrmattenkolonnen und -regimenter unterstützt, die die unterirdischen  Wasserschätze heben. „Wie lange ist die Arbeitszeit?"
  „Acht Stunden. Meine Jungens arbeiten aber meistens freiwillig zwölf Stunden  mit Unterbrechungen. Wir stehen im sozialistischen Wettbewerb mit dem zwölften  Regiment. Und die Zwölften sind gute Arbeiter. Wir haben einen harten  Stand."
  „Ist denn diese lange Arbeitszeit gestattet?" „Nein, es darf eigentlich  nicht länger als zehn Stunden gearbeitet werden, aber unsere Freiwilligen  halten sich nicht daran. Wir haben Mühe, sie zur kulturellen Arbeit ins  Versammlungszelt zu bekommen. Sie halten die praktische Arbeit für wichtiger.  Das Aufbaufieber hat sie erfasst." Wir besichtigen noch die Bücherei und  die Küchenräume. Es ist gleich 18 Uhr. Die Stunde Sun Yat Sens. Die Genossen  gehen ins Lagerzelt, wo schon der Lautsprecher angestellt ist. Zehn Minuten  später schweben wir wieder über der Wüste. In Abständen von 50—100 km sehen wir  immer wieder neue Zeltstädte. Dann überfliegen wir einen Hauptarbeitsstreifen,  der vorläufig nur durch die Häufigkeit der Zeltstädte zu erkennen ist. Bald  werden die ersten Röhrenleitungen gelegt, und in einigen Jahren wird die Wüste  anfangen zu leben. Die Menschheit ist jung geworden. Sie stellt sich, wie die  Jugend stets, kühne, gewaltige Aufgaben. Aber sie werden gelöst. Mensch sein  heißt — Schöpfer sein.
  Vorwärts - 11. September 1924
Ultimatum Japans?
Der japanische Botschafter ist in Berlin vorstellig geworden und hat die  Auslieferung der 3ooo japanischen Meuterer verlangt, die auf Neuguinea  landeten, nachdem sie den Kapitän und die Offiziere des Transportschiffes „Yatakama"  überwältigt und das Schiff durch Umstellen zweier Buchstaben auf den Namen des  japanischen Revolutionärs „Katayama" umgetauft hatten. Die Auslieferung  ist natürlich verweigert worden. Das Schiff steht zur Verfügung der japanischen  Regierung; der Zentralrat der S.U. verlangt jedoch vor Herausgabe des Schiffes  eine Untersuchung über die amerikanischen „Werbemethoden" in Japan und  sofortige Freilassung aller dort in Haft befindlichen Revolutionäre.
  Die ganze Menschenladung des „Katayama" war zur Auswanderung nach Amerika  gezwungen worden. Viele Arbeiter wurden sogar gewaltsam abtransportiert, obwohl  sie sich allen Drohungen und Zwangsmaßnahmen zum Trotz geweigert hatten, einen  Revers zu unterzeichnen, wonach sie freiwillig auswanderten.
  Der japanische Menschenexport ist bereits der reinste Sklavenhandel. Er soll  der immer stärker werdenden Abwanderung aus Amerika nach der S. U.  entgegenwirken. Die amerikanische Regierung traut sich nicht, die Auswanderung  weißer Arbeitskräfte zu verbieten. Auch unter der farbigen Bevölkerung wird die  Auswanderungsneigung immer stärker. Der Aufbau Afrikas hat schon Zehntausende  von farbigen Arbeitern, Ingenieuren und Technikern angelockt. Unsere Werbung  von Freiwilligen in Mittel - und Südamerika macht bereits böses Blut, denn die  Bevölkerung Amerikas nimmt merkbar ab. Wie soll aber der amerikanische  Kapitalismus seine Kapitalakkumulation unterbringen, wenn das  Ausbeutungsmaterial fehlt? Immer mehr Chinesen wandern zurück, obwohl sie von  den Yankees jetzt nicht mehr, wie früher, verachtet, sondern umschmeichelt und  umworben werden. Japan ist noch das einzige Menschenreservoir des  amerikanischen Kapitalismus. Eine Zeitlang ging alles gut. Dank den großen  Versprechungen und den glänzenden Werbemethoden der Yankees wanderten dreimal  soviel Japaner nach Amerika wie in die Sozialistische Union. Langsam änderte  sich das Verhältnis. Die große Erdbebenkatastrophe des Jahres 1923 brachte  einen völligen Umschwung. Unsere großzügige Hilfe öffnete den japanischen  Arbeitern die Augen und zeigte ihnen den Unterschied zwischen sozialistischer  Solidarität und kapitalistischer „Unterstützung". Seitdem haben sich die  innerjapanischen Verhältnisse ständig verschlimmert. Die Agitation für die  Auswanderung nach der S.U. wurde verboten und streng bestraft. Die Fiktion der  Auswanderungsfreiheit wurde aber zunächst noch gewahrt. Wer sich durch  Scherereien, Plackereien und Repressalien von seinem Vorhaben nicht abbringen  Kess, erhielt schließlich doch die Ausreiseerlaubnis. Das ist jetzt vorbei. Der  Sklavenhandel, der am Anfang des amerikanischen Kapitalismus stand, ist auch  das Sinnbild der letzten kapitalistischen Epoche. Die versteckte Sklaverei  weicht wieder der offenen. Der Kapitalismus zeigt unverhüllt seine brutale  Fratze. Die reichen Übergewinne des amerikanischen Kapitalismus ermöglichten  eine ständig steigende Kapitalakkumulation bei gleichzeitig steigenden Löhnen  und bei steigender Kaufkraft der Gesamtbevölkerung. Amerika hätte längst zu  einer starken Verkürzung der Arbeitszeit und zu weiteren Lohnsteigerungen  übergehen können. Das widerspricht aber dem Wesen des kapitalistischen Systems,  das die konkurrierenden Betriebe und Konzerne nicht zwingen kann,  diesbezügliche Vereinbarungen zu treffen und — dann auch zu halten. Amerika  muss versuchen, den Kreis der Ausbeutung immer weiter zu ziehen, damit die  Verzinsung des ständig steigenden Kapitals gewährleistet wird. Die übrige Welt  ist der amerikanischen Kapitalexpansion verriegelt. Die Anlagemöglichkeiten in  Amerika sind trotz großen Neuanlagen im Süden fast restlos erschöpft. Nur ein  Menschenzuwachs in Amerika selbst kann noch neue Anlagemöglichkeiten bringen.  Bald wird aber auch diese Reserve verloren gehen. Mit Naturnotwendigkeit muss  in Amerika eine Massenarbeitslosigkeit eintreten, sobald alle Möglichkeiten der  Kapitalsanlage erschöpft sind. Daran wird auch der Menschenhandel aus Japan  nichts ändern. Die Stimmung in Japan gegen die Auswanderung nach Amerika nimmt  übrigens immer mehr zu. Japan wird die Auswanderungsfreiheit nach der S. U.  wiederherstellen müssen, oder es wird über kurz oder lang eine Revolution  erleben. Wir bleiben jedenfalls hart und liefern die 3000 Rebellen auf keinen  Fall aus.
  Vorwärts - 12. Januar 1925
Klassenkämpfe in Japan
Der Klassenkampf in Japan nimmt immer schärfere Formen an. Die japanische Regierung hat sich deshalb genötigt gesehen, die Auswanderungsfreiheit offiziell wieder einzuführen. In Wirklichkeit benutzt sie jedoch diese Maßnahme nur dazu, einige tausend revolutionärer Arbeiter nach der S.U. abzuschieben. Japan und die nordamerikanische Union haben gleichzeitig die weitere Herausgabe der Konsulatszeitungen verboten. Die Konsulatszeitungen waren in den kapitalistischen Ländern unser einziges Mittel, objektive Nachrichten über die S. U. zu verbreiten. Diese Zeitungen wurden in Japan von über 300000, in Amerika von fast 2 Millionen Menschen gelesen.
  Vorwärts - 26. Januar 1925
Erneuerung der Handelsverträge?
Die Verhandlungen mit den ABC-Staaten und mit Mexiko sind immer noch nicht abgeschlossen. Wir sind nach wie vor bereit, diesen Staaten so viel Waren zu liefern, wie sie haben wollen, und den Gegenwert in Landesprodukten zu entnehmen. Wir wollen jedoch für diese Waren frei Ankunftshafen nicht mehr als die Gestehungskosten in unserem Bundesgebiet bezahlen. Die ABC-Staaten müssen also entweder Grundrente und Unternehmerprofit beschneiden oder die Löhne kürzen. Die Handelskammern dieser Staaten haben jetzt folgendes Projekt ausgearbeitet: Die billigen Waren aus der S. U. werden zu den höheren Verkaufspreisen der nordamerikanischen Union abgesetzt. Die Differenzbeträge sollen dazu benutzt werden, den Lieferanten der für die S. U. bestimmten Waren ein Aufgeld zu bezahlen, das sie für den Verlust durch die Lieferungen an uns entschädigt. Die Befürworter dieses Projekts glauben, auf diese Weise ließen sich Rente und Unternehmerprofit auch bei Annahme unserer Bedingungen über Mindestlohnhöhe usw. aufrechterhalten. Die wahren Beherrscher Süd- und Mittelamerikas, die Herren der Wallstreet, haben ihre Zustimmung gegeben. Der Vertrag darf mit ihrer Erlaubnis auf zwei Jahre abgeschlossen werden. In dieser Zeit aber soll die süd- und mittelamerikanische Wirtschaft so weit umgestellt werden, dass sie von der Ausfuhr nach der S.U. unabhängig wird. Wir nähern uns dem Zustand der sozialistischen und kapitalistischen Autarkie.
  Vorwärts - 25. April 1925
Der Festtag der Donau-Balkan-Föderation
In keiner anderen Föderation ist die ganze Arbeit aller Einwohner so sehr  auf einen Punkt konzentriert worden wie in der Donau-Balkan-Föderation. Keine  andere Föderation hat sich so ausschließlich mit sich selbst beschäftigt wie  diese.
  Und trotzdem kann gesagt werden, dass in keiner anderen europäischen Föderation  mehr gearbeitet wurde. Donau und Wasserwirtschaft, — das waren die Pole, um die  sich das Leben in der Donau-Balkan-Föderation gedreht hat. In den Gebirgen  begann die Arbeit. Zuerst wurden die Wasserkräfte mit verhältnismäßig großer  Fallhöhe ausgenutzt. Bald aber bewegten sich die Baukolonnen und die Armeen der  Zeitfreiwilligen weiter talwärts. Den Abschluss des ersten Abschnittes bildete  die Vereinigung des Donausystems mit dem Oder- und Weichselsystem. Während die  Arbeit an den Nebenflüssen munter fortschritt, begann schon im oberen Abschnitt  die Fesselung der Donau, deren Wasserkräfte jetzt von einer Meereshöhe von 6oo  bis 220 m restlos ausgenutzt werden. Am 1. Mai 1919 fielen westlich Linz die  ersten Sprengschüsse im Tal des großen Rodl. Am 1. Mai 1920 begannen die Wasser  zu steigen. Monat um Monat, Jahr um Jahr stieg das Wasser und füllte das  geräumte Tal. Am 1. Mai 1922 war die Moldau oberhalb Budweiß von 385 bis 550 m  Seehöhe in steinerne Bänder gelegt. Am 1. Mai 1924 begegneten sich die Wasser  der Elbe und der Donau 560 m über dem Meere. Die Donau war jetzt mit dem  westlichen Mittelmeer, mit dem Atlantischen Ozean und zweifach mit Nord- und  Ostsee verbunden. Am selben Tage wurden auch die 3—6 m hohen Staustufen  oberhalb und unterhalb Wien—Pressburg und Budapest eingeweiht. Im Unterlauf 100  bis 76 m über dem Meere, südlich von Budapest bis Belgrad, wird nur etwa ein  Drittel der Wasserkraft durch eine Reihe von Doppelwasserradstauwerken  ausgenutzt. Diese geringe Ausnutzung war unvermeidlich. Die Anlage fester  Staudämme und Schleusen hätte unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht und wäre  auch nach sozialistischen Grundsätzen unrentabel gewesen. Der große  Schlussstein in diesem gewaltigen Gebäude ist nun nach mehr als fünfjähriger  Arbeit gesetzt worden. Von o bis 70 m Meereshöhe werden vier Siebentel der  ganzen Wasserkraft durch drei Riesenwerke ausgenutzt. Durch den gewaltigen  Staudamm bei Tschernawoda und den Kanal Tschernawoda—-Konstanza wird zwar nur  eine Fallhöhe von
  5 m gewonnen, aber bei den ungeheuren Wassermassen der unteren Donau wäre die  Rentabilität auch dann außer Zweifel, wenn diese Riesenanlage nicht noch  folgende gewaltige Vorteile brächte: Der Schifffahrtsweg wird um über 200 km  verkürzt. Die nördliche Dobrudscha und das Donaudelta werden entwässert und mit  Hilfe der großen Energiemengen des Tschernawodawerkes in ein  elektrisch-agrarisches Musterland verwandelt. Die Bagger- und  Kanalisierungsarbeiten in der Donau von Tutrakan bis Orjechowa wurden Anfang  vorigen Jahres beendet und brachten eine Senkung des Wasserspiegels auf 23 m bei  Orjechowa. Von Orjechowa bis Lom-Palanka konnte der Wasserspiegel um 4 bis
  6 m gesenkt werden, während die Flusssohle durchschnittlich nur um 3—5 m  gesenkt werden musste. Vor einem Jahre wurde der Abkürzungskanal  Cetatea—Lom-Palanka in Betrieb genommen. Der Wasserspiegel dieses Kanals bei  Cetatea liegt jetzt nur noch 32 m über dem Meeresspiegel, also 8 m tiefer als  früher. Der Wasserspiegel oberhalb Cetatea liegt jedoch jetzt nach  Fertigstellung des neuen Staudamms 2 m höher als früher. Das Kraftwerk Cetatea  arbeitet also mit einer Fallhöhe von 10 m. Der große Donaubogen  Cetatea—Lom-Palanka ist stillgelegt und in eine Kette von Fischzuchtteichen  verwandelt worden. Bei außerordentlichem Hochwasser kann er als Reservebecken  verwandt werden. Das wird jedoch nach menschlichem Ermessen kaum eintreten.
  Von der Mündung und vom Meere her wurde der gewaltige Fluss in Fesseln  geschlagen und gezwungen, uns dienstbar zu sein. Beendet wird nun dies  Riesenwerk durch die Mammutkraftzentrale bei Brsha-Palanka. Von Mitte 1919 bis  Anfang 1920 dauerte die Fehde, die innerhalb und außerhalb der Partei in der  Donau-Balkan-Föderation geführt wurde. Nach den Angaben eines Statistikers soll  dieser Streit über 150000 kg Papier verschlungen haben. Drei Parteien standen  sich in diesem Meinungskampf gegenüber. Die Turnupartei wollte bei  Turnu—Severin einen Staudamm errichten und das ganze Tal unter Wasser setzen.  Die Tunnelpartei wollte den Donaubogen als Hauptschifffahrtsweg beibehalten und  nur einen Teil der Wassermassen durch einen Tunnel von Doljni nach  Brsha-Palanka leiten. Die siegreiche Kanalpartei hatte zuerst nur wenig  Anhänger. Es stand zwar von Anfang an fest, dass das Kanalprojekt  Dolnji—Brsha-Palanka die größte Energieausnutzung verspreche. Doch die Kosten  erschienen unverhältnismäßig hoch. Nun wurden aber an der unteren Donau für die  Kanalisierung, für Flussbauten und für die beiden großen Staudämme gewaltige  Steinmassen gebraucht, deren Gewinnung auch an anderen Stellen mit sehr hohen  Kosten verbunden gewesen wäre. Bei der großzügigen Durchführung des  Kanalprojektes ließen sich diese Steinmassen so nebenbei mit gewinnen, so dass  schließlich der Plan in noch viel großartigerer Form zur Ausführung kam, als es  die Befürworter selbst zuerst verlangt hatten. Der große Donaubogen ist jetzt  stillgelegt. Nordöstlich Doljni ist das frühere Flussbett nur noch für Boote  befahrbar. Erst von Alt-Orsowa ab wird der Fluss durch das Wasser der Cerna  auch für größere Barken wieder schiffbar. Das Eiserne Tor, früher der Schrecken  der Schiffer, ist jetzt das Idealgebiet für unsere Paddelbootfahrer. Bei Doljni  hält ein gewaltiger Staudamm den gewaltigen Strom auf und leitet ihn in den  breiten durch das Gebirge gehauenen Kanal nach Brsha-Palanka, wo seine Energie  in einem Fall von 70 auf 45 m Höhe ausgenutzt wird. Oberhalb Dolnji ist jetzt  das ganze Gebirgstal vom Wasser ausgefüllt. Alle Ortschaften sind darin  verschwunden. Die Eisenbahnlinie und Autostraße führt 80 km lang auf dem Grunde  des Wassers durch einen hellerleuchteten Tunnel und kommt erst bei Dolnji  wieder ans Tageslicht. Auf der Donaustrecke Brsha-Palanka bis Radujewatz  mussten umfangreiche Bagger-, Kanalisierungs- und Verbreiterungsarbeiten zur  Senkung des Wasserspiegels bei Brsha-Palanka durchgeführt werden, damit die  projektierte Fallhöhe von 25 m erreicht wurde.
  Das gigantische Werk ist vollendet. Am 1. Mai wird zum ersten Mal die gewaltige  Wassermasse 25 m tief herabstürzen und Elektrizität erzeugen. Zum ersten Mal  wird das Schiffshebewerk in Tätigkeit treten. Zum ersten Mal werden eine Stunde  lang alle Maschinen in den zehn neuen Riesenfabriken laufen. Zum ersten Mal  werden alle elektrischen Lampen in der neuen Donaustadt, der modernsten Stadt  der Welt, erstrahlen. Hunderttausend neue Häuser werden bezogen. Eine Million  Menschen haben einen neuen idealen Arbeitsplatz und eine ideale Wohnung  erhalten. Die Donau-Balkan-Föderation ist restlos elektrifiziert. Gewaltige  Naturkräfte wurden von der sozialistischen Menschheit bezwungen. Wir werden sie  neuen und noch größeren Aufgaben dienstbar machen.
  Vorwärts - 12. März 1926
Keine Verlängerung der amerikanischen Anleihen!
Die Bemühungen der amerikanischen Bankiers sind erfolglos geblieben. Das erste Viertel der Anleihesumme, das am 1. Januar 1927 rückzahlbar ist, wird von diesem Tage ab nicht mehr verzinst. Trotz allen Aufforderungen haben die Amerikaner bisher nur ganz geringe Aufträge zur Abdeckung der Anleihen erteilt (einige Milliarden für Diamanten, Edelmetalle, Seide, Reis und Tropenerzeugnisse). In der amerikanischen Finanzwelt haben sich zwei Parteien gebildet. Die eine Partei ist an den Anleihen stark beteiligt und will die ganze fällige Summe ohne Rücksicht auf die einheimische Industrie in Waren zurücknehmen. Die andere Partei verlangt Annullierung der Anleihen zur Sicherung der amerikanischen Produktion und völligen Abbruch aller wirtschaftlichen Beziehungen zur S. U. Um der immer mehr anschwellenden Auswanderungsbewegung Einhalt zu tun, sind die Löhne abermals erhöht worden. Die kürzeste Arbeitszeit beträgt jedoch nach wie vor 40 Stunden pro Siebentagewoche. Diese Arbeitszeit wird nur einem verschwindend kleinen Bruchteil der amerikanischen Arbeiterschaft zugestanden. Bei uns beträgt dagegen die Höchstarbeitszeit in der gemäßigten Zone 24 Stunden pro Sechstagewoche und in den Tropen 18 Stunden. Die allgemeinen Lebensbedingungen sind überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Der Fall, dass ein farbiger Arbeiter seinen Wohnpalast in Zentralafrika verlässt, um in die amerikanischen Slums zurückzukehren, wird niemals eintreten. Von den 10 Millionen Negern, die in Nordamerika lebten, sind über 4 Millionen jetzt schon in die Heimat ihrer Väter zurückgekehrt. Wird es den Amerikanern gelingen, die übrigen 6 Millionen zurückzuhalten? Die Amerikaner bereiten jetzt ein Gesetz vor, wonach das Vermögen von Auswanderern zugunsten des Staates (lies: des Bankkapitals) beschlagnahmt wird. Die Yankees täuschen sich jedoch, wenn sie glauben, durch diese Maßnahme die Auswanderungsbewegung eindämmen zu können. In der S.U. braucht man kein Vermögen, um seine Existenz zu finden.
  Vorwärts - 4. August 1926
Stiche in den Globus
Der Tunnelbau Calais—Dover wird zwei Monate früher vollendet als im Generalkriegsplan vorgesehen. Durch die zunehmende Verwendung von Diamanten ist die Leistungsfähigkeit der Bohrmaschinen um etwa 30% gesteigert und ihre Lebensdauer fast verdoppelt worden.
Die Himalaja-Kraftwerke
  werden ebenfalls durch stärkere Verwendung von Diamanten vorplanmäßig beendet.  Die Inder begnügen sich nicht mit der Ausnutzung der vorhandenen Wasserkräfte.  Sie beginnen schon jetzt, an allen niederschlagsreichen Abhängen des Himalaja  waagerechte Auffangrinnen anzulegen. Der russindische Windmotorentrust liefert  jährlich 50000 Windmotoren; mehr als die Hälfte werden in den riesigen  zentralasiatischen Hochebenen eingesetzt. Das Land der Stürme ist zum Land der  Elektrizität geworden. Über 100 Tiefbohrungen werden zur Zeit in Zentralasien  niedergetrieben. Der Lauf der unterirdischen Ströme aus dem abflusslosen"  Gebiet ist jetzt zum größten Teile bekannt. Die leitenden Genossen hoffen, dass  es in einigen Jahren gelingen wird, die gewaltigen, bisher ungenutzten  Wasserkräfte der Menschheit dienstbar zu machen.
Hinein ins Erdinnere!
  Ü berall stoßen unsere Tiefbohrungen ins Erdinnere vor. An der alten  Donaumündung begannen die Arbeiten am 1. Mai vorigen Jahres. Ein Mündungsarm  wurde abgesperrt und ausgepumpt. Der Anfangsschacht wurde mit einem Durchmesser  von 100 m begonnen. In dieser Ausdehnung arbeitete man, bis man durch das  Schwemmland hindurch war und auf Felsen stieß. Dann wurde mit 80 m Durchmesser  weitergearbeitet. Jetzt, in 2000 m Tiefe, sind wir bei 5o m angelangt. Ein  Weiterarbeiten mit den bisherigen Methoden ist jedoch nicht möglich. Wir müssen  mit der eigentlichen Bohrung beginnen. 3ooo m unter der Erdoberfläche wird dann  der gewaltige Kraftwerkfahrstuhl eingebaut, der nicht nur die gesamte Energie  für die weiteren Bohrungen liefert, sondern sogar schon gewaltige Energiemengen  abgeben kann, sobald die hundert Seitenstollen ausgebaut sind. Auf dem Raume  eines Quadratkilometers wird der ganze Grund systematisch nach Bodenschätzen  abgesucht. Die Stollen werden dann mit Wasser gefüllt, das auf 80 Grad  vorgewärmt und dem Tiefkraftwerk zugeführt werden soll. Die Fallhöhe des  Nutzwassers von 3000 m wird im Fahrstuhlkraftwerk ausgenutzt.
  Von 3000 m Tiefe ab wird nach folgendem System weitergearbeitet: Zwölf  Röhrenbohrungen, die zusammen einen Kreis von 30 m Durchmesser bilden, werden  gleichzeitig niedergetrieben. Begonnen wird mit Röhren von 2 m Durchmesser, die  sich bei fortlaufender Bohrung bis zu 40 cm verjüngen. Während der Bohrungen  wird ständig gespült. Der entstehende Dampf wird auf der 3ooo m Sohle  aufgefangen und an die Erdoberfläche geleitet. Neues Flusswasser stürzt 3ooo m  hinab, wird in den Turbinen ausgenutzt, in den Seitenstollen auf 80 Grad  Celsius vorgewärmt und dann in die Bohrlöcher geleitet. Sobald 4000 m Tiefe  erreicht sind, sollen alle Röhren gezogen werden. Der Grund der zwölf  Bohrlöcher wird mit Sprengstoff gefüllt, das Fahrstuhlwerk an die Erdoberfläche  geschafft und der Schacht teilweise mit Wasser gefüllt. Nach erfolgter  Sprengung und Verdampfung des Bremswassers beginnen die Zerkleinerungsmaschinen  und Baggerkräne ihr Werk, um für die Zementierungsmaschinen Platz zu machen. In  Höhenabständen von je 1000 m werden weitere Zwischenkraftwerke eingerichtet. In  10000 m Tiefe (voraussichtliche Wärme 300 Grad Celsius) soll das Hauptkraftwerk  angelegt werden. Von dieser Sohle aus wird horizontal dauernd weiter  gearbeitet.
  Durch ständige Spülung mit Kühlwasser hofft man, die Temperatur in den  Arbeitsstollen auf unter 50 Grad halten zu können.
  Im Laufe der Jahre werden sich 20 Hauptstollen und unzählige Seitenstollen nach  allen Richtungen hin Hunderte von Kilometern weit ins Erdinnere hineinfressen.  An einzelnen Stellen werden neue Kraftwerke im Bauch der Erde entstehen, welche  die bei den weiteren Tiefbohrungen gewonnenen Energiemengen verwerten. Welche  Schätze werden wir im Erdinneren entdecken? Werden wir die fehlenden Elemente  finden? Viele Frage, die bisher keine Lösung fanden, können vielleicht schon in  wenigen Jahren beantwortet werden. In 10000 m Tiefe schon ist der Wert der  gewonnenen Energiemengen größer als derjenige der Investierungen, die zur  Fortsetzung der Bohrarbeiten auf 20 Stellen notwendig sind. Damit wäre sogar  nach kapitalistischen Grundsätzen eine Rentabilität gewährleistet. Die beiden  Tiefschachtanlagen an der Mündung der Kura und des Terek in das Kaspische Meer  sind bisher auf 1000 m Tiefe angelangt. Diese beiden Stellen wurden gewählt,  weil wir hier 20 m unter dem Spiegel des Mittelländischen Meeres anfangen  konnten und weil hier ebenso wie im Donaudelta eine gute Verwendungsmöglichkeit  für die gewaltigen Erdmassen vorhanden ist. In diesen Tagen beginnen die  Arbeiten an den Tiefschachtanlagen bei Konstantinopel und Gibraltar. Die Erd-  und Gesteinsmassen sollen hier zur Zuschüttung der Meerengen verwendet werden.  Der Soermusplan selbst (Senkung des Wasserspiegels des Mittelländischen Meeres  zwecks Ausnützung der Fallenergie des zuströmenden Ozeanwassers) wird  wahrscheinlich nach Beendigung des Wirtschaftskrieges durchgeführt.
Der Reichtum des Toten Meeres
  Die Trockenlegung des Toten Meeres ist eine der Hauptaufgaben, die sich die  frühere Mittelmeerföderation gestellt hat. Im Jahre 1920 begannen die Arbeiten  am Jordanstaudamm bei Jericho. 1921 war der Wasserzufluss von Nord und Süd  abgesperrt. Das Wasser des Jordan fand in den Bewässerungsanlagen eine bessere  Verwendung, und der Spiegel des Toten Meeres senkte sich durch natürliche  Verdunstung. 1923 begannen die Kreiselpumpen ihr Werk und förderten das Wasser  auf die großen Verdunstungspfannen. Millionen Tonnen Brom, Chlor, Natrium,  Magnesium, Kalium und Kalzium werden jährlich gewonnen. Die Kraftanlagen und  Verdunstungsgebiete werden ständig vergrößert. Bisher ist der Spiegel des Toten  Meeres um 106 m gesenkt worden. Er liegt also jetzt schon 5oo m unter dem  Spiegel des Mittelländischen Meeres. In zwei Jahren ist das Tote Meer  verschwunden und hat seine fast unermesslichen Reichtümer freigegeben. Die  gewaltigen Kraftanlagen, die rings um das Tote Meer entstanden sind, werden  dann für eine noch größere Aufgabe frei: in einem Abstand von je 30 km werden  sich drei Riesenschächte von je 1000 m Anfangsdurchmesser in die Erde  hineinbohren, die alle 1000 m durch Tunnel miteinander verbunden werden sollen.  Durch das Libanongebirge wird ein 5om breiter Kanal gelegt, der das  Verdunstungswasser heranführen soll. Dieses wird also, noch bevor es in den  Schacht hinabstürzt, in einem Fall von fast 800 m ausgenutzt. Ein Teil der  Verdunstungspfannen wird bestehen bleiben und erst nach Senkung des  Mittelmeerspiegels aufgeschüttet werden. Sobald das Senkungsgebiet von den  geförderten Erdmassen ausgefüllt ist, werden die weiteren Erdmassen durch  diesen Kanal ins Mittelmeer geführt.
  Eine gewaltige Aufgabe! Was für Aufgaben können wir uns erst stellen, wenn wir  den Aufbau der S. U. beendet haben?
  Vorwärts - 11. August 1926
Amerika verbietet die Auswanderung
Nachdem in diesem Jahre allein aus der U.S.A. über eine Million Arbeiter  ausgewandert sind, davon mehrere Hunderttausend aus dem früheren Kanada, hat  das Weiße Haus jegliche Auswanderung verboten. Das Verbot der  Konsulatszeitungen erwies sich als wirkungslos. Die Wahrheit über die  Verhältnisse in der S.U. lässt sich nicht mehr verheimlichen. Auch in Mittel-  und Südamerika wurde die Auswanderung verboten, weil sie in letzter Zeit  „beängstigende Formen" annahm. Besonders die farbige Bevölkerung hat ein  wahres Auswanderungsfieber erfasst. Dabei veranlasst die „Logik" der kapitalistischen  Produktionsweise die widerspruchvollsten Maßnahmen: die brasilianische  Regierung ging bekanntlich den Herren im Norden voran und verbot schon vor  einigen Wochen die Auswanderung. Als aber kurz darauf im Kolonisationsgebiet  des Amazonenstroms der Generalstreik ausbrach, schob sie selbst zweitausend  „landfremde Hetzer" in die Union ab. (Die streikenden Arbeiter verlangten  unter gleichen Bedingungen zu arbeiten wie unsere Tropenarbeiter: auf jeden  Arbeitstag einen Ruhetag und Einführung des Sechsstundentags.) Es ist daraufhin  und dank den Bemühungen der reformistischen Gewerkschaftler tatsächlich  gelungen, die Arbeiter durch eine Lohnzulage zu beschwichtigen. Nach Verhaftung  der „Hetzer" (durchwegs oppositionelle Gewerkschaftsmitglieder) hatten die  Behörden leichtes Spiel: Wer sich auf Grund der revolutionären Parole  „Auswanderung ist Fahnenflucht" der Deportation widersetzte, wurde ohne  Gerichtsverfahren ins Zuchthaus geschickt. Alle revolutionären Organisationen  wurden verboten. Argentinien und Chile folgten diesem Beispiel.
  Der Zentralrat der S. U. hat daraufhin sofort alle Bestellungen in den  ABC-Staaten widerrufen und den völligen Abbruch der Handelsbeziehungen schon  vor Ablauf der Handelsverträge angekündigt.
  Besonders stark macht sich der Arbeitermangel in Argentinien bemerkbar. Die  italienischen Saisonarbeiter bleiben aus. Über zwei Millionen Auswanderer  (meist Italiener und Spanier), also mehr als ein Fünftel der ganzen Bevölkerung  haben bereits das Land verlassen. Durch immer stärkere Mechanisierung der  Landwirtschaft mittels amerikanischer Kredite konnte dieser Ausfall allerdings  fast wettgemacht werden. Im übrigen plant man Einschränkung der Produktion, um  dem drohenden Absatzmangel vorzubeugen.
  Vorwärts - 13. September 1926
Keine Hungersnot in Asien!
Die Nahrungsmittelknappheit in Indien und China hat Anlass zu wilden  Gerüchten gegeben. Die amerikanischen Zeitungen, die über Asien erstaunlich gut  unterrichtet sind, berichten von großen Hungersnöten. Diese Meldungen sind  natürlich stark übertrieben. Die Hauptursache der bestehenden  Nahrungsmittelknappheit ist ja gerade die Tatsache, dass einige Hundert  Millionen Menschen, die sich früher in ihrem ganzen Leben nicht ein einziges  Mal satt essen konnten, jetzt daran gewöhnt sind, besser und doppelt so viel zu  essen als vor der Machtübernahme. Dadurch sind viele Millionen, die sonst bei  einer Missernte wie der diesjährigen sicher Opfer des Hungertodes oder der  Unterernährung und Überarbeitung geworden wären, am Leben geblieben. Unsere  hygienischen Maßnahmen sind zuerst auf harten Widerstand gestoßen. In den  letzten Jahren jedoch haben sie sich allgemein eingebürgert. Dadurch sind  weitere Millionen vor dem sicheren Tode gerettet worden. Die Bevölkerung nimmt  rapid zu. Trotz gewaltiger Steigerung der Anbaufläche ist infolgedessen die  Landwirtschaft Asiens, wie sich jetzt herausstellt, bei schlechter Ernte nicht  imstande, den Mehrverbrauch zu decken. Es wurde zu optimistisch disponiert. In  allen Gebieten der Union hat man beträchtliche Landstrecken aufgeforstet. Viele  Millionen Hektar wurden mit Gespinstpflanzen bestellt, die zur Wüstenbekämpfung  gebraucht werden. Große Landflächen, die früher der Ernährung dienten, sind für  den Anbau von Kulturpflanzen verwandt worden, die nur in tropischen und subtropischen  Gebieten gedeihen. In der chinesischen Planwirtschaft sind nach dem Tode Sun  Yat-sens besonders schwere Fehler begangen worden, die schleunigst korrigiert  werden müssen. Aber auch die Zentralplankommission hat nach den Feststellungen  des Kontrollausschusses große Fehler gemacht. Die Schuld an der Knappheit in  Asien ist zu einem nicht geringen Teil auch in Europa zu suchen. Der Plan des  Wirtschaftskrieges sah die Verwandlung großer Landstrecken in Westeuropa, die  bisher der Nahrungsmittelerzeugung gedient hatten, in Wälder, Weiden, Gärten,  Parks und Spielplätze vor. Diese Umwandlung hätte nicht so schnell vollzogen  werden dürfen, da der Aufbau der zentralafrikanischen Landwirtschaftsgebiete  sich verzögerte.
  Die Amerikaner triumphieren. Sie schreiben von roter Misswirtschaft und  kündigen den baldigen Zusammenbruch der sozialistischen Experimente an.
  Sie täuschen sich. Wir haben große Fehler gemacht, aber wir werden sie  schleunigst korrigieren.
  Die Herstellung von Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen wird weiter  gesteigert. In Mittelasien, Sibirien und vor allem im fernen Osten sollen noch  in diesem Herbst große Landstrecken erstmalig unter den Pflug genommen werden.
  Trotz alledem sind Zwangsmaßnahmen nicht zu umgehen. Scharfe  Rationierungsmaßnahmen treten in den dichtbevölkerten asiatischen Gebieten  sofort in Kraft. Dazu brauchen wir Tausende von geschulten Bureaukräften. Wir  zweifeln nicht, dass sich nach Erscheinen des ersten Aufrufs sofort  Zehntausende melden. Bisher haben wir wiederholt die Erfahrung gemacht, dass  leichter zehntausend Freiwillige für Asien und Afrika zu finden sind als  tausend für Rumänien oder ein anderes europäisches Land. Diesmal sieben wir  jedoch ganz besonders scharf. Die Genossen müssen über gute soziologische und  volkswirtschaftliche Kenntnisse verfügen. Sie müssen in der Lage sein,  Aufklärung über die wirklichen Ursachen der Knappheit zu geben. Kenntnis einer  asiatischen Sprache ist nicht unbedingt erforderlich. Vollkommene Beherrschung  des Esperanto ist jedoch Bedingung. Entgegen allen Erwartungen breitet sich die  Welthilfssprache in Asien viel schneller als in Europa aus.
  Die Freiwilligen nach Australien haben beschlossen, sich für die  Notstandsgebiete in China und Indien zur Verfügung zu stellen.
  Als dies bekannt wurde, hat die amerikanische Regierung das Auswanderungsverbot  (allerdings nur für Weiße) aufgehoben. Wir wissen nicht, was die Yankees  plötzlich so menschenfreundlich stimmt. Nun, bei Gelegenheit werden sie schon  ihre Rechnung präsentieren. Der Zuzug nach Australien kommt uns jedenfalls sehr  gelegen. Fast hunderttausend Amerikaner, darunter viel frühere Farmer, sind  bereits nach Australien unterwegs. Die Mannesmannröhrenwerke haben Auftrag  erhalten, die Röhrenproduktion sofort zu steigern, damit die großen australischen  Bewässerungsarbeiten schneller fortschreiten können. Auch die neuen  Kanalbauten, die auf unvorhergesehene Schwierigkeiten gestoßen sind, werden  beschleunigt. Die australische Landwirtschaft hat bei Überwindung der  Nahrungsmittelknappheit eine außerordentlich bedeutungsvolle Aufgabe zu  erfüllen. Nur bei schärfster Anspannung aller Kräfte sind die gestellten Ziele  zu erreichen.
Extrablatt – Vorwärts - 16. Okt. 1926
Unruhen in Australien
Aus Sidney wird gefunkt:
  Bei den Einweihungsfeierlichkeiten des neuen zentralaustralischen  Bewässerungsreviers ist es zu größeren Unruhen gekommen, bei denen es mehrere  hundert Tote gegeben haben soll. Auf unaufgeklärte Weise sind größere Mengen,  Alkohol eingeschmuggelt worden, unter dessen Einfluss scheinbar die ersten  Streitigkeiten entstanden. Auch in Sidney sind schwere Ausschreitungen  vorgekommen. In den Nachtstunden zogen betrunkene Horden durch die Stadt und  schlugen alle Chinesen und Japaner, die ihnen begegneten, nieder, während die  Inder verschont wurden. Die Rädelsführer waren kürzlich eingewanderte  amerikanische Arbeiter, die sich von den Rassenvorurteilen noch nicht befreit  haben. Die völlig überraschte Miliz war machtlos. Die Banden sollen angeblich  schwer bewaffnet sein.
  Extrablatt – Vorwärts - 17. Okt. 1926
Australien in Gefahr
  Sidney, 16. X. 1926, abends 28 Uhr 20 (Funkspruch)
Die Stadt ist in der Gewalt der Aufständischen. An allen Häusern kleben  Aufrufe folgenden Inhalts:
  „Australier! Angehörige der weißen Rasse! Werft das rote Joch ab! Was hat euch  die rote Herrschaft schon gebracht? Einige Jahre hindurch ging es euch etwas  besser. Aber jetzt soll die angekündigte Lohnerhöhung um sechs Monate  verschoben werden. Die letzte Verkürzung der Arbeitszeit wird wieder rückgängig  gemacht. Man sagt, das sei eine vorübergehende Maßnahme zur Behebung des  asiatischen Notstandes. Aber man wird schon wieder neue Ausreden erfinden, wenn  diese nicht mehr zieht. Wir sollen Opfer bringen für die Gelben. Was gehen uns  die Asiaten an? Wir sind stolz darauf, Angehörige der weißen Rasse zu sein. Wir  wollen Australien wieder von den Gelben säubern.
  Wir haben Brot, Fleisch, Wolle und Häute in Hülle und Fülle. Wenn die Roten es  für ihre „farbigen Brüder" brauchen, dann sollen sie es uns abkaufen.  Amerika streckt uns die Bruderhand entgegen. Schlagen wir ein! Jeder weiße  Mann, der sich für Amerika erklärt, erhält sofort 1000 Dollars ausgezahlt. Bald  werden wir alle unser eigenes Auto haben, wie die amerikanischen Arbeiter!
  Amerikas Wirtschaft steht in höchster Blüte. Die amerikanischen Arbeiter müssen  keine Opfer für die kommenden Generationen bringen, wie man sie uns ständig  zumutet. Wenn wir nur ein gutes Leben haben, was scheren uns die Nachkommen! Die  sollen sehen, wie sie fertig werden! Wir mussten uns ja auch mit dem begnügen,  was da war.
  Genug der Zwangsarbeit und bureaukratischen Bevormundung!
  Der Kapitalismus bringt die Freiheit. Wir verlangen Freihandel,  Wiederherstellung des Privateigentums am Boden und an den Produktionsmitteln  und Ausweisung aller Asiaten.
  Steckt die roten Brutstätten, die Gewerkschafts- und Klubhäuser, die roten  Warenhäuser und Massenabfütterungsstellen in Brand! Schlagt die roten Hunde  nieder! Rottet sie aus, mit Stumpf und Stiel, mit Weib und Kind!
  Australien gehört der weißen Rasse." 
  Genossen in Europa, Asien und Afrika: Helft uns! Australische Sender antworten  nicht mehr. Funkt uns, was geschehen? Krieg???
Sidney, den 17. X. 27, 4 Uhr 40 (Funkspruch) 
  Amerikanische Kriegsflotte vor Sidney. Truppen werden ausgebootet. Die  Funkstation wird beschossen. Unser Schicksal ist besiegelt. Es lebe der  Sozialismus!
  Vorwärts - 29. Oktober 1926
Australien verloren!
  Amerikas Ultimatum
Amerika verlangt sofortige Einstellung aller Versuche zur Wiederhergewinnung Australiens. Wenn nicht innerhalb drei Tagen eine formelle Verzichtleistung vorliegt, wird der Krieg auf der ganzen Front eröffnet.
Was sollen wir tun?
  Die Lage ist äußerst schwierig. Amerika hat sehr geschickt den Zeitpunkt gewählt,  in dem unsere Hände durch die Not in China und Indien gebunden sind. Vielleicht  hätten wir im nächsten Jahr schon Nahrungsmittelüberfluss gehabt. Wir waren zu  leichtgläubig. Es ist ein schwerer Fehler, dass wir den Kapitalisten geglaubt  und ihr Abrüstungsversprechen für bare Münze genommen haben. Nach Beendigung  des afrikanischen Aufbaus, nach Überwindung der asiatischen  Nahrungsmittelknappheit, würden wir den Amerikanern in jeder Hinsicht überlegen  sein. Die amerikanische Produktion, die Handels- und Luftflotte halten keinen  Vergleich mit den unsrigen aus. Aber wir haben uns stets nur auf friedlichen  Fortschritt und auf reine Defensivmaßnahmen beschränkt. Wir haben keine  Offensivwaffen entwickelt. Ohne solche Waffen aber würde ein Krieg so bald  nicht zu unserem Siege führen können. So schwer es uns auch fällt: zunächst  müssen wir nachgeben. Voraussetzung hierfür ist natürlich die sofortige  Einstellung des weißen Terrors, der augenblicklich in allen australischen  Hafenstädten wahre Orgien feiert, und Amnestierung aller Gefangenen. Die  Straßen der australischen Städte sind rot vom Blute unserer Genossen. Der  australische Himmel rötet sich vom Feuerschein der angezündeten sozialisierten  Gebäude. Wenn diese Schreckensszenen nicht sofort aufhören, wenn die amerikanische  Regierung dem Gemetzel und den furchtbaren Gräueltaten nicht sofort Einhalt  gebietet, wenn nicht sofort die viehische Abschlachtung wehrloser Frauen und  Kinder aufhört, die kein anderes Verbrechen begangen haben, als dass sie eine  andere Hautfarbe besitzen, dann müssen wir den Krieg führen, koste es, was es  wolle!
  In diesem Falle müssen wir uns in der ersten Zeit auf unvermeidliche  Niederlagen gefasst machen. Wenn aber die Umstellung unserer Industrie auf  Kriegsbedarf durchgeführt ist, dann hat die letzte Stunde des Kapitalismus  geschlagen. Riesige Summen haben wir für chemische Forschungen ausgegeben.  Diese Summen sollten helfen, das Leid der Menschheit zu mildern. Unsere  Chemiker, die für all ihre Versuche unbeschränkte Geldmittel zur Verfügung  hatten, haben aber der Natur auch furchtbare Geheimnisse entlockt. Wehe den  Kapitalisten, wenn wir gezwungen sein sollten, diese Geheimnisse zu offenbaren  und in den Dienst
  der Kriegsindustrie zu stellen! Nur wenige Monate wären dazu nötig.
  In unserer Antwortnote werden wir auf diese Perspektive hinweisen. Wir werden  auch darauf hinweisen, dass die ersten so genannten „Unruhen" in  Australien weiter nichts waren als bestellte Arbeit von amerikanischen  Provokateuren, die unter der Maske von Auswanderern ins Land gekommen waren.  Die amerikanischen Schlachtschiffgeschwader sind ja angeblich nur zufällig in  der Nähe gewesen. Wie kommt es aber dann, dass sie gleich über hunderttausend  Mann Landungstruppen zur Verfügung hatten? Wie kommt es, dass eine große amerikanische  Zeitung schon über Unruhen berichtete, als es noch gar keine gab?
  Vorwärts - 1. November 1926
Einlenken Amerikas?
Nach einer bisher unbestätigten Nachricht aus U.S.A. will die amerikanische  Regierung auf unsere Vorschläge eingehen, den weißen Terror endlich unterbinden  und die Auswanderungsfreiheit in Australien und Amerika wiederherstellen.
  Und Japan? Man müsste annehmen, dass die japanische Regierung energische  Schritte gegen die Hinmetzelung ihrer Rassenangehörigen unternommen habe. Weit  gefehlt! Der japanische Außenminister hat erklärt, dass das Einvernehmen  zwischen den beiden kapitalistischen Staaten niemals so herzlich gewesen sei  wie gerade jetzt. Aus dieser Erklärung geht deutlich hervor, dass die ganze  Rassenhetze nur vorgeschoben war, um neuen Raum für den Kapitalismus zu  gewinnen. Es geht nicht um die Hautfarbe. Es geht um den Profit
  Vorwärts - 9. November 1926
Ein trauriger Revolutionsfeiertag
Der achte Jahrestag der Revolution ist nicht geeignet, fröhliche Stimmung zu  erzeugen. Wir haben eine schwere Niederlage erlitten, und wir müssen uns über  ihre ganze Größe im klaren sein. Zu fest waren wir von unserer Sieghaftigkeit  überzeugt. Wir glaubten, dass uns überhaupt nichts missbilligen könne. Wohl ist  es richtig, dass wir auch früher alle Schwierigkeiten überwunden haben, aber  doch nur, weil wir sie in Rechnung setzten und zur richtigen Zeit alle  Anstrengungen machten, um diese Hindernisse zu überwinden. Diesmal sind wir  aber hineingeschliddert, ohne uns über die Größe der Gefahr im klaren zu sein.  Sträfliche Unterlassungssünden haben wir begangen. Die Berichte amerikanischer  Arbeiter über die Kriegsrüstungen wurden leider nicht ernst genommen. Waren wir  nicht auf allen Fronten im Vormarsch? War nicht unsere Überlegenheit über das  kapitalistische System so augenscheinlich, dass der endgültige Zusammenbruch  des Kapitalismus uns nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien? Wir sind zu  weit gegangen mit unseren großen Projekten. Die Tiefbohrungen und die  Wüstenbekämpfung haben ungeheure Summen von Kapital und Arbeit verschlungen.  Jetzt müssen wir einen Rückzug antreten.
  Der kommende Parteitag steht vor schweren Entscheidungen.
  Vorwärts - 11. November 1926
Der Kampf auf dem Parteitag
Noch tobt der Kampf. Aber aus dem Dickicht der verschiedenartigsten  Vorschläge heben sich schon die großen Richtlinien ab.
  Ein Teil der Mitglieder gruppiert sich um das so genannte  „Gemütlichkeitsmemorandum", wie die Denkschrift der rechten  Gewerkschaftler scherzhaft genannt wurde. Die Denkschrift schlägt vor, das industrielle  Entwicklungstempo zu verlangsamen, die Arbeitszeit weiter zu verkürzen und alle  Kraft auf die weitere Verbesserung der Lebenshaltung zu konzentrieren.
  Die Verfasser glauben, dass unsere Überlegenheit dadurch am deutlichsten  gezeigt werden kann, und dass wir auch der revolutionären Entwicklung in U.S.  A., Japan und Australien so am besten dienen. Nach einer gewissen Abrundung  unserer Produktion und nach langsamer Vollendung des afrikanischen Aufbaus — so  argumentieren sie — können wir ja dem Einzelmenschen alles bieten, wonach er  Verlangen trägt. Wozu brauchen wir immer neue Luftschiffe, Traktoren,  Flugzeuge, Schiffe, Eisenbahnen, Landstraßen, Automobile, Fabriken, Hütten und  Kraftwerke? Ist es das, was der Mensch vom Leben verlangt? Sehnt er sich nicht  vielmehr nach einem Leben in der Stille, unter grünen Bäumen, in ländlicher  Abgeschiedenheit? In schroffem Gegensatz zu diesen Anschauungen stehen die  Vertreter der zweiten Gruppe, denen das Entwicklungstempo immer noch zu langsam  ist. Diese Ultralinken sind bereit, den Anspruch der jetzt lebenden Generation  auf Glück und Ruhe völlig zu ignorieren. Sie wollen den Erdball restlos  industrialisieren, wollen immer neue, immer gewaltigere Giganten aus Stahl und  Beton auftürmen, wollen alle Menschen zu ihrem Schöpferdrang (oder  Schöpferwahnsinn?) bekehren.
  Zuerst prallten die Vertreter der beiden Anschauungen mit äußerster Heftigkeit  aufeinander. Langsam bildet sich jetzt eine dritte Richtung heraus, die einen  Mittelweg gehen will.
  Vorwärts - 16. November 1926
Beschlüsse des Parteitages
  Ausgleich zwischen den Extremen
Beschluss betreffend: die künftige Linie" 
  Das Tempo der Industrialisierung wird zunächst noch verschärft, um alle  schwebenden Projekte beschleunigt zum Abschluss zu bringen. Die Mittel für Tiefbohrungen  und Wüstenbekämpfung werden aber in den nächsten Jahren herabgesetzt. Sämtliche  Pläne der Föderationen werden umgearbeitet mit dem Ziel, die S. U. in Gebiete  von dreifacher Struktur einzuteilen:
  1. in Hauptindustrie- und Kulturzentren, die aufs höchste industrialisiert und  mit allen Annehmlichkeiten des Lebens versehen werden,
  2. in reine Wohngebiete, in denen nur diejenigen Arbeiten verrichtet werden,  die der unmittelbaren Versorgung dienen, und die vorwiegend ländlichen  Charakter tragen.
  3. in so genannte primitive Gebiete, aus denen alle Errungenschaften der  Technik verbannt sind (auch Automobile). Das Überfliegen dieser Gebiete ist  verboten. In diesen riesigen Menschennaturschutzparks sollen Pferde, Maultiere,  Yaks und Lamas die einzige Transporterleichterung darstellen. Bei  Abholzungsarbeiten in den Wäldern dürfen nur ausnahmsweise Traktoren verwandt  werden. Die Naturfreunde werden 11 Monate des Jahres in selbstgebauten  Blockhütten hausen und ihr „Paradies" nur während des industriellen Pflichtmonats  verlassen.
  Der Parteitag hat diesen Beschluss nach langen Debatten gefasst, in der  Zuversicht, dass damit ein Ausgleich geschaffen wird zwischen den Anhängern  höchster technischer Kultur und den Freunden der Parole „Zurück zur  Natur".
  In wenigen Jahren angestrengter Arbeit ist das gesteckte Ziel zu erreichen.
Beschluss betreffend: Australien. 
  Es werden vorläufig keine Versuche zur Wiedergewinnung des australischen  Festlandes unternommen. Eine offizielle Verzichterklärung wird auf keinen Fall  geleistet.
Beschluss betreffend: Einwanderung von Parteigenossen in die S.U.
  Mitglieder der Parteiorganisation in Australien und Amerika haben auf jeden  Fall im Lande zu bleiben; nur wenn zwingende Gründe dafür sprechen, darf die  lokale Parteiorganisation Auswanderung in die S. U. bewilligen.
  Vorwärts - 12. Dezember 1926
Amerikanischer 10 Milliarden-Auftrag
Die Kapitalisten wollen jetzt auch mit der Anlage von Erdwärmekraftanlagen beginnen, und zwar, um das uns geliehene Kapital zu verwerten, ohne den amerikanischen Markt zu schädigen. Die Erdwerk-A.-G. soll mit einem Kapital von 10 Milliarden Dollars ausgestattet und ähnlich der Amazonas-A.-G. organisiert werden. (Die Amazonas-A.-G., vor vier Jahren mit einem Kapital von 1 Milliarde Dollars gegründet, hat ihr Kapital inzwischen viermal verdoppelt und beutet jetzt alle Energie- und Rohstoffquellen im riesigen Amazonasgebiet aus. Sie wurde zu dem Zweck gegründet, alle überschüssigen Kapitalmengen aufzusaugen und damit die bis Ende 1923 enorm gestiegene amerikanische Produktionskapazität auch nach Verlust der außeramerikanischen Expansionsmöglichkeiten restlos auszunutzen und weiter zu erhöhen. Das ist, von kleineren Reibungen abgesehen, geglückt. Die Amazonas-A.-G. verleihe zuletzt 12 % Dividende. Die Aktien werden in Wall Street mit 233 notiert. Das Nominalkapital von 16 Milliarden wird also an der Börse mit 37280000000 Dollars bewertet.) Die erste Erdwärmeanlage soll südlich Antofagasta an der Westküste Südamerikas angelegt werden. Ganz nahe der Küste ist hier ein Meerestief von 7625 m vorhanden. Ein Zementschacht von 5o m Durchmesser soll auf den Meeresgrund herabgesetzt werden, wo dann die eigentliche Bohrung beginnt. Zwei kilometerbreite Pontonbrücken stoßen von der Küste aus ins Meer vor. Sie sollen als Wellenbrecher dienen und zugleich die schwimmenden Fabriken tragen. Die Zementfabriken sollen zuerst täglich 2 m und später 10 m Schachtrand produzieren. Täglich wird sich also der Riesenschacht 10 m tiefer ins Meer hineinsenken. Die Bohrkrone, die sich in zweieinhalb Jahren in den Meeresboden einwühlen wird, besteht aus Stellit, Nirostastahl und Edelmetallen und ist mit Diamanten besetzt. Der zunächst schwimmende Schacht ist 20 m über der Sohle abgedichtet. Bis zur Tiefe von 2000 m ist das Gewicht der Tunnelwand stärker als das des verdrängten Wassers. In dieser Zeit muss der Schacht teilweise von den Riesenpontons getragen werden. Dann tritt ein Ausgleich ein, und später muss der Schacht zur Herstellung des Ausgleichs belastet werden. In 7625 m Tiefe beginnen dann die eigentlichen Bohrungen. Es ist also gleich von Beginn der Bohrung an mit einem erheblichen Nutzeffekt zu rechnen. Der amerikanische Kapitalismus hofft mit dieser gigantischen Unternehmung das Gespenst der Krise zu bannen.
Drolliges Zwischenspiel im Zentralwirtschaftsrat
  Eine Abordnung von Berliner Jungpionieren verlangte gestern die völlige  Kommunisierung der Süd- und Tropenfrüchte, vor allem der Kokosnüsse. Die  Sprecher der Abordnung betonten, dass die Berliner Jungpioniere und Jungfalken  dem Genuss aller unnatürlichen und gesundheitsschädlichen Süßigkeiten — mit  Ausnahme von Schokolade — abgeschworen haben und Vorkämpfer des reinen  Kommunismus seien. Die Selbstdisziplin sei bei ihnen so entwickelt, dass  überhaupt keine Missbräuche mehr vorkommen. Da aber viele Südfrüchte und vor  allem die sehr begehrten Kokosnüsse nur gegen Geld abgegeben werden (wenn auch  zu sehr niedrigen Preisen), sei hier eine Lücke im jugendkommunistischen System  vorhanden, die sofort geschlossen werden müsse. Die Delegierten waren  schließlich der Belehrung zugänglich, dass nur solche Nahrungs- und  Genussmittel kommunisiert werden können, die im Überfluss vorhanden sind oder  erzeugt werden können, wie Bananen, Apfelsinen usw.
  Vorwärts - 12. Februar 1927
Es wird Licht im „dunklen Erdteil"
Der Traum August Bebels ist verwirklicht und übertroffen worden: wir haben  die Landwirtschaft der ganzen Äquatorprovinz fast restlos elektrifiziert. Die  Getreidefabrik „Bebel" bearbeitet jetzt schon über 1 Million Hektar und  entspricht fast vollkommen dem Zukunftsbild, das August Bebel in seinem Buche  „Die Frau und der Sozialismus" entworfen hat. Die Elektrizitätsmengen des  unteren Kongo gestatteten es uns, die menschliche Arbeitskraft im eigentlichen  Produktionsprozess fast ganz auszuschalten. Die elektrischen  Bodenbearbeitungs-, Sä- und Erntemaschinen sind völlig automatisiert. In  Abständen von je 1000 m durchziehen Schienen und stationäre elektrische  Leitungen das Land. Ohne menschliche Bedienung pendeln zwischen diesen  Leitungen die elektrischen Maschinen hin und her. unaufhörlich, Tag und Nacht.  Die 1000 PS Bodenbearbeitungsmaschinen mit einer Arbeitsbreite von 4 m legen  diesen Weg 25 mal in der Stunde zurück. Sie fräsen, eggen, säen und versehen  den Boden mit Dungstoffen und Bakterien. Am Endpunkt angelangt, werden sie von  der Bedienungsmaschine automatisch geladen und gewendet, um ihren Weg  fortzusetzen. In der zehntägigen Aussaatkampagne legen sie 6000 km zurück und  bearbeiten 2400 ha. Je zwei Saatmaschinen werden auf dem Hauptverbindungsstrang  von einer Hilfsmaschine bedient, die mit zwei Mann besetzt ist. Das Auffüllen  und Wenden geschieht automatisch. Die Bemannung der Hilfsmaschine hat lediglich  zu prüfen, ob die Saatmaschine noch in Ordnung ist. Kleine Reparaturen und  Materialauswechselungen können von der Mannschaft selbst vorgenommen werden.  Jede Hilfsmaschine steht aber in telephonischer Verbindung mit der nächsten  Werkstatt und kann sofort das Reparaturschnellauto oder eine neue Maschine  herbeirufen.
  Die 2000 PS - Erntemaschinen mähen und dreschen das Getreide und schälen den  Boden. Das Stroh wird sofort zerkleinert, im Säurekessel aufgeweicht und als  Dungstoff ausgestreut. Die Körner werden am Endpunkt in Einheitsbehälter  entleert.
  Die Getreidefabrik „Bebel" erntet zweimal im Jahr. Die vorjährigen  Versuche einer dreimaligen Ernte unter Anwendung elektrischer Bestrahlung haben  noch kein befriedigendes Resultat gebracht. Günstigere Ergebnisse zeitigten die  Versuche mit Saatgutvorbereitung und Getreidepflanzung. Das tropische  Zentrallandwirtschaftsinstitut hofft, dass es durch Vervollkommnung dieser  Methoden möglich wird, zur fortlaufenden Bestellung überzugehen, so dass die  technischen Einrichtungen das ganze Jahr hindurch voll ausgenutzt werden  können. Die Maschinen werden alle 10 Tage herausgezogen und überholt. Alle  Maschinenteile, die irgendwie schadhaft sind, werden ausgewechselt und  verschrottet. Einige besonders stark in Anspruch genommene Teile verfallen ohne  Rücksicht auf ihren Zustand der Einschmelzung. Die Erntemaschinen wechseln alle  Stunden automatisch die Messer aus. Bei den neuesten Maschinen werden immer  mehr Teile aus Leichtmetall verwandt.
  Die große Aluminiumfabrik in Kamerun deckt jetzt bereits den gesamten  afrikanischen Bedarf. Die Lage dieser Fabrik ist in jeder Beziehung ideal.  Gewaltige, günstig gelegene Bauxitvorkommen, starke Wasserkräfte, gute  Verkehrswege, Lage mitten im Verbrauchs- und Weiterverarbeitungsgebiet.
  Eine Erweiterung des Eisenbahnnetzes soll nach Vollendung der noch im Bau  befindlichen Linien nicht mehr vorgenommen werden. Das jetzige Netz genügt  völlig den höchsten Anforderungen. Das Wasserstraßennetz ist jedoch infolge  unvorhergesehener Schwierigkeiten noch nicht so weit ausgebaut wie im Plan  vorgesehen. Der Kongo ist ab 1. Mai in seinem ganzen Laufe schiffbar. Die  Verbindung zum Tanganjikasee ist kanalisiert. Die Schiffstrockenverbindung mit  dem Sambesi wird dagegen erst Ende dieses Jahres fertig gestellt. Das Kraft-  und Hebewerk an den Viktoriafällen ist eröffnet. Die Energie kann jedoch erst  zu einem kleinen Teil ausgenützt werden. Der Aufbau der oberen  Sambesi-Industrie hat sich stark verzögert, da die Schwierigkeiten an den  Kebrabasafällen im Mittellauf des Sambesi immer noch nicht behoben sind. Der  Ausbau der Kebrabasawerke hat schon jetzt 40% mehr Zement verschlungen als der  Plan vorsieht. Die Arbeiten im Verbindungsgebiet des Njassasees mit dem unteren  Sambesi wurden 6 Wochen vor dem im Plan festgesetzten Zeitpunkt beendet, die  Trockenverbindung für 1000-t-Einheitsschiffe zwischen Njassa- und Tanffaniikasee  wird aber nicht vor Ende nächsten Jahres fertig. Die Stauwerke zwischen Kiwu -  und Tanganjikasee beginnen dagegen schon am 1. April mit der  Elektrizitätserzeugung. Der Schiffsverkehr wird am 1. Mai aufgenommen. Die  Verbindung des Tanganjika- mit dem Viktoriasee wird Anfang 1928 fertig. Der  östliche Großschifffahrtsweg ist jetzt auf der ganzen Strecke  Viktoriasee—Alexandria zum größten Teil ausgebaut. Auf der Strecke  Viktoria—Kioga—Albertsee sind noch zwei Staustufen, zwei Schleusen und drei  Elektrizitätswerke im Bau. Zwischen Faschoda und dem Albertsee müssen wir noch  100 km Flusslauf kanalisieren. In einem Jahre können die ersten Flussschiffe  von der Mündung des Kongo und des Sambesi bis zur Mündung des Nils fahren. Und  Ende nächsten Jahres, am Tage der Weltrevolution, wird der kürzere  Nord-Südverbindungsweg eingeweiht. Afrika, noch vor kurzem der  zurückgebliebenste Erdteil, wird die modernste Wirtschaftsprovinz der S. U.  Afrika ist schon jetzt das Land der Elektrizität. Aus dem dunklen Erdteil wurde  der hellste Erdteil. Es arbeiten dort zur Zeit außer der eingeborenen  Bevölkerung 16 Millionen Europäer, 15 Millionen Inder, 8 Millionen Chinesen,  600 000 weiße und über 4 Millionen schwarze Einwanderer aus Nordamerika,  1125000 Einwanderer aus Mittel- und Südamerika und 60000 japanische  Einwanderer, ferner eine Million Arbeiter aus Java, Borneo, Celebes, Sumatra  und den anderen Südseeinseln.
  Vorwärts - 8. März 1927
Erdbeben in Japan
Japan ist wieder einmal von einem außergewöhnlich heftigen Erdbeben heimgesucht worden. Am schwersten wurden die Bezirke Yosa, Naka, Takano und Kumanobetroffen. Nach den vorliegenden Meldungen sollen ungefähr 3000 Menschen tot und 15000 Gebäude zerstört sein. Die Leidtragenden sind zum größten Teil Proletarier, vor allem in der Provinz Tango, dem Hauptsitz der japanischen Seidenindustrie. Unbekümmert darum, dass in Japan immer noch der Kapitalismus besteht, werden wir auch diesmal wieder unsere proletarische Solidarität bekunden und in noch viel erheblicherem Umfange als 1923 unseren bedrängten Klassengenossen Hilfe leisten. Auf die erste Kunde vom Erdbeben haben sich sofort in allen größeren Städten Hilfskomitees gebildet. Aus China sind bereits 100 Flugzeuge mit Ärzten, Helfern, Medikamenten und Nahrungsmitteln abgeflogen. Sibirien, Annam und Indien rüsten je drei, China fünf Hilfsschiffe aus. Heute werden weitere 1000 Großflugzeuge und 10 Luftschiffe Kurs auf Japan nehmen.
  Vorwärts - 12. März 1927
Unruhen im Erdbebengebiet
Nach einem drahtlosen Bericht unseres Luftschiffes „Weitling" sind im  Erdbebengebiet Unruhen ausgebrochen. Die japanischen Militärbehörden haben zwar  nicht gewagt, die Hilfeleistung unserer Luftformationen zurückzuweisen. Sie  versuchten jedoch, die Bevölkerung von unseren Helfern zu isolieren, um sie vor  der „Vergiftung" mit sozialistischen Ideen zu bewahren. Die japanischen  Proletarier in Tango zerrissen die Sperrketten des Militärs und verbrüderten  sich mit unseren Helfern. Der größte Teil der Soldaten stellte sich auf die  Seite der Bevölkerung. Ein Selbsthilfekomitee hat die Verteilung der  Lebensmittel, die Leitung der Rettungsarbeiten und die Aufstellung einer  proletarischen Polizei übernommen.
  Der Flug-, Sport- und Wehrverband hat beschlossen, weitere 20 Luftschiffe und  10000 Flugzeuge zur Hilfeleistung abzusenden. Von drei Punkten des asiatischen  Festlandes aus wird ein ständiger Flugverkehr mit dem Zentrum des  Erdbebengebietes aufgenommen. Alle freiwilligen Flugplatzmannschaften stehen in  Alarmbereitschaft. Der Flugverkehr auf den Linien Berlin—Wladiwostok,  Rom-Shanghai und Madagaskar—Kalkutta—Kanton wird verdoppelt. Alle  Reserveflugzeuge werden in Dienst gestellt.
  Vorwärts - 17. März 1927
Japan untersagt die Landung weiterer Hilfsschiffe
Die japanische Arbeiterschaft droht mit Generalstreik, wenn das Verbot der Landung von Hilfskräften nicht zurückgezogen wird. Die Hilfsmaßnahmen der Regierung selbst versagen völlig, während die Truppen überall mit größter Rücksichtslosigkeit gegen die verzweifelten Massen der Streikenden und Obdachlosen vorgehen. In ganz Japan wird zur Bildung von Arbeiterwehren aufgerufen. Der Flug-, Sport- und Wehrverband dirigiert weitere 15000 Flugzeuge nach Ostasien.
  Vorwärts - 20. März 1927
Generalstreik in Japan
Unruhen in Yokohama. Der Aufstand breitet sich aus. Drei Regimenter gehen zu den Auf ständischen über. Unsere Hilfsmannschaften werden stürmisch begrüßt. Amerika interveniert wegen unsrer angeblich politischen Hilfeleistung. Der Flug-, Sport- und Wehrverband der S.U. beschloss heute Verdoppelung seiner Flugzeugproduktion und eine Umlage von 10 Mark pro Mitglied.
Vorwärts - 24. März 1927
Revolution in Japan!
Fast die Hälfte Japans ist schon in der Gewalt der Revolutionäre. Auch auf  den kleineren Inseln sind Aufstände ausgebrochen. Stündlich treffen neue rote  Luftstreitkräfte ein. Eine regelmäßige Schiffsverbindung mit dem asiatischen  Festland ist hergestellt. Unsere Hilfsmannschaften haben Befehl erhalten, sich  am Kampf zu beteiligen. Die größten Schiffseinheiten der japanischen Flotte  sind in der Gewalt der Revolutionäre. Vor Nagasaki sind zwei amerikanische  leichte Kreuzer, die sich am Kampf gegen die Revolution beteiligen wollten, von  einem japanischen Geschwader in den Grund gebohrt worden. Ohne das Eingreifen  der Amerikaner hätte dieser Kampf wahrscheinlich mit der Niederlage der  Aufständischen geendet. Die Amerikaner wollten die Stadt vollständig in Brand  schießen. Dadurch wurde die Erinnerung an die amerikanischen Grausamkeiten in  Australien unter den japanischen Mannschaften wachgerufen. Die roten Matrosen  gewannen unter diesen Umständen fast kampflos das Übergewicht auf den Schiffen.  Ein Teil der Offiziere beteiligte sich sogar am Kampf gegen die Amerikaner.
  Auf Anordnung des revolutionären Kriegskomitees soll die Flotte nach Übernahme  der Macht sofort für den Kampf gegen die australische Amerikaflotte mobilisiert  werden. Wenn Amerika jetzt in den Krieg eingreift, dann ist das Schicksal der  amerikanischen Flotte in Australien entschieden. Zusammen mit unseren sonstigen  Streitkräften besitzt die japanische Flotte ein solches Übergewicht, dass am  Ausgang des Kampfes kein Zweifel bestehen kann. Die Entsendung von  amerikanischer Verstärkung käme in diesem Falle bestimmt zu spät.
  Vorwärts - 25. März 1927
Die Lage in Australien
  Geheimfunkspruch
Die Stimmung in der Bevölkerung wird für Amerika immer gefährlicher, obwohl  man versucht, die neue Knechtschaft durch außerordentlich hohe Löhne  schmackhaft zu machen. Bezeichnenderweise legen die neuen Behörden den Auswanderern  arischer Rasse keinerlei Schwierigkeiten in den Weg. Bisher sind mehr als  600000 weiße Arbeiter ausgewandert.
  Fast zwei Millionen weitere Auswanderungsgesuche sind eingereicht und  anstandslos genehmigt worden. Es fehlt jedoch an Transportmöglichkeiten. Die  Arbeiter gelber und schwarzer Rasse sind dagegen durch die brutale  Unterdrückung so eingeschüchtert, dass sie es nicht wagen, Auswanderungsgesuche  zu stellen. Man versucht mit allen Mitteln, die „Farbigen" als billige und  willfährige Ausbeutungsobjekte im Lande zu behalten. Durch die amerikanische  Herrschaft wird also genau das Gegenteil von dem eintreten, was vorher als Ziel  des Eingreifens angegeben wurde. Alle Auswandererberichte stimmen darin  überein, dass die einheimische australische Arbeiterschaft so gut wie überhaupt  nicht an den Rassenkämpfen teilgenommen hat. Die Amerikaner mussten bereits  seit längerer Zeit planmäßig Konterrevolutionäre nach Australien geschickt  haben, In der ersten Zeit nach der Überrumpelung, als alle sozialistischen  Depots planmäßig geplündert wurden, ließen sich leider auch einige Australier  von dem kapitalistischen Fieber anstecken. Aber der Rausch verflog schnell.  Allzu rasch tauchten die Aasgeier auf. Amerikanische Schieber und Spekulanten  kauften von der neuen Regierung Häuser, Fabriken und Terrain zu Spottpreisen.  Die amerikanischen Banken schickten ihre Agenten. Eine Neugründung, die  Amerikanisch-Australische Bank, riss für wenige Millionen ungeheure Ländereien  an sich. Bald begannen die Preise zu steigen. Über Nacht wurden Millionen  gewonnen. In diesem Stadium wurden auch viele frühere Sozialisten vom  Goldfieber ergriffen. Aber der Katzenjammer folgte. Die neuen Hausbesitzer, die  unsere wunderbaren Wohnpaläste für ein Spottgeld gekauft hatten, forderten horrende  Mieten. Langsam wurde eine kapitalistische Errungenschaft nach der anderen  wieder eingeführt. Eine ungeheure Wut hat sich der Bevölkerung bemächtigt, die  zusehen muss, wie all unsere Werte für ein Spottgeld verramscht und  Spekulationsobjekte in der Hand von Börsenjobbern wurden.
  Die Partei ist aber außerstande, diese Verbitterung zu organisieren. Der offene  Terror hat zwar dank dem Druck der S.U. aufgehört; aber wie die Gerichte mit  unsern Genossen verfahren, — das ist nichts anderes als kalter Terror. Die  Ereignisse in Japan lieferten den Vorwand zu erneuten Massenverhaftungen und  -erschießungen revolutionärer Japaner wegen angeblicher Spionage.
  Vorwärts - 28. März 1927
Japan: Räterepublik!
  Amerika fordert Nichteinmischung
Japan ist mit dem heutigen Tage ein Teil der Sozialistischen Union geworden.  Der Zentralrat wird der amerikanischen Regierung mitteilen, dass die Gesetze  der Sozialistischen Union von heute nacht 24 Uhr ab in vollem Umfange auch in  Japan gelten und dass jeder amerikanische Versuch zur Wiederherstellung der  Unterdrückungsherrschaft in Japan den Krieg bedeutet.
  Der Flug-, Sport- und Wehrverband hat der neugegründeten japanischen  Schwesterorganisation 10000 Flugzeuge geschenkt und wird sofort 10000 Mann  Ausbildungspersonal in Japan stationieren. Bis zum Ausbau der japanischen Roten  Armee wird ein internationales sozialistisches Hilfskorps in Stärke von 100000  Mann in Japan stationiert. Der F.S.W. verpflichtet alle seine Mitglieder zur  Zahlung einer besonderen Verteidigungsabgabe von 3 Mark pro Monat und  beabsichtigt die Auflegung einer Verteidigungsanleihe.
  Die Ausarbeitung eines japanischen Wirtschaftsplans wird sofort in Angriff  genommen. Die Emigrantenplankommission der S. U., die auch die japanischen  Wirtschaftsverhältnisse studierte, hat bereits wertvollste Vorarbeit in dieser  Richtung geleistet. Sie hat eine große Zahl von Mitarbeitern in die japanische  Plankommission delegiert. Den Ehrenvorsitz übernahm Katayama.
  Die Belegschaft der Junkerswerke in Dessau hat beschlossen, bis zum 1. Juni  weiterhin unbezahlte Überstunden zu leisten. Am 1. Mai soll das  hunderttausendste Flugzeug in Dessau fertig gestellt werden, das zugleich das  millionste Flugzeug des Flug-, Sport- und Wehrverbandes sein wird. Ende dieses  Jahres wird auf je 1000 Einwohner der S.U. ein Flugzeug kommen.
  Vorwärts - 11. April 1927
Arbeitsfieber
Alle größeren Betriebe ahmen das Beispiel der Junkerswerke nach und  verschärfen das Produktionstempo durch unbezahlte Überstunden und Feiertage.  Die Kruppwerke wollen bis zum 1.Mai den zweimillionsten Traktor fertig stellen,  die Lenin-Luxemburg-Werke die dreißigtausendste Lokomotive. Überall wird das  Tempo beschleunigt. Der Sechsstundentag und die Viertagewoche sind an vielen  Orten schon zur Ausnahme geworden und bilden nur noch in den Tropen die Regel,  obwohl dort eigentlich die Dreitagearbeitswoche vorgeschrieben ist. Dieser  Arbeitsbereitschaft und diesem Opferwillen ist es vor allen Dingen  zuzuschreiben, wenn Amerika jetzt plötzlich ganz still geworden ist und sich  mit dem Umsturz in Japan abfindet. Wir haben die amerikanischen Kriegsdrohungen  nicht für ernst genommen, wir begrüßen aber den Enthusiasmus der breiten  Massen, die sehr wohl begreifen, dass in der Steigerung unserer Produktivkraft  die beste Gewähr für den Endsieg des Sozialismus liegt. Die Tatsache, dass in  zwei Erdteilen noch der Kapitalismus besteht, zwingt uns, unsere  Produktivkräfte immer weiter zu steigern, obwohl wir nach rein sozialistischen  Gesichtspunkten schon längst innehalten und ganz bequem mit der halben Arbeitszeit  auskommen könnten. Unsere Produktivkraft ist pro Kopf der Bevölkerung jetzt  schon fast doppelt so groß wie die amerikanische. Unsere Vorräte wachsen immer  mehr. Ein immer größerer Teil unserer Arbeit dient der Vermehrung unserer  Produktivkräfte. Wenn wir mit der gleichen Intensität weiterarbeiten, wird  unsere Produktivkraft am Ende des Wirtschaftskrieges der amerikanischen um das  Dreifache überlegen sein. Unsere Vorräte werden sich zu Bergen häufen, die wir  in Jahren nicht verbrauchen können.
  Unsere industrielle Produktion (mit Ausnahme des Verkehrswesens und der  Elektrizitätserzeugung) könnte lange stilliegen, ohne dass irgendwo ein Mangel  einträte. Weshalb arbeiten wir trotzdem in diesem rasenden Tempo weiter? Weil  wir nicht ruhen und rasten dürfen, solange nicht das kapitalistische System  zusammengebrochen ist! Auch die Amerikaner häufen Vorräte an und erweitern ihre  Produktivkräfte immer mehr. Aber sie sind außerstande, uns nahe zu kommen,  geschweige denn uns einzuholen. Alle Waren sind drüben mit Grundrente, Zins,  Profit, Reklame- und Zirkulationsunkosten belastet. Wenn die kapitalistische  Wirtschaft auch noch niemals und in keinem Lande so geblüht hat wie jetzt in  Amerika, so findet doch ständig eine wahnsinnige Kapitalvernichtung durch  Konkurrenz, Konkurse usw. statt. Und das alles in Zeiten der Hochkonjunktur!  Was wird geschehen, wenn die unvermeidliche Krise eintritt?
  Vorwärts - 1. November 1927
Erfreuliche Zahlen
Bald wird in Europa die letzte Wohnung, die den Mindestansprüchen nicht  genügt, von den bisherigen Inhabern geräumt sein. Ein schlechtes Erbe des  kapitalistischen Systems ist dann endgültig liquidiert. Zehn weitere  Bauregimenter treten am 9. November die Reise nach Asien an. In Europa wird  jetzt alle Kraft auf den Bau neuer Halbwochenheime, Ferienheime und Kurhäuser  konzentriert. Nach Beendigung des Wirtschaftskrieges soll der Mindesturlaub  zwei Monate, der Höchsturlaub (bei Anrechnung von Anleiherückzahlung) sechs  Monate betragen. Wenn die Zahl der Ferienheime bis dahin nicht ganz gewaltig  vermehrt ist, werden bürokratische Scherereien und gelegentliche Überfüllung  kaum zu vermeiden sein.
  Das europäische Straßennetz soll im kommenden Jahr um 14000 km verlängert  werden.
  Endlich beginnt auch die Massenfabrikation von Kleinautomobilen. Im nächsten  Jahre sollen erstmalig
  1 Million Sechssitzer,
  2 Millionen Viersitzer und
  4 Millionen Zweisitzer hergestellt werden. Der Preis beträgt voraussichtlich  1000, 800 und 600 Mark. Der Kauf eines Privatautos ist zunächst nur denjenigen  Arbeitern gestattet, die noch für mehr als 1000 Mark selbstgezeichnete  Anleihepapiere besitzen.
  Die Überholung und Reparatur von Kleinautos in sozialistischen Werkstätten wird  kommunisiert. Für Benzin und Öl sind jedoch die Gestehungskosten zu zahlen. Die  Personenbeförderung auf allen Eisenbahnstrecken bis zu 100 km wird ab 1. Januar  kommunisiert. Der Flug-, Sport- und Wehrverband hat beschlossen, die  Verteidigungsabgabe so lange beizubehalten, bis ein Stand von 700 Luftschiffen,  1500000 Flugzeugen und 1800000 Großkraftwagen erreicht ist. Der F.S.W. zählt  jetzt in der ganzen S.U. (einschließlich Japan) 432 Millionen Mitglieder.
  Vorwärts - 9. November 1927
Katanga
  Das Herz der Welt
Millionen deutscher Arbeiter feiern den neunten Jahrestag der deutschen  Revolution im Zentrum Afrikas. Die deutschen Stoßbrigaden und Stoßdivisionen  haben im Kongogebiet und vor allem in der Provinz Katanga einen großen Sieg  errungen. Katanga, das industrielle Herz der Welt, ist beinahe völlig  ausgebaut. Fast alle bedeutenden Eisenbahnlinien Afrikas stoßen in dieser  wichtigsten Wirtschaftsprovinz zusammen. Durch die Vollendung des Bahnbaus  Grootfontein—Livingstone ist Katanga auch mit der Walfischbai verbunden. Die  Zentralbahn Kapstadt—Livingstone—Stanleyville—Tripolis verbindet Katanga auf  der kürzesten Linie (300 km kürzer als die Nillinie) mit dem Mittelmeer. Die  zweite Kontinentalquerverbindung nach der Lobitobay ist seit dem 1. Oktober in  Betrieb. Auf der Linie Kongomündung—Albertville am Tanganjikasee sind nur noch  300 km auszubauen, dann ist auch die dritte Transkontinentalbahn fertig  gestellt. Die Arbeiten an der Strecke Duala—Jaunde— Bangui—Shambe—Addis Abbeba  schreiten gut vorwärts. Bangui wird außerdem durch Anschluss an die Strecke  Stanleyville—Mahagi—Pt. Florence—Mombas mit dem Indischen Ozean verbunden.  Mahagi erhält eine direkte Eisenbahnverbindung mit Addis Abbeba. Die Nigerbahn  trifft sich am Tsadsee mit der Lagosbahn. Der Verkehr auf der Strecke  Tsadsee—El Obeid—Khartum—Ft. Sudan wird am 1. Mai aufgenommen. Von diesem Tage  an sind alle wichtigen Punkte Afrikas vom zentralafrikanischen Bahnhof Katanga  aus ohne Umsteigen zu erreichen. Viel wichtiger für die Entwicklung unseres  Weltkraftzentrums ist jedoch die Vollendung der drei großen Wasserwege  Sambesi—Kongo—Nil und ihrer Verbindungen. Jetzt erst kann sich die Industrie in  Katanga richtig entfalten: dort werden heute die vier größten Werke der Welt  eingeweiht; in Elisabethville eine Kupferschmelze und an den drei großen  Staustufen oberhalb Bakama eine elektrotechnische, eine Stellitfabrik und eine  Fabrik zur Herstellung elektrischer Traktoren. Damit werden selbst die  Riesenbetriebe des unteren Kongo in den Schatten gestellt. Am 1. Mai wird  jedoch der untere Kongo den Rekord zurückerobern. An diesem Tage wird die große  Luftstickstoffabrik eingeweiht, in der 10 Millionen Pferdestärken aus den  Wasserkräften des unteren Kongo verwertet werden. Katanga hat jetzt die  amerikanische Kupferproduktion übertroffen. Im nächsten Jahre wird die  Kupfererzeugung 1 Million Tonnen erreichen. Fast drei Viertel der gesamten  Produktion werden in Afrika selbst verwertet. Mehr als 100000 t erreichen über  Tanganjikasee—Viktoriasee—Nil das Mittelländische und Schwarze Meer. Die  Kupferproduktion Katangas wird aber bald von der Stellitfabrikation in den  Schatten gestellt werden. Leichtmetalle und Stellit verdrängen das Eisen immer  mehr aus der afrikanischen Wirtschaft. Durch den Ausbau des  Wasserverkehrssystems werden die gewaltigen Kobaltlager Katangas mit den  Molybdänfundstellen verbunden. Die Hauptgrundlage der Stellitproduktion bilden  jedoch die reichen Chromschätze Rhodesiens. Rhodesiens Anteil an der  Weltproduktion von Chromerzen betrug schon im Jahre 1924 70%. Seitdem ist die  Produktion von 175000 auf 425000 t gesteigert worden. In zwei Jahren soll die  Million erreicht sein. Noch niemals waren für eine neue Produktion so gute  Bedingungen vorhanden wie für die Stelliterzeugung und Verwertung in  Zentralafrika. Gewaltige Energiemengen, riesige Kobalt- und Chromlager, dazu  noch Kohle in geringer Entfernung und verbunden durch billige Transportwege.  Und ein fast unbegrenztes Absatzgebiet in nächster Nähe. In der ersten Zeit  unseres afrikanischen Aufbaus haben wir große Materialverluste erlitten, da  viele Maschinen und Maschinenteile aus gewöhnlichem Eisen oder Stahl hergestellt  waren und unter der Einwirkung des tropischen Klimas rasch verwitterten. Die  europäische Produktion von Nirostastahl konnte nur etwa die Hälfte des rasch  wachsenden afrikanischen Bedarfs decken. Dieser Sorge sind wir nun enthoben.  Stellit ist dem Nirostastahl mindestens ebenbürtig. Infolge des  Zusammentreffens aller günstigen Produktionsfaktoren sind jedoch unsere  Gestehungskosten für Stellit in Zentralafrika nur halb so hoch wie für Nirosta  in Europa. Dazu kommt noch die Transportersparnis. Die Diamantenförderung ist  in Katanga um 300%, in Süd- und Südwestafrika um 200% gestiegen. Die  Gestehungskosten sind auf 15% gegenüber 1913 gesenkt worden, so dass wir jetzt  zur industriellen Diamantverwertung in großem Maße übergehen können. Auch hier  fallen Förderungs-, Verarbeitungs- und Verwertungsgebiete fast zusammen.
  Ein halbes Pfund Radium ist bisher in Katanga gewonnen worden. Der Preis für  ein Gramm Radium betrug vor dem Kriege 630000 Mark. Wir haben die  Gestehungskosten jetzt auf 60000 Mark, also auf weniger als ein Zehntel des  früheren Verkaufspreises herabgedrückt. Die Uranlagerstätten Katangas sind  allerdings viel günstiger gelegen und viel reichhaltiger als die  amerikanischen. Die große Senkung der Gestehungskosten ist jedoch auch zu einem  nicht geringen Teile auf unsere überlegenen Methoden der Gewinnung  zurückzuführen.
  Die Zinnproduktion Katangas ist in diesem Wirtschaftsjahr um weitere 100%  gestiegen und soll in den nächsten Jahren noch weiter erhöht werden. Die  Ausbeutung der großen Gold- und Silberfundstätten wird erst in Angriff  genommen, wenn (nach Fertigstellung der großen Stauwerke) an den Nebenflüssen  überschüssige Energie vorhanden ist.
  Die afrikanischen Eisenbahnen sind bereits restlos elektrifiziert. Die  Eisenbahn spielt in Afrika eine viel größere, das Auto dagegen eine geringere  Rolle als beispielsweise in Nordsibirien und in der Mandschurei. Der Elektrobus  ist dagegen viel stärker verbreitet als in anderen Teilen der S. U. Maßgebend  für diese Entwicklung waren zwei Gründe: die volle Ausnutzung der gewaltigen  Energiemengen sowie die Frage der Bequemlichkeit und Hitzebekämpfung. Im  tropischen Afrika ist das Autofahren kein ungetrübter Genus. Unsere Eisenbahnen  und Elektrobusse sind dagegen mit allem Komfort ausgestattet, fast wärmedicht  und mit Kühlanlagen versehen.
  Die Kanalverbindung Senegal—Niger, die nach dem Generalkriegsplan schon am 1.  Juli d. J. hätte fertig sein müssen, ist immer noch nicht hergestellt, weil die  neuen nordwestafrikanischen Bewässerungspläne es nötig machten, den  Wasserspiegel der Stauseen am oberen Niger und Bakoy um durchschnittlich  30—70m, in einem Falle sogar um 100 m höherzulegen, als ursprünglich  vorgesehen. Obwohl die Weitzementproduktion auch in diesem Jahre wieder um 30%  gestiegen ist, konnten für diesen Abschnitt nur ungefähr 10% mehr geliefert  werden, denn der Ausbau des wichtigeren zentralafrikanischen Gebiets verschlang  riesige Mengen Zement und Beton. Aus demselben Grunde wurden auch die  angefangenen Arbeiten an dem Verbindungskanal und der Seenplatte südlich  Timbuktu unterbrochen. Die Arbeiten sollen erst nach Ablauf des  Wirtschaftskrieges wieder aufgenommen werden. Dieser Kanal, der bei Monti in  den oberen Niger einmündet, wird dies Gebiet auf dem kürzesten Wege mit dem  Ozean verbinden. Das bedeutet eine Ersparnis von vielen hundert Kilometern  Wassertransportweg. Trotz der großen wirtschaftlichen Bedeutung dieses  Projektes müssen wir es, vor allem wegen Zementmangels, zurückstellen. Die  Kanalisierung der Verbindung Benue— Tschadsee ist dagegen fast drei Monate  früher beendet worden, als im Plan vorgesehen. Auf dieser Strecke haben nicht  weniger als acht Stoßbrigaden verschiedener ehemaliger „Nationen"  miteinander im sozialistischen Wettbewerb gestanden. Dieser Wettstreit ist ein  Symbol für den sozialistischen Wirtschaftskrieg. Dieselben Menschen, die sich  auf Befehl ihrer kapitalistischen Herren vor zehn Jahren gegenseitig umbringen  sollten, wetteifern jetzt mit friedlichen Mitteln und fördern dadurch den  sozialistischen Aufbau.
  Vorwärts - 4. August 1928
Amerikanische Zumutungen
Der amerikanische Außenminister übergab dem Botschafter der S. U. in  Washington gestern zwei Noten. In der ersten wird nicht mehr und nicht weniger  als ein Auflösungsbefehl der Internationale an ihre illegalen Sektionen in den  Vereinigten Staaten gefordert. Die zweite Note beschäftigt sich mit den  amerikanischen Plankomitees. Diese aus „ehemals in den Vereinigten Staaten  ansässigen Elementen" gebildeten Komitees seien der eigentliche Kopf jener  staatsfeindlichen „anarchistischen" (!) Sektionen der Internationale, die  den „amerikanischen Wirtschaftsfrieden unterwühlen und insgeheim den  bewaffneten Umsturz organisieren".
  Die amerikanische Regierung verlangt Verbot und Auflösung dieser Plankomitees.
  Unser Botschafter gab sofort die Erklärung ab, dass er es ablehne, die Note  betr. die illegalen Sektionen der Internationale weiterzuleiten, da die  Internationale keine Einrichtung der S.U. sei.
  Mit der zweiten Note wird sich der Zentralrat der S.U. in seiner nächsten  Plenarsitzung beschäftigen.
  Vorwärts - 12. August 1928
Unsere Antwort an Amerika
Amerikas Forderung, die amerikanischen Plankomitees aufzulösen, wurde  abgelehnt.
  Die Antwortnote betont, dass alle Mitglieder der amerikanischen Wirtschaftsräte  in unserem Bundesgebiet ebenso arbeiten wie alle anderen Werktätigen. Sie  beschäftigen sich in ihrer Freizeit damit, die amerikanische Wirtschaft, die  amerikanische Produktionskapazität usw. zu studieren. Sie stellen keine  Umsturzpläne für Amerika auf, sondern sind der festen Überzeugung, dass der  Kapitalismus auch in Amerika bald nicht mehr existenzfähig sein wird. Die  amerikanischen Plankommissionen haben sich lediglich das Ziel gestellt, für den  Augenblick, in dem Amerika sich der S. U. anschließt, alles vorzubereiten,  damit sich die sozialistische Umgestaltung der amerikanischen Wirtschaft und  ihre Einordnung in die Weltplanwirtschaft möglichst reibungslos vollziehen  kann.
  Der Zentralrat sehe keinerlei Veranlassung, den amerikanischen Einwanderern in  den Arm zu fallen, wenn sie versuchen, schon heute die Richtlinien festzulegen,  nach denen ein sozialistisches Amerika zu leiten sei. Diese Praxis habe sich in  Japan sehr gut bewährt. Die sozialistische Wirtschaft Japans würde heute sicher  nicht so gut funktionieren, wenn die japanische Emigration nicht schon jahrelang  vorgearbeitet hätte.
  Vorwärts - 23. September 1928
Amerika nimmt alles ab!
Die Amerikaner wollen plötzlich den ganzen Rest der Anleihesumme sofort  zurück haben. Sie haben Milliardenbestellungen aufgegeben, die in Maschinen,  Rohstoffen, Halbfertigfabrikaten und sogar in Automobilen, Traktoren,  Flugzeugen usw. geliefert werden sollen. Außerdem wünschen sie Schiffe mit  einem Gesamtraumgehalt von 3 Millionen Bruttoregistertonnen. Die Erschließung  Südamerikas soll noch weiter verstärkt und beschleunigt werden. Zehn neue  Erdwärmefabriken werden in Angriff genommen. Ein Zehntel der Lieferungen kann  noch vor Ablauf dieses Jahres ohne Beeinträchtigung der Produktionspläne  geliefert werden. Die geplanten Generalferien nach Schluss des  Wirtschaftskrieges lassen sich leider nicht durchführen. Wir müssen noch einige  Zeit mit der jetzigen Intensität weiter arbeiten. Aus Gewerkschaftskreisen ist  folgender Antrag zur beschleunigten Ausführung des Lieferungsprogramms für  Amerika eingebracht worden:
  „Bis Ende März sollen alle Arbeiter in der gemäßigten Zone unter Beibehaltung  der jetzigen Arbeitswoche (4 Arbeits-, 2 Ruhetage) täglich 8 statt 6 Stunden  arbeiten. Der Übergang zur neuen Arbeitswoche (3 Arbeits- und 3 Ruhetage)  erfolgt erst am 1. Juli 1929. Dieses Programm macht es möglich, die ganzen  Lieferungen an Amerika ohne Störung des Ausgleichsprogramms bis zum Ende des  nächsten Halbjahres auszuführen."
  Vorwärts - 1. Oktober 1928
Das Ausgleichsprogramm
Im Jahre 1929 sollen alle Lücken ausgefüllt werden, die der Wirtschaftskrieg noch gelassen hat. Das Jahr 1930 soll das erste nahezu statische Jahr unserer Wirtschaft werden. Die Produktion wird nicht mehr weiter ausgedehnt. Im Gegenteil! Tausende von Betrieben werden stillgelegt, darunter 10% aller Gruben. Die Ausnutzung der Weltwasserkräfte nähert sich Ende nächsten Jahres der theoretischen Höchstgrenze bis auf 21%. Für den Ausbau der kleineren Nebenflüsse zweiten und dritter Ordnung sind 3 Milliarden Mark vorgesehen, für den Ausbau aller Werke, welche das Hochwasser bisher nicht restlos ausnutzen konnten, 1 Milliarde und für die Ausnutzung geringer Gefälle bei größeren Flüssen in ebenem Gelände 6 Milliarden Mark. Für Tiefschachtanlagen werden 10 Milliarden Mark ausgeworfen. Weitere 10 Milliarden Mark werden für Wüstenbekämpfung und Aufforstungen ausgesetzt. Die letzten Lücken im transasiatischen Kanalsystem werden geschlossen. Die Tiefschachtanlagen an den beiden Ecken der arabischen Halbinsel werden im nächsten Jahre bis auf 9000 m Tiefe hinabgetrieben. Am 1. August wird der Damm vollendet, der das Rote Meer vom Indischen Ozean abschließt. Das Rote Meer, das fast gar keine Zuflüsse hat, ist ein ideales Verdunstungsmeer. Der Spiegel soll im Laufe der Zeit um 150 m gesenkt werden, so dass noch eine natürliche Fahrrinne bleibt. Die Schleusenwasserverluste des Suezkanals werden später durch Nilwasser ausgeglichen.
  Vorwärts - 17. Oktober 1928
Die Autofabrik „Kongo"
Das Automobilstraßennetz der S.U. verlängert sich 1929 um 60000 km. Die  Serienproduktion von Kleinautomobilen wird ausgedehnt auf 
  1,6 Millionen Sechssitzer,
  4 Millionen Viersitzer und
  9 Millionen Zweisitzer.
  Der Preis sinkt auf 800, 600 und 400 Mark. Außerdem werden erstmalig 500000  Viersitzer mit vollkommener Campausrüstung geliefert; mit Anbauzelt, Schlaf-  und Kochgelegenheit und allem denkbaren Komfort ausgerüstet, sollen sie den  Reisenden von allen Unterkunftsmöglichkeiten unabhängig machen (Preis komplett  900 Mark). Die Zweisitzer werden alle von der neuen Autofabrik „Kongo"  geliefert. Diese Fabrik ist wohl vorläufig das letzte Wort der Technik. Die  Fordwerke, auf die Amerika eine Zeitlang mit Recht stolz war, sind eine  mittelalterliche Bruchbude im Vergleich zu unserm neuen Kongowerk. Die Lage ist  allerdings unvergleichlich günstiger. Der Kongo, an dessen Ufer sie sich 5o km  weit hinzieht, liefert die Energie, bringt Einzelteile, Stellit, Kupfer,  Aluminium, Kautschuk, Glas und alle sonstigen Materialien herbei und nimmt die  fertigen Automobile zur Verfrachtung auf. Der Arbeitsprozess; ist so weitgehend  automatisiert, dass die Arbeiter fast nur noch Kontrollfunktionen ausüben.  Jeder Arbeitsvorgang wird von zwei Personen beobachtet. Wenn alles klappt, kann  es vorkommen, dass die Aufsichtspersonen, die ständig die Hand am Ausrückhebel  haben, stundenlang nicht in Funktion treten. Sobald jedoch eine Hemmung  eintritt, ändert sich das Bild vollständig. Durch einen Hebeldruck wird das in  Arbeit befindliche und das nächstfolgende Stück aus dem Produktionsgang  herausgenommen. Das übernächste Stück wird bereits auf den ersten oder zweiten  Reservestrang geleitet, wo ein Aufseher den weiteren Arbeitsprozess überwacht,  während der andere die automatisch herbeigerufene Reparaturkolonne  benachrichtigt. Die Fabrik hat ihre Arbeit vorläufig mit einem Fünftel der  Normalgeschwindigkeit aufgenommen. Im nächsten Jahre wird die Geschwindigkeit  auf ein Viertel, ein Halb und schließlich auf zwei Drittel der  Normalgeschwindigkeit gesteigert. Die Höchstgeschwindigkeit soll im Jahre 1930  erreicht werden. Jede Sekunde wird dann ein Auto die Fabrik verlassen. Wenn man  den Ausfall durch Störungen mit 1:30 in Ansatz bringt, wird also die  Jahresproduktion 1930 ungefähr 30 Millionen Stück betragen. Die Arbeitszeit  beträgt vier Stunden täglich, also jährlich 360 Stunden (Halbarbeitswoche,  Halbjahresurlaub). Da pro Schicht 10000 Arbeiter beschäftigt werden, sind zur  Aufrechterhaltung der ununterbrochenen Produktion insgesamt 2 40000 Arbeiter  notwendig, dazu etwa 10000 Ingenieure, Techniker und Verwaltungsfachleute.
  Die Gestehungskosten pro Auto werden 1930 etwa 200 Mark betragen, der Wert der  Gesamtproduktion also 6 Milliarden Mark. Davon entfallen 5oo Millionen Mark auf  Personalkosten. Dieselbe Summe ist an den Anleiherückzahlungsfonds und an die  Zentralpensionskasse abzuführen. Alle Arbeiter und Angestellten erhalten nur  noch einen Individuallohn bzw. ein Taschengeld von jährlich 720 Mark, das sie  aber in den meisten Fällen kaum verbrauchen können. Wohnung, Wäsche, Ernährung,  Bekleidung und kulturelle Bedürfnisse sind restlos kommunisiert. Der Bedarf  wird zum größten Teil aus den Eigenbetrieben des Kongotrusts gedeckt, mit  Ausnahme des Fleisches, das aus Südafrika importiert wird und frei Kongomündung  20 Pf. das Pfund kostet. Brot aus den zentralafrikanischen Brotfabriken kostet  den Trust 3 Pfg.. ein Ei 2 Pfg. Obwohl alles im Überfluss vorhanden ist, sind  für die Versorgung der 125000 Arbeiter, die sich in den Wohnpalästen und  Halbwochenheimen in der Nähe der Fabrik aufhalten, nur noch 50 Millionen Mark  erforderlich. 70 Millionen Mark werden dagegen für die anderen 125000 Arbeiter  ausgeworfen, die ihren halbjährigen Urlaub in den Ferien-, Kur- und  Erholungsheimen des Kongotrusts verbringen. Diese Heime sind auf der ganzen  Welt verstreut. Die meisten liegen in Skandinavien, am Mittelmeer, in der  Schweiz, am Kaukasus, in der Krim und auf den Südseeinseln. Für Versorgung und  Instandhaltung der Heime und Wohnpaläste sind
  100 Millionen Mark in Ansatz gebracht. Weitere 100 Millionen Mark werden an den  Weltverkehrstrust gezahlt. Der gewährt dafür allen Arbeitern des Kongotrusts  freie Fahrt auf allen Verkehrslinien der S.U. Dasselbe Prinzip wird auch in  allen anderen afrikanischen Betrieben eingeführt.
  Vorwärts - 2. November 1928
Das Tote Meer verschwunden
Die Trockenlegung des Toten Meeres wurde am 1. November beendet. Die  Annahme, dass sich auf dem Boden des Toten Meeres gewaltige Ablagerungen  befinden, hat sich bestätigt. Sie sind sogar viel ergiebiger, als angenommen  wurde. Es ist deshalb beschlossen worden, den ganzen Meeresgrund noch um 57 m  abzubauen (850 m unter dem Meeresspiegel). In dieser Tiefe werden 2 Milliarden  Quadratmeter Verdunstungspfannen eingerichtet, auf denen unter Ausnutzung der  vorhandenen Verdunstungs- und Sonnenkraftmaschinen 10000 cbm Wasser aus dem  Mittelländischen Meer in der Sekunde verdunstet werden sollen. Die  Niederschläge des Dampfes werden den großen nordarabischen Bewässerungsfeldern  zugeleitet. Das Kraftwerk wird zunächst 68 Millionen Kilowatt liefern. Es wird  jedoch gleich für eine Leistung von 200 Millionen Kilowatt ausgebaut und genügt  dann für die Ausnutzung der Wassermengen, die in den ersten Jahren von den  Tiefschachtanlagen verschlungen werden.
  Infolge der Austrocknung des Toten Meeres ist der Bedarf der Menschheit an  verschiedenen wichtigen Chemikalien für mehr als 100 Jahre gedeckt.
  Vorwärts - 30. April 1929
Endziel in Sicht!
Wir nähern uns dem Zeitpunkt, in dem der Übergang zum Vollsozialismus  spruchreif wird.
  Die Schwierigkeiten, die durch die Abtrennung Australiens entstanden, dürfen  als überwunden gelten. Die Kapitalisten haben sich gründlich verrechnet. Nach  dem Raub Australiens waren die größten landwirtschaftlichen Überschussgebiete  der Erde mit relativ geringer Bevölkerungsdichte im kapitalistischen Rahmen  vereinigt. Die amerikanischen Nachbeter von Malthus glaubten ganz ernsthaft,  dass wir bei dem rapiden Bevölkerungszuwachs in der S. U. bald die Grenze des  Nahrungsmittelspielraums erreichen würden und dann auf die Gnade der  Kapitalisten angewiesen wären. Aber wir haben aus den Rückschlägen gelernt;  jetzt verfügen wir über einen großen Nahrungsmittelüberschuss, der sich noch in  diesem Jahre wesentlich vergrößern wird. Wir sind von der  australisch-argentinisch-amerikanischen Einfuhr unabhängig und können bald zur  restlosen Kommunisierung aller Nahrungsmittel (bis auf einige Luxusspeisen)  übergehen. Die letzten Ausnahmen von der kommunisierten Wohnungswirtschaft  werden morgen aufgehoben. Bald wird auch der letzte Winkel der S.U. mit  sozialistischen Waschanstalten ausgestattet sein. Die Güte der kommunisierten  Bekleidungsgegenstände ist im letzten Jahr so sehr verbessert worden, dass kein  nennenswerter Bedarf nach Luxuskleidung mehr besteht. Mit Rücksicht auf die  japanische Wirtschaftsstruktur haben wir bisher an dem Verkauf von Seidenwaren  zu verhältnismäßig hohen Preisen festgehalten. Dieser Notwendigkeit sind wir  jetzt enthoben durch die vollendete Rekonstruktion der japanischen Industrie,  durch die Verbesserung und Erweiterung unserer Kunstseiden-, Holzfaser- und  Edelpapierindustrie sowie durch die neuen Seidenmischverfahren, die es uns  gestatten, fast alle leichten Bekleidungsgegenstände in seidenähnlicher  Qualität herzustellen. Vom 1. Januar 1930 ab sind Pelzwaren die einzige nicht  kommunisierte Kleidung. Die restlose Kommunisierung des Verkehrswesens ist  leider immer noch nicht möglich. Die vorplanmäßige allgemeine Einführung der  paritätischen Arbeits- und Ruhewoche hat eine über Erwarten große Steigerung  des Fernverkehrs gezeitigt. Bei einer völligen Kommunisierung wäre eine weitere  Zunahme zu befürchten, so dass bald die Grenze unserer Leistungsfähigkeit  erreicht würde. Eine wesentliche Vergrößerung unseres Eisenbahnparks und  Verlängerung des Schienennetzes wird jedoch im Hinblick auf in Aussicht  stehende Verkehrsumwälzungen nicht mehr vorgenommen. Trotzdem wird am 1. August  der hauptamtliche Bahnkontrollapparat fast restlos abgebaut. Von diesem Tage ab  gibt es keine Kontrolleure, Fahrkarten und Schalter mehr. Der Nahverkehr wird  gänzlich kommunisiert, der Fernverkehr bis zur Gesamtlänge von 10000 km  jährlich. Jeder Werktätige erhält zum 1. August einen neuen Personalausweis mit  Fahrscheinbogen. Auf allen Fernbahnhöfen stehen Automaten, welche in die  Fahrscheinbogen Ort, Datum und Zeit der Abfahrt und Ankunft lochen, die  Kontrolle erfolgt durch Stichproben, Verrechnung vierteljährlich durch den  Klub. Missbrauch wird als schwerer Betrug bestraft. Die Individuallöhne werden  morgen, am 1. Juli und am 1. Dezember um je 10% gesenkt. Die gekürzten Beträge  sind an die Verrechnungsstellen der Kommunisierungskasse abzuführen.
  Die Kommunisierung des Postverkehrs (wird wahrscheinlich am 1. September  durchgeführt. Sie soll sich jedoch nur auf die gewöhnlichen Postsendungen  erstrecken. Telegrammgebühren bleiben vorläufig bestehen, sie werden aber um  30% gesenkt.
  Vorwärts - 5. Mai 1929
Drohende Überbevölkerung?
In der amerikanischen Presse wird immer wieder das Gespenst einer  Übervölkerung der Welt an die Wand gemalt. Auch in unseren eigenen Reihen sind  angesichts des rapiden Bevölkerungszuwachses mehrmals Befürchtungen laut  geworden. Allein der asiatische Geburtenüberschuss beträgt jetzt jährlich rund  20 Millionen. Als Folge verbesserter Lebenshaltung, kürzerer Arbeitszeit und  zunehmender Hygiene wird sich das durchschnittliche Lebensalter der Asiaten  seit 1918 wahrscheinlich bald verdoppelt haben. Wir müssen also mit einer  weiteren starken Bevölkerungszunahme in den nächsten Jahrzehnten rechnen.  Trotzdem besteht keinerlei Anlass zu Befürchtungen. Einer Verdoppelung, ja  sogar einer Verdreifachung unserer Bevölkerungszahl können wir mit Ruhe entgegensehen,  denn unsere Nahrungsmittelreserven würden dadurch nicht erschöpft. Viele  hundert Millionen Hektar Land in Afrika und in den zentralasiatischen  Tiefebenen können noch bewässert werden. Die arktischen Gebiete und die  asiatischen Gebirge und Hochebenen werden immer besser durch Forstwirtschaft  und Viehzucht ausgenützt. Die Verfahren zur Aufschließung des Holzes werden  ständig verbessert. Bald können wir das Holz zu tierischer Nahrung verarbeiten.  Aber selbst wenn das nicht der Fall wäre, könnten wir durch Ausnutzung unserer  Wälder für veredelte Holzfaserproduktion große Landstrecken, die jetzt mit  Gespinstpflanzen bebaut werden, dem Ackerbau erschließen. Die Intensivierung  der Landwirtschaft hat noch ungeahnte Perspektiven. Die Kunstdüngervorräte, die  wir allein aus den Chemikalien des toten Meeres gewonnen haben, genügen für  mehr als hundert Jahre, ganz abgesehen von den neuerschlossenen asiatischen  Reichtümern an Chemikalien und von den Fortschritten der synthetischen  Nahrungsmittelchemie. Die Reichtümer unserer Meere werden erst zu einem ganz  geringen Teil ausgenutzt. Wir erinnern nur an die ungeheuren Planktonmassen des  Saragossameeres, die noch der Erschließung harren. Und von der Sonnenenergie,  die unserem Erdball zuströmt, wird auch erst ein verschwindender Bruchteil  rationell verwertet.
  Wir stehen also auf fast allen Gebieten noch am Anfang! Ist nun eine ständige  starke Bevölkerungsvermehrung wünschenswert oder gar notwendig? Viele Genossen  sind der Ansicht, dass wir das stärkste Interesse an einer raschen  Bevölkerungszunahme der S.U. haben, um dadurch unser numerisches Übergewicht  gegenüber dem kapitalistischen Sektor der Welt zu vergrößern. Andere empfehlen  wieder eine starke Geburteneinschränkung.
  Wir haben bereits gezeigt, dass eine Übervölkerung nicht zu befürchten ist. Die  malthusianischen und neomalthusianischen Lehren waren nichts weiter als ein  Versuch, das vom kapitalistischen System verursachte Elend auf die angeblich zu  starke Bevölkerungsvermehrung zurückzuführen. Der Nahrungsmittelspielraum pro  Kopf der Bevölkerung ist in den kapitalistischen Ländern mindestens dreimal so  groß wie in der S. U. Trotzdem gibt es dort Arbeitslosigkeit, Not und Elend.  Erscheinungen, die wir nicht mehr kennen. Warum? Weil die Reservearmee ein  notwendiger Bestandteil des kapitalistischen Systems ist. Weil der Kapitalismus  auch unter günstigsten Verhältnissen außerstande ist, die Aufgaben zu erfüllen,  die unter einem vernünftigen Wirtschaftssystem mit Leichtigkeit gelöst werden.  So wenig Anlass wir aber auch haben, uns vor einer Überbevölkerung zu fürchten,  ebenso wenig besteht Anlass, einer allzu starken Bevölkerungsvermehrung das  Wort zu reden. Unsere Wirtschaftsführung strebt dem Ziele zu, möglichst nur  erstklassige Böden in tropischen und subtropischen Ge-
  bieten intensiv zu bewirtschaften, um in der kalten und gemäßigten Zone immer  mehr zur extensiven Wirtschaft übergehen zu können. Hierdurch wird der  größtmögliche Ertrag mit dem geringsten Aufwand erzielt. Eine allzu starke  Bevölkerungsvermehrung würde aber dieser Tendenz entgegenwirken und uns  zwingen, auch zweit- und drittklassige Böden intensiv zu bewirtschaften. Daher  ist es auch durchaus nicht gleichgültig, an welchem Zeitpunkt Australien  zurückgewonnen und Amerika in den Rahmen der sozialistischen Union  eingegliedert wird. Die Einbeziehung bzw. Wiedereingliederung der riesigen  Landstriche Argentiniens, Brasiliens und Australiens in die sozialistische  Weltplanwirtschaft wird uns dem Endziel näher bringen und eine erhebliche  Steigerung der Durchschnittsproduktivität zur Folge haben. Die Welt hat Platz  genug für alle Menschen, heute und in Zukunft. Aber sie ist zu eng geworden für  den raubgierigen Kapitalismus. Die Stunde des Endkampfes rückt näher. Schon  machen sich Anzeichen einer großen Krise in den kapitalistischen Ländern  bemerkbar. Bald wird die Sterbeglocke des Kapitalismus läuten.
  Vorwärts - 23. Juni 1929
Verschärfte Krise des Kapitalismus
Die Krise in den kapitalistischen Ländern verschärft sich zusehends. Die letzte Note der amerikanischen Regierung stellt eine offene Bankerotterklärung dar. Im vorigen Jahre kündigte Amerika pomphaft große Bestellungen an, zwecks Liquidierung unserer Anleihen. Der größte Teil der Bestellungen wurde aber immer und immer wieder verzögert, bis endlich angesichts der zunehmenden Arbeitslosigkeit und Absatzstockung in Amerika alle weiteren Bestellungen inhibiert wurden. In der Note vom 19. Juni macht die Regierung der U. S. A. nochmals das Angebot, die Anleiheschuld zu annullieren gegen eine formelle Anerkennung Australiens als eines integrierenden Bestandteils der „Vereinigten Staaten von Amerika und Australien". Die amerikanische Regierung will sogar darüber hinaus eine Entschädigung für das konfiszierte sozialistische Eigentum in Australien leisten. Der Botschafter hat bei Überreichung der Note durchblicken lassen, dass Amerika bereit sei, bis zu fünf Milliarden Dollar für die offizielle Verzichterklärung zu zahlen, wenn die S.U. sich verpflichte, diese Summen in Form von australisch-amerikanischen Landeserzeugnissen abzunehmen und gleichzeitig einen langfristigen Handelsvertrag abzuschließen. Wenn wir aber in der australischen Frage nicht nachgeben, will die amerikanische Regierung trotz katastrophaler Steigerung der Arbeitslosigkeit in kürzester Frist alle Lieferungen abrufen.
Die Note des Zentralrats
  Die S.U. lehnt es ab, Schacher mit Land und Menschen zu treiben. Australien ist  und bleibt ein rechtmäßiger Bestandteil der Sozialistischen Union. Bis heute  gibt es in Australien keine Volksvertretung, die Bevölkerung Australiens hat  niemals durch eigene freie Willenskundgebung ihren Anschluss an die Vereinigten  Staaten von Amerika gutheißen. Die Beamten der angeblichen australischen  Regierung sind Usurpatoren und Verbrecher. Wir fordern alle Einwohner des  australischen Festlandes auf, den Weisungen dieser Verbrecher auf keinen Fall  Folge zu leisten. Nach Widerübernahme der Macht in Australien wird die S. U.  alle Personen rücksichtslos zur Verantwortung ziehen, welche der  kapitalistischen Gewaltherrschaft aktiv oder passiv Vorschub geleistet oder  Land und Produktionsmittel käuflich erworben haben.
  Vorwärts - 3. Juli 1929
Sturmzeichen!
Den größten Umfang hat die kapitalistische Wirtschaftskrise in Argentinien  angenommen. Die Fleisch- und Getreidevorräte häufen sich zu Bergen, obwohl der  Getreidepool schon mehrmals größere Mengen Nahrungsmittel vernichten ließ. In  Australien sind die unabsetzbaren Vorräte noch größer. Die Auswirkungen waren  aber bis vor kurzem nicht so krass. Durch die gemeinsame Stützungsaktion der  amerikanischen Regierung und der Banken ist es eine Zeitlang gelungen, die  kapitalistische Wirtschaft Australiens vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Aber  die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten.
  Der 1. Juli sollte ein Freudentag Australiens werden. An diesem Tage wurde mit  riesigem Pomp die Einweihung des großen Nord-Südkanals gefeiert. In allen  kapitalistischen Blättern wurde die schnelle Beendigung des Kanalbaus als eine  Großtat amerikanischer Technik gefeiert. Die Zeitungen weisen darauf hin, dass  wir in unserem sozialistischen Generalwirtschaftsplan in der Fassung vom Jahre  1925 die Fertigstellung des Kanals erst für das Jahr 1931 vorgesehen hatten.
  Wie sehr berechtigt unsere vorsichtigen Schätzungen waren, zeigen die  ungeheuren Schwierigkeiten, die beim Bau des Kanals aufgetreten sind und deren  schnelle Überwindung von der kapitalistischen Presse so überschwänglich gefeiert  wird. Der Kanal, der den Carpentariagolf über den Eyre- und Torressee mit der  Spencerbucht verbindet, sollte den Schlussstein des australischen  Bewässerungssystems bilden. Er geht zum größten Teil durch Wüste und völlig  ödes Land. Große Strecken porösen Bodens mussten überwunden werden. Auf einer  Strecke von vielen Kilometern sind Sohle und Kanalwände vollständig betoniert.  Neun gewaltige Staubecken wurden angelegt, um eine dauernde Wasserversorgung  auch in Zeiten lang anhaltender Dürre zu gewährleisten.
  Wir sind weit davon entfernt, die Bedeutung dieses Baues, den wir selbst  begonnen haben, zu unterschätzen. Die amerikanischen Zeitungen behaupten nun  aber, dass der Bau ein Beweis für die Überlegenheit der kapitalistischen Kultur  und Technik sei. Wie steht es damit? Die kostspieligen Untersuchungen,  Vermessungs- und Planarbeiten waren bereits vor der Konterrevolution  durchgeführt, auch Spezialfabriken, Transportanlagen, Wohnhäuser und Baracken  bereits errichtet. Die Erdbewegungen, die nach dem Voranschlag bis zum 15.  Oktober 1925 bis zu 12% durchgeführt sein sollten, waren jedoch im Rückstand.  Das Bankenkonsortium, das insgeheim den ganzen Umsturz in Australien  finanzierte, hat als Dank die ganzen Anlagen für ein Spottgeld von der  amerikanischen Regierung erhallen. Ein 200 km breiter Landstreifen beiderseits  des Kanals ging in den Besitz der Gesellschaft über. Dazu wurden von der  amerikanischen Regierung offiziell und geheim staatliche Subventionen gewährt,  die mindestens das Drei - bis Vierfache der Kaufsumme von 100 Millionen Dollars  betragen dürften. Die Millionenarmee der kleinen amerikanischen Sparer hat  Riesensummen zur Finanzierung des Kanalbaus aufgebracht. Die ausgedehnten  Landstriche, die durch Bewässerung erschlossen wurden, bildeten ein Spekulationsobjekt  von größtem Ausmaß.
  Jetzt ist das gewaltige Werk beendet. Wenn Australien heute noch sozialistisch  wäre, dann wären wir wieder einen großen Schritt weiter gekommen. In  kapitalistischen Händen aber muss alles, was der Menschheit zum Segen gereichen  könnte, zum Fluch werden.
  Während in Australien noch große Reden geschwungen wurden, setzte in der Wall  Street schon der Kladderadatsch
  ein. Bei Eröffnung der Börse zeigten sich Sturmzeichen. Dann wurde die Börse  auf 3 Tage geschlossen. Die Schließung der Börse, die dreitägige Ruhe an allen  Schulen und öffentlichen Anstalten ist angeblich nur erfolgt, damit das ganze  amerikanische Volk Zeit hat, sich an den Jubelfeiern zu beteiligen. Überall  werden optimistische Reden gehalten, überall flattert das Sternenbanner,  überall wird von „prosperity" gesprochen. Aber hinter dieser glänzenden  Fassade verbirgt sich ein riesengroßer Katzenjammer. Das kunstvolle Gebäude der  amerikanischen Bankenwelt steht vor dem Zusammenbruch. Wenn die  neuerschlossenen Riesenländereien in Kultur genommen werden, dann ist der  vollständige Ruin der amerikanischen Farmerschaft nicht mehr aufzuhalten.
  Drei amerikanische Finanzgruppen bekämpfen sich mit erbitterter Hartnäckigkeit.  Wenn Wall Street darüber abstimmen könnte, — die australischen  Berieselungsanlagen würden sofort stillgelegt. Die neuerschlossenen Gebiete  würden niemals vom Pfluge berührt. Australien würde wieder zur Einöde. Die an  der Erschließung Australiens interessierte austral-amerikanische Gruppe würde  bestimmt in der Minderheit bleiben. Aber sie findet in der Regierung eine  Stütze, da eine Stilllegung der großen Unternehmungen unzweifelhaft eine neue  australische Revolution auslösen
  würde.
  Aber auch die Mehrheit der Bankgewaltigen ist unter sich uneinig. Eine mächtige  Finanzgruppe ist zwar für die Abdrosselung der australischen Produktion, aber  gegen neue Zollerhöhungen und Einfuhrverbote.
  Diese Gruppe besitzt starke Interessen in Argentinien, für dessen  Landwirtschaft die geplanten amerikanischen Schutzmaßnahmen den Todesstreich  bedeuten. Die dritte Gruppe, die vornehmlich den ländlichen Kredit finanziert,  riskiert Kopf und Kragen, wenn es nicht gelingt, die drohende Katastrophe von  der amerikanischen Landwirtschaft fernzuhalten. Infolge der riesenhaften  Ausdehnung des amerikanischen Abzahlungsgeschäfts sind aber auch alle anderen  Banken in mehr oder minder starkem Maße am inländischen Kreditgeschäft  beteiligt. Kompliziert werden diese Fehden noch durch die gemeinsame  Beteiligung aller Banken an der Amazonas-A.-G. Der Zusammenbruch der  australischen Kurse würde auch die Amazonas-Aktien mit in den Abgrund reißen,  und alle anderen Werte müssten folgen.
  Die kapitalistische Götterdämmerung naht. Ein Gewitter steht drohend am Himmel.  Wen wird der Hauptschlag treffen? Das ist die Frage, um die jetzt hinter den  Kulissen gerungen wird.
  Die Arbeitslosigkeit lähmt bereits das Leben in den amerikanischen Städten.  Lohnkürzungen und Lohnunterbietungen sind an der Tagesordnung. Preisabbau auf  der ganzen Linie soll folgen. So hofft man die Absatzkrise zu überwinden. Aber  was wird wirklich geschehen? Bald sind Millionen nicht mehr imstande, ihre  Abzahlungsraten und Mieten zu zahlen. Der Farmer schuftet und schwitzt, um dem  Untergang zu entgehen. Die Schlinge des Kapitals legt sich immer fester um  seinen Hals. Einen Nachbarn nach dem anderen sieht er zusammenbrechen. Die  Schulden werden immer höher. Wenn auch der Diskontsatz an der Börse  heruntergeht: dem Farmer im Hinterland nützt es nichts, seine  Schuldknechtschaft wird dadurch nicht verringert. Wer nicht im Konkurrenzkampf  unterliegen will, muss immer neue, immer bessere Maschinen anschaffen. Und neue  Maschinen kosten Geld. Die Wirtschaft wirft nichts mehr ab. Also nochmals zur  Bank. Je höher die Schuldenlast, um so höher der Zinsfuß. Die Banken lassen  sich ja auch das Risiko diskontieren. Immer schwebt das Damoklesschwert des  Bankerotts über dem Farmer. Zur Konkurrenzbank kann er nicht gehen, denn  „seine" Bank hat es in der Hand, ihm jeden Tag das Genick zu brechen.
  Auch in Süd- und Mittelamerika kriselt es überall. Bandenkriege und  Generalsinsurrektionen sind an der Tagesordnung. Selbst Angehörige der  begüterten Kreise kokettieren mit der antiimperialistischen Bewegung. Die  Machenschaften an der New Yorker Börse entscheiden über Tod und Leben der  Südamerikaner. Wenn heute ein Aktienpaket in der Wall Street den Besitzer  wechselt, dann wird morgen vielleicht eine neue Kupfergrube in Bolivien  stillgelegt. Wenn zwei Banken sich in New York befehden, dann knallt es in Peru  oder Paraguay. Wenn eine Baissespekulation fehlzuschlagen droht, dann helfen  Maschinengewehrschüsse in Asuncion nach. Was bedeuten die paar Millionen, die  eine südamerikanische Revolution kostet gegen die großen Kursgewinne, die  derjenige erzielen kann, der rechtzeitig im Bilde ist.
  „Los von U. S. A.!" das ist der Ruf, der immer ertönt, wenn ein neues  Revolutiönchen begonnen wird. Aber das Ergebnis ist immer wieder dasselbe. Eine  neue Junte kommt ans Ruder, und dahinter steckt wieder eine amerikanische  Bankengruppe. Es gibt allerdings auch bürgerliche Kreise, die diese Parolen  ernst nehmen und ernsthaft bestrebt sind, sich von der Hörigkeit der New Yorker  Börse zu befreien. Aber dazu ist es zu spät. Unter der Oberfläche glimmt  überall der Funke der wirklichen, der proletarischen Revolution. Eine Rebellion  in Nikaragua löst an der Börse schon andere Gefühle aus als eine Insurrektion  in Cuba. Aber Nikaragua ist klein, und die amerikanischen Bombengeschwader  fliegen schnell. Mexiko mit seinem größeren Proletariat ist schon bedenklicher.  Aber wirklich gefährlich wird dem amerikanischen Imperialismus erst die  heranreifende Revolution in den ABC-Staaten werden. Wenn der drohende Blitz von  der amerikanischen Börse etwa nach Argentinien abgelenkt werden sollte, dann  gibt es dort eine ernsthafte Revolution. Das argentinische Proletariat hat eine  Tradition. Die illegale Arbeit unserer Partei-
  genossen ist nicht vergeblich gewesen. Ein Funke genügt, um das Pulverfass zur  Explosion zu bringen. Schon morgen nach Wiedereröffnung der Börse wird sich zeigen,  ob es gelungen ist, einen Blitzableiter zu finden. Eins aber ist heute schon  sicher: die ganz Großen haben ihr Schäfchen rechtzeitig ins Trockene gebracht,  hunderttausend kleine Aktienbesitzer dagegen werden zu Bettlern. Hunderttausend  Farmer müssen die Scholle verlassen. Weitere Millionen von Arbeitern werden auf  die Straße geworfen. Ferner kann heute schon mit Bestimmtheit gesagt werden,  dass die australische Landspekulation zusammengebrochen ist. Größere  Geländekomplexe sind in den letzten Wochen und Monaten verkauft worden. In den  letzten Tagen aber haben sich keine Käufer mehr gefunden, obwohl die  Bodenpreise sprunghaft fielen. Was nützt der beste jungfräuliche Boden mit  guten Transport- und Berieselungsmöglichkeiten, wenn er in Zentralaustralien liegt  und wenn nicht einmal der Farmer in der Nähe der großen Hafenstädte seine Waren  loswerden kann? Uns kommen diese Sorgen fast komisch vor. Wir würden in diesem  Fall automatisch größere Bodenflächen minderer Klasse aufforsten oder aber eine  Viehvermehrung vornehmen. Nicht so im Kapitalismus. Der einzelne Besitzer will  sofort eine Rente von seinem Kapital haben oder er will wenigstens die in  Zukunft zu erwartenden Gewinnaussichten jederzeit realisieren können. Wir als  Sozialisten würden uns freuen, wenn wir halb Australien mit Wald bedecken  könnten, denn der Wald ist der Jungbrunnen für die Menschheit und für die  Natur. Der Wald speichert für uns und für die kommenden Generationen die  Sonnenenergien auf. Er verbessert die Bodenqualität und das Klima und schafft  uns eine ständige Landreserve. Überindustrialisierung, Zentralisation und  Mechanisierung, diese drei Begleiterscheinungen der modernen Kultur haben einen  wahren Hunger nach Einsamkeit, Ruhe und Abgeschiedenheit hervorgerufen. In  unseren großen Wirtschafts- und Kulturzentren ballen sich schöpferische Ideen  und korporatives Wollen zusammen. In diesen gewaltigen Kollektivorganismen  kommt das menschliche Gefühls- und Empfindungsleben oft zu kurz. Andrerseits  haben wir aber gerade durch die restlose Mechanisierung und Rationalisierung  des Wirtschaftsprozesses erst die Möglichkeit individuellen Auslebens für den  Einzelmenschen geschaffen. Schaffensfreude, Neigung zur Geselligkeit und  zeitweiliger Wunsch nach Einsamkeit sind in fast allen Menschen in gleich starkem  Maße vorhanden. Wo aber könnte die Sehnsucht nach Abgeschiedenheit besser und  angenehmer erfüllt werden als im Walde? Wir nehmen große Aufforstungen auch  vor, wenn keinerlei wirtschaftliche Erwägungen dafür sprechen. Zweck und Ziel  sozialistischer Wirtschaft ist eben immer und überall der Mensch und sein  Wohlbefinden. Wir wissen sehr wohl, dass auch die höchste materielle Kultur  nicht gleichbedeutend mit persönlichem Glück ist. Unsre hochentwickelte  kollektive Kultur ist nur die Voraussetzung für das individuelle Glück aller  Menschen.
  Für den Kapitalismus als System existieren solche Erwägungen nicht. Wald hat  für den kapitalistisch wirtschaftenden Menschen nur dann einen Zweck, wenn er  in klingende Münze umgesetzt werden kann. Das ist aber in immer geringerem Maße  der Fall. Schon seit längerer Zeit konnte der aufmerksame Beobachter  feststellen, dass in den kapitalistischen Ländern die Preise für neu  aufgeforstete oder mit jungem Wald bestandene Bodenflächen ständig fallen. Die  Kapitalisten glauben nicht mehr an ihre eigene Zukunft. Niemand glaubt mehr an  die Dauer dieses Systems. Deshalb werden Werte, die schnell realisierbar sind,  an den Börsen der kapitalistischen Welt immer mehr bevorzugt.
  Diese Erscheinung zeigt sich besonders krass bei australischen Werten. Kein  Mensch mehr will australische Terrains oder Fabriken kaufen. Die  Kapitalrückwanderung nach dem Kontinent ist enorm. Der Boden brennt den  Kapitalisten unter den Füßen. Sie möchten lieber heute als morgen nach „Gods  own country" zurückkehren. Nur wollen sie wenigstens einen Teil des  investierten oder erspekulierten Geldes retten. Überall aber zeigen ihnen die  Australier die kalte Schulter. „Morgen werden Fabriken und Boden wieder uns  allen gemeinsam gehören", sagt sich jeder, „weshalb soll ich ihn da heute  kaufen? Die Aussicht, dass die kapitalistische Wirtschaft weiter besteht, ist  zu gering. Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Sozialisten wieder zur Macht  kommen und mich zur Verantwortung ziehen, wenn ich mich in Geschäfte mit den  Yankees eingelassen habe." Sturmzeichen stehen am Himmel...
  Vorwärts - 14. Juli 1929
Amerika will Krieg!
Die Kapitalisten wollen nicht kampflos den Schauplatz der Geschichte  verlassen. Das steht nach den letzten Meldungen unabweisbar fest. Die großen  amerikanischen Bestellungen haben nur den Zweck gehabt, unsere Produktivkräfte  zu fesseln und den gegenseitigen Besitzstand an industriellen Hilfsmitteln  zugunsten Amerikas zu verschieben. Die amerikanische Wirtschaft wird in  fieberhaftem Tempo auf Kriegsbedarf umgestellt. Auch wir müssen uns sofort  umstellen :
  Ab heute befindet sich die ganze S. U. im Zustand der Mobilmachungsstufe A.  Damit treten automatisch folgende Verordnungen in Kraft:
  Verlängerung des Arbeitstages von 6 auf 8 Stunden bzw. von 4 auf 6 Stunden bei  gleich bleibenden Löhnen. Verstärkung der gesamten Produktion.
  Vergrößerung der landwirtschaftlichen Anbaufläche. Gesteigerte Produktion aller  Erzeugnisse, die sowohl Kriegsais auch Friedenszwecken dienen können.  Wiederinbetriebnahme und Umstellung aller stillgelegten Werke und Gruben.
  Entsendung eines Expeditionskorps von 100000 Mann nach Grönland.
  Räumung Irlands, Portugals und Nordwestafrikas von Kindern.
  Aufstellung eines stehenden Heeres von 10 Millionen Mann. Sofortige Räumung  aller Helligen und Bau von 1000 U-Booten.
  Sofortiger Baubeginn eines zweiten Kanaltunnels England—Frankreich.
  Anlage von weiteren Gasschutzstollen von 100 m Tiefe in der ganzen S.U.
  Massenherstellung von Gasschutzkleidung und Gasschutzvorrichtungen.
  Im kommenden Kriege wird es kein Hinterland geben. Die neuen Gasraketen, die  von jedem Punkt aus jeden anderen beliebigen Ort der Erdoberfläche erreichen  können, werden auf dem ersten Teil ihres Weges von flüssiger Luft und dann von  komprimierten Giftgasen getrieben. Der todbringende Inhalt der Geschosse ist  also zugleich Antriebsstoff, der sich in Schwaden auf das überflogene Gebiet  hinabsenkt. Hauptkriegszentren werden wahrscheinlich die nördlichen Eisgebiete  sein. Als Hauptabschussgebiete kommen für uns außerdem die Sahara, die Südseeinseln  und die zentralasiatischen Hochebenen und Gebirge in Frage. Am meisten  gefährdet sind die Küstenprovinzen, denn sie können durch explodierende  Torpedos von Giftgasen überflutet werden. Wir dürfen uns nicht über die  ungeheure Gefahr hinwegtäuschen, die ein Krieg auch für uns bedeutet. Wir  können dem drohenden Kriege nur entgehen, wenn wir uns entschlossen zeigen,  alle Opfer, die der Ernst der Stunde von uns verlangt, sofort freiwillig zu  bringen. Der Flug-, Sport- und Wehr-Verband hat beschlossen, die  Verteidigungsabgabe auf monatlich 10 Mark zu erhöhen.
  Vorwärts - 27. Juli 1929
Amerika leugnet Kriegsvorbereitungen
  und verlangt Fortsetzung der Lieferungen
Der Zentralrat hat die Fortsetzung der Lieferungen abgelehnt und verlangt Zulassung von Kontrollkommissionen, welche alle amerikanischen Betriebe besuchen und mit den Arbeitern ungehindert sprechen können.
Letzte Nachrichten
  In Amerika wurde das Auswanderungsverbot im vollen Umfang wieder in Kraft  gesetzt. Aus Argentinien werden Unruhen gemeldet. Der Streik im australischen  Kohlenrevier dehnt sich aus. Die Polizei geht mit Tränengas gegen die  Streikenden vor. Die Hafenarbeiter sind in den Sympathiestreik getreten.
  Vorwärts - 24. August 1929
Die Werbewoche des Flug-, Sport- und Wehrverbandes
Der F.S.W. musterte am 1. Mai 1928 5oo Millionen Mitglieder und 150 Millionen Jugendlicher. Seitdem ist diese Zahl auf über 600 Millionen ordentliche und 200 Millionen jugendliche Mitglieder gestiegen. Bis zum nächsten 1. Mai soll die Milliarde erreicht werden (750 plus 250 Millionen). Das bedeutet die nahezu restlose Organisierung aller Einwohner der S. U. Am weitesten entfernt von diesem Ziel sind wir in Indien und Zentralasien. In diesen Gegenden müssen mindestens 5o Millionen neue Mitglieder geworben werden, wenn das Ziel der Werbewoche „Antwort an Amerika" erreicht werden soll. Zur Unterstützung der dortigen Werbeaktion gehen aus Russland und Mitteleuropa heute 200 Luftschiffe und 10000 Flugzeuge ab. Der F.S.W. besitzt jetzt 2000 Luftschiffe, 1650000 Großkraftwagen, 2 200 000 Flugzeuge und eine Sport - und Wanderflotte mit einer Gesamttonnage von 6000000 t. Die persönliche Ausrüstung ist für jedes Mitglied fünffach vorhanden. Diese Gesamtausrüstung soll innerhalb eines Jahres verdoppelt werden. Hierfür sind für das nächste Jahr 100 Milliarden Mark vorgesehen. 90 Milliarden aus der monatlichen Verteidigungsabgabe von 10 Mark und 10 Milliarden aus der natürlichen Akkumulation der F.S.W.-Werke. Alle Mitglieder der F.S.W. sind verpflichtet, ab 1. September monatlich 10 Stunden an Verteidigungsarbeiten (Stollenanlagen, Gasschutz usw.) teilzunehmen und ihre ganze übrige Zeit der Ausbildung zu widmen. Alle Verteidigungsanlagen sind möglichst so herzurichten, dass sie eventuell auch produktiven oder gesellschaftlichen Zwecken dienen können.
  Vorwärts - 25. August 1929
Revolution in Argentinien!
In Buenos Aires und Cordoba gelang es den Regierungstruppen mit großer Mühe,  die Ruhe wieder herzustellen. In Rosario und in der ganzen Provinz Santa Fe  blieben jedoch die Aufständischen siegreich. Die zahlreichen Italiener haben  sich der Bewegung angeschlossen. Die Aufständischen verlangen Volksabstimmung  über den Anschluss an die Sozialistische Union und drohen für den Fall der  Ablehnung mit der Unabhängigkeitserklärung und mit selbständigem Anschluss des  Staates Santa Fe an die S. U. Höchste Mobilmachungsstufe in Afrika. Die  Zuspitzung der Lage macht den sofortigen Übergang zur höchsten  Mobilmachungsstufe in ganz Afrika notwendig, obwohl die neuen  Mobilmachungspläne noch nicht restlos ausgearbeitet sind. Gewisse Reibungs- und  Kräfteverluste werden deshalb nicht zu vermeiden sein. Bei der großen  Bedeutung, die Afrika unter den gegenwärtigen Verhältnissen zukommt, ist es  jedoch unbedingt erforderlich, dass auch die letzten Reste des afrikanischen  Wirtschafts- und Verkehrssystems sofort ausgebaut und alle im Bau befindlichen  Fabriken unverzüglich fertig gestellt werden. Von morgen ab gilt für alle  Werktätigen in Afrika das Gesetz der permanenten Arbeit. Jede Minute des Tages  gilt jetzt dem sozialistischen Aufbau und der sozialistischen Verteidigung.
  Am 1. September findet in Moskau, Italien und Spanien auf Antrag des F. S. W.  eine Urabstimmung statt, die den freiwilligen Übergang zur höchsten  Mobilmachungsstufe auch in Europa zum Ziele hat.
  Vorwärts - 2. September 1929
Höchste Mobilmachungsstufe in der ganzen S.U.
In Moskau und in Italien ist der Antrag auf freiwillige Einführung der permanenten Arbeit fast einstimmig, in Spanien gegen 10% der abgegebenen Stimmen angenommen worden. Das Revolutionäre Kriegskomitee hat daraufhin angeordnet, dass die höchste Mobilmachungsstufe vom 10. September ab in der ganzen S. U. gilt. Diese Maßnahme war notwendig, um Reibungen zu vermeiden, die bei unserer weitgehenden Arbeitsteilung unweigerlich eingetreten wären. Bei Durchführung der permanenten Arbeit werden ohnehin an alle leitenden Wirtschaftsfunktionäre außerordentlich hohe Anforderungen gestellt, die sie nur unter zielbewusster Mitarbeit aller Werktätigen erfüllen können. Worauf kommt es an? Unsere Rohstoff- und Energieerzeugung muss verdreifacht werden. Alle Theater, Kinos, Leseräume, Vergnügungsstätten usw. werden geschlossen und, wenn sie in der Nähe von Arbeitsstätten liegen, in Liege- und Schlafsäle umgewandelt. Der Druck von Büchern, Zeitschriften und der meisten Zeitungen und die Herstellung aller entbehrlichen Waren wird eingestellt. Alle Verkehrseinrichtungen dienen nur noch den Zwecken der wirtschaftlichen Mobilmachung. Jedes Fleckchen Erde wird bestellt. Jede ausbesserungsbedürftige Straße wiederhergestellt. Viele tausend Kilometer neuer Straßen und Eisenbahnen müssen in Monatsfrist erstehen. Die Steigerung unserer allgemeinen Produktionskapazität ist eine noch wichtigere Aufgabe als die vermehrte Herstellung von Kriegs- und Gasschutzmaterial.
Buenos Aires in der Hand der Revolutionäre
  Rotes Erkundungsluftschiff mit stürmischem Jubel empfangen. Provisorische  Räteregierung fordert Unterstützung vom Zentralrat der S.U. 10 Luftschiffe und  100 Großflugzeuge sind von Afrika aus unterwegs. Alle S.U.-Schiffe im  Atlantischen Ozean werden aufgefordert, Brücke Kapstadt— Buenos Aires zu  bilden, damit zweite Staffel von 20000 Flugzeugen abgehen kann.
Generalstreik in Australien!
  In Melbourne und Sidney ruht die Arbeit. Die Zentralkommission der revolutionären  Gewerkschaften und die Parteizentrale haben in gemeinsamer illegaler Sitzung  den Generalstreik für ganz Australien beschlossen.
  Vorwärts - 3. September 1929
Sieg der Revolution in Argentinien
  Ultimatum des Zentralrats
Argentinien ist von heute ab ein Glied der Sozialistischen Union. Der Zentralrat hat dem amerikanischen Botschafter mitgeteilt, dass er jede Einmischung in die argentinischen Verhältnisse als Angriff auf das Bundesgebiet der S.U., d. h. als Kriegserklärung, betrachten wird. Die Herren der Wallstreet haben sich wohl inzwischen davon überzeugt, dass der Krieg den Untergang des kapitalistischen Systems bedeutet. Millionen demonstrierten in den letzten Tagen in Amerika gegen den Krieg und für die Wiederherstellung der Auswanderungsfreiheit. In Nicaragua ist es dem nordamerikanischen Militär noch einmal gelungen, den Aufstand niederzuschlagen. In Mexiko genügten die einheimischen Truppen zur Unterdrückung des Aufstandes. Der Zentralrat der S. U. hat an die nordamerikanische Regierung ein Ultimatum mit dreitägiger Frist gestellt, in der sofortige Einstellung aller Rüstungen, Verschrottung des gesamten Kriegsmaterials und Zurückziehung aller Truppen aus Australien, Mittel- und Südamerika gefordert wird. Nach einem Funkspruch aus Brisbane ist der größte Teil von Ostaustralien in der Gewalt der Boten Armee.
  Vorwärts - 6. September 1929
Letzte Meldungen
Amerika verzögert die Antwort und verlangt Verhandlungen. Zentralrat erklärt sein Einverständnis. Verhandlungsbeginn in London am 14. September. Nach einer noch unbestätigten Meldung ist die Revolution auch in Perth (Westaustralien) siegreich. Adelaide (Südaustralien) wird von amerikanischen Kriegsschiffen beschossen.
  Vorwärts - 16. September 1929
Bombenattentate in der ganzen Union
An vielen Stellen der S.U. sind gestern Bombenanschläge erfolgt, die  zweifellos auf amerikanische Anstiftung zurückzuführen sind. In Südfrankreich  ist ein Teil des im vorigen Jahre fertig gestellten Südkanals verschüttet  worden. Eine strategische Gefährdung ist dadurch nicht eingetreten, da die  Verbindung zwischen dem Mittelländischen Meer und dem Atlantischen Ozean auf  der größeren Nordstrecke aufrechterhalten bleibt. Der Hauptzweck des Südkanals  war außer der Herstellung der kürzesten Verbindung die rechtzeitige Abführung  von Hochwassern. Die Hochwassergefahr ist aber infolge unsrer umfangreichen  Aufforstungsarbeiten und dank den vielen neuen Talsperren nicht mehr erheblich.
  In Portugal und Südspanien sind einige Angehörige der früheren herrschenden  Klasse festgenommen worden, die Bombenanschläge organisiert und die Bevölkerung  durch Flugblätter zum Widerstand gegen die permanente Arbeit aufgefordert  haben. Dieser Aufruf hat nur in Lissabon und in einigen kleineren Städten  Andalusiens geringen Erfolg gehabt. Auf Anordnung des Zentralrats werden in den  nächsten Monaten 100000 Freiwillige aus Mitteleuropa in Südspanien eingesetzt.  Einzelne Teile Spaniens sind erst in den letzten Jahren aus dem  Dornröschenschlaf des Mittelalters geweckt worden. Die exponierte Lage, welche  die Pyrenäenhalbinsel im Kriegsfall einnimmt, zwingt uns, diesem Gebiet erhöhte  Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ein Anschlag auf den Staudamm von Gibraltar hat  Zerstörungen angerichtet. Der Damm erfüllt jedoch nach wie vor seine  strategische Aufgabe: den Schutz der Mittelmeereinfahrt. Eine Explosion am  Suezkanal hat nur geringe Zerstörungen verursacht. Dagegen haben die  Verschwörer in Indien an zwei Stellen größere Erfolge erzielt.
  Bei Ambala wurde durch Sprengung ein Teil des Kanals verschüttet, der den  Suilej (Nebenfluss des Indus) mit dem oberen Ganges verbindet. Eine von Delhi  aus organisierte religiöse Aufstandsbewegung wurde von der gut revolutionär  gesinnten Arbeiterschaft Meeruts niedergeschlagen. Größerer Schaden wurde durch  die Sprengung des Staudamms bei Benares angerichtet. Hier gelang es den  Aufwieglern auch, Unruhe in weite Kreise der Bevölkerung zu tragen. Der Damm  bei Benares, der das Gefälle des mittleren Ganges in einem Falle von 9 m  ausnutzt, ist der jüngste und letzte Staudamm Indiens. Um die religiösen  Gefühle der zurückgebliebenen Volksschichten Indiens zu schonen, hat man lange  auf die Ausnutzung dieser Energie verzichtet. Da trotz aller  Aufklärungsversuche das aus hygienischen Gründen äußerst verwerfliche  Massenbaden an den so genannten heiligen Stellen unter der Einwirkung  religiöser Fanatiker immer wieder periodenweise einsetzte, entschlossen sich  die leitenden Stellen Indiens schließlich gerade aus
  diesem Grunde zur Anlage des Staudamms. Durch die im letzten Quartal erfolgte  Hebung des Wasserspiegels ist zwar der beabsichtigte Zweck erreicht worden. Es  blieb aber ein Unruheherd in der Bevölkerung zurück, der nun offenbar von  amerikanischen Agenten geschickt ausgenutzt wird. Infolge der Sprengung des  Staudamms ist die am 1. Mai eröffnete Riesenfabrik „Chattopaddhaya"  vorläufig außer Betrieb gesetzt worden. Das Werk ist eine Spezialfabrik für  Autoflugboote, die sich gleich gut auf dem Wasser, auf dem Lande und in der  Luft fortbewegen. Nach den bisherigen Nachrichten muss mit dem Ausfall einer  Monatsproduktion (850000 Stück) gerechnet werden. Der Vorfall entbehrt nicht  einer gewissen Komik, da der Pate und Leiter des Werkes, der verdiente  Revolutionär Chatto, in der vorrevolutionären Zeit selbst Bombenspezialist war.  Die Hälfte der Werkbelegschaft (100000 Mann) wird auf selbstgebauten Flugbooten  mit 500000 Passagieren sofort den Marsch nach Argentinien antreten. Die andere  Hälfte wird im Reparaturmonat neue Kräfte ausbilden und an den  Erweiterungsbauten mitarbeiten, durch welche die Leistungsfähigkeit des Werkes  wesentlich erhöht werden soll. Nach diesem Attentat ist die erst vor kurzem  aufgenommene Produktion von Autoflugbooten, die in Zukunft unser  Hauptverkehrsmittel sein werden, fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Die  Umstellung des Kongowerkes auf die Fabrikation von zweisitzigen Rollflugbooten  wird erst in 14 Tagen beendet sein. Bis zur völligen Umstellung der großen  Werke am Hoangho und in Ostsibirien werden noch zwei Monate und bis zur  Eröffnung der zentralafrikanischen Fabrik Gigant" sogar noch drei Monate  vergehen. Außer einigen kleineren europäischen Werken ist zur Zeit nur eine  mittlere Fabrik am Kaspischen Meer auf den Bau von einsitzigen Rollflugbooten  eingerichtet, die monatlich 100000 Stück liefern kann. Die kaspischen Boote  haben jedoch nur einen Aktionsradius von 1000 km und besitzen wegen ihrer  stabilen absturzsicheren Bauart keinen hohen Gefechtswert.
  Was bezweckt Amerika mit diesen Anschlägen? Glaubt es damit auf die schwebenden  Verhandlungen in London einzuwirken? Oder führt es diese Verhandlungen nur, um  uns Sand in die Augen zu streuen; bedeuten diese Attentate, dass Wallstreet zum  größten Verbrechen der Weltgeschichte bereits fest entschlossen ist? Wir müssen  auf das Schlimmste gefasst sein: Werktätige der Welt: seid bereit!
  Extrablatt – Vorwärts - 16. Sept. 1929
Abbruch der Verhandlungen!
  Appell an Amerikas Arbeiter!
Die amerikanischen Unterhändler haben erklärt, dass sie ohne persönliche Rücksprache mit dem Staatspräsidenten keine Bindung eingehen können. Die Delegation wird sich morgen abend einschiffen. Für heute abend hat sie die Einladung zum „Appell an Amerika" angenommen. Durch diesen Appell sollen die Schrecken eines Krieges der ganzen Welt demonstriert werden. Der Vortrag wird von der Albert Hall auf alle Sender der S. U. übertragen und hoffentlich auch von allen amerikanischen Arbeitern gehört.
  Sondernummer – Vorwärts - 20. September 1929
Der letzte Krieg!
  Gekürztes Protokoll der Radioschlacht am Entscheidungstage
Aus der Rede in der Albert Hall:
 ... .. es steht einwandfrei fest, dass die Bombenattentate von der  amerikanischen Regierung organisiert worden sind. Nach den Regeln des  Völkerrechts sind wir berechtigt, diese Anschläge als Kriegshandlungen  anzusehen und auch unsererseits den Krieg zu eröffnen. Wir haben es nicht  getan, sonst wären die hier anwesenden Herren Delegierten heute vielleicht die  einzigen lebenden amerikanischen Staatsbürger. Ganz Amerika würde in Schutt und  Asche liegen und von einer meterhohen Gasschicht bedeckt sein, die alles Leben  zerfrisst. Gewiss, die Millionäre sind mit erstklassiger Gasschutzkleidung  versehen. Glauben sie aber wirklich, dass sie für all die unzähligen tödlich  wirkenden Gasverbindungen die passenden Gegenmittel gefunden haben? Und wenn,  was geschieht mit den Millionen, für die nicht genügend gassichere  Schutzunterstände vorhanden sind? Was wird aus den Arbeitern, denen man bisher  absichtlich die Wirkungen des modernen Gaskrieges verheimlichte? In der S.U.  weiß jedes Kind, was der Krieg bedeutet und wie furchtbare Opfer er kosten  wird. Darum, und nur darum — nicht aus Schwäche — ließen wir die Provokationen  unerwidert und wenden uns auf diesem Wege an alle amerikanischen Arbeiter.
  Hört uns, Genossen! Lasst euch nicht missbrauchen! Werdet nicht zu  Selbstmördern! Besinnt euch auf eure Rechte und Pflichten, ehe es zu spät ist!  Glaubt euren Herren nicht, wenn sie euch noch so viel versprechen und noch so  viel vorlügen! Wir haben nichts zu verheimlichen und nichts zu verbergen,  deshalb können wir wahr sein. Wir werden euch jetzt zeigen, wie stark wir sind,  nein, wie stark ihr seid. Ihr, jawohl, ihr! Denn wir gehören zusammen. Wir  haben beide denselben Feind, den Kapitalismus, der lieber die Welt in Flammen  aufgehen lässt, als kampflos abzutreten.
  (Der Saal wird verdunkelt. Lichtbilder werden gezeigt.)
  Bild 1 Wüste. Wie Nadeln in einem Kissen ragen Tausende und aber Tausende von Raketen  aus dem Sande hervor.
  Bild 2 Hochgebirgstal. Übersät mit vielen tausend abschussbereiten Raketen.
  Bild 3 Gasdichter Unterstand. Ein Mensch im Gaspanzer. Vor ihm eine  Schaltanlage. Was geschieht, wenn er auf den Knopf drückt? Bild 4 Eisfläche.  Raketen. Raketen. Raketen. Was geschieht, wenn der Mann auf den Knopf drückt?  Dann erheben sich tausend Raketen. In wenigen Minuten verlassen sie die  Atmosphäre. Immer noch ansteigend eilen sie durch die Stratosphäre auf Amerika  zu. In dem Augenblick, in dem sie den siebzigsten Längengrad überqueren, öffnen  sich die Ventile. Das unter hohem Druck komprimierte Gift entweicht und  vergast. Quer über den ganzen Kontinent senkt sich der Tod herab auf Boston,  Albany, Buffalo, Detroit, Chikago, Omana und Denver, und aus 4oooo m Höhe  sausen die ersten tausend Raketen herab auf Sacramento, Oakland und San  Franzisko. Im selben Augenblick überqueren 1000 Raketen, die auf den Hochebenen  Tibets abgeschossen wurden, den Kontinent von West nach Ost, öffnen die  todbringenden Ventile über Los Angelos und vernichten im Fallen New Orleans.  Tausend solcher Todeslinien liegen jetzt unsichtbar über der Union. Wollt ihr  warten, bis sie sichtbar werden? Wichtige Städte wie New York, Philadelphia,  Washington, Baltimore, Sankt Louis, Memphis und Oklahoma werden hundertfach  geschnitten. Eine Million Gasraketen, von denen hundert genügen, um die  Bevölkerung New Yorks zu vernichten, werden am ersten Tage abgeschossen. Und  hunderttausend werden ihnen täglich folgen,...  denn
  Bild 5 so wie hier in diesem englischen Bergwerk, das zur Giftgasfabrik  umgebaut wurde, arbeiten unzählige Menschen für die Zerstörung. Sie arbeiten  für die Zerstörung, aber sie wollen sie nicht, hört ihr es, Genossen in  Amerika? Die Entscheidung liegt bei euch! Bild 6 Meeresküste. Aus tausend  Mündungen grinsen die Kappen der Giftgastorpedos. Wenn ihr es nicht verhindert,  amerikanische Genossen, werden sie den Ozean durchschwimmen und eure Küsten  beim Zerschellen in Gischt und tödliche Nebel hüllen.
  Film.....Auf der Leinwand sieht man 100 Flugzeuge
  manövrieren. Sie formieren sich in Zehnerstaffeln. Steigen, wenden. Die Ordnung  wird aufgelöst. Sie werden zusammenstoßen. Nein, das Knäuel entwirrt sich. Die  Linie ist wiederhergestellt. Schnurgerade fliegen alle hundert. Gute Piloten,  was? Nein, nur ein einziges von diesen hundert ist bemannt. Alle anderen werden  elektrisch ferngesteuert. Alle anderen führen je eine Tonne komprimiertes Gift,  das schlimmste Gift, das Menschenbirne erfinden konnten. Wenige Kubikmillimeter  genügen, um den ganzen Körper eines Menschen mit eitrigen Blasen zu bedecken.  Das Gift lässt dem Menschen gerade noch Zeit, die rasenden Schmerzen zu  empfinden. Er sieht noch, wie sein Nebenmann die Luft mit den Händen krallt,  wie die Augen aus dem Kopfe hervorquellen und zerfließen, wie Kinder tot zu  Boden sinken, dann bricht auch sein Blick. Die Außenwelt ist tot. Aber inwendig  frisst das Feuer weiter, schleicht in die Eingeweide, zerfetzt die Lungen,  zerwühlt die Schleimhäute, zerschneidet die Gedärme und bringt das Blut in den  Adern zum Kochen. Eine Minute noch hat der Mensch, der der Herr der Erde sein  könnte, Zeit, um nachzudenken, ob diese Höllenqualen notwendig waren. Denkt  jetzt an diese Minute, Genossen! Denkt daran, ehe es zu spät ist! Denkt daran,  solange ihr nicht nur fluchen, denkt daran, solange ihr noch handeln könnt.  Denkt aber nicht nur an euch. Denkt auch an die vielen Millionen von  Unschuldigen, die ihr jetzt noch durch eine kühne Tat retten könnt. Setzt  lieber euer Leben im Bürgerkrieg aufs Spiel. Bringt, wenn es nötig ist, euer  Leben zum Opfer, um das Leben von hundert Millionen zu retten. Ergreift das  rote Banner! Hebt die Fahne der Rebellion empor! Empört euch gegen die  Verbrecher, die eine aufblühende hoffnungsvolle Welt vernichten wollen, um ihre  Vormachtstellung zu behaupten!"
  Der Führer der amerikanischen Delegation, Mr. Young, unterbricht den Redner:
  Halt, im Namen der amerikanischen Regierung protestiere ich gegen dieses  Vorgehen. Das ist Revolution, das ist die Kriegserklärung. Die amerikanische  Regierung will den Frieden."
  „Wir sind besser unterrichtet, Mr. Young. Hier ist ein Funkspruch von  amerikanischen Freunden: ,Heute Mittag wurde das Gesetz über die allgemeine  Wehrpflicht und über die zwölfstündige Arbeitspflicht veröffentlicht. In einer  Anzahl von Fabriken ist daraufhin sofort die Arbeit niedergelegt worden. Der  sozialistische Bund ruft zum Generalstreik auf.' Wir unterstützen diesen  Aufruf! Hört ihr es, Arbeiter in Amerika? Keinen Hammerschlag mehr für den  Kapitalismus! Keine Welle mehr darf sich morgen drehen! Kein Zug darf mehr  verkehren, keine Maschine laufen! Wir wissen genau, dass die amerikanische  Regierung in diesem Augenblick mit den führenden Köpfen der Industrie und der  Banken versammelt ist, und dass sie ebenso wie die ganze übrige Welt am  Rundfunk den Ereignissen in diesem Saale lauscht. Wir fordern sie auf, sich zu  äußern. Das Schicksal der Welt entscheidet sich in den nächsten Stunden.  Mitglieder der amerikanischen Regierung: eine ungeheure Verantwortung ruht auf  euren Schultern. Sagt, was ihr plant! Sagt, ob ihr bereit seid, alles zu tun,  um das furchtbare Unheil, das der Menschheit droht, von ihr abzuwenden! Nehmt  sofort direkte Funkverbindung mit uns auf! Wir stellen unsere Empfangsapparate  ein. Wir warten ___wir warten........wir warten.
  Lange, qualvoll lange Minuten vergehen. Die Menschen der ganzen Welt bereiten  sich vor auf den Todesgang. Die Gasanzüge werden herausgeholt. In Amerika ist  es jetzt 16 Uhr. Eine Maschine nach der anderen wird zum Stillstand gebracht.  Bei uns bricht die Nacht herein. Aber unsere Maschinen laufen. Neben jedem  Arbeitsplatz liegt die Gasausrüstung. In jedem Arbeitssaal sind die  Lautsprecher eingeschaltet. Alles lauscht der Übertragung aus der Albert Hall.  Und Amerika kommt immer noch nicht. In Tausenden von Unterständen sitzen  Männer, die den Tod in den Händen halten. Sie warten auf den Befehl, der den  Kontakt zur Auslösung bringt. Nein... nein... sie warten nicht auf diesen  Befehl. Sie warten auf etwas anderes. Sie denken mit Entsetzen an die  Möglichkeit, dass sie den Finger auf den elektrischen Knopf legen müssen.  Endlich, endlich meldet sich Amerika... " „Hier Regierung der U.S.A. Sind  bereit, Verhandlungen fortzusetzen, wenn Sie Flotte zurückziehen. Warum sagen  Sie der Welt nicht auch, dass fünf rote Flotten vor 36 Stunden Kurs nach  Amerika nahmen?"
  „Hier Sozialistische Union. Jawohl, die roten Flotten sind unterwegs. Aber  warum sagt ihr nicht, dass die amerikanische Flotte schon vor drei Tagen  ausgelaufen ist?" „Hier U.S.A. Die Flotte ist zurückgekehrt." „Hier  S. U. Ja, weil Meutereien an Bord ausbrachen! Aber die Meuterer sind gefangen  gesetzt, und die Schiffe sind wieder ausgelaufen. Leugnet ihr das?.....Warum  antwortet ihr nicht?.....Antwortet.....Es geht um Sein oder Nichtsein..... Ihr  steht vor dem Richterstuhl der Menschheit.....Wollt ihr den Frieden?.....Gebt  Antwort!!!... .."
  „Achtung..... Achtung... Hier Sender Chicago... Wir sind revolutionäre  Arbeiter... wir haben den Rundfunk besetzt...  wir wollen den Frieden...  wir  wollen den Sozialismus...  man beschießt uns...  wir grüßen... 
  Gewehrgeknatter, Handgranatenexplosion.
  Hier Station Chicago... Ku Kux Klan... Rebellennest ausgehoben...  Chicago  steht treu zur Regierung..." „Hier S. U. Wir warten auf Antwort... Wollt  ihr den Frieden? Gebt ihr Rückzugsbefehl?"
  „Hier U. S. A. Wir wollen den Frieden. Wir geben Antwort in 24 Stunden."
  „Hier S. U. Unmöglich. Der Krieg ist unvermeidlich, wenn der Aufmarsch nicht  eingestellt wird, wenn die Flotten nicht Rückzugsbefehl erhalten."
  „Hier U.S.A. Wir kommen in einer Stunde wieder. Die Delegierten sollen nicht  abfahren und die direkte Kabelverbindung wieder aufnehmen."
  Die amerikanische Delegation verlässt den Saal.
  „Hier S.U. Wir werden warten. Wir benutzen diese Stunde, um einen letzten  Appell an das amerikanische Volk zu richten.
  Hört uns, Genossen, wir senden auf allen Wellenlängen! Weshalb will eure  Regierung den Krieg? Weil der Kapitalismus, im friedlichen wirtschaftlichen  Wettkampf besiegt, in eine hoffnungslose Lage geraten ist. Eure Herrscher  wissen, dass es den Menschen in der S.U. gut geht. Aber sie wissen auch, dass  es uns in kurzer Zeit noch viel, viel besser gehen wird. Wir sind aus der Zeit  des Aufbaus bald heraus. Wir haben gesät und immer wieder gesät. Jetzt ist die  Erntezeit herangekommen. Wollt ihr uns helfen, amerikanische Genossen, diese  schöne kostbare Ernte in die Scheuern zu bringen, oder wollt ihr, dass alles  umsonst gewesen ist, dass alles der Vernichtung anheim fällt? Jetzt erst werden  die Erfolge unseres jahrelangen planmäßigen Aufbaus greifbar. Seht hin nach  Zentralasien, Spanien, Südfrankreich, Italien und Nordafrika! Wo vor zehn  Jahren noch Wüstensand und kahles Gestein war, keimt jetzt das junge Grün.  Harte Arbeit, viel Mühe und riesige Mengen Material hat das gekostet. Könnt ihr  euch vorstellen, dass diese Pracht sich in den nächsten Jahren richtig  entfaltet, dass dann aber niemand da sein wird, sie zu bewundern, weil die  Menschen, die sie geschaffen haben, von Gasschwaden hingemäht worden sind —  durch eure Schuld? Schaut hin nach Sibirien! Was haben wir aus der Taiga  gemacht! Vor wenigen Jahren war dieser Name noch ein Schreckenswort. Heute  finden Millionen Menschen dort Erholung. Das ganze riesige Gebiet ist  durchgeforstet. Wir haben Platz geschaffen für junges Grün und dabei  Riesenmengen Holz gewonnen, weil mehr als wir in den nächsten Jahrzehnten  brauchen werden. Milliarden Kubikmeter sind in Rohzellulose verwandelt und  eingeweckt worden. Wir sind so reich, dass wir auf Jahre hinaus keine  Verwendung für die Riesenmengen dieses wichtigen Ausgangsstoffes haben. In  unseren Riesenlaboratorien sitzen teils berufsmäßig, teils ehrenamtlich jetzt  schon mehr als hunderttausend Menschen. Täglich werden neue  Verwertungsmöglichkeiten entdeckt. Der Berg unserer Vorräte wird dadurch nicht  kleiner. Wollt ihr uns zwingen, diese Reichtümer buchstäblich zu verpulvern, um  euch damit zu vernichten? Und so geht es auf allen Gebieten. Unsere  Tiefbohrungen fressen sich immer weiter ins Erdinnere ein. Täglich werden neue  Energiequellen und neue Reichtümer erschlossen. Wir haben Überfluss an  Lokomotiven, Waggons und Großkraftwagen und produzieren dennoch wegen der  drohenden Kriegsgefahr täglich Tausende und aber Tausende. Unsere Kohlenvorräte  übersteigen zwei Milliarden Tonnen. Wir können jährlich produzieren: 2  Milliarden Tonnen Kohle,
  200 Millionen Tonnen Rohstahl, 2 Millionen Tonnen Kupfer, je eine Million  Tonnen Zinn, Zink, Blei, Stellit und Aluminium. Unsere Chemikalien-,  Stickstoff- und Düngemittelvorräte reichen für Jahrzehnte. Der Krieg würde sie  in wenigen Monaten fressen. Wir haben jetzt fast 40 Millionen Reitpferde, 1  Milliarde Rinder und Schafe, 600000000 Schweine. Der drohende Krieg zwingt uns,  gewaltige Breschen in diese Bestände zu legen, denn alles ungeschützte  tierische Leben wird von Giftgasen gefressen werden. Tag und Nacht arbeiten  unsere Schlachthäuser, um unsere Konservenbestände zu erhöhen. Schaut hin nach  den Tundren Sibiriens und Nordeuropas, die wichtige Bestandteile der  Weltwirtschaft geworden sind! Jahr für Jahr vermehren sich unsere sorgfältig  gehüteten Renntierherden. Nur alte und kranke Tiere durften in den letzten  Jahren geschlachtet werden. Seht unsere tausend Pelztierfarmen! Seht auf das  grün gewordene Zentralasien und auf die blühende Mandschurei! Betrachtet unsere  Tropengebiete, in denen jeder Sonnenstrahl, jedes Fleckchen Erde und jeder  Wassertropfen für die Menschheit nutzbar gemacht wird und in denen trotzdem  Schönheit und Harmonie durch unser Wirken nicht zerstört, sondern erhöht worden  sind! Spanien, Indien und die Südsee galten früher den Uneingeweihten sehr zu  Unrecht als Paradies. Erst durch unsere Planarbeit und gegenseitige Hilfe  wurden die märchenhaften Vorstellungen nicht nur Wirklichkeit, sondern sogar  übertroffen.
  Die weiten Landflächen Nord- und Mitteleuropas sind für unsere agrarische  Produktion entbehrlich geworden. Eine Million Quadratkilometer sind heute Wald,  Gärten, Parks und Spielplätze. Jedes Jahr werden eine Million Landwirte  pensioniert. Die Landwirtschaft ist in unseren Breiten ein Sport, ein  Vergnügen. Und trotzdem ist unsre landwirtschaftliche Produktion noch  gestiegen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist die landwirtschaftliche Arbeit  in Nord- und Mitteleuropa keine Pflichtarbeit mehr. Es wird nichts mehr für sie  bezahlt. Jeder Betrieb, jeder Klub und jede Schule hält einen Spielplatz und  einen Park in Ordnung und führt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Bisher ist  uns noch kein Fall bekannt geworden, in dem die Arbeit hätte befohlen werden  müssen. Immer fanden sich genug Freiwillige.
  Wir lassen jetzt unsere Jugend zu Worte kommen. Wir wenden uns jetzt an die  amerikanische Jugend und an die amerikanischen Mütter. Hört ihr es, Mütter in  Amerika? In euren Händen liegt die Entscheidung! Wollt ihr, dass eure Kinder es  von morgen ab ebenso gut haben wie unsere, oder wollt ihr dulden, dass die  Jugend der ganzen Welt vom Krieg verschlungen wird? Genosse Strong hat das  Wort." „Kameraden in Amerika!
  Mein Vater ist im imperialistischen Kriege gefallen. Meine Mutter starb in Hull  kurz nach der Revolution. 1920, ich war damals 10 Jahre alt, kam ich mit einem  Transport von Austauschkindern nach Deutschland, wo ich der internationalen  Arbeitsschule in Bordesholm zugeteilt wurde. Wir waren hundert Jungen und Mädel  aus Deutschland, England, Frankreich und Russland. In einem mittleren Gutshof  nisteten wir uns ein. Der Hof war verwildert. Der frühere Besitzer war nach  Amerika geflohen. Jetzt steht er neben mir. Wir haben den Hof wieder hoch  gebracht und eine Musterwirtschaft daraus gemacht, nich wohr, Vadder Mathes?"
  „Jo, datt mutt man woll seggn, allns wat recht is, min Jung."
  „Dieser Gutshof mit seinen Nebenbetrieben, das ist unsere Schule. Das was ihr  drüben ,Lernen' nennt, kennen wir eigentlich nur im Winter. Aber ich glaube,  wir lernen auch im Sommer mehr als ihr. Im Sommer beginnt jeder Tag mit dem  Wettlauf zum See, an dem nur die beiden Gruppen, die zur Viehfütterung und zum  Bereiten der Morgensuppe eingeteilt sind, nicht teilnehmen. Nachdem wir uns  eine halbe Stunde im Wasser herumgebalgt, wird gefrühstückt. Und dann beginnt  der Morgensport. Jede Gruppe hat jeden Tag eine andere Aufgabe: Grasmähen, Wege  harken, Unkraut jäten, Kühe melken, Traktor- und Maschinenölen, Putzen der  Reitpferde und der beiden Wagenpferde, die wir aus Pietät noch solange behalten  wollen, bis sie eines natürlichen Todes sterben. Diese beiden Reliquien sind  schuld, dass wir den sozialistischen Wettbewerb mit dem Weberklub zweimal  verloren haben. Die Mitglieder des Weberklubs bewirtschaften in ihrer freien  Zeit ein ebenso großes Gut am Einfelder See und liefern ebenso wie wir ihre  Überschüsse an die Zentralgenossenschaftsküche in Neumünster ah. Da sie ihre  Wagenpferde längst abgeschafft haben, konnten sie mehr Milchvieh halten und  mehr Milch abliefern. Wir haben aber dieses Manko durch vermehrten Hackfrucht-  und Gartenbau und durch die Erträge unserer Imkerei ausgeglichen und jetzt  schon drei Jahre nacheinander den sozialistischen Wettbewerb gewonnen, so dass  wir Liese und Lotte, auf denen wir vor acht Jahren unsere ersten Reitversuche unternahmen,  behalten konnten. Zum Reiten taugen die beiden Museumsgäule allerdings auch  nicht mehr. Dafür haben wir jetzt fünf prachtvolle Reitpferde, die jeden Tag  von zwei anderen Fünfergruppen betreut und geritten werden.
  Außer in Erntezeiten schließt sich an den Nutzsport eine Stunde Bewegungssport  an: Tennis, Schlagball, Golf, Leichtathletik usw.
  Nach dem Mittag schwingen wir uns auf unsere Elektroräder, und dann geht's  hinaus ins Land auf den wundervollen Radfahrwegen, die wir zum Teil selbst  gebaut haben und unterhalten. Die Elektroräder sind richtige Fahrräder, die mit  kleinen Sammelbatterien und winzigen Elektromotoren ausgestattet sind. Sie  können also ebenso gut als Tretwie als Motorräder gebraucht werden. Bei euch in  Amerika kennt man sie nicht. Kein Wunder, das ständige Nachladen der Batterien  an jedem beliebigen Orte würde im Kapitalismus soviel Scherereien und soviel  Unkosten verursachen, denn bei euch müsste eine solche Einrichtung ja  ,rentabel' organisiert sein. Bei uns aber ist an jedem Hof, an jedem  Klubgebäude, an jedem Erholungsheim und an jeder Jugendherberge eine  elektrische Ladestation. Wir könnten durch die ganze S. U. fahren. Auf unseren  täglichen Ausfahrten schalten wir aber die Motoren meistens nicht ein. Nicht um  Strom zu sparen, sondern weil uns das Strampeln mehr Vergnügen macht. Man  bleibt auch gesunder dabei. Darum fahren wir auch wenig Auto, obwohl wir es,  ebenso wie das Fliegen, gelernt haben. Irgendwo im Walde wird Rast gemacht.  Dann beginnt die internationale Stunde. Niemand darf in dieser Stunde in seiner  Muttersprache reden. Sogar das Esperanto ist in dieser Stunde verpönt. Ein acht  Tage vorher bestimmter Referent spricht über ein aktuelles Thema, zu dem sich  ein Sprecher jeder Gruppe äußern muss.
  Nach der Rückkehr werden zunächst mit vereinten Kräften die Wirtschaftsaufgaben  erledigt, dann gehört jeder sich selbst. Er kann Sport treiben, kann im  Lesesaal studieren oder im Schreibsaal an seinem Sommerpensum arbeiten. Er kann  basteln oder malen, Schach spielen, rudern, segeln oder zum nächsten Flugplatz  fahren. Einen eigentlichen Ruhetag kennen wir nicht, brauchen wir auch nicht,  da wir uns die Arbeit so einrichten, dass sie uns Vergnügen macht. Wenn auf der  Elbe oder auf der Kieler Föhrde wichtige Regatten stattfinden, an denen sich  eine unserer Mannschaften beteiligt, dann stehen wir morgens eine Stunde früher  auf, verrichten schnell die notwendigsten Arbeiten und lassen nur eine Gruppe  für Notstandsarbeiten zurück. Außerdem hat jede Gruppe alle 20 Tage einen Tag  Bewegungsfreiheit innerhalb der Grenzen  Skagerrak—Ostsee—Rostock—Berlin—Harz—Köln. Vor Beendigung des zwanzigsten  Lebensjahres muss außerdem jeder gesunde Schüler teilgenommen haben: an einer  der drei großen Segelfahrten Kiel—Leningrad, Kopenhagen—Hammerfest oder Rund um  England, sowie an einer Europarundfahrt und als Pilot am Indien—Afrikarundflug.  An den Schulbesuch schließt sich eine einjährige Weltreise an. Ich war mit  meiner Gruppe auf dieser Weltreise, amerikanische Jugendkameraden, als die  Kriegsvorbereitungen eurer Regierung bekannt wurden. Wir haben uns sofort in  den Dienst der sozialistischen Verteidigung gestellt. Wir gehören zum  Raketenflugzeuggeschwader 19. In einer Stunde starten wir. In 15 Stunden sind  wir in Amerika, tot oder lebend. Bis dahin muss die Frage: Krieg oder Frieden,  sozialistischer Aufbau oder Weltzerstörung, entschieden sein. Werden wir unsere  Weltreise durch Amerika friedlich fortsetzen können oder in Amerika untergehen,  werden wir ein totes, verbranntes Amerika antreffen oder ein neues Amerika, das  endlich den Weg zur großen sozialistischen Union gefunden hat? Wenn es sein  muss, werden wir kämpfend untergehen. Wir wissen, wofür wir kämpfen und  sterben. Wofür aber kämpft ihr, amerikanische Jugendkameraden, wofür sterbt  ihr?"
  „Achtung...  Achtung...  Hier Geheimsender Cincinnatti...  Bewaffneter Aufstand  niedergeschlagen...  Generalstreik wird weitergeführt...  Regierung verbreitet  Nachricht, dass S. U. den Krieg an Amerika erklärt hat. Bedrohung der U.S.A.  durch Raketen wird als Lüge hingestellt... "
  „Achtung...  Hier S. U. Amerikaner, glaubt den Meldungen eurer Regierung nicht!  Sie schildert euch den Krieg harmlos. Sie will euch in Sicherheit wiegen.  Glaubt uns, kein Fleck der U. S. A. wird gasfrei bleiben, wenn durch Schuld  eurer Regierung der Krieg ausbricht!"
  Die amerikanischen Delegierten sind wieder im Saal erschienen. Sie wünschen  eine nichtöffentliche Sitzung.
  „Nein, Mr. Young, keine Geheimniskrämerei! Jetzt ist keine Zeit mehr für  Geheimdiplomatie. Sagen Sie hier, frei und offen, vor aller Welt, was uns die  Regierung der U.S.A. mitzuteilen hat!"
  „Meine Herren! Meine Regierung betrachtet sich als angegriffen. In Australien  konnten die Revolutionäre nur mit Hilfe von Luftstreitkräften der S. U. die  Oberhand gewinnen. Von Argentinien aus fliegen 10000 rote Flugzeuge nordwärts.  Im Gran Chaco sind riesige Automobilkolonnen nach Norden unterwegs. In  Valparaiso sind 5ooo rote Flugzeuge gelandet. Die Besatzungen haben sich mit  den aufständischen chilenischen Arbeitern verbündet und die Verbindung zwischen  Nord- und Südchile zerstört. Über Rio de Janeiro und über der Amazonasmündung  sind rote Luftschiffe erschienen. Die ganze Ozeanenge zwischen Freetown und Kap  S. Roque wimmelt von roten Schiffen. Über Pernambuco und Bahia treffen ständig  neue Luftgeschwader ein. Die roten Luftkommandeure haben die brasilianische  Neutralität gebrochen, indem sie die örtlichen Befehlshaber der brasilianischen  Küstenstädte funkentelegraphisch aufgefordert haben, die gefangenen Verbrecher  freizulassen. Nach Meldungen amerikanischer Handelsschiffe bewegen sich die  roten Flotten auf dem Atlantik weiter westwärts. Das alles fasst die  amerikanische Regierung als Kriegseröffnung auf."
  „Gestatten Sie, Mr. Young, dass ich einige Dinge richtig stelle! In Valparaiso,  Santiago und Concepcion hatten sich Zehntausende von Arbeitern aus ganz Chile  angesammelt, denen von der Regierung die Auswanderungserlaubnis verweigert  wurde. Da Polizei und Militär mit den Arbeitern sympathisierten, rief die  chilenische Regierung Hilfe von einem nordamerikanischen Kreuzer herbei. Gegen  die Landung nordamerikanischer Truppen protestierten sogar einige chilenische  Offiziere, während der größte Teil des Offizierskorps sich den Amerikanern  anschloss. Es kam zum Kampf, der mit dem Siege der Chilenen endete. Ein  Arbeiter- und Soldatenrat wurde gebildet. Er übernahm die Regierungsmacht und  rief die Hilfe der roten Luftflotte herbei.
  In Brasilien verweigerten nahezu alle Arbeiter die Arbeit und wollten  auswandern, man hat sie zu Tausenden gefangen genommen, ihnen hohe  Freiheitsstrafen zudiktiert und sie dann an die Unternehmer zur Ausbeutung  verkauft. Man hat sogar freie Indianer aus dem Urwald gefangen und in die  Sklaverei verkauft. Und eine Regierung, welche die Sklaverei nicht nur duldet,  sondern sogar selbst ausübt, ist unserer Ansicht nach keine Regierung, sondern  eine Verbrecherbunde. Darin sind wir doch hoffentlich einig, Mr. Young, oder  sollte in U. S. A. der Sezessionskrieg schon ganz in Vergessenheit geraten  sein?
  Ihre Mitteilungen bedürfen aber noch einer gewissen Ergänzung. Die  Regierungsgewalt in Nikaragua ist jetzt vollkommen in die Hand der  amerikanischen Militärs übergegangen. In Mexiko sind amerikanische  Regierungstruppen zur Unterdrückung des Aufstandes eingerückt. In Columbia und  Venezuela landen ständig neue amerikanische Truppen. Von Guyana aus dringen  amerikanische Tankkolonnen auf brasilianischem Gebiet in Richtung auf den  Amazonas vor. In Bolivia hat der nordamerikanische Kommandant, der bisher rein  beratende Funktionen hatte, den Belagerungszustand erklärt und eine  amerikanische Legion aufgestellt. Die Luftgeschwader der Vereinigten Staaten  beherrschen den ganzen Norden Südamerikas. Wir fragen noch einmal vor aller  Welt: Ist die amerikanische Regierung bereit, der Flotte Rückzugsbefehl zu  geben und sich in die Verhältnisse Südamerikas nicht einzumischen?" „Die  Regierung der U.S.A. verlangt unverzügliche Räumung Südamerikas einschließlich  Argentiniens von allen roten Truppen."
  „Drahten Sie sofort, dass eine Räumung Argentiniens nicht erfolgen kann, da  Argentinien als ein Teil der S. U. anzusehen ist. Wir sind jedoch bereit, uns  in die südamerikanischen Verhältnisse nicht einzumischen, wenn die  amerikanischen Truppen zurückgezogen und alle Gefangenen freigelassen werden  und wenn vor allen Dingen die Auswanderungsfreiheit in vollem Umfange  wiederhergestellt wird."
  „Ganz unmöglich, dann gibt es keine Arbeiter mehr in Südamerika!"
  „Und ohne Arbeiter gibt es keinen Profit und keinen Zins und kein arbeitsloses  Leben. Deshalb gibt es in Nordamerika zwar 6 Millionen Arbeitslose, aber keine  Auswanderungsfreiheit. Und deshalb gibt es für den bankerotten Kapitalismus  keinen anderen Ausweg mehr als den Krieg, der von Anfang an verloren ist, und  deshalb gibt es für euch, amerikanische Arbeiter, keinen anderen Ausweg als  den: Schlagt eure Kapitalisten und ihre Helfershelfer nieder! Befreit euch von  diesen Parasiten, bevor sie die ganze Welt in Flammen setzen!
  „Meine Herren, das ist die Kriegserklärung! Sind Sie sich dessen bewusst?"
  „Nein, der Krieg ist schon von der U. S. A. erklärt worden. In allen Städten  der U. S. A. sind Demonstranten erschossen worden. In Milwaukee sind  zehntausend Menschen, die waffenlos auf einem öffentlichen Platz für den  Frieden demonstrierten, durch Giftgasgranaten getötet worden. In vielen Orten  der U.S.A. haben die Arbeiter die Giftgasfabriken besetzt. Dort wo sie sich  bewaffnet haben, gelang es ihnen, sich zu behaupten. An anderen Stellen aber,  wo sie töricht genug waren, dem Versprechen der Kapitalisten zu glauben, sind  sie erbarmungslos niedergemetzelt worden." „Ich habe soeben einen neuen  Funkspruch meiner Regierung erhalten. Die U. S. A. ist nunmehr bereit, einen  neuen Friedensvertrag abzuschließen, in dem völlige gegenseitige Abrüstung  zugesichert wird."
  „Und Südamerika? Und die Auswanderungsfreiheit?" „In Südamerika Status  quo. Auswanderungsfreiheit für 100000 Arbeiter pro Jahr." „Und die übrigen  5900000 Arbeitslosen?" „Für die wird gesorgt werden."
  „Und die Millionen anderen Arbeiter, die nicht mehr unter miserablen Verhältnissen  für andere schuften wollen? Und die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung,  die längst den Kapitalismus satt hat und sich nach dem Sozialismus sehnt?  Werden Sie eine Volksabstimmung zulassen? Werden sofort Neuwahlen  erfolgen?"
  „Nein, der Senat hat beschlossen, die Legislaturperiode für den Präsidenten und  für alle Körperschaften um 5 Jahre zu verlängern."
  „Das ist Vergewaltigung. Die amerikanische Bevölkerung verlangt  Kursänderung."
  „Wir bedauern außerordentlich, den Stimmungen einzelner Leute nicht nachgeben  zu können. Die Regierung wird fest bleiben."
  „Dann muss sie gestürzt werden."
  „Vielleicht, aber dann ist das Ihre Schuld. Dann ist es auch Ihre Schuld, wenn  die amerikanische Regierung einige hundert Millionen Menschen mit ins Verderben  reißt. Die sozialistische Union ist gut gerüstet. Aber auch wir haben Waffen.  Schlimmere Waffen, als Sie ahnen! Von unseren Festungen aus, die mit  auserlesenen Kerntruppen besetzt sind, können wir die halbe Welt  vernichten." „Die amerikanische Regierung glaubt also noch immer  Bedingungen stellen zu dürfen. Was verlangen die Herren von uns?"
  „Keine Antastung der Monroedoktrin! Die Regierung der U. S. A. übt auf dem  ganzen amerikanischen Kontinent die Polizeigewalt aus und verpflichtet sich,  keinen Angriffskrieg zu führen. Gegenseitige Abrüstung ohne Kontrolle, im  Vertrauen darauf, dass jede Regierung ihr Versprechen hält!"
  „Ohne Kontrolle! Unmöglich, dies Vertrauen kann die amerikanische Regierung  nicht mehr beanspruchen. Wir können die Welt nicht der ständigen Bedrohung  durch eine Horde von... "
„Achtung!!! Achtung!!! Achtung!!! Gasalarm!!! Gasalarm!!! Gasalarm!!!
  Amerikanische Giftgastorpedos an den europäischen Küsten!!!
  Militärischer Angriffsplan C, Variante 3 tritt in Kraft! Gasalarm für die ganze  Welt! Gasanzüge anziehen! Gasmasken und Gastelefone umhängen! Amerika eröffnet  den Krieg!!!
  In ganz Amerika Bürgerkrieg. Noch keine Giftgasraketen auf amerikanischen  Kontinent abschießen. Alle Flugzeug - und Schiffsgeschwader: Maisch! Alle nicht  eingeteilten Schiffe: aufmarschieren zu Massentransporten Afrika-Südamerika  unter dem Schutze des sechsten und siebenten Schiffs- und des zweihundertsten  bis dreihundertsten Flugzeuggeschwaders in Linie Freetown—Kap S. Roque.  Nordostbrasilien ist besetzt. Gefangene Arbeiter in Fortaleza— Pernambuco und  Bahia befreit.
  Wenn der amerikanische Vormarsch nach dem Süden nicht sofort eingestellt wird,  legen wir Sperrfeuer auf den Äquator und auf den 5o. Längengrad. Angriffsflotte  setzt Vormarsch westwärts fort. Zweite Linie errichtet schwimmenden Festungs-,  Minen- und Torpedofanggürtel Grönland— Azoren—Madeira. Dritte Abwehrlinie  Island—Irland—Portugal, verstärkt durch russische Abteilung 37—50. Achtung!  Portugal! Höchstalarm!!! Nach Fliegermeldung landen in wenigen Minuten  Giftgastorpedos an eurer Küste. Lücke im Fangsystem. Befehl an Spanien:  Gasmasken auf! Gastelefon einschalten!
  Achtung, Achtung, australische Genossen, ihr müsst allein mit euren Gegnern  fertig werden!
  Kriegsleitung von jetzt ah Pamir. Wellenlänge 1 — 100 des Geheimcode 37.
  An die Bewohner von Labrador, Halifax, Florida, Panama und Bermuda! Wir müssen  Torpedoabschussstelle vernichten und Kanalzone sperren. In zehn Minuten landen  300000 Raketengeschosse, die mit den neuesten, schrecklichsten Giften gefüllt  sind. Gegen dieses Gift gibt es keine Rettung, — wir selbst wissen kein Mittel  dagegen. Flieht westwärts oder nehmt euch sofort das Leben, wenn ihr nicht die  schrecklichsten Qualen erdulden wollt! Wir müssen euch opfern, um die  Menschheit zu retten.
An die Arbeiterschaft Amerikas!
  Genossen, wir können euch nur noch drei Stunden Zeit geben. Wenn die  kapitalistische Pest bis dahin nicht vom Erdboden vertilgt ist, müssen wir 100  Millionen Menschen vernichten, um das Leben von 1000 Millionen zu retten. Nützt  diese drei Stunden! Zerstört alle Brücken, Verkehrsmittel und Bahnhöfe! Steckt  alle Häuser, Wälder, Dörfer, Städte, Fabriken, Lagerschuppen und Schiffe in  Brand! Fangt mit eurem eigenen Eigentum an! Schont nicht eure eigenen Häuser!  Wenn ihr siegt, werden wir euch in Jahresfrist die herrlichsten Wohnpaläste  bauen. Wenn ihr aber nicht siegt, seid ihr in vier Stunden alle tot. Zündet die  Städte an und flieht! Schont nur die Rundfunksender! Achtung! Achtung!!
  Amerikanische Giftgasraketen bestreuen Ostsibirien und Nordafrika. Gasabwehrmittel  37, 49 und 101 anwenden.
  An irischer Küste Gastorpedos abgefangen. Sperrfeuer auf Panamakanal.
  Wir unterbrechen jetzt die Sitzung, ziehen um in Gaskeller. Amerikanische  Delegierte fordern wir auf, mitzukommen. Amerikanische Regierung fordern wir  auf, sich in zehn Minuten zu melden zur Wiederaufnahme von Verhandlungen.  Amerikanische Arbeiter fordern wir auf, ihre Pflicht zu tun und Bericht zu  erstatten."
  „Achtung, Achtung, Achtung...  Hier Philadelphia...  Revolutionskomitee...  Wir  haben die Giftgasfabriken gestürmt und die Raketenabschussstellen besetzt. Neue  Regierungstruppen rücken an, wir sind zu schwach, wir werden unterliegen. Wir  haben tausend Raketen im Meer versenkt, aber 10000 liegen noch da. Wir haben  keine Zeit mehr. Die Regierungstruppen rücken vor. Gebt Feuer auf Philadelphia,  gebt Feuer! Wenn ihr das neue sozialistische Amerika aufbaut, denkt an die  Arbeiter von Philadelphia!" „Achtung, Achtung. Hier Chef der Marineleitung  U.S.A. Halloh, Atlantikflotte. Halloh, Florida, Cuba, Panama, Port of Spain,  Halloh Bermuda...  Lebt ihr noch?...  Meldet euch doch!...  Warum meldet ihr  euch nicht??? Gebt Antwort!!!"
  „Achtung! Hier zweites rotes Raketengeschwader, nördlich Bermuda. Habt Dank,  Arbeiter von Philadelphia. Nehmt euch das Leben, schnell, in dreißig Minuten  platzen die ersten tausend Raketen. Habt Dank." „Halt! Halt! Hier Rotes  Oberkommando. Haltet ein, Genossen in Philadelphia! Wir stoppen Gasabschuss.  Falls Lage unhaltbar, ergebt euch. Hilfe naht. Baltimore und New York funken  Arbeitersieg."
  „Achtung, Dach der Welt, Rotes Oberkommando. Wenn Raketenabschuss nicht sofort  eingestellt wird, können wir den nordamerikanischen Kontinent nicht mehr  schonen. In Südamerika nördlich des Äquators lebt kein Mensch mehr. In Mexiko  und Nikaragua hat die Revolution gesiegt. Aus U.S. A. erhalten wir keine  Nachricht. Beeilt euch Arbeiter in Amerika!"
  Achtung! Achtung! Hier Verhandlungszentrum London. Das oberirdische London ist  tot. In tiefen Kellern und Unterständen hausen Millionen dicke, abscheuliche  Larven, in denen sich Menschen verstecken. Die amerikanische Regierung hat sich  trotz mehrfacher Aufforderung nicht gemeldet. Sind die amerikanischen  Delegierten da? Melden Sie sich doch! Man kann doch niemand hinter diesen  Gaspanzern erkennen. Halloh, Genossen, die fünf Mann dort in der Ecke werden es  sein. Führt sie zum Tisch. Steckt ihre Telefonkontakte in das Schaltbrett!  Halloh, wer ist Mr. Young? Hand hoch! Sie zittern, Mr. Young, Sie haben das  nicht gewollt? Das hat schon mal jemand gesagt, als es zu spät war. Aber  diesmal geht es nicht so harmlos für die Herren ab wie anno 14. In wenigen  Stunden ist ganz Nordamerika ein Leichenfeld, wenn Ihre Regierung sich nicht  sofort ergibt und den Raketenabschuss einstellt. Mitglieder der amerikanischen  Regierung, meldet euch! 100 Millionen Menschenleben sind in eurer Hand. Ein  Druck auf den Knopf, und sie sind vernichtet. Wir, die Sieger, machen euch, den  Besiegten, den zum Tode verurteilten, in letzter Minute ein Angebot: das  ungeheuerlichste Angebot, das je in der Geschichte der Menschheit gemacht  wurde. Wir fordern sofortige Kapitulation innerhalb zehn Minuten. Aber um 100  Millionen unschuldige Menschenleben zu schonen, gewähren wir euch so  phantastische Bedingungen, wie sie noch niemals von hundertprozentigen Siegern  den Besiegten gewährt wurden. Wir bieten euch tausendmal mehr, als ihr je durch  Kriegsgewinn erreichen könntet. Ihr wolltet ein arbeitsloses Leben in Reichtum  und Üppigkeit. Ihr sollt es haben. Wir dehnen unser Angebot auf das ganze  amerikanische Volk aus, auf all die Millionen Todgeweihten. Unsere nächste  Jahresproduktion von 30 Millionen Autoflugbooten gehört euch. All unsere  Flugzeug- und Luftschifflinien, unsere Luxusdampfer, unsere Salonexpresszüge  und Autoverbindungen stehen euch ohne Gegenleistung zur Verfügung. An jedem  Orte der Welt erhaltet ihr freie Wohnung in unseren Wohnpalästen, Kurorten und  Erholungsheimen. Überall reichliche Verpflegung und Kleidung. Unsere  Sportplätze, Theater und Konzertsäle stehen euch offen. Dies Angebot gilt für  alle Amerikaner ohne Unterschied, hört ihr! Aber einen Unterschied werden wir  doch machen. Strafe muss sein. Allen Amerikanern, die sich rechtzeitig auf ihre  Menschheitspflicht besonnen haben, steht es frei, jährlich die wenigen hundert  Stunden zu arbeiten, die in Zukunft noch notwendig sind. Die anderen aber, die  nur dem Zwang gehorchen, sollen davon ausgeschlossen sein. Sie dürfen in keiner  Fabrik, in keinem Studio, in keinem Laboratorium arbeiten und auch an der  gesellschaftlichen freiwilligen Arbeit nicht teilnehmen. Sie sollen als die  Drohnen sterben, die sie sein wollten. Jetzt überlegt euch, Amerikaner, ob es  noch einen Sinn hat, den Krieg fortzusetzen. Unser Angebot ist ernst gemeint,  wir werden unser Wort halten. Entscheidet euch!!!"
„Minute um Minute vergeht. Qualvolles Warten an den Empfängern. Immer noch  fallen Raketen. Keine Nachricht aus Amerika. Anscheinend versuchen einige  Sender zu funken. Man kann nichts verstehen. Störungssender sind auf vielen  Wellen am Werk. Der Raketenregen wird stärker. Wir können nicht länger warten ...  Die Transkontinentalraketenbatterien schalten den Strom ein...  Die  Raketenflugzeuggeschwader setzen zum Angriff an. Auch von Westen her nähern  sich die ersten Raketenflugzeuge dem amerikanischen Kontinent. Das Ozeansperrfeuer  liegt jetzt überall dicht vor der amerikanischen Küste. Unsere Sperrlinien  berichten, dass immer mehr Torpedos abgefangen werden.
  Aber die wurden schon vor einem Tage abgeschossen. Auch der Raketenregen hört  nicht auf...  Wir wissen nicht, wie es jetzt drüben aussieht...  Vielleicht ist  es schon entschieden...  aber wir können nicht mehr warten...  wir können nicht  das Schicksal der ganzen Menschheit aufs Spiel setzen...  wir müssen handeln ...  Immer noch keine Nachricht...  wir können nicht länger warten... 
  Raketenbatterien......Achtung!!!!!!
  Feuerwalze verlegen auf den...  Halt! Halt!
  Man funkt...  Ist das Amerika?...  Welche Welle, Wellenmesser? Alle  S.U.-Sender: Sendung einstellen!! Welle 711 sendet...  Welle 711? Ist das  Symbol? Die Welle des siebenten November?
  Ja! ja! Das ist Amerika!!! Scharf einstellen!...  scharf! scharf!... 
  Musik, Musik!...  Sie spielen, hört ihr es, Genossen? Sie spielen: Die  Internationale. Umarmt euch Brüder! Die Welt ist unser!!"
Der größte Teil der organisierten Arbeiterschaft folgte 1918 der  reformistischen Einheitsparole. Wir begnügten uns leider damit, unseren  Unwillen über die Politik der Ebert und Scheidemann, der Wels und Wisseil in  Protestresolutionen kundzutun, — die natürlich in den Papierkorb wanderten. Die  Führer fragten nicht nach unserem Willen. Sie missbrauchten die Macht, die wir  ihnen vertrauensvoll übereignet hatten. Auf ihren Plakaten sagten sie: Die  Sozialisierung marschiert! In Wirklichkeit aber ließen sie die weißen Garden  der Bourgeoisie marschieren...  So haben sie die Herrschaft des Kapitals wieder  aufgerichtet.
  Seitdem sind zwölf Jahre vergangen, in denen Reformisten und Kapitalisten  Gelegenheit hatten, die Richtigkeit ihrer Theorien unter Beweis zu stellen. Das  katastrophale Resultat ist bekannt.
  Die demokratischen Illusionen sind verflogen. Die Welt steht vor der  Entscheidung: Weltrevolution oder Weltreaktion. Sturmzeichen künden bereits die  kommenden Kämpfe.
  Die Herrschaft der bedrohten Bourgeoisie wird immer mehr zur offenen Diktatur,  denn die Unhaltbarkeit des kapitalistischen Systems wird immer sichtbarer. Der  Sozialismus aber ist keine bloße Vision mehr. Auf allerungünstigstem Boden, auf  den Trümmern des alten Zarenreiches, beginnt er, Wirklichkeit zu werden. Auch  für die übrige Welt ist er kein vages Zukunftsbild mehr. Selbst bei seinen  Feinden beginnt die Erkenntnis, die sie so lange nicht wahrhaben wollten, sich  Bahn zu brechen: Es gibt nur eine Dauerlösung der Weltwirtschaftskrise, — die  Weltplanwirtschaft. Aber nur die sozialistische Revolution kann die  Weltplanwirtschaft verwirklichen. Die Industrialisierung der Welt hat gewaltige  Fortschritte gemacht. Die von Marx prophezeite Wirkung blieb nicht aus. Immer  schwerere Krisen erschüttern die kapitalistische Welt. Auch Amerika, das noch  vor wenigen Jahren von ewiger „prosperity" träumte, ist in den Strudel der  kapitalistischen Niedergangsepoche gezogen worden. Die Weltrevolution ist  tatsächlich im Gange. In allen Kolonien und halbkolonialen Ländern lodern die  Flammen des Aufruhrs. Der Sieg der proletarischen Revolution in einem der  großen hochindustriellen Länder genügt, um den entscheidenden Umschwung  herbeizuführen. Dieser Umschwung wäre längst eingetreten, wenn sich der  Sowjetunion ein hochindustrielles Land angeschlossen hätte, wenn der gewaltige  Aufbau, der sich dort vollzieht, von einer höheren industriellen Basis aus in  Angriff genommen worden wäre. Die Entscheidung wäre längst gefallen, wenn der  sozialistische Gedanke nicht diskreditiert worden wäre durch die Führer, die  sich zu unrecht noch immer Sozialisten nennen, wenn die Sozialdemokraten sich  nicht auf die andere Seite der Barrikade gestellt hätten. Vielleicht hätte die  Revolution zunächst nur auf Deutschland, Italien und auf die Rand-, Donau- und  Balkanstaaten übergegriffen, während Westeuropa und Teile Afrikas und Asiens  noch etwas länger unter der internationalen Kapitalsherrschaft verblieben  wären.
  Ü ber solche Fragen zu streiten, hieße indessen, den Sinn des Buches verkennen.  Es kam mir darauf an, durch Darstellung der Möglichkeiten, die damals  bestanden, die Fehler zu zeigen, die gemacht wurden, und zugleich Interesse und  Verständnis für die Probleme des revolutionären Endkampfes zu wecken.
  Der Einblick in die versäumten Möglichkeiten des Jahres 1918 wird die  Erkenntnis der heute bestehenden revolutionären Möglichkeiten erleichtern.
  Einsicht in begangene Fehler ist die Voraussetzung für ihre Wiedergutmachung.