Takidji Kobajaschi - Krabbenfischer (1929)
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Hoihoo! Wir fahren zur Hölle!

 

1

„Hoihoo! Wir fahren zur Hölle!" Nichts hätte die Stimmung der beiden Krabbenfischer an der Reling treffender ausdrücken können als dieser Ruf. Der ihn ausgestoßen hatte, starrte mit verbissener Miene auf das Häusermeer von Hakodate, das sich wie ein riesiges Reptil um die Bucht dieses größten Hafens der Insel Hokkaido im Norden Japans wand. Ein zerkauter Zigarettenstummel, gefolgt von einer Ladung Spucke, flog über die Reling, überschlug sich ein paarmal in der Luft und fiel neben der Bordwand in die Tiefe. Eine Schnapswolke umgab die beiden Männer. Vor ihnen breitete sich das Panorama des weiten Hafenbeckens aus. Da lag ein Dampfer mit einem rötlichen bauchigen Rumpf, daneben ein Schiff, das eben beladen wurde; es hatte Schlagseite wie ein Mensch, der mit nassen Kleidern aus dem Wasser steigt und einen triefenden Ärmel hinter sich herzieht. Steil ragten die gelben Schornsteine der Dampfer in die rauchige Luft. Rote Bojen hüpften wie schwingende Glocken um die Schiffsleiber. Zwischen ihnen flitzten, flink wie flüchtende Wanzen, die Hafenbarkassen hin und her. Die von kleinen
Wellen gekräuselte Wasserfläche, auf der sich das alles abspielte, sah aus wie ein buntes Stoffmuster, so viele Ölflecke, Brotreste und Obstabfälle schwammen auf ihr. Vom Wind zerfetzte Rauchfahnen flatterten darüber hin und trugen Ruß und Kohlegestank mit sich. Ladebäume ächzten und knarrten. Neben der „Hakkomaru" lag ein Schiff, dessen Anstrich verblasst war. Der Bug mit den Klüsen und der Ankerkette sah aus wie ein Ochsenmaul mit geblähten Nüstern. Es war das russische Schiff, das die „Hakkomaru" vor der Ausfahrt kontrollierte, da die Krabbenfanggründe in unmittelbarer Nähe der russischen Hoheitsgewässer lagen. Wie aufgezogene Tanzpuppen gingen zwei Posten auf dem Schiffsdeck auf und ab. Sie hatten, wie fast alle ausländischen Matrosen, Pfeifen im Mund. Dass der eine der beiden Krabbenfischer an der Reling so übelgelaunt war, hatte einen besonderen Anlass. „Verflucht", sagte er, „ich habe keinen Sen mehr in der Tasche. Da, fühl selbst!" Er packte die Hand seines Kameraden, drückte sie fest gegen seine Hosentasche und grinste. „Du hast wohl wieder gespielt?" Der andere lachte, er fühlte durch den Stoff der Hose die scharfen Kanten eines Päckchens Spielkarten. Der Kapitän der „Hakkomaru" ging an Deck spazieren. Seiner Haltung war anzusehen, dass er sich wie ein Admiral vorkam. Der Seewind blies ihm den Rauch seiner Zigarette unter der Nase weg. Holzpantinen klapperten an ihm vorbei, in der Kombüse war Essenempfang für die Mannschaft. Anschließend sollte die „Hakkomaru" zu neuem Fang auslaufen.
Die   beiden   Krabbenfischer   schlenderten   nach achtern, sie wollten einen Blick in das Logis der Saisonarbeiter werfen. Das Logis lag tief unten und war der finsterste Raum im Schiff. Es glich einem Nest voll eben ausgekrochener Küken, denn es wimmelte von Halbwüchsigen. Sie hatten sich je nach der Gegend, aus der sie stammten, auf die verschiedenen mit Schlafkojen und einigen Wandbrettern ausgestatteten Verschläge verteilt. „Hallo, ihr da! Woher seid ihr?" Mehrere antworteten auf einmal. Sie waren alle aus den Elendsquartieren von Hakodate und hatten sich auf dem Schiff gleich zu einer engen Gemeinschaft zusammengeschlossen. „Und woher sind die nebenan?" „Aus dem Süden, aus der Provinz Akita auf der Hauptinsel."
Bejammernswerte Gestalten waren unter den Halbwüchsigen. Einer hatte eitrigen Schorf auf der Nase, ein anderer rachitische Beine und rotumränderte Augen. Die meisten Leute aus Akita, dem schlimmsten landwirtschaftlichen Notstandsgebiet in Japan, boten einen ähnlichen Anblick.
In den Verschlägen roch es nach faulem Obst und nach dem eingesalzenen Fisch in den Fässern nebenan. Modergeruch und Latrinengestank füllten den Raum.
Der Krabbenfischer mit den Spielkarten in der Tasche rief einer Frau lachend zu: „Von jetzt an bringt Papa den Bengel zu Bett!" Es war eine Arbeiterfrau, bekleidet mit einem Kittel und Hosen, um den Kopf trug sie ein Tuch. Sie stand in einer dunklen Ecke neben einer der Kojen, gab ihrem Jungen, der in der Koje lag, Apfelstücke zu essen und steckte sich selbst die Schalen in den Mund. Mehrere Halbwüchsige waren von ihren Müttern an Bord der „Hakkomaru" gebracht worden. Einer von denen, um die sich keine Mutter kümmerte, kam einige Male in die Ecke und starrte die Frau an.
Die Mutter eines anderen Jungen gab allen von den Malzbonbons ab, die sie mitgebracht hatte. In ihrem schwarzen Haar klebte Zementstaub, ihre Hände waren hart und knochig wie Baumwurzeln. „Vertragt euch mit Kenkidji", sagte sie, als sie die Bonbons verteilte.
Manche Träne floss in diesem düsteren Raum. Die Mütter unterhielten sich. „Deiner ist schon groß..." — „Er ist zu schmächtig. Ich dürfte ihn noch gar nicht mitfahren lassen." — „Unsere Kinder sind unser einziger Besitz."
Die beiden Krabbenfischer atmeten auf, als sie wieder auf Deck standen. Sie wandten sich ihrem Logis im Vorderschiff zu. Es lag neben der Ankerklüse. Beim Fieren oder Hieven des Ankers wackelten alle Gegenstände im Logis. Die rasselnde Kette machte einen Lärm, dass man glaubte, in eine Mörtelmaschine geraten zu sein. Auch hier war es dunkel. Die Leute hausten zusammengepfercht wie das Vieh. Es roch wie in einem Schweinestall. Wenn man eintrat, blieb einem die Luft weg. „Ein Gestank! Zum Verrecken!" „Wir verkommen hier im Dreck, das muss ja stinken."
Ein Krabbenfischer mit einem kahlen Schädel, rot wie der Kopf eines Neugeborenen, goss eine Teeschale bis an den Rand voll Schnaps. Er biss große Stücke von einem gedörrten Schellfisch ab und trank dazu den Schnaps in großen Schlucken. Ein anderer, der neben ihm hockte, besah sich die Bilder einer Zeitschrift, deren Umschlagseite zerrissen war. Vier Männer saßen hier beisammen, ein fünfter drängte sich hinzu, er wollte etwas von dem Schnaps abhaben. „Die nächsten vier Monate sind wir auf Fahrt, so gemütlich werden wir es nicht mehr haben", sagte er.
„Dafür haben wir dann die Tasche voll Geld", entgegnete einer, der die Angewohnheit hatte, ständig an seiner Unterlippe zu lecken, und kniff die Augen zusammen. Er schwenkte vor den Augen der anderen einen kleinen Lederbeutel, der aussah wie ein flacher, runzliger Pfannkuchen, und sang:

„Ach! Mein Täschchen
! Kannst tanzen wie ein Mädchen,
und bis auf einen weißen Hals
ist alles an dir dran!"

„Hör mit deinen Zoten auf!"
Die Runde war geteilter Meinung, aber alle lachten. In der Koje gegenüber saß ein Krabbenfischer und sprach mit seiner Frau. Er lieferte ihr offenbar die Heuer ab, denn die beiden waren damit beschäftigt, Geld zu zählen, das auf einer Kiste vor ihnen ausgebreitet lag.
„Hm! Seht euch den guten Ehemann an!" Der Grunzende geriet auf einmal in Wut. „Ich habe auch Frau und Kinder zu Hause", platzte er heraus. Dann schwieg er und versank in Grübeln. Ein anderer war jetzt an der Reihe. Er war noch sehr jung, hatte aber schon ein vom Schnaps aufgedunsenes Gesicht. Seine Koje befand sich auf der anderen Seite des Ganges, er rief hinüber: „Wievielmal habe ich mir schon vorgenommen, nie mehr auf diesem verfluchten Kahn anzuheuern, und jetzt habe ich mir wieder ein paar Monate aufbrummen lassen. Alles nur, weil ich wieder mal pleite war." Er redete mit seinem Nachbarn weiter.
Plötzlich blickten alle nach der Einstiegluke. Dort wurden die Füße eines Mannes sichtbar. Er hatte Drillichhosen an und darüber eine Drillichjacke. Als er unten angelangt war, sah er sich um, offenbar suchte er einen Platz. Er schwang sich auf eine freie Pritsche und sagte: „Grüß euch, alle miteinander. Kann man sich bei euch hier niederlassen?" Als er nach allen Seiten mit dem Kopf nickte, sahen die anderen sein Gesicht. Es war dunkel und schien mit Öl eingerieben zu sein. Er stellte sich vor, indem er aus seinem Leben erzählte. „Tja, eigentlich gehöre ich gar nicht hierher. Bevor ich mich anheuern ließ, war ich sieben Jahre in den Gruben. Bei einem Schlagwetter hätte es mich beinahe erwischt. Hab ja schon öfter welche erlebt, aber beim letzten Mal hat mich das Grauen gepackt, da bin ich abgehauen. Als es losbrach, schob ich gerade eine Lore. Ich wollte zum Füllort. Plötzlich leuchtete eine Flamme auf, so hell wie Magnesiumlicht. Wie einen Fetzen Papier hat es mich weggeschleudert, ich sah gerade noch, dass meine Lore durch den Gasdruck wie eine Streichholzschachtel zusammengedrückt wurde. Ich weiß nicht, wie lange ich ohne Bewusstsein gelegen habe. Plötzlich wachte ich von meinem eigenen Stöhnen auf. Und jetzt sah ich etwas, was mir die Grube für immer verleidet hat. Sie mauerten auf Weisung des Inspektors den Stollen zu. Ich sprang auf und lief zu den Leuten hin. Sie sollten aufhören, sagte ich, ob sie denn nicht hörten, dass noch Kumpel in dem Stollen seien. Das verstünde ich nicht, antwortete der Inspektor, alles würde zugemauert, das Feuer richte sonst zu großen Schaden an. Aber sie müssen doch die Hilferufe gehört haben! Sie müssen doch gehört haben, dass die Rufe immer schwächer wurden! Ich habe geschrien und um mich geschlagen. Dann bin ich aufs Geratewohl den Stollen entlanggelaufen, habe mich mit den Händen weitergetastet und mir an der Zimmerung den Kopf blutig geschlagen. Ich war ganz mit Blut und Dreck beschmiert. Zuletzt bin ich wohl über eine Schiene gestolpert und mit dem Kopf auf das Eisen geschlagen. Dort haben sie mich gefunden."
„So, so", sagte einer der Fischer. „Da bist du hier ganz richtig, bei uns geht es auch nicht viel anders zu."
In den Augen des Bergmanns schimmerte es gelblich. Ein seltsames Licht ging von ihnen aus, als er sich umblickte. Er schien etwas fragen zu wollen, schwieg aber. Die Männer, die in seiner Nähe hockten, waren meist Bauern und Fischer aus den ärmsten Gegenden Japans, den Provinzen Akita, Aomori und Iwate. Manche von ihnen saßen mit untergeschlagenen Beinen auf ihren Händen, es sah aus, als säßen sie auf einem Hängesitz. Andere hielten mit den Armen ihre Knie umfasst und lehnten an den hölzernen Pfeilern. Sie schauten den lustigen Trinkern zu und hörten sich ihre Witze an. Ihre Gedanken aber waren in der Heimat. Aus Not hatten sie die Heimat verlassen. Nur der älteste Sohn war zu Hause geblieben, die jüngeren waren draußen in der weiten Welt, die Mädchen Fabrikarbeiterinnen in der Stadt. Aber auch so hatten sie nicht alle satt zu essen. Wie die Hitze beim Rösten die Bohnen von der Pfanne treibt, so hatte die Heimat sie von sich gestoßen. Sie waren in die Städte gekommen, um etwas Geld zu verdienen und dann zurückzukehren, denn der Heimat gehörte ihr Herz. Waren sie aber erst einmal in Hakodate oder Otaru, so kamen sie nicht mehr los. Sie blieben dort hängen wie Vögel an der Leimrute. Irgendwo in der Welt müsste man sein, nur nicht hier in Hokkaido, wo es so viel Eis und Schnee gab, dass man die längste Zeit des Jahres keine trockenen Füße hatte. Sie verkauften sich für einen Pappenstiel an einen Unternehmer. Jedes Jahr beschlossen sie, es sollte das letzte fern der Heimat sein. Jedes Jahr aber unterschrieben sie einen neuen erbärmlichen Arbeitsvertrag. Nun waren sie allmählich wie trotzige, unverbesserliche Kinder geworden, die aus Gewohnheit Böses tun. Eine Frau ging durch die Logis und verkaufte Naschwerk, ein Mann handelte mit Arzneimitteln, andere boten Dinge des täglichen Bedarfs an. Die
Händler waren das letzte Bindeglied zum Festland. Angelockt von ihren Rufen, krochen die Leute aus den Kojen, betrachteten die Sachen und mäkelten an ihnen herum. Manche kauften etwas, manche machten sich nur über die Händler lustig. „Deine Bonbons schmecken gut." „Pfui! Fass mich nicht an!" keifte die Frau und drehte sich um. „Was fällt dir ein, nimm deine dreckigen Pfoten weg!"
Aller Augen richteten sich auf den Übeltäter, der seelenruhig einen Bonbon zerkaute. Ein anderer kam eben vom Abort. Er war so betrunken, dass er sich kaum auf den Füßen halten konnte; trotzdem fand er Gelegenheit, der Frau, als er an ihr vorbeitorkelte, über die dicke rote Wange zu streichen. „Ei, ei, mein süßes Mädchen!"
„Eine Unverschämtheit, wie man hier behandelt wird!"
„Reg dich doch nicht so auf, Mädchen! Ich will ja nur mit dir schlafen."
Sie musste gute Miene zum bösen Spiel machen, zumal da jetzt einer aus dem Winkel im Hintergrund nach ihr rief, offenbar ein neuer Kunde. „Hierher bitte!"
„Ich komme ja schon." Seltsam klang die Frauenstimme an diesem Ort. Die Frau lächelte, aber man sah ihr an, dass es ihr nicht leichtfiel. „Was wünschen Sie? Von diesen hier? Ein oder zwei?"
„Ich wünsche süße Fleischpasteten, verstehen Sie, süße Fleischpasteten! Ja, Sie haben recht, am besten gleich zwei Stück." Schallendes Gelächter erklang. Auf einer früheren Fahrt", lallte der Betrunkene, ist einmal mein Freund Takeda... mit einer Marketenderin... nach unten verschwunden. Ja... der Takeda... das war einer..." Der Betrunkene arbeitete während der Wintersaison gewöhnlich in einer Gummifabrik. Wenn es Frühling wurde, ließ er sich auf einem Krabbenfangschiff anheuern und fuhr nach Kamtschatka. Jede Branche hatte in Hokkaido ihre Saison, dann wurde jeweils mit Hochdruck gearbeitet. So kam es in der Gummifabrik häufig vor, dass die Arbeiter gleich zwei Schichten hintereinander leisten mussten. Von der Gummifabrik hieß es: „Wer hier anfängt, lebt höchstens noch drei Jahre." Man sah ihm an, dass er aus der Gummifabrik kam. Sein Gesicht war totenbleich, seine Haut fühlte sich an wie Gummi und nicht wie lebende Haut.
Unter den Saisonarbeitern gab es einige, die vom „Zentralamt für die Erschließung Hokkaidos" angeworben worden waren, und andere, die sich als Streckenarbeiter für den Eisenbahnbau gemeldet hatten. Es gab Leute, denen jede Arbeit recht war, und andere, denen es nur darauf ankam, möglichst viel Schnaps zu trinken. Es gab gutmütige, unwissende Tölpel vom Lande unter ihnen, die stark waren wie Ochsen. Der Schulze ihres Dorfes, irgendwo in Aomori, hatte, gutgläubig wie sie selbst, sie ausgesucht und empfohlen. Gruppen von sieben oder acht aus verschiedenen Gegenden stammenden Arbeitern waren den Unternehmern am liebsten. Einige kühne Leute von der Gewerkschaft in Hakodate hatten versucht, die Kamtschatkafahrer zu organisieren. Auch die Gewerkschaften von Aomori und Akita bemühten sich, Verbindung mit den Krabbenfischern zu bekommen. Aber die Leitung der Fischereigesellschaft fürchtete solche Verbindungen wie die Pest und unternahm alles, um sie zu verhindern.
Der Steward des Schiffes, bekleidet mit einem weißen Frack, rannte geschäftig hin und her und brachte Flaschen mit Bier und Tablette mit Likör und Obst in die Offiziersmesse. Dort ging es hoch her. Der Direktor der Fischereigesellschaft, der Kapitän der „Hakkomaru", der Inspektor Asagawa, der Kommandant des Zerstörers, der in Kürze zum Patrouillendienst ins Ochotsker Meer auslaufen sollte, der Chef der Hafenpolizei und der Sekretär der Seeleutegewerkschaft hatten sich zu einem Gelage zusammengefunden. „Du glaubst nicht, was die vertragen können", flüsterte der Steward im Vorbeigehen einem der Krabbenfischer zu. In dem Logis, oder besser gesagt, in dem Loch, in dem die Saisonarbeiter hausten, brannte eine elektrische Birne mit trübem, rötlichem Licht. Tabaksqualm und menschliche Ausdünstungen verpesteten die Luft. Es stank wie in einer Latrine, und die Menschen in den Kojen waren die Schmeißfliegen darin. Plötzlich erschien Besuch.
Der Inspektor, als Vertreter der Fischereigesellschaft, der Kapitän, der Chef der Konservenfabrik und der Chef der Saisonarbeiter stiegen durch die Luke. Der Kapitän hielt sich ein Taschentuch vor die Nase.
Die Gänge sahen aus wie Müllgruben, Apfelgriebse und Bananenschalen, verfaulte Melonen, alte Stiefel und verbeulte Essgefäße lagen in ihnen herum. Die Menschen, die durch diese Gänge schlurften, hatten rote Trinkergesichter.
Der Inspektor blickte verächtlich auf den Schmutzhaufen, spuckte aus und rief mit schneidender Stimme: „Hallo! Mal alle herhören!" Er stellte einen Fuß auf den Rand einer Koje und schlug mit einer Weidengerte pfeifend durch die Luft. Steif und gereckt stand er da, sein Gesicht glich einer Maske, sein Mund einem dunklen Loch, aus dem abgehackte Worte bellten. Furcht und Schrecken verbreitete er um sich. „Ein für allemal lasst euch gesagt sein: Die Fahrt dieses Krabbenfangschiffes ist nicht nur ein geschäftliches Unternehmen. Sie wird Folgen von internationaler Bedeutung haben. Es geht darum, wer der Stärkere ist: Wir, das Volk des Kaiserreiches Japan, oder der Russe. Unser Unternehmen wird diese Frage entscheiden. Wenn wir dabei den Kürzeren ziehen, was nie geschehen darf, dann können wir für immer einpacken; dann bleibt uns allen nur übrig, uns den Bauch aufzuschlitzen und mit Mann und Maus auf den Grund des Ochotsker Meeres zu versinken. Man soll nicht länger über uns lächeln und uns für klein und unbedeutend halten! Wir werden den Barbaren schon zeigen, dass wir uns von ihnen nicht kleinkriegen lassen." Pfeifend sauste die Gerte durch die Luft. Die Zuhörer waren wie benommen von der Besessenheit dieser Worte. Die Stimme hinter der Maske nahm jetzt einen belehrenden Ton an. „In der Herstellung von Fischkonserven und in der Verarbeitung von Krabben und Lachs haben wir einen großen Vorsprung vor dem Ausland. Wir wollen diesen Vorsprung halten. Aber auch für Japan haben wir eine Mission zu erfüllen. Das hängt mit der Übervölkerung Japans zusammen, mit der Notwendigkeit, die Bevölkerung zu ernähren. Aber das versteht ihr nicht, dazu seid ihr zu dumm. Zum Schluss will ich nur noch eines sagen: Den Schutz unseres Schiffes, auf dem wir zum Wohle des Kaiserreiches Japan unter Einsatz unseres Lebens die Wogen des Nordmeeres befahren, hat die Kaiserliche Kriegsmarine übernommen. Wenn es unter euch welche geben sollte, die verseucht sind von modernen Ideen und in Russland ihr Vorbild sehen, so sind das Verbrecher, Verbrecher und Verräter des Kaiserreichs Japan, daran sollt ihr denken..." Die näselnde Stimme des Inspektors brach ab, statt weiterer Worte hörte man laute Rülpser.
Der Kommandant des Zerstörers torkelte wie eine hölzerne Puppe über das Deck und stieg das Fallreep hinunter in die neben dem Fangschiff liegende Barkasse; zwei Matrosen mussten ihn vorn und hinten halten wie einen mit Steinen gefüllten Sack. Aber sooft er auch aus dem Gleichgewicht geriet und hilflos mit den Armen fuchtelte, das Bewusstsein seines Ranges verlor er nicht; mit hochrotem Kopf brüllte er die Matrosen an, und sie mussten ihm, laut Vorschrift, das Gesicht zuwenden, auch wenn sie dabei von seinem spritzenden Geifer getroffen wurden.
„Der Alte hat ja mächtig Schlagseite", flüsterte der eine der beiden Matrosen, als er das Halteseil losmachte.
„Den hätten wir glücklich verladen", meinte der andere.
Dann wandten sie sich beide ab; sie konnten sich das Lachen nicht länger verkneifen.

 

2

Weitab backbord lag über dem Meer eine fahlgraue Nebelbank. An Steuerbord sah man durch den Dunst den silbrigen Lichtkegel des Leuchtturms von Iwaitsu sich drehen und blitzartig aufleuchten.
Auf der Höhe von Rjuho fing es an zu regnen. Den Männern starben vor Kälte die Hände ab, ihre Finger wurden unbeholfen wie Krebsscheren. Sie hauchten in die Hände oder steckten sie in die Taschen und verschafften dem Körper auf alle möglichen Arten Bewegung. Es regnete immer stärker, schließlich goss es in Strömen, rauschend prasselten die Tropfen auf die düstere, einförmig graue Wasserfläche. Als sie Tschinai passierten, fielen dicke Hagelkörner. Die weite Ebene des Meeres bauschte sich wie eine große Fahne, die von einem Windstoß erfasst wird. In den Masten begann es unheimlich zu singen. Ein Zittern lief durch das Schiff, es ächzte, als wollte es aus den Fugen gehen. Bei der Einfahrt in die Enge zwischen Hokkaido und Sachalin tobte das Meer, als wäre der Teufel losgelassen. Die Wogen spielten mit dem dreitausend Tonnen großen Schiff wie mit einer Nussschale. Eine Riesenkraft trug es hoch empor und schleuderte es im nächsten Augenblick hinunter in ein tiefes Wellental. Dabei spürte man jedesmal ein widerwärtiges Kitzeln in den Eingeweiden, als säße man in einem abwärtsgleitenden Fahrstuhl. Nicht nur die Neulinge, auch die meisten der erfahrenen Kamtschatkafahrer wurden quittegelb im Gesicht und bekamen die Seekrankheit, dass ihnen die Augäpfel hervorquollen. An den Bullaugenscheiben brachen sich schäumend und brodelnd die Wellen, hochauf spritzte der weiße Gischt. Die Küste von Sachalin am Horizont sah durch die Bullaugen aus wie ein mächtiges Gebirge, dessen Gipfel von einem Schneesturm umtobt werden. Mit dunklem Wald bestandene Täler rollten von fern heran, kamen näher und zerstoben schließlich berstend und krachend an der Bullaugenscheibe. Wie auf dem Schirm einer Zauberlampe glitten immer neue Bilder vorüber, von unsichtbarer Geisterhand hingezaubert und von derselben Hand wieder hinweggewischt. Das Schiff schlingerte und rollte wie ein von Kinderhand gefaltetes Papierschiffchen in der Badewanne. Gegenstände fielen polternd von den Wandbrettern und zersprangen klirrend am Boden. Aber alles wurde übertönt von dem Donnern der Wogen, die gegen die Schiffswand prallten. Im Maschinenraum tobte scheinbar ein Erdbeben, Geräusche drangen von dort herauf, als flögen Eisenteile durcheinander. Manchmal, wenn sich das Schiff auf einem Wellenberg befand, drehte sich die Schiffsschraube zur Hälfte in der Luft, und die Schraubenflügel peitschten die Wogen mit dem Sturm um die Wette.
Immer stärker blies der Wind. Die beiden Masten bogen sich wie Angelruten, ächzten und knarrten. Rings um sie tanzten die Wogen wie eine Schar wilder Gesellen und versuchten, sie in ihren Wirbel hineinzureißen. Über die Deckaufbauten ergossen sich Wasserfälle und schäumende Strudel. Ja, es war, als säße man in einem Papierschiffchen, das querliegend eine schiefe Ebene hinunterrutschte. Wenn man schon dachte, jetzt kentert das Schiff, läuft voll Wasser und sackt ab, fuhr eine Woge dazwischen, schlug krachend gegen die Bordwand und richtete das Schiff wieder auf, als forderte sie es höhnisch zu neuem grausamem Spiel heraus.
Als die „Hakkomaru" in das Ochotsker Meer einfuhr, wechselte die Farbe des Wassers und wurde düster und grau. Die Kälte drang von oben her in die Kleider. Schneetreiben setzte ein. Wenn die feinen weißen Kristalle auf die Haut trafen, verursachten sie einen prickelnden Schmerz. Wie Glassplitter drangen sie den auf Deck arbeitenden Männern in die Hände und ins Gesicht. Rollte ein
Brecher über das Schiff, bildete sich sofort überall Eis Auf Schritt und Tritt glitten die Leute aus. Um ihnen bei der Arbeit einen Halt zu geben, wurden Taue über das Deck gespannt, an denen sie sich in allen möglichen Lagen entlang hangelten. Es sah aus, als hingen nasse Handtücher auf der Leine. Der Inspektor trug immer einen Knüppel in der Hand, mit dem man Lachse totschlägt. Bei dem geringsten Anlass fluchte er wie ein Fuhrknecht und schlug mit dem Knüppel blindlings um sich. Das Krabbenfangschiff „Tschidjimaru", ein Schwesterschiff der „Hakkomaru", das gleichzeitig mit ihr von Hakodate ausgelaufen war, hatte zunächst einen anderen Kurs eingeschlagen und sich immer weiter von der „Hakkomaru" entfernt. Als der Sturm seinen Höhepunkt erreichte, kam es wieder in Sicht. Es tanzte hilflos auf den Wellenbergen, seine Masten waren in die Luft gereckt wie die Arme eines Ertrinkenden. Dann verschwand es von neuem, nur noch Rauchfetzen waren zu sehen. Im Getöse des Sturmes hörte man ab und zu schrille Pfiffe wie das Heulen einer Sirene. Offenbar rührten sie von der „Tschidjimaru" her. Aber im nächsten Augenblick, wenn die „Hakkomaru" wieder in einem Wellental versank, gingen alle Geräusche im Tosen des Sturmes unter.
Das Krabbenfangschiff führte acht Fangboote mit sich. Die Besatzungen der Krabbenfangschiffe
— Matrosen, Krabbenfischer und Saisonarbeiter — waren dem Konzern nicht soviel wert wie die wimmelnden Krabbenhaufen, die die Fangboote einbrachten. Gegen den Verlust eines Schiffes war der Konzern hoch versichert. Aber davon hatten die Krabbenfischer nichts, im Gegenteil. „Der Einsatz muss so hoch wie möglich sein", sagte der Inspektor, „auf ein paar mehr oder weniger von diesem Pack kommt es nicht an, wir können uns nicht den Verlust eines einzigen Fangbootes leisten." Kamtschatka rückte näher, es war, als sähe man schon seinen Schatten. Das Meer von Kamtschatka schien auf das Schiff zu warten und es zu rufen; wie ein hungriger Löwe sperrte es seinen Rachen auf, drohend und herausfordernd. Neben diesem Ungeheuer wirkte das Schiff wie ein winziges Tier, wie ein Hase auf der Flucht. Der Himmel über dem Meer war voll wirbelnder Flocken, als flatterte ein ungeheures Tuch in der Luft. Auch in der Nacht hielten Sturm und Unwetter an. Als die Männer ihre Arbeit an Decks beendet hatten, kehrten sie mit steifgefrorenen Armen und Beinen in das „Jauchefass" zurück. Wie Raupen krochen sie in ihre Logis und hielten sich an den Streben fest. Sie waren so müde, dass keiner mehr ein Wort sagte, sie schliefen schon, bevor sie ihre Kojen erreichten. Das Schiff zitterte in allen Fugen, als schüttelte sich ein von Bremsen gequältes Pferd.
Einige Männer, die nicht schlafen konnten, starrten wie geistesabwesend zu der schmutzig gelben Decke hinauf, oder ihr Blick blieb am Bullauge hängen, das jetzt fast ganz unter Wasser war und dunkelgrün schimmerte. Manche hielten wie ein Irrer den Mund halb geöffnet, vor Müdigkeit unfähig zu denken. Andere waren angesichts der sie umtobenden Gewalten voll dumpfer Bangigkeit. Einer suchte Vergessen im Schnaps, sein Kopf sank um so weiter nach hinten, je mehr sich die Flasche leerte, die er an seine Lippen presste. In den Kanten der Flasche spiegelte sich das trübe Licht der Glühlampe in bunten, dauernd wechselnden Farben. Plötzlich flog die leere Flasche krachend in den „Abfallgraben" auf dem Gang. In den Kojen wurden Flüche laut, einige Köpfe fuhren hoch und wandten sich nach der polternden Flasche um. Mit einer Stimme, die in dem Getöse des Sturmes kaum zu hören war, sagte einer wie in tiefem Sinnen: „Ja, so sieht das aus, wenn die Heimat fern ist..." Im „Jauchefass" qualmte der Ofen. Dieser Raum hatte überhaupt viel Ähnlichkeit mit einer Räucherei. Wie dort die Lachse oder Schellfische zuweilen noch zuckende Bewegungen machen, so zuckte auch hier manchmal einer der erschöpften Fischer im Schlaf. Die Einstiegluke war mit einem Stück Segeltuch abgedeckt. Wenn die mannshohen Brecher über das Deck rollten, hallte es zwischen den Stahlwänden des Jauchefasses wie im Inneren einer Trommel. Neben den Schlafkojen dröhnte es, als wuchtete ein starker Mann mit den Schultern dagegen. Das Schiff bäumte sich wie ein Wal, der im Todeskampf mit dem Schwanz um sich schlägt.
Die Tür wurde aufgerissen. Der Kombüsenjunge steckte den Kopf herein, legte die Hände an den Mund und brüllte, dass es bis in den entferntesten Winkel zu hören war: „Essen empfangen! Wegen des Sturms gibt es heute keine Suppe." „Was gibt es denn?" „Gekochten Fisch."
Der Kopf verschwand, die Tür schlug zu. In den Kojen richtete sich einer nach dem anderen auf. Wie die Häftlinge eines Gefängnisses, so nahmen auch die Krabbenfischer die Mahlzeiten sehr wichtig. Heißhungrig hielten sie die Schüsseln mit dem Salzfisch zwischen den Knien, pusteten auf die heißen Bissen und schlangen sie gierig hinunter. Mancher verbrannte sich die Zunge und schob den Bissen im Munde hin und her, bis er kühler war. Steckte er das nächste Stück des dampfenden Fisches nicht sofort in den Mund, dann bildeten sich an der Nasenspitze rasch hellglänzende Perlen und tropften in die Schüssel.
Als die Fischer aßen, erschien der Inspektor. Sein Gesicht verzog sich zu einer höhnischen Fratze. „Da sitzt ihr auf euren Hintern und fresst euch den
Wanst voll! Und dann noch Dorschfilet. Dabei hat es für euch noch gar keine richtige Arbeit gegeben." Er warf ihnen einen giftigen Blick zu, zuckte mit den Schultern und verließ den Raum.
„Was erlaubt sich der Kerl?" sagte ein jüngerer Arbeiter, der ganz blass aussah, so hatte ihn die Seekrankheit mitgenommen.
„Asagawa kann sich auf diesem Schiff alles erlauben."
,Der Kaiser ist ein guter Mann und thronet in den Wolken. Pfeift auf den Kaiser, aber mit Asagawa ist nicht gut Kirschen essen!"
„Dieser Teufel piesackt uns, wo er kann. Jetzt gönnt er uns nicht einmal eine Schüssel Reis. An den Kopf schmeißen müsste man ihm das Fressen." Der das sagte, hatte eine Hasenscharte. Das schien einen anderen zu reizen, denn er schnitt ihm das Wort ab: „Du Maulheld! Das hättest du Asagawa ins Gesicht sagen sollen, als er hier war. Aber da hattest du die Hosen voll."
Trotz der allgemeinen Wut und Erbitterung lachten einige.
Lange nach Mitternacht kam der Inspektor, mit einem Regenmantel bekleidet, noch einmal in das Logis der Saisonarbeiter. Er musste sich an den Pfosten festhalten, so heftig schlingerte das Schiff. Mit einer Laterne leuchtete er in jeden Winkel. Im tanzenden Lichtschein sah sein Kopf gespenstisch groß aus, wie ein hin und her wackelnder Kürbis. Asagawa schien jemanden zu suchen, denn er blickte in alle Kojen.
Die Leute schliefen wie die Toten. Man hätte auf ihnen herumtrampeln können, sie wären nicht aufgewacht. Der Inspektor blieb in der Mitte des Raumes stehen und biss sich ratlos auf die Lippen. Er hatte offenbar nicht gefunden, was er suchte. Eine Abteilung nach der anderen kontrollierte er. Der bläuliche Schein seiner Laterne huschte über verstaubte Wandbretter, kroch unter die Kojen, unter denen die Gummistiefel standen, tastete sich an den Pfeilern hoch über die zerrissenen Jacken, die dort hingen, und glitt wieder abwärts bis hinter die Kleiderkisten. Dann schwankte der Lichtkegel vor Asagawas Füßen und kletterte an der nächsten Tür hoch, die aus dem Dunkel auftauchte. Erst am Tage erfuhren die Arbeiter, dass einer von ihnen vermisst wurde. Von diesem Augenblick an drehten sich alle ihre Gespräche nur um sein Schicksal, soweit sie Zeit fanden, miteinander zu reden; sie wurden ja schon vor Tagesanbruch an die Arbeit getrieben, und die Arbeit hielt sie den ganzen Tag über in Atem.
Es war nicht ausgeschlossen, dass er im Dunkeln den Halt verloren hatte und von einer Woge über Bord gespült wurde. Der Gedanke an sein Schicksal lastete wie eine dunkle Ahnung auf den Männern.
Wenn er sich versteckt hat und vor der Arbeit drücken will, schlägt Asagawa ihn halbtot", sagte einer, der die Dinge nüchterner betrachtete. Asagawa schien in der Tat so etwas vorzuhaben, denn er durchstöberte mit seinem Knüppel das ganze Schiff.
Endlich ließ der Sturm nach. Aber die Brecher stoben noch immer über das Deck, so dass dort nicht gearbeitet werden konnte. Viele Schäden waren auszubessern. Überall rumpelte und polterte es, als wäre das Schiff bei seinem Kampf mit den Wogen zum Krüppel geschlagen worden. Wolkenfetzen zogen wie dünner Rauch über die Masten, so niedrig, dass man glaubte, sie mit den Händen greifen zu können. Es regnete weiter, ringsum schlugen die Tropfen auf das Wasser. Die Stimmung war trostlos. So mochte es sein, wenn es im Urwald zur Regenzeit wochenlang vom Himmel strömte. Die Taue waren steifgefroren. Wenn man sie anfasste, glaubte man ein Stück Eisenrohr in der Hand zu haben.
Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend und sich an den Tauen festhaltend, schlich einer der Studenten über das vereiste Deck. Er stieß auf den Steward, der die Treppe von der Messe heraufkam. Die Stelle war geschützt, sie blieben stehen. „Du", sagte der Steward, „halt dich gut fest! Ich muss dir eine neue Schurkerei von Asagawa erzählen." Der Steward berichtete, was er gesehen hatte, als er die Nacht über in der Kapitänskajüte Dienst tun musste. „Es war um zwei Uhr. Die Wellen gingen so hoch, dass sie das Bootsdeck erreichten, immer wieder stürzten ganze Wasserfälle über das Deck. Die weißen Schaumkronen leuchteten wie zähnefletschende Gespenster. Die Mannschaften waren alle in ihren Kojen. In der Kapitänskajüte waren nur der Alte und Asagawa. Plötzlich erschien der Funker und meldete, dass er SOS-Rufe aufgefangen habe.
,SOS-Rufe? Von welchem Schiff?' fragte der Kapitän erschrocken.
,Von der »Tschidjimaru«, die mit uns ausgelaufen ist', antwortete der Funker.
Asagawa saß mit umgehängtem Regenmantel auf seinem Stuhl, die Beine weit von sich gestreckt, und wippte mit der Stiefelspitze. Sein Gesicht war verkniffen, er war schlechter Laune. ,Von diesem alten Kasten?' mischte er sich in das Gespräch. ,Übrigens, unser Kahn ist auch nicht viel besser. Diese Krabbenfangschiffe sind alle morsch.' Dann erzählte der Funker, dass er eine Viertelstunde lang vergebens versucht habe, Verbindung mit der ,Tschidjimaru' zu bekommen. Den Kapitän beeindruckte der Bericht des Funkers. Er sprang auf und stürzte zur Tür, wahrscheinlich, um auf die Kommandobrücke zu eilen. Aber bevor er die
Klinke ergreifen konnte, packte Asagawa ihn an der Schulter. ,Sie wollen doch nicht etwa den Kurs ändern? Wer hat hier zu befehlen, he?' schrie er den Kapitän an.
Der Kapitän war betroffen. Es war beleidigend für ihn dass jemand seine Befehlsgewalt anzweifelte. Er wollte auffahren und Asagawa in seine Schranken weisen. Aber unter Asagawas starrem Blick sank ihm der Mut, er setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Es klang sehr kleinlaut, als er sagte: ,Schließlich bin ich der Kapitän.'
So so! Sie sind der Kapitän', äffte Asagawa ihn nach. ,Und wem gehört dieses Schiff, Herr Kapitän? Dieses Schiff hat der Konzern gechartert und schweres Geld dafür bezahlt. Es gibt nur zwei Leute, die hier etwas zu sagen haben: der Vertreter des Konzerns, Herr Sugita, und ich. Ihr Kapitänspatent, auf das Sie so mächtig pochen, ist ein Fetzen Klosettpapier! Haben Sie verstanden? Wir verlieren eine ganze Woche Zeit, wenn wir uns auf eine Bergungsaktion einlassen. Unterstehen Sie sich ja nicht, auch nur einen Tag zu opfern! Übrigens ist die »Tschidjimaru« sehr hoch versichert. Wenn der alte Kasten absäuft, verdient der Konzern mehr daran, als wenn er geborgen wird.' Jetzt müsste es passieren, jetzt müsste es einen Mordskrach geben, dachte ich. Das konnte sich doch der Kapitän nicht gefallen lassen. Aber der Kapitän rührte sich nicht, er schien die Sprache verloren zu haben. So hatte er noch nie ausgesehen. Er stand da wie ein begossener Pudel und protestierte nicht einmal. ,In einem Kampf zwischen zwei Ländern ist für Gefühlsduselei kein Platz!'Das waren die letzten Worte des Inspektors. Er spuckte aus, verzog den Mund und grinste höhnisch. Dann verließen sie alle drei die Kapitänskajüte und begaben sich in die Funkerkabine, um zu erfahren, was mit der ,Tschidjimaru' weiter geschehen sei. An dem Empfänger blitzte von Zeit zu Zeit eine kleine Lampe auf. ,Sehen Sie', sagte der Funker zu dem Kapitän und dem Inspektor, die ihm über die Schulter zusahen, ,sie rufen immer wieder.' Der Kapitän und der Inspektor folgten mit den Augen seinen Fingern, die über die Schalter und Hebel glitten.
Die Helligkeit der Lampe an der Wand schwankte mit den Schlingerbewegungen des Schiffes. Durch die Eisentür war das Tosen der Wogen zu hören, die gegen die Bordwand schlugen, und das Heulen der Sirene, manchmal wie aus weiter Ferne, manchmal unmittelbar über ihren Köpfen. Aus dem Empfänger kamen Summtöne und kurze Signale. Plötzlich hörten die Signale auf, es war totenstill. Das Dröhnen der Wogen klang wie fernes, dumpfes Grollen. Da wandte sich der Funker auf seinem Drehsitz mit einer jähen Bewegung um und sagte mit leiser
Stimme: Jetzt ist sie gesunken...' Er nahm den Kopfhörer ab, seine Stimme war fast tonlos, als er fortfuhr: ,Das Schiff hat... vierhundertfünfundzwanzig Menschen an Bord... Das war das Ende. Nun gibt es keine Rettung mehr für sie. Dreimal hintereinander haben sie SOS gefunkt. Nun ist alles still.'
Der Kapitän fuhr sich mit den Fingern beider Hände in den Rockkragen, als drohte er zu ersticken. Mit gesenktem Kopf verließ er die Funkkabine. Nie zuvor habe ich den Kapitän so gesehen", schloss der Steward seine Erzählung. Der Student hatte in atemloser Spannung zugehört. Jetzt blickte er auf das Meer, Tränen des Schmerzes und der Wut standen in seinen Augen. Das Schiff wogte auf und ab. Bald schien es, als läge der Horizont zu ihren Füßen, bald, als schwebte er hoch in der Luft und das Schiff läge tief unten wie in einem Graben. „Die ,Tschidjimaru' ist untergegangen", murmelte der Student vor sich hin. Da kam ihm zum Bewusstsein, wie bedrohlich die eigene Lage war. Ihr Schiff war ja ebenso morsch wie die „Tschidjimaru". „Alte Kästen sind das", hatte der Inspektor gesagt. Aber für die Konzernherren im Marunoutschi-Hochhaus in Tokio waren auch die „alten Kästen" noch Wertobjekte. Diesen Leuten war es gleichgültig, ob die Schiffsbesatzungen und die Hunderte von Krabbenfischern und Arbeitern im Ochotsker Meer zugrunde gingen oder nicht. Geschäftsleute kalkulieren alles ein. Ob hohe oder niedrige Zinsen, ob „Hausse" oder „Baisse", sie kommen immer zu ihrem Profit. Wenn ein mit mehreren Millionen versichertes Krabbenfangschiff verlorengeht, verdienen sie mehr als an den Fängen, die es einbringen würde; daher kann man mit Sicherheit annehmen, dass es eines Tages in den Tod geschickt wird. Wer könnte die Konzernherren daran hindern? Ein Krabbenfangschiff ist kein Schiff im eigentlichen Sinne, sondern eine „schwimmende Fabrik". Was auf ihm geschieht, das unterliegt daher auch nicht dem Seerecht, dessen oberster Grundsatz fordert, in Seenot befindlichen Schiffen zu Hilfe zu eilen.
Zwanzig Jahre dauerte es im allgemeinen, bis ein Krabbenfangschiff so mitgenommen war, dass es, vom Tode gezeichnet, nach Hakodate auf die letzte Station seines Lebens gebracht wurde. Dem Studenten fielen Geschichten ein, die er über den Russisch-Japanischen Krieg gehört hatte. Damals hatte man ausgediente Lazarett- und Transportschiffe wieder in Dienst gestellt und auf Fahrt geschickt — wie ein Stück Aas, das man den Haien zum Fraße überlässt. Wenn diese Schiffe mit Volldampf den russischen Kriegsschiffen zu entkommen versuchten, zischte der Dampf aus allen Leitungen. „Den Kasten hat der Schlag getroffen", sagten dann die Matrosen...
Wie diese Schiffe, so war auch die „Tschidjimaru" auf ihre letzte Fahrt geschickt worden. Wenn es der „Hakkomaru" eines Tages ebenso ging, würde kein Hahn nach ihr krähen. Ein Krabbenfangschiff ist eben weder ein Schiff, das unter dem Schutz des Seerechts steht, noch eine Fabrik, deren Arbeiter das Recht auf Arbeitsschutz genießen. Ein Krabbenfangschiff steht außerhalb aller Gesetze, es ist vogelfrei.
So kam es, dass zu derselben Zeit, da die Herren der Konzernleitung in den weichen Polstern ihrer Autos nach Marunoutschi in ihre Büros fuhren, mehr als vierhundert Krabbenfischer in den eisigen Wellen des Ochotsker Meeres ertranken. Das geht uns alle an, das werde ich den Männern im Jauchefass erzählen, es wird sie aufrütteln, dachte der Student, als er durch die Luke hinunterstieg. Am Eingang des Jauchefasses klebte ein Zettel mit der Aufschrift: „Wer mir Auskunft über den Verbleib des Saisonarbeiters Mijagutschi gibt, erhält zur Belohnung zwei Päckchen Zigaretten und ein Handtuch.

 

3

Der Regen hörte nicht auf. Die Silhouette der Kamtschatkaküste wand und drehte sich in der Ferne wie der glatte, nasse Leib eines riesigen Aales. Vier Meilen von der Küste entfernt, also außerhalb der russischen Hoheitsgewässer, ging die „Hakkomaru" vor Anker. Die Netze wurden ausgeworfen, der Krabbenfang konnte beginnen. Schon um zwei Uhr früh, zu einer Zeit, in der in diesen Breiten die Dämmerung einsetzt, mussten die Krabbenfischer bereitstehen, die bis an die Hüfte reichenden Gummischäfter an den Beinen. Sie schliefen weiter, wo sie einen Platz fanden, und wenn es nur eine der halbzerbrochenen Kisten war, die überall herumlagen.
Die Studenten, die von einem Heuerbüro in Tokio als Saisonarbeiter angeworben worden waren, nahmen kein Blatt vor den Mund. „Die Kisten hier sollen wohl die Einzelquartiere sein, die man uns großzügig versprochen hat?" — „Drecklöcher sind das, aber keine Einzelquartiere." Ihre Gruppe war achtzehn Mann stark. Nach Abzug des Reisegeldes für die Autobusfahrt von Tokio
nach Hakodate, verschiedener Auslagen für Unterkunft und Arbeitskleidung sowie einer als „Werbenkosten" bezeichneten Gebühr des Heuerbüros waren ihnen von den sechzig Jen Heuer nur acht Jen geblieben. Sie saßen betrübt und niedergeschlagen unter den anderen Krabbenfischern. In den vier Tagen seit der Ausfahrt von Hakodate hatte es zu allen Mahlzeiten groben Reis in einer dünnen Brühe gegeben. Die einförmige Kost bekam den Studenten nicht, sie machten sich Sorgen um ihre Gesundheit.
Es begann damit, dass einer sein Bein befühlte und seinem Kojennachbarn erschrocken mitteilte, er habe Beriberi. Wie eine Seuche verbreitete sich die Angst vor dieser Krankheit. Auf einmal stellten alle fest, dass ihre Füße anschwollen. Einer sprang, als ihm sein Bein eingeschlafen war, von der Koje, trampelte wie wild auf dem Fußboden herum und stach sich mit dem Messer in das Knie, um festzustellen, ob es schon gefühllos sei. Ein anderer hatte keinen Stuhlgang. Er lag mit einem nassen Handtuch um den Kopf in seiner Koje. Als er sich endlich aufraffte und den Schiffsarzt um ein Abführmittel bat, musste er sich sagen lassen: „Solche Luxusdinge gibt es an Bord nicht." „Von einem Schiffsarzt kannst du nicht mehr erwarten", belehrte ihn einer der älteren Krabbenfischer.
Der aus dem Bergwerk bekräftigte die Worte seines Kameraden: „Die Betriebsärzte in den Gruben, in denen ich gearbeitet habe, haben selten was verschrieben."
Während sie herumstanden und sich unterhielten, trat plötzlich Asagawa unter sie. „Habt ihr endlich ausgeschlafen? Hört alle her! Wir haben eine Funkmeldung erhalten, dass die ,Tschidjimaru' gesunken ist. Wie viele von der Besatzung gerettet sind, wissen wir nicht." Er schob die Unterlippe vor und spuckte aus, um seiner Verachtung Ausdruck zu geben.
Der Student, der bereits aus der Erzählung des Stewards vom Untergang der „Tschidjimaru" wusste, war empört, als er hörte, wie dieser Teufel, der mehr als vierhundert Menschen kaltblütig ihrem Verderben überlassen hatte, jetzt höhnisch grinsend die Schiffskatastrophe bekanntgab. Über Bord müsste man ihn werfen, und selbst das wäre noch eine zu milde Strafe für ihn, dachte der Student und warf Asagawa, der achselzuckend das Mannschaftslogis verließ, einen grimmigen Blick nach. Der vermisste Saisonarbeiter war wieder zum Vorschein gekommen. Der Hunger hatte ihn aus seinem Versteck getrieben. Unter den Krabbenfischern fand sich einer, der ihn ergriff und vor Asagawa führte. Es war ein älterer Mann. Die anderen, vor allem die jüngeren, stellten sich sofort auf seine Seite und drohten, den Verräter zu verprügeln.
„Mir schmecken jedenfalls die Zigaretten, und ihr könnt von weitem auch mal daran riechen", erwiderte, von den Drohungen wenig beeindruckt, der ältere Krabbenfischer, zeigte auf seine beiden Schachteln und blies ihnen den Rauch ins Gesicht. Für den Saisonarbeiter hatte die Angelegenheit schlimme Folgen. Der Inspektor ließ ihm nur ein dünnes Hemd auf dem Leib, stieß ihn in einen der beiden Aborträume und verriegelte die Tür von außen. Alle mussten in dieser Zeit den anderen Abort benutzen, dabei gellten ihnen die Jammerschreie des Eingesperrten in den Ohren. Am nächsten Tag war die Stimme schwach und heiser und zeitweise nicht mehr zu hören. Gegen Abend fassten sich einige ein Herz und rüttelten an der Tür. Als sie keine Antwort erhielten, brachen sie die Tür auf. Sie fanden Mijagutschi, die eine Hand in den Sitz verkrampft, den Kopf tief über die Papierkiste gebeugt. Seine Lippen waren blau vor Kälte, wie mit Tinte gefärbt. Er sah aus wie eine Leiche. Am nächsten Morgen war es sehr kalt. Die Leute froren, sie vergruben die Hände tief in den Taschen und zogen den Kopf ein, als sie aus ihren Kojen krochen. Der Inspektor machte seinen üblichen Morgenrundgang durch die Logis der Krabbenfischer und Saisonarbeiter, um sie an die Arbeit zu treiben. Entschuldigungen wegen Erkältung oder anderer Krankheiten ließ er nicht gelten. Es war windstill. Die Leute, die im Freien arbeiteten, spürten die Kälte immer mehr. Der Chef der Saisonarbeiter jagte seine Leute wüst schimpfend vor sich her; die Arbeit sollte beginnen. Seine Hand umklammerte den Bambusstiel einer mehrschwänzigen Lederpeitsche. Mit ihr pflegte er die „Faulpelze" auszupeitschen. Das geschah an Ort und Stelle, wo sich gerade die Gelegenheit bot, den Bestraften anzubinden. Einer der Krabbenfischer, der es gut meinte mit den Studenten aus Tokio, hielt ihnen warnend Mijagutschis Schicksal vor Augen. „Ihr habt es ja selbst gesehen. Asagawa hat ihn eingesperrt. Beinahe hätte er es nicht überstanden. Heute Morgen muss er wieder zur Arbeit antreten, Asagawa wird ihm schon mit einigen Fußtritten Dampf machen." Der Sprecher sandte einen hasserfüllten Blick zu dem Antreiber. „Ihr könnt euch sträuben, soviel ihr wollt, am Ende müsst ihr euch doch fügen."
Asagawas Augen funkelten wild. Er hatte es vor allem auf die jugendlichen Arbeiter abgesehen, die in ihren regennassen Kleidern frierend herumstanden und am ganzen Körper zitterten. Zittern war auf diesem Schiff auch ohne Kälte ein Dauerzustand. Die Leute zitterten vor Asagawa, der Furcht und Schrecken verbreitete, wo immer er sich zeigte. Sie waren wie Kinder, die durch ständige Prügel völlig verängstigt sind. Und viele von ihnen waren wirklich noch halbe Kinder, wenn ihre Gesichter auch kaum noch etwas Kindliches an sich hatten. Ihre Blicke waren scheu, ihre Lippen fest aufeinander gepresst. Vielen sah man die Rachitis an. Die Kälte wurde unerträglich. Es zog die Leute in die Nähe des Kessels im Maschinenraum, aber sie wurden immer wieder hinausgejagt. Auf einmal waren die Krabbenschwärme da. Man glaubte zu spüren, wie es unter der grauen Wasseroberfläche wimmelte. Die Fangboote wurden zu Wasser gelassen. Wortlos, mit einem ängstlichen Blick auf Asagawa, stiegen die ersten Männer ein. Die älteren Krabbenfischer wussten Bescheid, was es mit dem Krabbenfang in den Booten auf sich hatte. Immer, wenn eines der Boote in der Luft schwebte und langsam hinabgefiert wurde, wandten sie sich ab, als könnten sie es nicht mit ansehen. Im Flüsterton oder im Selbstgespräch machten sie ihrem Grimm Luft. „Idioten ihr! Arbeitet die ganze Nacht hindurch, ohne euch Schlaf zu gönnen, und holt euch die schönste Lungenentzündung an den Hals, nur um ein paar Jen mehr zu verdienen als wir. Ihr müsst ja wissen, was ihr tut."
Dem Inspektor ging es nicht schnell genug, er stieß seinen Knüppel mit Wucht auf die Deckplanken, alle schraken zusammen.
Einer sagte: „Schlimmer als im Gefängnis geht es hier zu."
Ein anderer drohte: „Hier kannst du befehlen, Asagawa. Aber wenn wir wieder daheim sind, dann werden wir den anderen Menschen erzählen, was hier los ist. Sie werden es uns nicht glauben, weil sie sich so etwas gar nicht vorstellen können." Ununterbrochen drehten sich die mit dem Dampf aus den Schiffskesseln betriebenen Winden der Bootsdavits. Kommandos ertönten. Matrosen und Heizer rannten über das Deck und glitten aus, auch wenn sie noch so vorsichtig waren. Mitten unter ihnen stand der Inspektor, wie ein Hahn, der mit geschwollenem Kamm auf sein gefiedertes Volk blickt. Als die Tokioter Studenten in einer Pause an einer geschützten Stelle hinter Ballen und Kisten beisammenhockten, kroch der aus dem Bergwerk zu ihnen. Er hielt die steifgefrorenen Hände vor den Mund, um sie aufzutauen. „Was hier getrieben wird, ist reiner Mord." Er sprach damit allen aus dem Herzen. „Auf dem Krabbenfangschiff geht es nicht anders zu als im Bergwerk. Hier wie dort muss man dauernd sein Leben aufs Spiel setzen, wenn man nicht verhungern will. Im Bergwerk droht der Erstickungstod, hier erfriert oder ersäuft man." Kurz nach Mittag änderte der Himmel überraschend sein Aussehen. Eine Nebelschicht legte sich über das Meer, neue Luftschichten schoben sich heran. Auf
dem Wasser bildeten sich merkwürdige dreieckige Wellen, als höben sich die Zipfel ungezählter über das Wasser gebreiteter Decken. Windstöße fuhren über das Schiff, in den Masten begann es zu sausen. Die Planen über den Kisten wurden hochgerissen, knatterten in der Luft und fielen klatschend auf die Deckplanken.
„Die Hasen laufen! Die Hasen...!" schrie einer auf dem Steuerborddeck. Der Wind trug den Schrei über das ganze Schiff. Im ersten Augenblick fand kaum jemand einen Sinn darin, manche dachten, da sei einer verrückt geworden. Als aber andere den Ruf aufnahmen und dauernd wiederholten, fingen die Leute an zu begreifen, was gemeint war. Weiße Schaumkronen tauchten rings um das Schiff auf, so weit der Blick reichte. Es sah wirklich so aus, als liefen unzählige Hasen über ein Feld. Das waren die Vorboten des gefürchteten „Kamtschatkasturms". Eine Strömung kam auf, plötzlich lag das Schiff quer zur Fahrtrichtung, und Kamtschatka, eben noch steuerbord, tauchte jetzt backbord auf. Die an Deck arbeitenden Krabbenfischer und Matrosen wurden unruhig.
Über ihren Köpfen heulte plötzlich die Sirene. Alle sprangen hoch und starrten in die Luft. Sie standen unter dem Schornstein, der, schräg nach hinten geneigt, aussah wie ein riesiger Eimer. Sein runder Bauch vibrierte, während aus der in halber Höhe befestigten tellerförmigen Sirene der gellende Ton hervorquoll, der in dem Donnern der höhersteigenden Dünung ein klägliches Heulen wurde. Das Signal sollte die Fangboote warnen und auffordern, so schnell wie möglich zurückzukehren. An der Luke zum Maschinenraum drängten sich Krabbenfischer und Matrosen. Über ihre Gesichter huschte in unregelmäßigen Abständen, je nach den Schaukelbewegungen des Schiffes, der Lichtschein einer Lampe, er ließ sie aufleuchten und im nächsten Augenblick wieder im Dunkel verschwinden. „Was ist denn los?" Der aus dem Bergwerk schob sich zwischen die Leute.
Wütende Rufe erschollen. „Schlagt Asagawa tot, den Halunken!"
Es hatte sich herumgesprochen, dass Asagawa frühmorgens von einem zehn Seemeilen entfernt ankernden Schiff Sturmwarnung erhalten hatte. Er war, statt die Fangboote sofort zurückzurufen, mit einem Achselzucken darüber hinweggegangen. „Wer bei dem bisschen Seegang schon das Zittern bekommt, hätte nicht nach Kamtschatka fahren sollen", hatte er gesagt. Der Funker hatte es einem der Krabbenfischer erzählt.
„Bedeuten ihm denn Menschenleben nichts?" fragte der Krabbenfischer.
„In Asagawas Augen seid ihr doch keine Menschen", war alles, was der Funker erwiderte.
Dunkelrot vor Zorn, war der Krabbenfischer zu seinen Kameraden geeilt und hatte ihnen alles mitgeteilt. Nun machten sie ihrem Herzen Luft. Einer von ihnen, dessen Vater mit einem der Fangboote unterwegs war, trat aus dem Kreis und verschwand im Hintergrund. Die Sirene heulte noch immer. Ihr gellender Ton zerrte an den Nerven und drang ins Herz.
Als es dunkel wurde, erklangen Rufe von der Brücke. Einige, die gerade auf Deck waren, liefen, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Zwei Fangboote kehrten zurück. Sie waren durch ein Tau miteinander gekoppelt. Die Wogen verlegten ihnen den Weg zum Schiff. Die „Hakkomaru" und die beiden Boote schaukelten wie die Enden eines Wippbalkens auf und ab. Unablässig rollte die hohe Dünung und trieb ihr Spiel mit den Fangbooten. Sie kamen wohl einigemal zum Greifen nahe heran, aber es gelang nicht, sie festzumachen.
Den Männern auf dem Schiff stockte der Atem. Wieder flog ein Tau vom Mutterschiff zu den Booten hinüber, erreichte sie aber nicht, sondern klatschte auf das Wasser, dass es hoch aufspritzte. Wie eine große Seeschlange schwamm es eine Weile im Wasser, dann wurde es eingezogen. Mehrere Male wiederholte sich dieser Vorgang. Vom Schiff wurde gerufen, aber keiner in den Booten antwortete;
die Männer kämpften verbissen um ihr Leben. Ihre Gesichter waren unbeweglich, wie versteinert, ihre Blicke gingen ins Leere, als lauerte dort an einem fernen Punkt das Verderben. Das Bild der stumm kämpfenden Männer prägte sich den Krabbenfischern unauslöschlich ein.
Noch einmal wurde das Tau geworfen. Federnd wie eine Spirale, schnellte es hoch, sauste durch die Luft und wand sich diesmal einem Krabbenfischer im ersten Boot um den Hals. Der Stoß war so heftig, dass der Mann umgerissen wurde. Angstrufe ertönten, aber der Mann hielt das Tau fest in der Hand. Es wurde angezogen, hing tropfend in der Luft und straffte sich. Die Männer atmeten auf. Die Sirene ließ weiter ihren langgezogenen Klageruf ertönen. Der Sturm trug ihn weit über das Meer. Vor Einbruch der Nacht waren bis auf zwei alle Fangboote zurückgekehrt. Jedesmal, wenn einer der Krabbenfischer mit Mühe an Deck geklettert war, brach er vor Erschöpfung zusammen. Die Rückkehrer erzählten, dass eines der beiden überfälligen Fangboote voll Wasser gelaufen sei. Die Mannschaft habe jedoch, bevor es sank, auf ein zu Hilfe geeiltes Fangboot übersteigen können. Das zweite überfällige Boot blieb mit seiner Mannschaft verschollen.
Asagawa kam, um sich Bericht geben zu lassen, in das Mannschaftslogis. Als er wieder hinausging, sah man ihm an, dass er vor Wut kochte. Hasserfüllte Blicke folgten ihm, aber kein Wort kam über die Lippen der Männer.
Am nächsten Tag lichtete die „Hakkomaru" die Anker, um neue Krabbenschwärme ausfindig zu machen. Asagawa wollte dabei nach dem vermissten Fangboot suchen lassen; das Schicksal der fünf Krabbenfischer war ihm gleichgültig, aber den Verlust des Fangbootes konnte er nicht verwinden. Vom frühen Morgen an herrschte lebhaftes Treiben in den Maschinenräumen. Das Rasseln des hochgehenden Ankers weckte die Krabbenfischer, deren Logis dicht neben dem Ankerspill lag, sehr unsanft aus ihrem Schlaf. Sie schnellten wie Bohnen, die beim Rösten von der Pfanne springen, aus ihren Kojen. Von den Wänden und von der Decke lösten sich durch die Erschütterung rostzerfressene Eisenteile.
In Höhe des einundfünfzigsten Breitengrades warf die „Hakkomaru" von neuem Anker, die Suche nach dem vermissten Fangboot wurde fortgesetzt. Rings um das Schiff trieben Eisschollen, sie schoben sich allmählich zu einer festen Masse zusammen. So weit das Auge reichte — nichts als Eis. Zwischen den Schollen schien es zu kochen und zu brodeln, Wasserdampf quoll auf. Neue, kältere Luftschichten strömten heran, als triebe ein riesiger Ventilator sie über das Meer. Auf dem Schiff fing es an zu knistern, im Nu war das Deck mit Glatteis überzogen. Wo sich kein Eis bildete, setzte sich Reif an, vor allem an den Bordwänden. Die Männer hielten die Hände vor das Gesicht, wenn sie das Deck betraten. Das Schiff fuhr weiter, scharf schnitt sein Bug durch die weiße Masse. Hinter dem Heck lag eine dunkle Rinne, wie eine Straße, die durch eine weite, weiße Ebene führt.
Gegen neun Uhr wurde von der Brücke ein Boot gesichtet. Als der Ruf „Fangboot voraus" ertönte, erschien der Inspektor an Deck, sein Gesicht zeigte ein selbstgefälliges Grinsen. „Das scheint noch einmal gutgegangen zu sein. Vielleicht bekommen wir den Kahn wieder." Er befahl, die Barkasse zu Wasser zu lassen, er wollte das Boot selber in Augenschein nehmen. Es stellte sich jedoch heraus, dass es nicht das gesuchte Fangboot Nummer eins war, sondern ein Boot jüngerer Bauart. Es trug die Nummer sechsunddreißig. Wahrscheinlich gehörte es zu einem anderen Mutterschiff der Fangflotte. Es war an einer eisernen Boje verankert und offensichtlich zurückgelassen worden, um einen früheren Fangplatz zu kennzeichnen. Asagawas Finger krampften sich um den Bootsrand, als hätte er eine Beute in den Krallen. „Nicht schlecht, der Kahn", murmelte er und ließ ihn in Schlepp nehmen. Als das erbeutete Boot an den Davits über dem Deck hing und das Wasser von ihm abtropfte, funkelten
Asagawas Augen vor Freude über diesen fetten Fang. „Den Kahn können wir gut gebrauchen", sagte er selbstzufrieden. Dann sah er zu den Arbeitern, die mit Netzflicken beschäftigt waren. Mancher von ihnen dachte an die vermissten Fischer. „Den Schädel sollte man ihm einschlagen, dem Schweinehund, je eher, desto besser!" Solche und ähnliche Verwünschungen, halblaut gemurmelt, begleiteten Asagawa auf seinem Gang über das Deck. Die giftigen, verächtlichen Blicke, mit denen er die Arbeiter streifte, bewiesen, dass er es wohl bemerkt hatte. Mit barscher Stimme rief er nach dem Zimmermann. Der steckte seinen Kopf aus der Luke seiner Kajüte und fragte: „Was wollen Sie?" Asagawa ärgerte sich, dass er nach der falschen Seite gerufen hatte und sich nach dem Zimmermann umwenden musste. „Was du tun sollst, du Schafskopf? Ich werde dir gleich sagen, was du tun sollst. Die Nummer dieses Bootes sollst du ändern. Nimm deinen Hobel und komm!"
Der Zimmermann machte ein Gesicht, als hätte er
nicht verstanden.
„Kommst du bald, du Idiot?"
Der schmächtige Zimmermann trat von hinten an den breitschultrigen Inspektor heran; beinahe wäre er auf dem vereisten Deck ausgeglitten. Er trug, wie stets, sein Zimmermannsbeil im Gürtel und hielt einen Hobel in der Hand. Mit gleichgültigem
Gesicht hobelte er die Ziffer sechs ab, so dass nur noch die Drei stehenblieb. So wurde aus dem Fangboot Nummer sechsunddreißig das Fangboot Nummer drei.
Der Inspektor bog sich vor Lachen, dabei verzerrte sich die runde Öffnung mitten in der Maske seines Gesichtes zu einem unförmigen Loch. Die „Hakkomaru" kreuzte weiter nach Norden, aber das vermisste Fangboot blieb verschwunden. Um die Kursabweichung auszugleichen, die durch das Einholen des fremden Fangbootes verursacht worden war, beschrieb das Schiff einen großen Bogen. Der Himmel war inzwischen klar geworden, er strahlte so blank, als wären die Wolken alle weggewaschen. In der Ferne glänzte die Uferlinie Kamtschatkas wie eine verschneite Gebirgskette. Die Krabbenfischer machten sich mit dem Gedanken vertraut, dass sie ihre Kameraden nie wiedersehen würden. Sie nahmen das Gepäck der Vermissten von den Wandbrettern, um die Namen der Angehörigen, die Heimatadressen und mögliche letzte Wünsche festzustellen. Leicht fiel ihnen dieser Liebesdienst nicht. Ihnen kam es vor, als wühlte eine fremde, rohe Hand in ihren Wunden. Sie kramten Briefe und Päckchen hervor, Frauennamen waren daraufgekritzelt. Das nächste Postschiff sollte die Sendungen in die Heimat mitnehmen. In dem Gepäck eines der Vermissten fanden sie einen Brief, dessen Schriftzeichen von einer ungeübten Hand gemalt waren. Man sah ihnen deutlich an, dass der Schreiber hin und wieder abgesetzt und den Bleistift mit der Zunge angefeuchtet hatte. Mühsam wie Bohnenpflücken war es, diesen Brief zu entziffern. Sie reichten ihn herum, und mancher, der ihn las, wandte den Kopf ab, um sein Gesicht zu verbergen. Den Brief hatte eine Kinderhand geschrieben. Der Fischer, der den Brief als letzter las, schnäuzte sich laut die Nase und presste durch die Zähne: „Das geht alles auf Asagawas Konto. Wenn die armen Kerle umgekommen sind, dann wehe ihm!"' Der das sagte, war ein großer, breitschultriger Mann; er hatte lange Zeit im Innern Hokkaidos gelebt und bei verschiedenen Streiks eine Rolle gespielt.
„Einige Fäuste würden genügen, den Kerl über die Reling zu befördern", flüsterte ein anderer; er war noch jung und trug den Kopf immer tief zwischen den Schultern.
„Bei so einem Brief kriegt man Heimweh", sagte ein dritter versonnen.
Wieder ergriff der große, breitschultrige Krabbenfischer das Wort: „Wenn wir uns Asagawa nicht vom Hals schaffen, bringt er uns alle um die Ecke. Daran sollte jeder von uns denken." In der Nähe der Tür hockte ein Mann mit untergeschlagenen Beinen und kaute an den Fingernägeln.
Er blinzelte fortwährend und nickte zustimmend bei allem, was die anderen sagten. Schließlich stieß er halblaut hervor: „Wenn es soweit ist, überlasst mir den Kerl. Ich werde ihn ganz allein fertigmachen."
Da schwiegen die Krabbenfischer — Stille herrschte, wie vor einem Sturm.
Drei Tage später kehrte plötzlich das vermisste und bereits aufgegebene Fangboot zur „Hakkomaru" zurück, die inzwischen auf ihrem alten Fangplatz Anker geworfen hatte. Als die Heimkehrer nach der Meldung bei dem Kapitän im Jauchefass erschienen, wurden sie von allen Kameraden umringt, und sie mussten erzählen, wie es ihnen ergangen war.
Sie hatten bei dem schweren Sturm die Herrschaft über ihr Boot verloren und waren, den Naturgewalten hilflos preisgegeben, weit abgetrieben worden. Als Krabbenfischer waren sie gewohnt, dem Tod ins Auge zu sehen, und hatten sich auf das Schlimmste gefasst gemacht. Aber das Glück war ihnen noch einmal gewogen. Am anderen Morgen wurde ihr leckgeschlagenes Boot an den Strand von Kamtschatka geworfen. Russische Fischer kamen ihnen zu Hilfe und nahmen sie gastfreundlich auf. Beim Anblick des Familienlebens ihrer Gastgeber wurde den Schiffbrüchigen warm ums Herz. Ihre Gedanken gingen heim zu ihren eigenen Familien.
Die Russen waren einfache Menschen, die sie hilfreich umsorgten, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt. Die seltsam klingenden Laute ihrer Sprache und die ganz andere Farbe ihres Haars und ihrer Augen machten die Krabbenfischer zunächst etwas befangen. Bald aber spürten sie, dass es Menschen waren wie sie selbst. Aus dem ganzen Dorf strömten die Leute zusammen, als sich herumsprach, dass ein Boot gestrandet war — das Dorf war weit von den Fanggründen der Japaner entfernt.
Zwei Tage blieben die fünf Männer bei den Fischern. In dieser Zeit bekamen sie alles, was sie brauchten, um zu ihrem Mutterschiff zurückzukehren.
„Wir wollten überhaupt nicht wieder weg von dort", gestanden die Heimkehrer. „Wer möchte wohl in diese Hölle zurückkehren?" Sie erzählten auch, warum es ihnen dort so gut gefallen hatte, und wussten interessante Dinge zu berichten. „An dem Tag, an dem wir zum letzten Mal mit unsern Rettern um den Ofen hockten und uns unterhielten, kamen plötzlich fünf Russen herein. Sie brachten einen Chinesen mit. Einer der Russen, mit einem großen, von rötlichen Stoppeln bedeckten Kopf auf einem schmächtigen buckligen Körper, begann, mit lauter Stimme und lebhaft gestikulierend, eine Rede zu halten. Unser Fangbootführer gab ihm durch Zeichen zu verstehen, dass wir kein
Russisch können. Darauf sprach der Mann langsam,
Satz für Satz, und der Chinese übersetzte seine
Worte ins Japanische. Es war schlechtes Japanisch,
mit falscher Wortstellung, und hörte sich an wie
das Gestammel eines Betrunkenen.
,Ihr kein Geld. Verstehn?'
,Richtig, wir haben kein Geld.'
,Ihr arm. Verstehn?'
,Richtig, wir sind arm.'
,Ihr nicht Besitzerklasse. Verstehn?'
,Richtig, wir gehören nicht zur besitzenden Klasse.'
Der Russe lachte und ging mit großen Schritten im
Zimmer auf und ab, manchmal hielt er an und sah
uns scharf in die Augen. ,Reiche machen mit uns so.'
Er umfasste mit der Hand seine Kehle. ,Wie armer
Mann in Japan macht, keinen Zweck.' Missbilligend
schüttelte  er  den Kopf.  ,Reicher Mann,  ähää,
ähää.'
Diese Vorstellung gefiel uns, wir klatschten in die Hände.
Der Russe ging zum zweiten Akt über. ,Arbeitermann stolz, dann gut. In Russland Arbeitermann stolz, Russland gut. In Russland reicher Mann nicht machen kaputt armen Mann. Russland nicht Land zum Fürchten. Leute lügen, wenn so sagen.' Wir dachten an die Warnung des Inspektors vor den ,Roten'. Aber das war alles so einfach und so einleuchtend, dass es uns unwiderstehlich anzog. Daher sagten wir: ,Wir haben alles verstanden, was du uns erzählt hast. Du hast recht.' Jetzt fingen auch die anderen Russen an zu reden. Der chinesische Dolmetscher sah ihnen wie gebannt auf den Mund und übersetzte Wort für Wort. ,Nicht arbeiten und doch Geld verdienen macht kaputt armen Mann.' Die Russen umklammerten wieder mit den Händen ihre Kehle. ,Armer Mann, einer, zwei, drei, fünf, hundert, zehntausend, alle, alle zusammen, dann stark.' Die Russen fassten sich wie Kinder beim Spielen an den Händen und zeigten auf ihre Muskeln. ,Dann nicht besiegt werden.' — ,Nichtarbeitermann wegrennen, schadet nicht.' Die Russen liefen auseinander. ,Arbeitermann wegrennen, alle haben kein Brot.' Wir verstanden die Russen immer besser. ,Japan noch nicht gut. Arbeitermann so.' Die Russen ließen die Arme hängen und machten klägliche Mienen. ,In Japan Nichtarbeitermann so.' Sie stellten dar, wie jemand einen hilflosen Menschen zu Boden wirft und ihn niederhält.
,In Japan Nichtarbeitermann laufen weg, Arbeiter bleiben da, dann gut.' Die Russen fingen jetzt an, mit rhythmischen Schritten den Boden zu stampfen. ,In Japan alle Arbeiter sollen sich freuen! Hurrah! Hurrah! Wenn ihr auf euer Schiff zurückkehrt und Nichtarbeitermann machen ähää, ähää, dann ihr machen so.' Sie ballten die Fäuste, hakten einander unter und marschierten im Kreis. ,Wir verstehen, wir werden es so machen, wenn wir auf unser Schiff zurückkehren.' Einige von uns fassten die Russen an den Händen und reihten sich in ihren Kreis ein.
Unser Fangbootführer begann sich Gedanken über die ,Rote Gefahr' zu machen. Er merkte, dass es den Russen gelang, uns auf ihre Seite zu ziehen. Aber die Russen hatten ihre Rede bereits beendet. Wir schüttelten einander die Hände, und die Russen umarmten uns ungestüm, so dass manche von uns vor ihren bärtigen Gesichtern Angst bekamen." Die Zuhörer blickten immer wieder verstohlen zur Einstiegluke und trieben den Erzähler zur Eile, sie wollten sich nichts von dem entgehen lassen, was ihre Kameraden an der Küste Kamtschatkas erlebt hatten. Sie hingen an den Lippen des Erzählers und nahmen alles, was er berichtete, gierig in sich auf, wie Löschpapier die Tinte aufsaugt. Als der Fangbootführer die begeisterten Mienen der Krabbenfischer und Saisonarbeiter sah, wurde es ihm plötzlich zu viel, er schlug dem Erzähler von hinten auf die Schulter und bedeutete ihm, Schluss zu machen.

 

4

Leichter Nebel senkte sich wie ein Schleier auf das Meer. Weicher als sonst wirkten die Silhouetten der Deckaufbauten — der Schornsteine, der Lüfter, der Bootsdavits, der Fangboote, der Reling. Die Nacht nahm den Dingen aus Eisen ihr hartes und kantiges Aussehen und verwischte die Konturen. Ja, diese Dinge atmeten sogar etwas Wärme und Freundlichkeit. Kosend strich die laue Luft über die Gesichter der Menschen. Es war eine jener seltsamen Nächte, in denen die Männer eines Krabbenfangschiffes vergessen konnten, dass sie, weit draußen auf See, unter dem Kommando von Teufeln in Menschengestalt standen und einen erbitterten Kampf gegen die Naturgewalten führten. Am Heck des Schiffes, wo die Netze zu Bergen gestapelt lagen und wo es nach Fischabfällen roch, erklangen knirschende Schritte. Ein Mann wanderte ruhelos über das Deck, auf seinem Weg zertrat er die überall herumliegenden Krabbenschalen. Er hatte, überanstrengt von der harten Arbeit, in seiner Koje keinen Schlaf gefunden und dem Pochen seines Herzens gelauscht. Es schlug unregelmäßig, mal klopfte es heftig, stoßweise und rasch hintereinander, mal setzte es ganz aus, als wollte es den Dienst verweigern. Da war er aufgestanden und durch die Luke an Deck geklettert. Jetzt beugte er sich über die Reling, sah auf die See, die unbeweglich dalag wie ein zäher Teig, und dachte an die Heimat, aus der die weiche, warme Luft zu ihm herauf wehte. Würde er sie jemals wiedersehen? Würde er dieses harte Leben an Bord des Krabbenfangschiffes unter der Knute des Inspektors und seiner Antreiber aushalten? Oder würden sie ihn zu Tode schinden, würde er hinuntermüssen zu den wimmelnden Krabbenhaufen in der eisigen Tiefe des Meeres? Der Bordfunker fing Sprüche von anderen Schiffen auf und berichtete darüber dem Inspektor. Aus den Meldungen ging hervor, dass die „Hakkomaru" mit ihren Fangergebnissen weit hinter den anderen Schiffen zurücklag. Asagawa knirschte vor Wut mit den Zähnen. Sein Grimm entlud sich wie immer über die Krabbenfischer und Saisonarbeiter. Mit dem Leiter der Konservenabteilung dachte er sich einen neuen Trick aus. Sie organisierten einen Konkurrenzkampf zwischen den Matrosen und den Krabbenfischern. Die Krabbenfischer und Saisonarbeiter wollten sich von den Matrosen im Krabbenentschalen nicht überbieten lassen und arbeiteten daher einige Tage lang eifriger als sonst. Asagawa triumphierte. Tatsächlich wurde um die Hälfte mehr geleistet als vorher. Er glaubte, die Krabbenfischer endlich dahin gebracht zu haben, in der Arbeit ihr Letztes herzugeben. Als die Männer aber erkannten, dass sie keine Vorteile davon hatten, sondern abends infolge der Mehrarbeit noch müder waren, ließen sie wieder nach. Nicht lange, und die Leistung war auf den früheren Stand gesunken. Asagawas Wut kannte keine Grenzen. Er schlug beim geringfügigsten Anlass auf die Arbeiter ein, so dass häufig aus ihrer Mitte laute Schmerzensschreie zu hören waren. Sie schauten dann einander an und arbeiteten stumm und verbissen weiter. Der Inspektor ging jetzt dazu über, Belohnungen auszusetzen, um den Arbeitseifer von neuem anzustacheln. „Wir müssen die Kerle behandeln, wie sie es verdienen", sagte er zu dem Kapitän, in dessen Kajüte sie beim Bier zusammensaßen. Der Kapitän klopfte die Asche seiner Zigarette ab, deren Goldmundstück zwischen seinen feisten Fingern glänzte. Sein Körper zeigte Fettansatz. Wie eine Matrone saß er da und lächelte hilflos. Ihm war unbehaglich zumute, wenn er daran dachte, wie der Inspektor mit den Leuten umging. Konnten sie nicht vor Wut einmal auf den Gedanken kommen, Asagawa über Bord zu werfen? Asagawa versprach nicht nur Belohnungen, sondern verhängte auch Strafen. Er ließ den Arbeitern, die seiner Meinung nach zu langsam arbeiteten, mit einem runden, rotglühenden Eisenstempel ein Brandmal in die Haut drücken. Es gab kein Entrinnen, ständig schwebte diese Drohung über den Arbeitern und verfolgte sie wie ihr eigener Schatten. Zu welchen Anstrengungen der menschliche Körper gerade noch fähig ist, wusste Asagawa besser als die Arbeiter selbst. Sie schufteten und fielen abends völlig erschöpft in ihre Kojen. Sie stöhnten im Schlaf und phantasierten wie im Fieber. Der Student erinnerte sich an ein längst vergessenes Kindheitserlebnis. Er bildete sich ein, er wäre wieder in dem alten, düsteren Buddhatempel, den er einmal an der Hand seiner Mutter betreten hatte. Auf einem Bild an der Wand war die Hölle dargestellt. Über den Boden der Hölle kroch eine Riesenschlange und schickte sich an, ihr Opfer zu umschlingen. Das gleiche lähmende Entsetzen, das ihn damals beim Betrachten dieses Bildes gepackt hatte, schien jetzt die Krabbenfischer gepackt zu haben. Sie wälzten sich unruhig hin und her und fanden vor Erschöpfung keinen Schlaf. Einer klapperte mit den Zähnen, ein anderer schrie, von einem Alpdruck aufgeschreckt, und stammelte wirre Worte, ein dritter tastete im Halbschlaf an seinem Körper entlang und rief aufatmend: „Gott sei Dank, noch lebe ich."
„Ja, noch leben wir", sagte der Student, als sie am nächsten  Abend  beisammensaßen,   „aber  unser
Leben gleicht dem der Gefangenen in Dostojewskis ,Totenhaus'." Seit Tagen quälten ihn Kopfschmerzen, er war der Verzweiflung nahe. Für den Krabbenfischer, der Mijagutschi an den Inspektor verraten hatte, war Schnaps das Allheilmittel. Er griff nach der Flasche, die er von Hakodate mitgebracht hatte, und nahm einen Schluck. Dann sagte er in belehrendem Ton: „Die Firma ist ein Großunternehmen, eine Riesenorganisation. So schlecht wir es auch haben, das ist heute das reine Paradies im Vergleich zu der Zeit ihrer Gründung. Damals gab es noch keine Wetterbeobachtung und keine Sturmwarnung, man kannte auch die Tücken des Ochotsker Meeres noch nicht. Wie viele Schiffe sind damals hier untergegangen! Aber das Unternehmen hat sich durchgesetzt und ist groß und mächtig geworden, obwohl die russischen Kriegsschiffe unsere Fangschiffe zu Dutzenden versenkt haben. Jetzt gehören uns diese Fanggründe." Der Student schwieg. Er brauchte eine Weile, um eine Antwort zu finden. Er erinnerte sich an die Geschichtsbücher, in denen solche Dinge standen. Ein Gefühl der Beklemmung überkam ihn, er wusste nicht recht, warum. Mit der einen Hand knetete er seinen Leib, der so hart war wie ein Brett, dann massierte er die steife Hand. Es war nach dem Abendessen. Die Männer kauerten in der Mitte des Jauchefasses um den knisternden Ofen, dessen
Oberseite lauter feine Risse hatte und daher wie eine Landkarte aussah. Sie wärmten sich, bis ihre Körper dampften und der Fischgeruch, der in den Kleidern haftete, ihnen beißend in die Nasen stieg. Endlich fiel dem Studenten eine Antwort ein: „Das ist alles schön und gut", sagte er, „aber es ist nur ein schwacher Trost, wenn man weiß, wofür man umgebracht wird."
Der Brodem über ihren Köpfen war plötzlich wie eine Lawine, die drückend auf ihnen lastete. Sie hatten auf einmal das Gefühl, als erstickten sie langsam und müssten sich dagegen wehren. „Ver—flucht! W—wenn wir nicht b—bald etwas unter—nehmen, dann z—ziehen die uns das F—fell über die Ohren." Der „Stotterer" war krebsrot im Gesicht. Es kostete ihn große Anstrengung, einen so längen Satz herauszubringen. Alle schwiegen. Es war, als hätte ein Stein sie getroffen. Dann aber brach ein Sturm los. „Nein, wir wollen nicht elend krepieren hier in Kamtschatka!" — „Ein Frachter mit Nachschub ist von Hakodate unterwegs, hat der Funker gesagt." — „Nur weg von hier!" — „Und du meinst, das geht so einfach?" — „Das wäre nicht der erste, dem es glückte, auf einem Frachter zu entkommen." — „Manche haben sich zum Krabbenfangen gemeldet und sind dann in Kamtschatka an Land gegangen. Jetzt machen sie Propaganda für die Roten."
Wieder herrschte einen Augenblick Schweigen. „Für das Kaiserreich Japan! Wie schön sich das anhört", sagte der Student, knöpfte seine Jacke auf und begann den Schmutz abzukratzen, der wie Talg an seiner Haut klebte. Er gähnte laut und ungeniert.
„W—wir werden von den B—bossen ausgebeutet", brachte der Stotterer mühsam hervor. Der ältere Krabbenfischer mit den dicken Tränensäcken unter den Augen hatte während der ganzen Unterhaltung vor sich hin gedöst. Jetzt spuckte er auf die Ofenplatte, es zischte, Blasen bildeten sich, die Spucke wurde immer kleiner, bis sie verschwand. Alle verfolgten den Vorgang wie ein spannendes Schauspiel.
„Vielleicht hast du nicht ganz unrecht, Stotterer", sagte schließlich der ältere Krabbenfischer mit den Tränensäcken.
Da mischte sich ein Fangbootführer in das Gespräch. Er riss das Stück roten Unterfutters ab, das aus seinem Gummistiefel heraushing, steckte es in den Ofen und brummte: „Das hört sich ja an wie Meuterei."
„W—wenn wir meutern, d—dann ist das unsere Sache." Man musste unwillkürlich an das Maul eines Tintenfisches denken, wenn man den Stotterer reden sah.
Plötzlich roch es nach angebranntem Gummi.
„Fangbootführer, was machst du da?" „Ich habe den roten Lappen verbrannt." Leise plätscherten die Wellen gegen die Bordwand. Die See war nur wenig bewegt, das Schiff schaukelte sanft wie eine Wiege. Die Glühlampe an der Decke sah aus wie die trübrote Beere einer Judenkirsche. In ihrem dämmrigen Licht schwankten die Schatten der um den Ofen hockenden Männer hin und her. Roter Feuerschein fiel aus der Ofenluke auf die Stiefel der Männer. Ihr Leben schien ihnen in der stillen Abendstunde doppelt elend und armselig.
„Hat noch jemand Tabak?"
„Ich nicht." — „Ich auch nicht."
„Was sehe ich, dort ist ja noch eine Flasche. Gib
sie mal rüber!"
Der Angeredete reichte die Schnapsflasche herum und sagte, nachdem er tief Luft geholt hatte: „Mit euch bin ich ja ganz schön reingefallen." „Wieso?"
„Ich wollte eigentlich gar nicht hierherkommen, aber dann dachte ich: Warum denn nicht, wenn die anderen gehen?" Und er berichtete von den Fabriken in der Umgebung Tokios, in denen er gearbeitet hatte. Begierig lauschten die Arbeiter aus Hokkaido seinen Worten. Ja, das waren andere Fabriken als die, in denen sie geschuftet hatten.
„... Wenn man uns dort nur ein Hundertstel von dem zugemutet hätte, was wir hier schlucken müssen, dann hätten wir sofort gestreikt." Der Schnaps des Arbeiters aus Tokio löste allen die Zunge. Sie fingen an zu erzählen: vom Straßenbau, vom Eisenbahnbau, vom Hafenbau, von der Grubenarbeit, vom Entladen der Schiffe, von der Ödlanderschließung, vom Heringsfang. Jeder berichtete aus seinen Erfahrungen. Bilder des Grauens standen vor ihnen auf.
Als sich die Arbeiter im japanischen Mutterland bereits ihrer Kraft bewusst geworden waren und die schlimmsten Auswüchse der Ausbeutung nicht mehr duldeten, stürzte sich das Finanzkapital auf die Inseln Hokkaido und Sachalin. Dort war man weit entfernt vom Mutterland, dessen Bodenschätze schon erschlossen waren, und konnte die Menschen ungehindert schinden und ausbeuten. Über die schrecklichen Dinge, die sich dort zugetragen haben, ist bisher nur wenig an die Öffentlichkeit gedrungen.
Wer zählt allein die vielen Opfer, die beim Straßenbau und Eisenbahnbau verschüttet wurden? Ein Mensch galt weniger als eine Laus. Und wehe denen, die es nicht länger ertragen konnten, die zu fliehen versuchten und wieder eingefangen wurden! Sie wurden an einen Pfahl gebunden und von den Hufen eines Pferdes zu Tode getrampelt oder in einen Zwinger geworfen und von wilden Hunden zerrissen. Die „Kulis" hielten sich Augen und Ohren zu, wenn sie die Qualen der Opfer mit ansehen oder ihre Schreie mit anhören mussten. Wenn das Opfer ohnmächtig wurde, wurde es mit kaltem Wasser übergossen, bis es wieder zu sich kam. Mehrere Male und bei vollem Bewusstsein zu sterben, das war der Sinn der Strafe. Was übrigblieb von dem, was einmal ein Mensch war, wurde in einen Winkel geworfen, wo es sich noch eine Weile zuckend bewegte...
Spießen und Pfählen mit brennenden Essstäbchen war dort eine sehr verbreitete Art, Menschen umzubringen. Wenn die Männer beim Essen saßen und es bis zu ihnen in den Baracken nach verbranntem Fleisch roch, riefen sie: „Hört auf! Hört auf! Kann man denn nicht einmal in Ruhe essen!" legten ihre Messstäbe beiseite und sahen einander mit blassen Gesichtern an.
„Wer die Beriberi bekam, wurde erbarmungslos zur Arbeit getrieben, bis er tot umfiel..." Die Leichen blieben unbestattet liegen, keiner hatte Zeit, sich um sie zu kümmern. Es konnte geschehen, dass man an der Hinterseite einer Baracke unversehens an einen Fuß stieß, der, gelb, mit schwarzen Flecken und klein wie der Fuß eines Kindes, zu einem achtlos hingeworfenen, notdürftig mit Stroh bedeckten Körper gehörte.
„... das Gesicht war schwarz von Fliegen. Sie flogen auf, wenn man zu nahe kam, und stürzten sich mit wütendem Brummen auf den Störenfried..." Der Krabbenfischer, der das erzählte, schlug mit der Hand gegen seine Stirn, als wollte er eine Mücke verjagen.
Die Arbeit begann täglich in aller Frühe und dauerte bis in die tiefe Nacht. Mit Spaten und Picken zogen die Männer aus. Sie mussten unerhört schnell arbeiten, aber wohin Spaten und Pickel auch trafen, überall sprühten Funken. Sie durften erst aufhören zu arbeiten, wenn man die Hand nicht mehr vor Augen sah. Das Gefängnis in der Nähe schien den Arbeitern ein Paradies zu sein, gemessen an dem Leben, das sie führen mussten. Am schlimmsten von allen ging es den Koreanern, sie waren die Prügelknaben, an denen die Aufseher und auch die eigenen Kameraden ihre Launen ausließen.
„... manchmal kam der Ortspolizist aus dem nächsten Dorf mit seinem Meldebuch, um die ,Abgänge durch Tod' zu vermerken. Er blieb dann immer bis zum Abend oder die ganze Nacht hindurch, ließ sich aber bei den Arbeitern nicht blicken. Wenn er taumelnd und mit hochrotem Kopf in sein Dorf zurückkehrte, spritzte er alle hundert Meter wie ein Feuerwehrmann um sich. Vielleicht war er wirklich ein Trottel, wahrscheinlich aber machte er bewusst die Augen zu, um nicht zu sehen, wie die
Arbeiter behandelt wurden..."
„... beim Bahnbau in Hokkaido türmten sich die Leichen so hoch wie die Schwellenstapel..."
„... beim Hafenbau wurden die Opfer der Beriberi, manchmal noch lebend, in die Stützpfeiler der Mole vermauert."
„... uns Arbeiter in Hokkaido ließ man so hungern, dass die Leute uns ,Kraken' nannten, das sind die Polypen, die vor Hunger ihre eigenen Gliedmaßen fressen."
So war es in Hokkaido! Schlimmste Ausbeutung und sagenhafte Profite; übelste Menschenschinderei unter dem hochtrabendem Namen „Erschließung der Bodenschätze zum Wohle des Vaterlandes". „Warum soll ich mich eigentlich bei den Göttern bedanken, dass ich mit heiler Haut von dort weggekommen bin, wenn ich jetzt auf diesem Krabbenschiff umgebracht werden soll?" schloss der Erzähler seinen Bericht und lachte grimmig. Das Lachen war nur ein Ausdruck seiner Hoffnungslosigkeit. Schließlich wurde er still und drehte sich zur Wand. Die anderen sollten nicht sehen, dass ihm dicke Tränen über die Wangen rollten.
„Bei uns ging es nicht viel anders zu..." So oder ähnlich begannen auch die anderen ihre Berichte. Jetzt war der aus dem Bergwerk an der Reihe. Er war dabei gewesen, als neue Stollen vorgetrieben wurden. „Die Grubenherren benutzten die Kumpel als Versuchskaninchen, um die Haltbarkeit der Stollen auszuprobieren."
Sie waren ja billig zu haben, sie galten den Grubenherren auch nicht mehr als dem Eroberer von Port Arthur, dem General Nogi, die japanischen Soldaten, die er, ohne mit der Wimper zu zucken, zu Tausenden in den Tod schickte. Das Leben eines Kumpels war kaum soviel wert wie ein Papiertaschentuch. Wie in Scheiben geschnittenes Thunfischfleisch lagen die zerschmetterten Leiber der Kumpel hinter der Verschalung der Stollenzimmerung. Beschweren konnte man sich über die haarsträubenden Zustände nicht, die nächste Stadt, in der es so etwas wie einen Gemeinderat gab, lag weit entfernt. Wenn an den Kohlebrocken auf den Loren hin und wieder ein Finger oder sogar Haut- und Fleischfetzen hingen, so wunderten sich die Lorenschieber — meist Frauen und Kinder — nicht, sie waren daran gewöhnt. So eine Grube glich einer großen Knochenmühle, bei der oben die Kumpel hineingestopft wurden und unten der Profit des Eigentümers herausfloss. Die Gesichter der Kumpel waren bleich und verhärmt wie die Gesichter von Zuchthäuslern; die Arbeit fern vom Sonnenlicht, in staubgeschwängerter und von giftigen Gasen durchsetzter Luft, bei schwankendem Luftdruck und übermäßiger Hitze zerrüttete ihre Körper.
„Die Kumpel konnten zu Tausenden zugrunde gehen, der Grubenherr fand für jeden mit Leichtigkeit zehn andere. Bei Einbruch des Winters kamen sie hungernd zu den Bergwerken, um Arbeit und Brot zu finden. Was scherte den Grubenherrn ihre Gesundheit."
Jetzt ergriff einer das Wort, der es mit dem „Siedeln" versucht hatte. „Das war auch so ein Betrug: Große Phrasen von der ,Erschließung Hokkaidos' und von der Lösung des Ernährungsproblems, und Werbefilme mit märchenhaften Versprechungen — damit haben sie uns geködert und uns verleitet, unser Land aufzugeben, auf das der Gutsherr seit langem scharf war." Wenn die Siedler den Boden umgruben, stießen sie bereits in Spatentiefe auf eine zähe Tonschicht — das fruchtbare Land war längst an gutzahlende Interessenten vergeben. Der Hokkaidowinter begrub die Siedler unter seinen Schneemassen. Sie hatten nicht einmal Pferdebohnen zu essen. Oft fand ein Nachbar nach der Schneeschmelze eine ganze Familie verhungert auf; den Toten hing noch das Stroh aus dem Mund, das sie zu kauen versucht hatten. Wenn es aber einem Siedler nach jahrelanger Arbeit gelungen war, aus dem Boden etwas zu machen, dann hatten die Bankherren, Barone und anderen Geldgeber ihn inzwischen so tief in Schulden verstrickt, dass der aus Ödland gewonnene fruchtbare Acker nicht mehr sein Eigentum war. Er gehörte dann einem der habgierigen Wucherer, von denen Hokkaido wimmelte. So mussten die Siedler am Ende feststellen, dass sie sich in derselben Lage befanden wie vor dem „Siedeln", in der Lage kleiner, bis über die Ohren verschuldeter Pächter. Sie waren über die Meerenge von Tsugaru nach Hokkaido gekommen, in der Hoffnung, sich etwas Geld zu erarbeiten und damit in die Heimat zurückzukehren; aber sie waren Räubern in die Hände gefallen, die sie von dem neuerworbenen Grund und Boden verjagten. Für viele von ihnen war ein Krabbenfangschiff die letzte Zuflucht.
Ähnlich wie den Krabbenfischern erging es den Schauerleuten. Sie kamen in ganzen Schiffsladungen nach Hokkaido und hausten in Otaru, in Massenunterkünften zusammengepfercht und streng bewacht. Ihre Arbeit war lebensgefährlich. Eine ungeschickte Bewegung genügte, und ein Stapel Holz drückte sie platt wie einen Pfannkuchen. Oft kam es vor, dass auf der einen Seite Holzstämme an Bord gehievt wurden und auf der anderen Seite ein Kuli mit eingedrücktem Schädel wie ein dreckiger Lumpen über die Reling ins Meer flog.
Im japanischen Mutterland war es seit langem nicht mehr möglich, dass ein Arbeiter zu Tode geschunden wurde, ohne dass sofort große Protestaktionen gegen die Unternehmer einsetzten. Die Arbeiter in Hokkaido aber waren von jeder Verbindung abgeschnitten und ihren Fronherren schutzlos ausgeliefert. Sie hielten oft lange aus. Wenn sie aber endgültig genug hatten und sich einen anderen Arbeitsplatz suchten, dann kamen sie vom Regen in die Traufe.
„Was soll nun aus uns hier auf dem Krabbenschiff werden?"
„Ja, was soll aus uns werden? Die schinden uns zu Tode."
Es gab nichts mehr zu erzählen. Stille trat ein — eine Stille dumpfen Verzweifelns.
„E—ehe ich mich umbringen lasse, b—bringe ich selbst einen um", sagte der Stotterer, dann schwieg auch er. Nur das eintönige Plätschern der Wellen drang durch die Bordwand. Irgendwo auf Deck zischte es, als wäre ein Dampfrohr undicht. Bevor die Krabbenfischer schlafen gingen, zogen sie ihre schmutzverklebten Hemden und Hosen aus, setzten sich um den Ofen und hielten die Kleidungsstücke vor sich hin, bis sie trocken waren. Dann schüttelten sie über dem Ofen die Läuse und Wanzen aus den Kleidern. Das Ungeziefer fiel auf die Ofenplatte und verkohlte. Bald stank es im ganzen Raum wie nach verbranntem Menschenfleisch. Die Männer suchten einander die Läuse ab, zerbissen die gefangenen Läuse mit den Zähnen oder zerquetschten sie zwischen den Fingernägeln. Die blutigen Finger wischten sie am Ärmel ab und setzten die Jagd fort. Zum Schlafen kamen sie nicht viel. Das Ungeziefer plagte sie so sehr, dass sie sich seiner kaum erwehren konnten. So viele Läuse und Wanzen sie auch fingen, auszurotten waren sie nicht. Scharenweise krochen sie den Männern an den Beinen hoch, wenn sie morgens ihre Kojen verließen. Mancher hatte das Gefühl, als hätte er eitrige Stellen am ganzen Körper, als wäre er eine lebende Leiche, die von Würmern und Fliegen zerfressen wird.
Anfangs hatten sich die Krabbenfischer und Saisonarbeiter jeden Tag waschen können, trotzdem waren sie auch damals den Schmutz und den üblen Geruch nicht losgeworden. Nach einer Woche durften sie sich nur noch alle drei Tage, nach einem Monat nur noch einmal wöchentlich waschen. Dann wurde es auf zweimal im Monat eingeschränkt, „um nicht zu viel Wasser zu verbrauchen", wie der Inspektor verkündete. Der Kapitän und Asagawa stiegen jedoch jeden Tag ins Bad, bei ihnen wurde nicht mit Wasser gespart. Wer aber dauernd mit dem klebrigen Krabbenfleisch zu tun hat und nicht alle Tage baden kann, der wird eine Brutstätte für Ungeziefer. So gingen die Krabbenfischer dazu über, den Schmutz von ihrem Körper abzukratzen. Anfangs bildeten sich nur an der Gürtellinie wunde Stellen, allmählich aber am ganzen Körper. Sie hielten es vor Jucken nicht aus und kratzten sich immerfort. Das hörte auch in der Nacht nicht auf, sie hatten das Gefühl, als bewegte sich bald hier, bald da eine kleine Spirale an ihrem Körper entlang, gleich darauf spürten sie einen stechenden Schmerz. Sie wälzten sich von einer Seite auf die andere, aber es hörte nicht auf. So ging es bis zum Morgen. Der ganze Körper war bald voll Schorf und Grind. „Das Ungeziefer frisst uns auf." „Lass doch! Mal etwas anderes zur Abwechslung!" Grimmiges Lachen ertönte, dann war es wieder still.

 

5

Einige Männer liefen zum Hinterdeck. Wo die Reling einen Knick macht, hielten sie an und beugten sich über das Geländer. Weiter vorn, bei der Offiziersmesse, arbeitete der Zimmermann. Er blickte den Männern nach, konnte aber nichts erkennen, weil seine Augen vor Kälte tränten. Am Heck quietschte die Winde des Ankerdavits. Was ist denn dort los? dachte der Zimmermann verwundert. Die Fangboote sind doch alle ausgefahren. Er bemerkte, dass das Seil der Winde hin und her pendelte, etwas Schweres musste daran hängen. Wenn ich nur wüsste, was da an dem Seil hängt! Fluchend schnäuzte sich der Zimmermann durch die Finger. In der Eile hatte er vergessen, sich aus dem Wind zu drehen, der ganze Dreck aus seiner Nase klatschte ihm auf die Hose.
Ach, sie lassen wieder einmal einen zur Strafe baumeln...
Als er sich mit dem Ärmel die Augen gewischt hatte, konnte er genau sehen, was geschah. Vor der glitzernden Fläche des Meeres und der grauen Regenwand im Hintergrund zeichneten sich deutlich die gebogenen Davits ab. Am Ende des Seils hing, gefesselt und zusammengeschnürt, ein Krabbenfischer. Er wand und drehte sich und strampelte mit den Beinen in der Luft wie eine Fliege, die sich in einem Spinnennetz gefangen hat. Dann versperrten die Deckaufbauten dem Zimmermann die Sicht, er konnte nur noch sehen, dass sich das Seil wie eine Schaukel hin und her bewegte. Immer wieder musste er sich das Wasser aus den Augen wischen und sich schnäuzen. Nach einer Weile hielt es ihn nicht mehr. Er musste selbst nachsehen, was dort am Heck geschah. Das Seil bewegte sich heftig, als rüttelte und zerrte jemand kräftig daran. Der Zimmermann blickte über die Reling. Der „Gehängte" schwang an der Leine dicht über der Wasseroberfläche. Plötzlich wurde sein Gesicht totenblass, aus seinem Munde trat Schaum, er stöhnte gequält.
Oben an der Reling stand der Chef der Saisonarbeiter, leicht gebückt und in den Knien etwas eingeknickt. Er hatte seinen Stock unter den Arm geklemmt und schlug, als wäre nichts geschehen, sein Wasser ab, direkt ins Meer. Der Seewind spritzte den Urin gegen die Bordwand.
Er hat ihn vorher auch noch geprügelt, dachte der Zimmermann.
In diesen Tagen fiel den Männern das Aufstehen am Morgen besonders schwer. Der Inspektor erschien gewöhnlich mit einem leeren Benzinkanister im Jauchefass, trommelte darauf und hielt ihn dabei den Schlafenden dicht an die Ohren. Die Männer fuhren hoch und sprangen aus den Kojen. Häufig geschah es, dass einer der Beriberikranken mühsam den Kopf hob und ein paar Worte stammelte. Aber der Inspektor sah sich nicht einmal nach ihm um und trommelte weiter auf den Kanister. Die Stimme des Kranken ging unter im Lärm der Trommel, seine Lippen bewegten sich wie das Maul eines Goldfisches, der nach Luft schnappt. Dann hörte der Inspektor auf zu trommeln und brüllte mit donnernder Stimme: „Ich werde euch schon das Aufstehen beibringen! Ihr seid hier in einem Staatsbetrieb. Hier ist es genauso wie an der Front, es geht um Leben und Tod! Hier wird gearbeitet, verfluchte Aasbande!" Er riss den Kranken die Decken weg und trieb sie nach oben. Die Beriberikranken, denen die Beine nicht gehorchten, stolperten mühselig die Stufen hinauf. Sie klammerten sich mit einer Hand am Geländer fest und bückten sich, um mit der anderen Hand die Füße von Stufe zu Stufe zu heben, bis sie keuchend und außer Atem oben ankamen.
Dem Inspektor und seinen Antreibern waren Kranke ein Dorn im Auge. Sie behandelten sie schlechter als die Arbeitsfähigen. Die Kranken wurden von einer Arbeit zur anderen getrieben, sie mussten Konservenbüchsen anfertigen, auf dem kalten Deck die Krabben häuten, Etikette aufkleben und andre Hilfsarbeit leisten. Sie stolperten in den dunklen, feuchten Arbeitsräumen umher, in dauernder Angst, auszurutschen. Wenn sie es fertigbrachten, sich eine Weile auf den Füßen zu halten, wurden ihnen die Beine steif und gefühllos wie Holzklötze. Sie knickten in den Knien ein, sackten zusammen und hockten plötzlich auf dem Boden, ohne es zu merken.
Der Student fasste sich bei der Arbeit in der Krabbenschlächterei plötzlich an den Kopf, schwankte und fiel auf einen Stapel Konservenbüchsen, der laut polternd zusammenstürzte. Da das Schiff etwas Schlagseite hatte, rollten die Büchsen über das Deck, zwischen die Kisten und Geräte. Einige Arbeiter bemühten sich, den Studenten aufzuheben und in eine Kajüte zu bringen, da eilte der Inspektor herbei. „Wer wagt es hier, seinen Arbeitsplatz zu verlassen?"
„Wer?" wiederholte einer der Arbeiter empört. „Du unverschämter Patron wagst es noch, mich nachzuäffen!" Der Inspektor riss seine Pistole aus der Tasche und fuchtelte mit ihr herum. Sein Mund verzog sich und sah wieder aus wie ein dreieckiges Loch. Er warf sich in die Brust, stieß mit dem Fuß nach dem Bewusstlosen und brüllte: „Einen Eimer Wasser her!"
Er schüttete dem Studenten einen vollen Eimer Wasser ins Gesicht. „So! Das wird ihm aufhelfen! Was steht ihr da und gafft? An die Arbeit!" Als die Arbeiter am nächsten Morgen die Arbeitsräume betraten, fuhr ihnen der Schreck in die Glieder: Der Student war an den Pfeiler einer Bohrmaschine gebunden, sein Kopf hing wie bei einem geschlachteten Huhn so tief auf die Brust, dass der oberste Halswirbel sich scharf unter der Haut abzeichnete. Auf seiner Brust war wie ein Kinderlätzchen ein Stück Papier befestigt, darauf stand, von Asagawa geschrieben: „Dies ist ein Simulant. Es ist verboten, ihn loszubinden!" Schlagartig verstummten die Arbeiter, sobald sie den Raum betraten und ihren gefesselten Kameraden sahen. Seine Stirn fühlte sich eiskalt an. Erst als sie Asagawa herunterkommen hörten, gingen sie an ihre Plätze. Es war, als flösse ein angestautes Wasser plötzlich nach zwei Seiten ab, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Unfälle bei der Arbeit waren an der Tagesordnung. Da schlug sich einer einen Zahn aus und spuckte die ganze Nacht Blut, ein anderer glitt aus und verstauchte sich ein Bein. Ein dritter bekam einen Bluterguss im Auge, andere wieder verloren infolge der Ohrfeigen, die ihnen die Aufseher versetzten, das Gehör. Die Arbeit erschöpfte die meisten so, dass sie völlig apathisch wurden. Sie lebten nur am Ende der Arbeitszeit etwas auf und fielen dann gleich wieder in ihren Dämmerzustand. Eines Tages, als sie sich schon auf den Feierabend freuten, kam kurz vor Arbeitsschluss der Inspektor und brüllte sie an: „Heute wird bis neun Uhr gearbeitet. Sieh einer die Halunken an! Wenn die Arbeit aus ist, sind sie gleich dabei." So flott sie vorher gearbeitet hatten, so langsam und schleppend ging es jetzt. Sie waren erschöpft und hatten keine Kraft mehr.
„Hört alle her! An eine solche Fangstelle kommen wir so bald nicht wieder. Das Krabbenfischen lässt sich nicht auf bestimmte Zeiten festlegen. Wir wären schön dumm, wenn wir schon nach zwölf oder dreizehn Stunden Arbeit aufhörten. Wir arbeiten ja nicht immer so lange. Wenn eine Flaute kommt, könnt ihr meinetwegen etwas bummeln." Asagawa versuchte es mit allen Mitteln. Eines Tages kam er sogar ins Jauchefass, um sie zur Mehrarbeit anzuspornen. „Seht euch die Russen an", sagte er. „Mögen die Fischschwärme noch so groß sein, wenn Feierabend kommt, schmeißen sie die Arbeit hin. Überlasst das den Russen, wir Japaner machen es anders."
Unter den Krabbenfischern gab es viele, die seine Bauernfängerei durchschauten. Aber die Prahlereien des Inspektors über die Tüchtigkeit der Japaner beeindruckten doch manchen. Sie fühlten sich geschmeichelt, ein Heldennimbus schien über ihrer harten Fron zu schweben.
Ein Ereignis in ihrem gleichförmigen Tagewerk war es, wenn fern am Horizont ein japanischer Zerstörer vorbeifuhr. Dann konnte man sehen, dass der eine oder der andere der Männer sich die Augen wischte. Sie schwenkten die Mützen und dachten dabei: Das sind unsere Jungens! Manche sagten auch laut: „Verflucht! Heulen könnte man, wenn man das sieht!" Sie blickten dem Schiff nach, bis es immer kleiner wurde und schließlich in einer Rauchwolke verschwand.
Nach getaner Arbeit schlichen die Krabbenfischer müde und zerschlagen in ihre Logis. Sie fühlten sich wie ausgewrungene Scheuerlappen, nicht wie Menschen. Wie auf Verabredung trugen sie alle dasselbe Wort auf der Zunge: „Verfluchte Scheiße!" In ihrem trübseligen Dahindämmern klang es wie das Aufbrüllen eines zur Raserei getriebenen Stiers. Auf wen oder auf was sie fluchten, wussten sie selbst nicht. Wenn zweihundert Männer, in einem engen und dunklen Raum wie dem Jauchefass zusammengepfercht, täglich dieselben Gesichter um sich sehen und dauernd zu enger körperlicher Berührung gezwungen, doch aufeinander angewiesen sind, dann gleichen sich ihre Gedanken, ihre Worte, ihre Taten einander an, so langsam, aber auch so sicher, wie eine Schnecke ihres Weges zieht. Und selbst die Außenseiter, die es in dieser Menschenmasse gab, Männer wie „der Ältere", der Mijagutschi angezeigt hatte, konnten sich dem nicht entziehen. Eines Morgens sagte der aus dem Bergwerk, als er langsam die Stiege hinaufkletterte: „Ich mache nicht mehr mit!" Tags zuvor hatten sie bis zehn Uhr gearbeitet. Ihre Körper waren wie ausgeleierte Maschinen. Als er in den Arbeitsraum hinunterstieg, blickte er verstohlen um sich. Die hinter ihm kamen, ächzten und stöhnten, sie hielten sich mit Mühe und Not auf den Beinen und legten sich, kaum im Fabrikraum angekommen, wieder hin. Ihre Gesichter waren starr und gelb. „Ich mache nicht mehr mit! Ich arbeite langsamer." Zunächst antwortete keiner, nur ihre Gesichter bewegten sich unmerklich. Endlich sagte ein Krabbenfischer: „Hast du keine Angst, mit dem Eisen gebrannt zu werden?" „Ich sabotiere ja nicht aus Faulheit, ich kann einfach nicht mehr." Er krempelte die Ärmel hoch und hob die Hände an die Augen, als schaute er nach jemandem aus. „Ich arbeite auch nicht mehr so lange. Aber aus Faulheit sabotiere ich nicht." „Hm."
Der Inspektor stolzierte wie ein gereizter Kampfhahn durch die Fabrikräume. „Was ist denn heute los?" fragte er immer wieder. Da aber nicht nur der eine oder der andere, sondern alle langsam arbeiteten, konnte er nichts ausrichten. Nie zuvor hatten die Krabbenfischer und Matrosen ihn so in Wut gesehen wie an diesem Tag. Dabei wimmelte es auf dem Oberdeck von Krabben. Sie quollen aus den Netzen und krochen über die Planken, so dass es überall raschelte; es war wie auf einer verkehrsreichen Straße am Meeresgrund. Die Arbeit türmte sich zu Bergen. Aber selbst der Knüppel des Inspektors half nichts.
Nach der Arbeit trockneten sich die Krabbenfischer mit den zerschlissenen Handtüchern Gesicht und Hals ab und gingen in das Jauchefass. Sie sahen einander an und lachten zum ersten Mal befreit, ohne recht zu wissen, warum.
Die neue Arbeitsweise machte Schule und griff auch auf die Matrosen über. Seid doch nicht so dumm! schienen die Blicke der Krabbenfischer zu sagen. Auch sie fingen an, langsam zu arbeiten. Was wir gestern zu viel gearbeitet haben, das arbeiten wir heute weniger, wurde auch ihre Parole. Sie nannten es „Sabotieren", in Wirklichkeit ließen sie ihrem Körper endlich das zukommen, was er brauchte. Wenn sie so weitergearbeitet hätten, wäre es um sie geschehen gewesen. Alle waren überzeugt, aus Notwehr zu handeln.
„Das Postschiff ist da!" schallte es eines Tages über das Deck. Mit Windeseile drang dieser Ruf in die entferntesten Winkel des Schiffes. Die Krabbenfischer sprangen aus ihren Kojen und liefen, wie sie waren, nach oben.
In den Träumen der Krabbenfischer und Matrosen spielte das Postschiff eine gewichtige Rolle, es kam sogar vor den Frauen. Auf dem Postschiff stank es nicht immer nur nach Salz, auf ihm war noch der Geruch der Erde, die sie seit vielen Hundert Tagen nicht mehr betreten hatten. Außerdem brachte das Postschiff lang ersehnte Briefe, Pakete und Zeitungen.
Mit ihren nach Krabbenfleisch stinkenden Händen packten die Männer, sobald ihr Name aufgerufen wurde, ihre Pakete und rannten wie die Wilden in das Jauchefass zurück. Dort setzten sie sich mit gekreuzten Beinen auf ihre Kojen, klemmten die Pakete zwischen die Schenkel und knoteten die Schnüre auf. Handtücher kamen zum Vorschein, Zahnbürsten, Zahnpasta, Wäsche, Kleidungsstücke und von ungelenker Kinderhand geschriebene Briefe, denen man anmerkte, dass die Mutter danebengestanden und die Worte diktiert hatte. Auf einmal waren sie alle wie verzaubert. Die Heimat war zu ihnen gekommen, ihr Duft umschwebte sie. Sie fühlten sich in den Kreis ihrer Familien versetzt und spürten die Nähe ihrer Frauen. Die Männer, die keine Post erhalten hatten, steckten ihre Hände in die Hosentaschen, gingen mit langen Schritten auf und ab und bekamen von manchem spöttische Bemerkungen zu hören. „Da hat sich wohl ein anderer rangemacht..." In einer Ecke saß ein Mann still für sich allein, ohne auf den Lärm der anderen zu achten. Er krampfte seine Finger zusammen und streckte sie wieder. In dem Brief, den ihm das Postschiff soeben gebracht hatte, stand die Nachricht vom Tod seines Kindes. Es war ja schon vor zwei Monaten gestorben, aber er hatte es jetzt erst erfahren. „... wir hatten nicht genug Geld für ein Funktelegramm", hieß es in dem Brief. Wenn man den Mann so sitzen sah, hätte man zweifeln können, dass er zu der rauen Schar der Krabbenfischer gehörte.
Anderen brachte der Brief aus der Heimat große Freude. Einer zeigte die Fotografie eines pausbäckigen Säuglings, der aussah wie ein eben aus dem Wasser gezogener Tintenfisch. „Da, seht ihn euch an!" sagte der junge Vater voll Stolz, „auf dem Bild ist er erst ein paar Tage alt."
Die Männer schmunzelten und reichten das Kinderbild weiter. Die Pakete enthielten keine besonders wertvollen Gegenstände, aber sie hatten alle eine Beziehung zur Frau. Den Männern schlug das Herz wild in der Brust, alle beseelte der eine Gedanke: Man müsste nach Hause fliegen können! Das Postschiff hatte auch ein Wanderkino an Bord. Sobald die Konservenkisten auf das Postschiff verladen waren, sollte eine Filmvorstellung beginnen.
Drei junge Männer in Hosen mit breiten Aufschlägen, die Mützen keck auf dem Kopf, bunte Fliegen unter dem Kinn, kletterten das Fallreep hoch. Sie schleppten schwere Koffer und Kisten. Kaum hatten sie das Schiff betreten, da beschwerten sie sich bereits über den Fischgestank. Dann zogen sie ihre Mäntel aus und machten sich pfeifend an ihre Arbeit. Sie stellten die Leinwand auf und machten den Projektionsapparat bereit. Die Krabbenfischer und Matrosen standen staunend dabei. Diese Männer hatten gar nichts mit Seefahrern gemein. Der Älteste von ihnen trug einen goldumrandeten Kneifer auf der Nase, er stellte sich wichtigtuerisch neben die Leinwand und strich sich über den Kopf, als schwitzte er vor lauter Anstrengung. Einer der Krabbenfischer sagte zu ihm: „Herr Filmerklärer, gehen Sie lieber da weg, sonst kriegen Sie Läuse!"
Da sprang der Mann zur Seite, als wäre er auf glühendes Eisen getreten; die Krabbenfischer lachten schallend. „Mir scheint, ich bin hier in ein Dreckloch geraten", sagte er beleidigt. „Herr Filmerklärer", antwortete einer, „wenn Sie wüssten, was die Firma an uns verdient, dann würden Sie uns etwas nobler behandeln. Fünf Millionen Jen in sechs Monaten, macht zehn Millionen im Jahr! Eine Menge Geld, was? Die Aktionäre bekommen fünfundzwanzigeinhalb Prozent Dividende im
Jahr. Das will was heißen! Ihr zieht alle Nutzen daraus, dass wir hier im Dreck verkommen." Die Kinovorstellung fand am Abend im Rahmen einer Feier aus Anlass der Ablieferung der ersten zehntausend Kisten Konserven statt. Es gab ein Festessen mit Klippfisch, gemischtem Gemüse, Gebratenem, Konfekt, Reiswein und Schnaps. Ausgelassene Stimmung herrschte auf dem Schiff. Die Krabbenfischer und Matrosen trugen Ringkämpfe aus. Plötzlich klatschten in der ersten Reihe ein paar Männer in die Hände. Ohne zu wissen, warum, klatschten alle anderen mit. Dann erst merkten sie, wem der Beifall galt. Der Inspektor war vor die Leinwand getreten. Breitbeinig stand er da, die Hände auf dem Rücken. Er sagte Worte, die man sonst nie von ihm zu hören bekam: „meine Wenigkeit" und „meine Herren". Dann verfiel er wieder in einen lehrhaften Ton und sprach von den „Söhnen Japans" und dem „Wohl des Staates". Die meisten hörten nicht zu. Sie aßen ihren Klippfisch und kauten so kräftig, dass sich ihr ganzes Gesicht bis an die Schläfen hinauf bewegte. Plötzlich ertönte von hinten: „Aufhören!" — „Verdufte!" — „Wir haben an einem Filmerklärer genug!" — „Gib uns eine Vorstellung mit dem Knüppel!" Lautes Lachen erscholl, zwischendurch wurde gepfiffen und geklatscht. In diesem Trubel konnte sich der Inspektor nicht mehr durchsetzen. Rot vor
Verlegenheit, sagte er noch einige Worte, die aber in dem allgemeinen Lärm untergingen, und verschwand schließlich vom Podium. Die Filmvorstellung begann. Aufnahmen vom Kaiserschloß, von Mitsuschima, Enoschima, Kioto glitten über die Leinwand. Leider wackelten die Bilder oft, manchmal überdeckten sich auch zwei oder drei Bilder, so dass es den Zuschauern vor den Augen flimmerte. Dann wieder riss plötzlich der Film, und man sah nur die grellweiße Wand. Von den beiden Spielfilmen war der eine ein ausländischer, der andere ein japanischer. Es „regnete" stark, auch fehlten Stücke, so dass die Darsteller auf der Leinwand komische Sprünge machten. Trotz dieser Mängel folgten die Zuschauer gespannt dem Ablauf des Geschehens. Wenn eine fremdländische Schönheit zu sehen war, gaben einige der Krabbenfischer grunzende Laute von sich, und der Erklärer hörte jedesmal vor Ärger auf zu reden.
In dem amerikanischen Film wurden die Leiden und Mühsale gezeigt, denen die amerikanischen Pioniere bei der Erschließung des Westens im Kampf mit den Indianern und den Naturgewalten ausgesetzt waren. Beim Eisenbahnbau entstanden an den Knotenpunkten manchmal beinahe über Nacht neue Siedlungen, die sich rasch vergrößerten. Immer tiefer stießen die Linien ins Land, bald reihte sich eine Stadt an die andere. Dies Geschehen war der
Hintergrund für eine Liebesgeschichte zwischen einem Arbeiter und der Tochter eines Direktors. Der Film schloss damit, dass die Tochter des Direktors und der Arbeiter, aus dem inzwischen ein vollendeter Gentleman geworden war, einander in den Armen lagen. Der Erklärer sagte pathetisch: „Von opfermütiger Jugend erbaut, ist diese Hunderte von Kilometern lange Bahnlinie nunmehr wie eine Schlange, die sich über Berge und Täler windet. Das, was gestern noch Prärie war, hat sich in blühendes Land verwandelt."
Nach einem humoristischen Streifen endete die Veranstaltung mit einem japanischen Spielfilm. Der Held dieses Films war ein Junge, der seinen Weg als Bohnenquarkverkäufer, Zeitungsbote und Schuhputzer begann, „Musterarbeiter" in einer Fabrik wurde und schließlich ein reicher Mann war. „Hier zeigt sich, wie man durch Fleiß und Arbeitsamkeit zum Erfolg gelangt", rief der Filmerklärer aus.
Die jüngeren Saisonarbeiter klatschten Beifall, aber aus den Reihen der älteren Krabbenfischer und Matrosen kam ein Zwischenruf: „So ein Quatsch! Wenn das so wäre, müsste ich längst Fabrikdirektor sein."
Später gestand der Filmerklärer, dass er von der Direktion Anweisungen erhalten habe, moralische Lehren einzuflechten.
Nach der Vorstellung bekamen die Männer als Belohnung für die zehntausend Kisten Konserven eine Sonderzuteilung Schnaps. Bald waren fast alle betrunken. Anfangs verhielten sie sich noch ruhig. Die Erschöpfung machte sich bemerkbar. Schnapsdunst zog durch den Raum, atemberaubender Gestank herrschte, das matte Licht der Glühlampen konnte die stickige Luft kaum durchdringen. Es war heiß, die Krabbenfischer zogen sich bis aufs Hemd aus. Zuletzt hatten sie nur noch einen Lendenschurz um. Sie streckten die Füße weit von sich, rot glänzten ihre Schenkel. Der Schnaps verdrängte die Müdigkeit, sie fingen an, miteinander zu streiten. Noch lange nach Mitternacht erscholl wüster Lärm.
Ein Krabbenfischer aus Hakodate, der an Beriberi erkrankt war und sich seit langem nicht aus seiner Koje erheben konnte, ließ sich von einem Kameraden das Kopfkissen höher legen, um zu sehen, was die anderen trieben. Sein Kamerad und Landsmann leistete ihm, an den Pfeiler der Koje gelehnt, Gesellschaft und stocherte sich mit einem Streichholz in den Zähnen.
Ein Krabbenfischer, voll wie eine Haubitze, torkelte in das Jauchefass. Was er noch an Kleidung trug, war mit Blut beschmiert, ebenso seine rechte Hand. „Ein Messer! Ein Messer!" schrie er. „Gebt mir ein Messer! Asagawa ist nirgends zu finden. Wo ist er? Ich will ihm die Kehle durchschneiden!"
Er war einer von denen, die von Asagawa geschlagen worden waren. Schließlich ergriff er den Feuerhaken, der hinter dem Ofen lag. Seine Augen funkelten vor Rachgier, er lief zur Tür hinaus. Keiner machte den Versuch, ihn zurückzuhalten. Der Kranke und sein Landsmann sahen einander an, und der am Pfeiler sagte: „Wer weiß, was der Kerl anstellt, der ist zu allem fähig." Am nächsten Morgen erzählte der Steward, dass jemand in Asagawas Kajüte das Fenster eingeschlagen und den Tisch mit allem, was darauf stand, demoliert habe. Asagawa sei aber nicht in seiner Kajüte gewesen, daher sei ihm nichts geschehen.

 

6

Der Morgen war wieder grau und trüb, Schauer gingen nieder, die einförmige Fläche des Meeres geriet in Bewegung. Kurz nach zwölf Uhr tauchte am Horizont ein Zerstörer auf und hielt auf die „Hakkomaru" zu. Es war Arbeitspause, die Krabbenfischer und Saisonarbeiter standen an Deck herum oder lehnten an der Reling und erörterten das Ereignis. Es schien etwas in der Luft zu liegen.
Der Zerstörer setzte ein Boot aus. Es näherte sich mit mehreren Offizieren an Bord der „Hakkomaru". Am Fallreep wurden sie vom Kapitän, vom Leiter der Konservenfabrik, von Inspektor Asagawa und vom Chef der Saisonarbeiter erwartet. Als das Boot anlegte, grüßten die Offiziere. Der Kapitän des Zerstörers betrat als erster das Schiff. Asagawa runzelte plötzlich die Stirn, sein Mund verzog sich, er warf einen wütenden Blick zur Reling hinüber, an der die Krabbenfischer lehnten, machte eine heftige Bewegung mit der Hand und rief: „Was gibt es denn hier zu gaffen? Macht, dass ihr wegkommt!"
„Bilde dir nicht soviel ein, du Idiot!" murrten die Männer. Alle wollten die Offiziere sehen, die Hintenstehenden reckten die Hälse und drängten nach vorn. Dann verschwanden sie allmählich wieder im Fabrikraum. Dort, wo sie gestanden hatten, hielt sich noch lange ein übler Gestank. „Pfui Teufel!" sagte einer der jungen Offiziere. Er trug einen Stutzbart und hatte ein arrogantes Gesicht.
Asagawa trat, um den schlechten Eindruck wettzumachen, diensteifrig an ihn heran, scharwenzelte um ihn herum und verbeugte sich mehrmals tief vor ihm. Die Dolche, die die Offiziere an langen Gehängen trugen, baumelten ihnen um die Beine. Einige Krabbenfischer schauten noch immer aus der Entfernung zu und unterhielten sich, welchen Rang die Offiziere hätten. Sie gerieten in Streit darüber. „Auf jeden Fall sind sie alle viel mehr als Asagawa, sie sehen ihn offenbar nicht für voll an." Einer der Krabbenfischer machte nach, wie Asagawa vor den Offizieren katzbuckelte, und erntete dadurch den Beifall der anderen. Sie konnten sich vor Lachen nicht halten.
Asagawa und der Chef der Saisonarbeiter unterließen an diesem Tag die Kontrollgänge durch die Fabrikräume. Das nutzten die Arbeiter aus und richteten sich die Arbeit nach ihrem Gefallen ein. Einige fingen an zu singen, andere unterhielten sich bei der Arbeit. „So lässt sich's wenigstens arbeiten", sagten sie immer wieder.
Als sie nach der Arbeit an Deck stiegen und an der Offiziersmesse vorbeikamen, hörten sie von dort wüsten Lärm. Der Steward öffnete die Tür der Messe, eine Wolke von Zigarettenrauch drang heraus. Schweißtropfen standen dem Steward auf der Stirn. Er schleppte Bierflaschen, hatte beide Hände voll und wies auf seine Hosentasche. „Wischt mir die Stirn ab!"
Sie zogen ihm das Taschentuch aus der Tasche. „Was ist denn da drinnen los?" „Da drinnen geht es toll her", stöhnte der Steward. „Sie saufen und geilen sich an Weibergeschichten auf. So schnell kann ich das Zeug gar nicht heranschleppen, wie sie trinken. Nachher sind sie wieder sternhagelvoll und stürzen das Fallreep hinunter."
„Hast du herausgekriegt, weshalb der hohe Besuch gekommen ist?"
Der Steward schüttelte den Kopf und verschwand in Richtung der Kombüse. Die Krabbenfischer folgten ihm. Für sie gab es krümeligen Reis, den man kaum zwischen die Stäbchen bekam, und einen Löffel versalzener Bohnensauce. „Ausländische Speisen muss ich in der Offiziersmesse servieren, die ich noch nie gesehen, geschweige denn gegessen habe."
„Und die schlagen sich damit ihren Wanst voll!" An der Wand hingen Plakate: Über das Essen zu mäkeln ist ein Zeichen von schlechter Erziehung! — Nicht ein Körnchen Reis darf verlorengehen, denn es hat Blut und Schweiß gekostet! — Was du nicht ändern kannst, ertrage standhaft! ... Die Ränder der Plakate waren mit Zoten bekritzelt, wie man sie an den Wänden öffentlicher Bedürfnisanstalten findet.
Nach dem Essen saßen die Männer noch eine Weile um den Ofen. Die Ankunft des Zerstörers erinnerte sie an ihre Soldatenzeit. Die Bauernsöhne aus Akita, Aomori und Iwate wussten davon ein Lied zu singen.
Als im Jauchefass schon alle schliefen, ging der Lärm in der Offiziersmesse in lautes Toben über. Es war überall im Schiff zu hören, einige im Jauchefass wurden wieder wach.
Am Morgen hörten die Arbeiter über ihren Köpfen schlurfende Schritte. Sie überlegten, wer das wohl sein könnte. Als sie zur Arbeit gingen, waren die Offiziere auf den Zerstörer zurückgekehrt. Das Fallreep war noch heruntergelassen, es war von oben bis unten beschmutzt. Überall roch es nach Erbrochenem, so dass sogar den Krabbenfischern übel wurde.
Der Zerstörer lag auf dem Wasser wie ein großer grauer Vogel. Er hob und senkte sich in der flachen
Dünung. Eine leichte Rauchwolke stieg aus seinem vorderen Schornstein. Der Inspektor und der Chef der Saisonarbeiter schliefen noch. „Versoffenes Gesindel!" schimpften die Krabbenfischer. In der Kombüse häuften sich halbgeleerte Konservenbüchsen mit Krabbenfleisch, in den Ecken standen Dutzende leerer Bierflaschen. Die Köche konnten die Reste nicht allein essen und gaben daher einen Teil den Krabbenfischern.
Der Steward wusste gut Bescheid über das Privatleben des Kapitäns, des Inspektors und des Fabrikleiters, andererseits hatte er ständig das miserable Leben der Krabbenfischer vor Augen, die der Inspektor in seinen Reden immer nur als „Schweine" bezeichnete. Auch der Steward hielt die Menschen der oberen Klassen für arrogant und anmaßend. Sie scheuten sich nicht, des Geldes wegen Menschen wie Tiere zu behandeln. Es war nicht mit anzusehen, wie sie mit den Krabbenfischern und Matrosen umsprangen.
Das beste wäre, sich nicht darum zu kümmern, dachte der Steward manchmal. Gleichzeitig wurde ihm aber mit jedem Tag klarer, dass das nicht in alle Ewigkeit weitergehen konnte. Es musste bald etwas geschehen!
Als der Kapitän, der Inspektor und der Fabrikleiter schließlich an Deck erschienen, war es bereits zwei Uhr. Ihren Anzügen war anzusehen, dass sie eine lange Nacht hinter sich hatten. Die Matrosen mussten mehrere Kisten Konserven in der Barkasse verstauen, dann fuhren die drei zu dem Zerstörer hinüber.
Die Krabbenfischer, die an Deck mit dem Häuten der Krabben beschäftigt waren, sahen ihnen nach wie Gaffer bei einer Hochzeit.
„Wer weiß, was die wieder aushecken." — „Was wir in mühsamer Arbeit herstellen, verprassen die in einer Nacht."
„Nicht so hitzig", mahnte der ältere Krabbenfischer, der Mijagutschi angezeigt hatte. „Bei einer Fahrt in diesen gefährlichen Gewässern genießen wir den Schutz der Kriegsflotte. Wir müssen uns dafür schon etwas erkenntlich zeigen."
Am Abend entquollen den Schornsteinen des Zerstörers dicke Rauchwolken, Matrosen liefen auf seinem Deck geschäftig hin und her. Eine halbe Stunde später dampfte er los. Man hörte die Flagge am Heck knattern. Auf Kommando des Kapitäns wurden ihm Bansai-Rufe nachgeschickt. Nach dem Essen kam der Steward in das Jauchefass, wo die Männer, wie allabendlich, um den Ofen saßen. Ab und zu trat einer näher an die trüb leuchtende Glühlampe, um die Läuse besser sehen zu können, die er in einer Naht seiner Jacke gefunden hatte. Wie mit schwarzer Tusche gemalt, erschienen die Schatten der Männer auf der verräucherten
Wand, huschten hin und her, wurden bald kürzer, bald länger.
„Ich habe gehört", begann der Steward, „wie die Offiziere mit dem Kapitän und Asagawa verabredet haben, dass wir in den russischen Hoheitsgewässern unter dem Schutz des Zerstörers auf Fang gehen sollen. Sie wollen einen Zwischenfall provozieren. In Kamtschatka und auf Sachalin soll es Gold geben, in Tokio ist man scharf auf diese Gebiete. Die Methode mit den Zwischenfällen haben sie schon in China und in der Mandschurei ausprobiert. Jetzt wollen sie es hier im Ochotsker Meer genauso machen: unsere Firma und Mitsubischi. Beide Gesellschaften haben sich zusammengetan und rennen der Regierung die Türen ein, hat unser Alter erzählt. Wenn der Generaldirektor unserer Firma ins Parlament kommen sollte, dann wird er ganz schön dazwischenfahren. Nach seinen Plänen sollen die Zerstörer nicht nur den Schutz der Krabbenfangschiffe übernehmen, sondern auch in den Gewässern um Sachalin und um die Kurilen Messungen und Wetterbeobachtungen vornehmen. Das würde weitere Möglichkeiten für Zwischenfälle schaffen, falls es beim Krabbenfang nicht klappen sollte. Wenn es besonders geheim wurde, haben sie nur noch geflüstert, damit ich nichts hörte. Einiges habe ich trotzdem mitgekriegt. So bringen sie zum Beispiel jetzt Geschütze nach den Kurilen, außerdem werden dort
Treibstofflager gebaut. Mir ist der Schreck in die Glieder gefahren, als ich die Offiziere so reden hörte. Ich dachte an die früheren Kriege, die Japan geführt hat. Immer hatten die Geldsäcke ihre Finger drin. Wenn die Brüder riechen, dass es was zu erben gibt, lassen sie nichts unversucht, es in ihre Hand zu bekommen. Gefährliche Burschen sind das!"

 

7

Die Bootswinde quietschte. Ein Fangboot wurde zu Wasser gelassen. Da die Ausladung der Davits zu gering war, musste das Boot beim Fieren nach außen gestemmt werden, damit es nicht an der Bordwand hängenblieb. Diese Arbeit war lebensgefährlich, denn auf alten Schiffen wie der „Hakkomaru" schlenkerten die Davits hin und her wie die Kniegelenke eines Beriberikranken. Manchmal spulte sich auch nur eine der beiden Taljen ab, so dass das Boot fast senkrecht in der Luft hing wie ein Hering im Rauch. Bei diesem Manöver war es schon oft zu Unfällen gekommen. Auch an diesem Morgen schrie plötzlich einer: „Vorsicht! Vorsicht!" Aber das Unglück war bereits geschehen. Einer der  Krabbenfischer hatte einen Schlag gegen den Kopf erhalten, dass er auf der Stelle zusammenbrach. Als seine Kameraden ihn vorsichtig in die Arztkajüte trugen, fluchten sie laut auf Asagawa. Sie beschlossen, den Arzt um ein Attest für den Verunglückten zu bitten, denn sie wussten, dass Asagawa versuchen würde, sich der Verantwortung zu entziehen.
Die Krabbenfischer schienen dem Schiffsarzt leid zu tun. „Die Verletzungen durch Schläge und sonstige schlechte Behandlung sind auf diesem Schiff häufiger als Arbeitsunfälle", hatte er einmal gesagt. „Ich führe darüber genau Tagebuch." Als sie nun in dem Glauben, er habe Verständnis für sie, das Attest forderten, ging er nicht darauf ein. „Ein Attest gebe ich nicht."
„Dann geben Sie uns wenigstens schriftlich, wie der Befund lautet!"
Der Schiffsarzt wurde nervös. „Nach den Bestimmungen, die auf diesem Schiff gelten, darf ich keine Atteste ausstellen. Es ist nun einmal so festgesetzt. Es könnten sich für die Firma Schwierigkeiten daraus ergeben."
Unter den Krabbenfischern, die den Verunglückten hergebracht hatten, befand sich auch der Stotterer. Er hatte eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, brachte sie aber nicht heraus.
„Neulich ließ sich einer von mir untersuchen, der von Asagawa geohrfeigt worden war und dadurch das Gehör verloren hatte. Wollte ich in all diesen Fällen Atteste schreiben, so wäre kein Ende abzusehen. Es genügt, wenn ich eine Liste führe." Als die Krabbenfischer die Kajüte verließen, wussten sie, dass der Arzt nicht auf ihrer Seite stand. Wider Erwarten blieb der Verunglückte am Leben. Man hörte ihn stöhnen, wenn er tagsüber aufstand und in den dunklen Winkeln umher humpelte. Bald besserte sich sein Befinden, die Krabbenfischer brauchten sich keine Sorge mehr um ihn zu machen. Stattdessen starb der an Beriberi erkrankte und seit langem bettlägerige Krabbenfischer. Er war erst siebenundzwanzig Jahre alt, ein Büro in Tokio hatte ihn angeheuert. Der Inspektor gestattete eine Totenwache nur unter der Bedingung, dass die Arbeit nicht leide.
Ein fürchterlicher Geruch verbreitete sich, als man dem Toten die Kleider auszog. Den Leuten, die sich um ihn bemühten, verschlug es den Atem. Dicke, weißgraue Läuse krochen auf dem Körper umher, der, von schuppigem Dreck bedeckt, aussah wie ein gestürzter morscher Kiefernstamm. Auf der Brust schimmerten die weißen Rippen durch die Haut. Da er sich in der letzten Zeit nicht mehr hatte bewegen können, hatte er alles unter sich gelassen. Die Bettdecke war durchtränkt, Hose und Hemd waren dunkelbraun und zerfielen, wie von Säure zerfressen, wenn man sie anfasste. Der Unterleib war schmutzverkrustet. „Ich will nicht in Kamtschatka sterben!" sollen seine letzten Worte gewesen sein; aber da niemand bei ihm gewesen war, als er starb, wussten sie es nicht genau.
Keiner von ihnen wollte in Kamtschatka sterben. Die Tränen kamen ihnen, wenn sie an den Tod dieses Kameraden dachten.
„Nehmt reichlich", sagte der Koch, als die Leute bei ihm heißes Wasser holten, um den Toten zu waschen. „Es tut mir leid, dass er so im Schmutz verkommen musste."
Als der Inspektor sie mit dem Kübel traf, herrschte er sie an: „Wohin wollt ihr damit?" „Den Toten waschen."
„Das ist Luxus!" Der Inspektor wollte noch mehr sagen, beherrschte sich aber und ging weiter. „Fort war er, und ich habe verpasst, ihm das kochende Wasser ins Gesicht zu schütten", erzählte einer der Wasserholer, als er, zitternd vor Wut, den anderen von dieser Begegnung berichtete. Sie beschlossen einmütig, nachts gemeinsam Totenwache zu halten, wenn sie auch am nächsten Tag vor Müdigkeit nicht so flott würden arbeiten können. Alle Vorbereitungen waren getroffen, Räucherwerk stand bereit, und die Wachskerzen brannten. Die Männer setzten sich rings um den toten Kameraden, entschlossen, die ganze Nacht bei ihm zu wachen. Der Inspektor ließ sich nicht blicken, nur der Kapitän und der Arzt kamen für eine Stunde zu ihnen.
Einer der Männer wusste ein paar Sätze aus dem Totengebet auswendig. Er betete sie vor, ohne Zusammenhang, so, wie sie ihm einfielen. Die anderen fanden nichts dabei. „Es kommt von Herzen", sagten sie und schnäuzten sich die Nasen, anfangs nur einige, schließlich alle. Das war das Totengebet der Krabbenfischer. Dann verbrannten sie, jeder für sich, das Räucherwerk. Die Sitzordnung lockerte sich, mehrere Gruppen bildeten sich, eine lebhafte Unterhaltung begann.
„Der Kamerad ist tot. Wir leben ja noch, aber machen wir uns nichts vor, wir stehen alle mit einem Bein im Grab."
Als der Kapitän und der Schiffsarzt gegangen waren, trat der Stotterer an den Tisch mit den Wachskerzen und dem brennenden Räucherwerk. „Ein Gebet kriegt ihr von mir nicht zu hören", begann er. „Ich kann nicht beten. Mit Gebeten können wir Jamadas Seele auch nicht trösten. Ich will euch sagen, wie ich über Jamadas Tod denke. Er wollte nicht sterben, heißt es. Richtiger müsste es heißen: Jamada wehrte sich dagegen, gemordet zu werden. Das ist die Wahrheit: Man hat ihn gemordet." Es war still geworden, alle hörten dem Stotterer aufmerksam zu.
„Wer aber hat ihn gemordet? Ich brauche es nicht zu sagen, ihr wisst es. Nein, mit Gebeten können wir Jamadas Seele nicht trösten. Rache müssen wir nehmen an seinem Mörder, dann wird seine Seele Ruhe finden. Wir müssen hier an seiner Bahre schwören, dass wir ihn rächen werden." Ein Matrose antwortete als erster: „Ja, das müssen wir tun!"
Zarte, weißgraue Rauchfäden schwebten in der nach Krabbenfleisch und menschlichen Ausdünstungen stinkenden Luft des Jauchefasses, Weihrauchduft breitete sich aus wie in einem Tempel. Um neun Uhr kamen die Saisonarbeiter. Müde und abgespannt, setzten sie sich, wo sie Platz fanden, und schliefen sofort ein. Manche fielen um wie Säcke voll Steine. Auch einige Krabbenfischer übermannte der Schlaf.
Draußen wurde das Meer wieder unruhig. Das Schiff hob und senkte sich in der rollenden Dünung. Die Flammen der Wachskerzen zitterten und drohten zu verlöschen, flackerten aber im nächsten Augenblick wieder hell. Plötzlich bewegte sich das Tuch auf dem Gesicht des Toten, glitt zur Seite und fiel herunter. Ein kalter Schauer überlief die Krabbenfischer. Draußen dröhnten die Wogen.
Am nächsten Morgen begann wie immer um acht Uhr die Arbeit. Zwei Krabbenfischer und zwei Matrosen, die der Inspektor bestimmt hatte, kehrten in das Jauchefass zurück. Noch einmal, wie am Vorabend, sprach der Vorbeter die Gebete. Dann legten sie den Toten in einen Leinensack. Die vier Kranken, die sich im Jauchefass aufhielten, weil sie nicht arbeiten konnten, halfen ihnen dabei. Einen neuen Sack hatten sie nicht nehmen dürfen, obwohl genug neue Säcke da waren; das sei Luxus, er würde ja sofort ins Meer geworfen, hatte der Inspektor gesagt. Räucherwerk konnten sie nicht mehr abbrennen, da alles verbraucht war.
„Das tut uns leid, so hat er gewiss nicht sterben wollen", sagten die Männer und bemühten sich, dem Toten die Arme zurechtzulegen, die steif und hart waren wie bei einer Mumie. „Lass die Tränen nicht auf sein Gesicht tropfen!" — „Man müsste versuchen, ihn mit nach Hakodate zu nehmen." — „Wenn er wüsste, dass wir ihn in das tückische Meer von Kamtschatka werfen." — „Nein, hier in Kamtschatka möchte ich nicht mein Grab finden! Im September wird es hier bereits Winter, dann kommt kein Schiff mehr vorbei, weil das Meer zufriert. Nein, hier möchte ich nicht hinunter!" — „Nicht einmal einen neuen Sack hat man für ihn übrig, und von vierhundert Kameraden dürfen ihm nur vier das Geleit geben." — „Ja, unsereinem wird sogar das Sterben nicht gegönnt." Die Mannschaft hatte um einen halben Tag Urlaub für die Bestattung gebeten. Der Inspektor hatte abgelehnt. „Der Fang von gestern muss verarbeitet werden. Das allgemeine Interesse darf nicht unter Privatinteressen leiden."
Die ganze Angelegenheit dauerte ihm viel zu lange, ungehalten rief er von der Luke her: „Seid ihr da unten bald fertig?"
„Ja, es ist soweit."
„Dann schafft ihn endlich rauf!"
„Der Kapitän hat versprochen, ein Trauergedicht zu lesen."
„Der Kapitän will ein Gedicht vorlesen?" Der Inspektor lachte höhnisch. „Quatsch! Solche Zeitvergeudung fehlte mir gerade noch." Auf dem Deck türmten sich Berge von Krabben. Ein dauerndes Knistern und Knarren war in der Luft von den Tausenden Krabbenbeinen, die über die Deckplanken scheuerten. Wie ein Fangnetz voller Lachse und Heringe trugen sie den Sack mit dem Toten an das Heck des Schiffes und luden ihn auf die Barkasse. „Fertig! Los!"
Schraubenwasser schäumte auf, die Barkasse fuhr davon.
„Lebe wohl!"
„Seid behutsam mit ihm!"
„Wir werden es ihm leicht machen."
Die Barkasse war schon weit weg, aber noch immer
standen die Männer an der Reling und sahen ihr
nach. „Mir war, als hörte ich seine Stimme: Ich will
nicht!", sagte einer von ihnen.
Als die Krabbenfischer nach ihrer Rückkehr vom Fang erfuhren, wie pietätlos der Inspektor sich verhalten hatte, waren sie empört. Jeder schauderte bei dem Gedanken, dass es auch ihm so gehen könnte, dass auch er in die Tiefe des Meeres von Kamtschatka hinuntermüsste. Wortlos stiegen sie hinunter ins Jauchefass und zogen die triefend nassen Kleider aus.
Wir wissen, was wir zu tun haben! war ihr gemeinsamer Gedanke.

 

8

Keiner der Krabbenfischer und Saisonarbeiter ließ sich etwas anmerken. Sie verlangsamten das Arbeitstempo immer mehr, als könnten sie selbst nichts dafür. Ob der Inspektor fluchte, ob er wütend auf sie einschlug, keiner sagte ein Wort, alle taten harmlos. Aber jeden Tag arbeiteten sie weniger. Anfangs war ihnen noch bange vor ihrem eigenen Mut, seit sie aber den toten Kameraden ins Meer gesenkt hatten, beseelte sie ein Geist der Solidarität, der sich immer mehr festigte. Es war bereits kein Geheimnis mehr, dass die Leistungen zurückgingen. Der ältere Krabbenfischer, der Mijagutschi angezeigt hatte, wollte anfangs nicht mitmachen. Da aber die Überstundenarbeit ihm selbst schwer zusetzte, fing er an, mit den anderen zu sympathisieren, und schloss sich ihnen dann ganz an. Schwieriger war es, die Fangbootführer zu gewinnen. Sie waren für die Arbeit auf ihrem Boot verantwortlich, sie standen zwischen dem Inspektor und den Krabbenfischern, sie mussten jeden Tag Rechenschaft über ihre Fangergebnisse ablegen und saßen daher gewissermaßen zwischen zwei Stühlen.
Immerhin war schließlich ein Drittel der Fangbootführer mit den Krabbenfischern einig. Die anderen zogen es vor, Handlanger des Inspektors zu bleiben machten sich zu seinem Sprachrohr und redeten den Krabbenfischern ins Gewissen: Natürlich sei die Arbeit anstrengend, aber man könne doch beim Krabbenfang keine Normen festsetzen wie bei der Arbeit in einer Fabrik. Wenn die Männer im Jauchefass vor dem Schlafengehen zusammen hockten und sich unterhielten, geschah es jetzt manchmal, dass einer der Fangbootführer sie einzuschüchtern versuchte. Wenn auch seine Worte keine unmittelbaren Drohungen waren, so wurden sie doch so aufgefasst. Einer der Krabbenfischer bekam jedesmal einen Wutanfall. Als er sich eines Tages Mut angetrunken hatte, polterte er los: „Was soll das heißen? Du willst uns doch nicht etwa drohen, du Wicht? Du bist dir wohl nicht klar darüber, dass vier Mann von uns dich bei der nächsten Fahrt im Fangboot über Bord gehen lassen können, als Frühstück für die Fische? Hier ist Kamtschatka, kein Hahn wird nach dir krähen."
Was keiner vorher auch nur zu denken gewagt hatte, das hatte dieser Mann laut ausgesprochen. Die Unterhaltung stockte, alle schwiegen. Diese Worte hatten große Wirkung. Sie waren für die Arbeiter, die bisher alle Demütigungen stillschweigend geschluckt hatten, wie ein Stoß in den Rücken. Sie waren für sie ein freudiger Schreck, Nie zuvor war ihnen so deutlich geworden, welche Möglichkeiten sie hatten. Endlich hatten sie eine Antwort auf ihre bange Frage: „Sind wir überhaupt imstande, etwas zu unternehmen?" Ja, sie waren imstande. Wie eine Erleuchtung kam ihnen diese Erkenntnis und weckte in ihnen den Willen zum Widerstand. Die grausame Ausbeutung, der sie ausgesetzt waren, hatte den Boden bereitet und die Kraft zum Widerstand geweckt. Auf einmal wichen Angst und Beklommenheit. Der Teufel Asagawa und das Jauchefass, in dem sie wie Schmeißfliegen vegetierten, verloren ihren Schrecken.
„Da hat ihnen mal einer die Zähne gezeigt!" So hieß es nun bei jeder Gelegenheit. „Man muss ihnen die Zähne zeigen!" wurde für sie ein geflügeltes Wort, ein Aufruf, zu handeln. Und es blieb nicht bei diesem einen Mal, dass einer ihnen „die Zähne zeigte".
Die Krabbenfischer verfolgten die Auseinandersetzungen gespannt. Immer waren es dieselben drei oder vier Männer, die im Brennpunkt standen. Keiner hatte sie gewählt oder dazu ausersehen. Wenn es aber zu Zwischenfällen und Reibereien kam, vertraten diese vier den Standpunkt der Mehrheit, oder die Mehrheit schloss sich ihrem Standpunkt an. Zwei von ihnen gehörten zu den
Studenten, der dritte war der Stotterer, der vierte jener, der „die Zähne gezeigt" hatte. Einer der beiden Studenten lag die ganze Nacht wach in seiner Koje, leckte immer wieder an seinem Bleistift und schrieb einen ganzen Bogen voll. Er entwarf einen Plan für die Organisation des Widerstandes. Der Plan sollte es ermöglichen, die ganze Mannschaft des Schiffes zu alarmieren und in kürzester Zeit zu einheitlichem Handeln zu bringen, falls es zu einem Zwischenfall käme. Er war sinnvoll ausgedacht und fand den Beifall der Arbeiter. Ob er sich jedoch in der Praxis bewähren würde, konnte keiner voraussagen.
„Schutzbund gegen Menschenschinderei" nannten die Studenten ihre Organisation. Sie glaubten, mit diesem Namen eine zündende Losung gefunden zu haben. Sinn und Aufgabe der Organisation war es, die Arbeiter einig und stark zu machen. Der Student erzählte den Männern im Jauchefass die Geschichte von dem Fürsten, der vor seinem Tod seinen drei Söhnen ein Bündel Stäbe in die Hand gab und sie aufforderte, es zu zerbrechen. Sosehr sich die Söhne auch anstrengten, es gelang ihnen nicht. Da nahm der Fürst die Stäbe und zerbrach sie einzeln. Das Gleichnis beeindruckte die Arbeiter. „Der einzelne vermag allein gar nichts", sagten die Studenten. „Aber wir sind mehr als vierhundert Mann. Die andern, die uns schinden, sind kaum zehn
Mann. Sie können gegen uns nichts ausrichten. Wir müssen uns nur richtig organisieren. Dann werden wir siegen, wenn es zum Kampf kommt." Es gelang den Studenten, ihren Kameraden den Sinn und die Aufgabe des „Schutzverbandes gegen Menschenschinderei" klarzumachen. Alle wussten, um was es ging, selbst die Gutgläubigen und die Trunkenbolde. Alle verstanden, dass sie nicht weiter in ihrem Stumpfsinn und in ihrer Trägheit verharren durften, denn das bedeutete eine tödliche Gefahr für sie und hatte ihrem Kameraden den Tod gebracht. Der Erfolg des Langsamarbeitens machte ihnen Mut, sie gewannen Vertrauen zu den Worten der Studenten und des Stotterers. Bei dem schweren Sturm in der Woche zuvor war die Schraube der Barkasse zerbrochen. Der Chef der Saisonarbeiter fuhr mit fünf Krabbenfischern an Land, um sie reparieren zu lassen. Als sie zurückkehrten, hatte ein jüngerer Krabbenfischer eine Anzahl „roter" Broschüren und Flugblätter bei sich. In Kamtschatka lebende ehemalige japanische Krabbenfischer hatten sie ihm heimlich zugesteckt. Alles, was in den Broschüren über Lohn, Überstunden, Riesenprofite der Gesellschaft und Streiks stand, nahmen die Krabbenfischer gierig in sich auf und unterhielten sich darüber. Einige missbilligten es, dass Japaner sich hergaben, Propaganda für die Roten zu treiben.
Nach seiner Meinung über die Broschüren befragt, erklärte der Student: „Manches ist überspitzt, aber das meiste stimmt."
Ein anderer mischte sich ein: „Worte sind schön und gut, aber wir müssen handeln! Von allein bessert sich Asagawa nicht. Wenn wir nichts unternehmen, schindet er uns zu Tode."
Eines hatten sie alle begriffen: Was sie taten, war keine Spielerei, sondern blutiger Ernst. Es ging um Leben oder Tod.
Wieder heulte die Sirene, um die Boote zurückzurufen, wie damals bei dem großen Sturm. In der feuchten Luft hörte es sich an, als blökte eine Kuh.
Einige Fangboote blieben lange Zeit draußen. Aber diesmal hatten sich die Steuerleute nicht verirrt, sondern Kurs auf die Küste von Kamtschatka genommen. Bei den heimlichen Fahrten in die russischen Hoheitsgewässer hatten sie erkundet, an welchen Stellen man anlegen konnte. Als die Boote dann zurückkehrten, waren ihre Besatzungen mit der roten Propaganda vertrauter als zuvor.
Die Firma war bei der Einstellung von Arbeitskräften sehr vorsichtig zu Werke gegangen und hatte nur solche genommen, die von ihren Bürgermeistern und Polizeipräfekten als loyale Staatsbürger bezeichnet worden waren. Als loyal galt man wenn man nicht gewerkschaftlich organisiert war. So glaubte die Firma, genügend vorgesorgt zu haben, dass alles nach ihrem Wunsch und Willen ging. Auf den Gedanken, dass die Krabbenfischer sich eines Tages selbst organisieren könnten, war sie nicht gekommen.

 

9

Der Inspektor war rasend vor Wut. Die Fangergebnisse waren um die Hälfte niedriger als im Vorjahr. Andere Schiffe dagegen meldeten, dass sie ihre Fangleistungen gesteigert hatten. Asagawa war mit zweitausend Kisten im Rückstand. Meine Geduld ist erschöpft. Die weiche Behandlung hört jetzt auf.
Die „Hakkomaru" wechselte ständig ihren Fangplatz. Der Inspektor richtete sich nach den Meldungen, die der Funker über den Standort anderer Schiffe auffing. Wurden Netze anderer Krabbenfangschiffe gefunden, so ließ er sie an Bord ziehen. An einer Stelle, zwanzig Seemeilen südlich des Gebiets, das der „Hakkomaru" zugewiesen war, erbeuteten sie ein Netz, so voller Krabben, dass die Maschen kaum hielten. Obwohl es eindeutig die Zeichen eines anderen Schiffes trug, befahl Asagawa, es einzuholen.
„Diesen guten Fang haben wir dir zu verdanken", sagte der Inspektor zu dem Funker und klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. Ein solches Lob aus Asagawas Mund war etwas Ungewöhnliches.
Einige Male wurde die Barkasse beim Stehlen fremder Netze ertappt. Dann suchte sie schleunigst das Weite und versuchte es an einer anderen Stelle von neuem. Infolge dieser Raubzüge häufte sich auf der „Hakkomaru" die Arbeit.
Eines Tages hing an der Tür der Kombüse ein Blatt Papier mit folgender Aufschrift:

Wer sich der geringsten Faulenzerei schuldig macht, wird mit Brandmarken bestraft.
Wer durch Langsamarbeit sabotiert, wird zur Strafe „im Meer gebadet". Außerdem wird ihm der Lohn entzogen. Nach der Rückkehr wird der Betreffende der Polizei übergeben. Wer sich einer Anordnung des Inspektors widersetzt, wird erschossen.

Unterschrieben war dieser Aushang vom Inspektor und vom Chef der Saisonarbeiter. Asagawa trug seitdem ständig eine geladene Pistole bei sich. Manchmal schoss er während der Arbeit über die Köpfe der Arbeiter, um sie einzuschüchtern, nach Möwen oder nach Gegenständen auf dem Schiff. Höhnisch grinsend weidete er sich dann an ihrem Erschrecken.
Auch die Matrosen und Heizer standen völlig unter Asagawas Befehlsgewalt. Der Kapitän wagte nicht, dagegen Einspruch zu erheben. So war er lediglich noch ein Aushängeschild. Als er sich einmal unter
Berufung auf das internationale Recht sträubte, in die russischen Hoheitsgewässer zu fahren, erhielt er von Asagawa zur Antwort: „Das geht Sie gar nichts an! Danach hat Sie keiner gefragt!" Der Inspektor erteilte daraufhin selbst die erforderlichen Befehle. Als sie aber von einem russischen Vorpostenboot gestellt wurden und sich verantworten mussten, zog sich der Inspektor aus der Affäre und schob dem Kapitän die Schuld an dieser „Kursabweichung" zu.
Solche Zwischenfälle häuften sich, der Kapitän trug sich daher mit der Absicht, nach Hakodate zurückzufahren. Da er aber von den Konzernherren abhängig war, konnte er sich nicht entschließen.
„Das Schiff gehört der Gesellschaft. Haben Sie verstanden?" In dem fratzenhaft verzerrten Gesicht des Inspektors erschien wieder das dreieckige Loch. Unnahbar stand er da, um sich einen Bannkreis von Furcht und Schrecken verbreitend. Der Stotterer stieg in das Jauchefass, stolperte und stürzte, sich überschlagend, die letzten Stufen hinunter. Das brachte ihn völlig aus dem Konzept. Teilnahmsvoll umringten ihn die Kameraden. Er tat ihnen leid, gerade weil sie Vertrauen zu ihm hatten. Was sollte jetzt geschehen? Alle machten sich darüber Gedanken, aber keiner sprach ein Wort. Unter dem Eindruck von Asagawas Drohungen schien die
Organisation wieder zu zerfallen; es hatte ja alles keinen Zweck. Nur der Student, der den Plan entworfen hatte, bewahrte seine Fassung. Er sagte: „Wenn es soweit ist, wird die Organisation funktionieren. Es geht jetzt darum, den richtigen Augenblick abzupassen."
Sogar der Mann, der die Zähne gezeigt hatte, war bekümmert und fragte: „Wird es klappen? Haben wir nichts zu befürchten?"
„Warum soll es nicht klappen? Wir sind in der Überzahl. Je mehr sie uns reizen, desto erbitterter wird der Hass. Wie ein glimmendes Feuer wird er sich in die Herzen der Männer fressen, darauf können wir uns verlassen."
„Es hat keinen Zweck, sich Illusionen zu machen." Der Mann sah unruhig und voller Zweifel um sich.
„Meiner Ansicht nach ist keiner unter uns, der sich etwas vormacht. Wenn wir uns aber alle ins Bockshorn jagen lassen, dann kann es ja nicht klappen."
„Du bist der einzige, der noch Mut hat. Wenn es aber jetzt zu einem Zwischenfall kommt, dann geht es auf Leben und Tod."
„Damit magst du recht haben." Der Student senkte den Blick.
Der Inspektor kam neuerdings abends mehrere Male,  begleitet  von   einigen  seiner Leute,  ins
Jauchefass, um die Krabbenfischer zu kontrollieren. Wenn er Männer in einer Gruppe beisammenstehen sah, schnauzte er sie an. Außerdem ließ er seine Spitzel im Jauchefass schlafen. Die Krabbenfischer trugen unsichtbare Ketten.
„Das habe ich satt bis oben hin!" sagte der Stotterer. „Wir sind ja unseres Lebens nicht mehr sicher. Es muss etwas geschehen!"
„Verdammt! So ist es. Wir sind unseres Lebens nicht mehr sicher!"
Der dies sprach, hieß Schibaura. Er sollte bei den kommenden Geschehnissen noch eine Rolle spielen. „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende! Sie tragen Pistolen bei sich, um zu zeigen, dass sie Macht über uns haben. Sie können es sich aber nicht leisten, uns alle abzuknallen. Ihr Ziel ist, uns einzuschüchtern und auszupressen, damit wir immer mehr arbeiten und sie immer mehr verdienen. Wir sind wie die Blätter des Maulbeerbaums, die man den Seidenraupen zum Fraße vorwirft. Ein Dreck sind wir in ihren Augen!"
Schibaura drückte mit den Fingern seiner klobigen Hand den Zigarettenstummel aus. Die „Hakkomaru" war zu weit nach Süden in ein Gebiet geraten, in dem es nur magere Krabbenweibchen gab. Als das Schiff wieder auf nördlichen Kurs ging, wurden die Fänge ergiebiger. Aber das brachte auch von neuem Überstunden. Endlos lang
zog sich der Arbeitstag hin.
„Ich bin fertig."
„Ich gehe vor die Hunde."
„Wer geht hier vor die Hunde? Soweit sind wir noch nicht!" Schibaura lachte. „So einfach lassen wir uns nicht abmurksen." Keiner antwortete.
„Aber darin habt ihr recht", stellte er nüchtern fest. „Wenn wir so weitermachen, dann leben wir höchstens noch fünf Tage."
Gelb und hohlwangig war das Gesicht des Mannes, der in die Koje über Schibaura kletterte. Er konnte nur mit Mühe die Beine heraufziehen, sie baumelten noch eine Weile über den Rand der Koje. Schibaura sprach mit dem Stotterer. „Sie können Schiffe kaufen, aber die Schiffe nutzen ihnen nichts, wenn sie keine Matrosen dafür finden. Auf dem Grunde des Meeres schwimmen Millionen Krabben, und sie können mit ihrem Geld Krabbenfangschiffe ausrüsten, aber kein Krabbenschwanz gelangt in ihre Hände, wenn sie keine Krabbenfischer finden, die für sie arbeiten. Sie verdienen durch uns an einem Schiff je Saison eine halbe Million, aber uns geben sie gerade so viel, dass wir nicht verhungern. Und wir sind so dumm und verschaffen ihnen immer noch mehr Geld. Verstehst du das? Von unserem Blut und Schweiß leben sie. Wir dürfen nicht weiter so dahinvegetieren, wir müssen uns aufraffen. Wir haben uns einschüchtern lassen, deshalb können sie so mit uns umspringen. Ohne Matrosen und Heizer kann kein Schiff fahren. Ohne uns Arbeiter kriegen sie nicht einen Jen."
Der Inspektor betrat den Raum. Die Fischer gingen rasch auseinander.

 

10

Ein glasklarer Morgen, kein Stäubchen war in der Luft. Um zwei Uhr begann es bereits hell zu werden. Golden schimmerten in der Ferne Kamtschatkas Berge. Weit nach Süden zog sich die Küste. Kleine Wellen tanzten und funkelten in tausendfach gebrochenem Licht. Irgendwoher gellte ein Möwenschrei. Die öligen Zeltplanen über den Kistenstapeln fingen an zu knattern. Eine Brise kam auf, es wurde kühler.
Wie Vogelscheuchen auf einem Reisfeld sahen die Krabbenfischer aus, als sie die Arme ausstreckten und in ihre Arbeitskittel fuhren. Dann stiegen sie an Deck, und jeder von ihnen rief, sobald er den Kopf zur Luke hinaussteckte: „Die Hasen laufen! Es gibt Sturm!"
Sie hatten inzwischen erfahren, was die seltsamen dreieckigen Wellen bedeuteten.
„Heute darf kein Fangboot ausfahren. Es ist zu gefährlich."
Erregt sprachen sie aufeinander ein. Acht Krabbenfischer standen bei einem der Bootsdavits. Sie waren unschlüssig. Die Matrosen ließen
das Boot hinab, doch es schaukelte schon, bevor es die Wasserfläche berührte, wild hin und her. Eine Stunde später standen die Männer noch immer auf demselben Fleck und blickten über das aufgewühlte Meer. „Hört doch endlich auf! Wir fahren nicht hinaus." — „Lieber fressen wir Dreck, als dass wir bei diesem Wetter hinausfahren." Diese entschiedenen Worte machten Eindruck. Plötzlich setzte sich die ganze Gruppe in Bewegung und rief im Chor: „Zieht das Boot hoch, zieht es hoch!" Einer wandte sich wieder um zum Bootsdavit und sagte, die Stirn runzelnd: „Aber... das... geht... doch... nicht."
Ein anderer, der ganz vorn ging, schaute sich um, zögerte etwas, gab sich dann aber einen Ruck und antwortete: „Wer verrecken will, soll fahren, aber ohne uns!"
Wie ein Hammerschlag wirkten diese Worte, und fester zusammengeschlossen, marschierten sie weiter.
„So ist es richtig, wie wir es jetzt machen", flüsterte einer.
Zwei folgten nur zögernd, aber da war die Gruppe schon bei dem nächsten Bootsdavit. Auch dort hatte die Besatzung unschlüssig herumgestanden. Als die Gruppe auf sie zukam, wussten die Männer sofort, was das bedeutete, und setzten sich auch in Bewegung.
Ein paar Männer fuchtelten mit den Armen und riefen: „Hört auf! Seht ihr denn nicht? Es wird nicht gearbeitet!"
Nun war sie schon zwei Gruppen, das verdoppelte den Mut der Männer. In der zweiten Gruppe schienen auch zwei zu zögern, aber schließlich gingen sie mit, ohne recht zu wissen, wie ihnen geschah, ein Blick auf die anderen hatte ihren Widerstand gebrochen.
Das nächste Boot war das Fangboot Nummer fünf. Seine Besatzung schloss sich sofort an. „S—so ist es r—richtig!" sagte der Stotterer. Mit jedem Schritt verstärkte sich die Wucht der Marschierenden, als wäre eine Lawine in Bewegung geraten. Unter den Vordersten waren der Student und der Stotterer. „Wir müssen zusammenbleiben", mahnten sie, „nur nicht zersplittern lassen." Dann langte der Zug mittschiffs beim Schornstein an. Dort waren auf dem Oberdeck die Matrosen mit Tauspleißen beschäftigt. „Was ist denn los?"
Die Arbeiter winkten und riefen zu ihnen hoch. „Wir machen mit! Wir hören auf zu arbeiten." Die Matrosen legten die Taue beiseite. „Wir gehen jetzt ins Jauchefass. Der Schurke verlangt von uns trotz Sturmwarnung, dass wir ausfahren. Das ist ja Mord."
„Wir müssen ihm einen Denkzettel verpassen."
Sie stiegen alle ins Jauchefass hinunter, wenn sich auch mancher Matrose ekelte.
Als die Menschen zu so ungewohnter Zeit hereinfluteten, schreckten die Kranken in ihren Kojen aus dem Halbschlummer. Sie richteten sich mühsam auf und nickten zustimmend, als ihnen der Sachverhalt erklärt wurde. In ihren Augen schimmerte es feucht.
Der Student und der Stotterer zogen los, die Heizer aus dem Maschinenraum zu holen. Der Weg dorthin führte über eine Eisenleiter. Als sie am Kessel vorbeikamen, waren sie im Nu in Schweiß gebadet. Aber sie mussten noch tiefer hinunter, dorthin, woher die Stimmen kamen und wo es finster, heiß und stickig war.
„Hier zu arbeiten, ist eine Qual."
„Ja, an Deck Krabben häuten ist ein Kinderspiel
dagegen."
„Los, weiter zu den Heizern! Sie gehören zu uns." „Sie müssen mitmachen."
Die beiden hatten das Gefühl, in der Hölle tief unter der Erde zu sein. „Im Süden werden die Heizer alle halbe Stunde abgelöst. Wer hier nicht aufpasst, ist geliefert, eine unbedachte Bewegung, und du verbrennst im Handumdrehen zu Asche..." Einige halbnackte Gestalten hockten, Zigaretten im Mund, mitten im Raum und unterhielten sich. Im Halbdunkel sahen sie wie kauernde Menschenaffen aus. Die Luft war voll Rauch und Kohlenstaub. Hinter einer halbgeöffneten Ofenklappe brodelte lodernde Glut. Ein Schauer lief den beiden Krabbenfischern über den Rücken. „Hallo! Heizer!" rief der Stotterer. Die Heizer horchten auf.
„Was willst du?" rief einer der Heizer zurück. „Willst du... willst du...", hallte es von den Eisenwänden wider.
Als die beiden näher traten, fragte einer der Heizer: „Habt ihr euch verlaufen?" „Nein, wir rufen zum Streik auf." „Was für einen Teig wühlt ihr auf?" „Zum Streik rufen wir auf."
„Ach, Streik? Gut. Dann heizen wir mit Hochdruck, damit wir so schnell wie möglich nach Hakodate zurückkommen."
Sie machen mit, dachte der Stotterer, und laut sagte
er:  „Wir  haben uns zusammengeschlossen und
wollen verhandeln."
„Richtig habt ihr das gemacht."
„Das ist nicht alles, die Hauptsache kommt noch", mischte sich der Student ein.
„Ach so, dann habe ich falsch verstanden." Der Heizer hob seinen kahlen, von der Glut der Kessel versengten Schädel und lachte.
„Ihr sollt euch anschließen."
„Klar! Wenn's darum geht, wir machen mit."
So reihten sich die Heizer in die Streikfront ein. Auch bei den Saisonarbeitern bedurfte es nicht vieler Worte. Eine Stunde später waren die Matrosen und Heizer vollzählig zur Stelle, schließlich war die gesamte Besatzung an Deck versammelt. Der Stotterer, der Student, Schibaura und der Mann, der die Zähne gezeigt hatte, schlugen eine Reihe von Forderungen vor, die sie dem Inspektor unterbreiten wollten. Aber Asagawa ließ sich nicht sehen, er hielt sich, seit er von dem Aufruhr erfahren hatte, in der Kapitänskajüte verborgen. Die Krabbenfischer spotteten: „Die Feiglinge!" — „Sie machen sich lächerlich." — „Jetzt nutzen ihnen auch geladene Pistolen nichts mehr." Der Stotterer stellte sich auf eine Kiste und winkte mit der Hand. Alle klatschten Beifall. „Freunde, die Stunde, auf die wir so lange gewartet haben, ist gekommen. Halbtot hat man uns geschunden, aber wir haben auf diese Stunde gehofft, nun ist sie da. Was ist jetzt das Wichtigste? Fest zusammenhalten. Was auch kommen mag, keiner darf seine Kameraden im Stich lassen. Wenn wir fest zusammenstehen, werden wir die da oben wie eine Fliege zwischen den Fingern zerquetschen. Keiner darf sich drücken und dadurch die anderen verraten. Drückeberger und Verräter sollen wissen, dass sie das Leben von vierhundert Kameraden aufs Spiel setzen. Verräter..."
„Wir haben verstanden. Es ist gut. Mach dir keine Sorgen darum! Rede weiter!"
„Ob wir von denen da oben Zugeständnisse erreichen, hängt allein davon ab, dass wir zusammenhalten."
Ein Matrose ergriff das Wort, nach ihm ein Heizer. Da der Heizer nie zuvor eine Rede gehalten hatte, blieb er stecken, wurde rot, nestelte am Kragen seiner zerrissenen Jacke und bohrte in den Knopflöchern. Die Zuhörer trampelten und lachten. „Ich will lieber aufhören zu reden, nur das eine sage ich euch: Diesmal wischen wir denen eins aus." Alle klatschten Beifall. Aus dem Hintergrund rief einer: „Na, wenigstens ein Satz, den er richtig rausgebracht hat."
Alle lachten. Der Heizer schwitzte Blut und Wasser, als stände er an einem heißen Sommertag vor seinem Kessel, er wurde immer aufgeregter. Schließlich stieg er verärgert von der Kiste und fragte seine Kameraden: „Da habe ich wohl ziemlichen Unsinn geredet?"
„Gut hast du gesprochen", sagte der Student und klopfte ihm auf die Schulter.
„Hört mir auf!" murrte der Heizer. „Warum habt ihr gerade mich reden lassen? Es gibt doch genug andere, die es besser können."
„Freunde! Der lang ersehnte Tag ist gekommen..." Ein fünfzehnjähriger Saisonarbeiter war auf die
Kiste geklettert. „Ihr alle wisst, wie wir hier geschunden werden. Am Tage kriegen wir Asagawas Peitsche zu spüren, und nachts hüllen wir uns in unsere dünnen Decken und denken frierend an Zuhause. Fragt, wen ihr wollt, alle meine Kameraden haben geweint. Schon nach drei Tagen waren wir so weit, dass wir nicht hätten weiterarbeiten dürfen. Herrschte zu Hause nicht so große Not, dann könnten wir zur Schule gehen oder einen Beruf erlernen. Stattdessen sind wir hier fern..." Die Stimme versagte ihm, er schwieg eine Weile und starrte vor sich hin. Dann sagte er: „Aber jetzt ist ja alles gut. Ihr Älteren werdet uns schon helfen und es denen da oben heimzahlen. Wir hassen sie, wir hassen sie!"
Ein Beifallssturm brach los. Manche fuhren sich verstohlen mit der schwieligen Hand über das Gesicht.
Der Student und der Stotterer reichten ein Papier mit einer Schwurformel herum und ließen alle ihre Finger darauf abdrücken. Dann gingen der Student, der Stotterer, Schibaura, der Krabbenfischer, der die Zähne gezeigt hatte, drei Heizer und drei Matrosen mit dem Schwur und ihren Forderungen zur Kapitänskajüte. Die anderen, so war beschlossen worden, sollten ihnen folgen und vor der Kajüte demonstrieren. Alle waren diszipliniert und hielten Ordnung. Es herrschte kein Durcheinander wie manchmal bei Demonstrationen an Land. Fest und ruhig waren ihre Schritte.
„Die lassen sich nicht sehen, so eine feige Bande!" „Ob er sich wohl zu schießen traut?" Einer aus der Menge brachte ein Hoch auf den Streik aus. Vierhundert Männerstimmen antworteten.
„Wenn er das hört, rutscht ihm das Herz in die Hose." Der Student lachte. Aber da standen sie bereits vor der Tür der Kapitänskajüte. Der Inspektor trat ihnen mit der Pistole in der Hand entgegen. Er hatte sich offenbar eben mit dem Kapitän, dem Chef der Saisonarbeiter und dem Fabrikleiter beraten. Asagawa grinste hämisch. „Einen Lärm macht ihr!"
Dann hörte er sich mit halbem Ohr die von den Vertretern der Streikenden erregt vorgebrachten Forderungen an und sah verächtlich auf das Papier mit der Schwurformel. „Habt ihr euch genau überlegt, was ihr tut?"
„Unverschämtheit!" schrie der Stotterer ihm ins Gesicht. „Und ob wir uns das überlegt haben!" Seine Stimme klang gemessen und bestimmt, als er hinzufügte: „Bis morgen früh wirst du uns eine befriedigende Antwort geben!"
Der Stotterer hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da holte Schibaura aus, schlug Asagawa die Pistole aus der Hand und traf ihn mit der Faust mitten
ins Gesicht. Asagawa hob den Arm, um die Schläge abzuwehren. Da stieß der Stotterer ihm den Büroschemel gegen die Beine.
Asagawa stürzte zu Boden und riss im Fallen einen Tisch mit Geschirr um.
„Eine Antwort wollen wir haben und keine höhnischen Bemerkungen! Es geht um Leben oder Tod!" Schibauras breite Schultern schoben sich bedrohlich nach vorn. Aber seine Kameraden hielten ihn zurück. Die Fensterscheiben der Kajüte zerbrachen klirrend, draußen wurde geschrien: „Schlagt Asagawa tot! Schlagt den Schurken tot!" Der Kapitän, der Chef der Saisonarbeiter und der Leiter der Konservenfabrik verkrochen sich kreidebleich in eine Ecke. Dann splitterte die Tür, die Krabbenfischer, Matrosen und Heizer drängten herein wie eine brausende Flut.
Der Sturm erreichte um die Mittagszeit seine volle Stärke und flaute erst gegen Abend wieder ab. Die Männer triumphierten.
Sie konnten es zwar nicht auf sich nehmen, Asagawa totzuschlagen, aber sie hatten ihm wenigstens ihre Faust zu spüren gegeben; er würde nicht so bald wieder mit der Pistole in der Hand an Deck wüten.
Die vier Mann, die die Streikleitung bildeten, berieten über die nächsten Maßnahmen und beschlossen, Asagawa einen Denkzettel zu verpassen,
falls er am nächsten Morgen ihre Forderungen nicht befriedigen sollte.
Als es dunkelte, sichtete einer der Krabbenfischer den Zerstörer. Rasch verbreitete sich die Kunde im Jauchefass.
„Nun ist alles vorbei!" rief der Student und erhob sich. Alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen. „Warum soll denn alles aus sein? Wir werden den Offizieren alles erklären und sie bitten, uns zu helfen, dass unsere Forderungen erfüllt werden. Das ist doch ganz einfach!" Der Stotterer blickte sich um. „Natürlich, natürlich!" stimmten einige bei. „Die Kaiserliche Kriegsmarine stellt sich immer schützend vor das Volk!"
„Nein... nein..." Der Student konnte nur mühsam sprechen, als hätte der Schlag ihn getroffen. „Nein... nein! Sie stellen sich nicht schützend vor das Volk."
„Unsinn! Selbstverständlich schützen sie uns!" „Der Zerstörer ist da! Der Zerstörer ist da!" tönte es draußen. Die Männer schienen sich zu freuen. In dem Lärm war die Antwort des Studenten nicht zu verstehen. Alle liefen aus dem Jauchefass an Deck. Spontan wurde „Bansai!" gerufen und ein Hoch auf die Kaiserliche Marine ausgebracht. Zwei feindliche Fronten standen am Fallreep einander gegenüber: auf der einen Seite der Stotterer, Schibaura, der Krabbenfischer — der die „Zähne gezeigt" hatte —, der Student, die Heizer und die Matrosen; auf der anderen Seite Asagawa mit seinen Leuten. Drei Barkassen voll bewaffneter Matrosen stießen von dem Zerstörer ab. Als die ersten Matrosen das Deck der „Hakkomaru" betraten, wurde ein Kommando gegeben. Sie schoben den Sturmriemen unter das Kinn und pflanzten die Bajonette auf. Ja, sie pflanzten die Bajonette auf, als gelte es, ein Piratenschiff zu entern. Dann umstellten sie auf ein neues Kommando die Krabbenfischer, Heizer und Matrosen. „Alles ist aus! Verdammt!"
Jetzt dämmerte es auch dem Stotterer, Schibaura,
den Heizern und den Matrosen.
„Na, was sagt ihr nun?" Zum ersten mal seit Beginn des Streiks ließ Asagawa wieder seine quäkende Stimme hören. Die Krabbenfischer durchschauten jetzt seine Bosheit und Heimtücke, aber es war zu spät.
Die neun Männer, die den Streik geleitet hatten, wurden als „Meuterer, Verbrecher und Landesverräter" festgenommen und gefesselt auf den Zerstörer gebracht. Schweren Herzens schauten die Kameraden ihnen nach. Sie konnten ihnen nicht beistehen. Blitzschnell, wie ein Stück Zeitungspapier verbrennt, vollzog sich alles. „Jetzt wissen wir es: Uns hilft keiner, wenn wir uns nicht selbst helfen."
„Die Kaiserliche Marine dient den Blutsaugern und steckt mit ihnen unter einer Decke." „Die und sich schützend vor das Volk stellen! Dass ich nicht lache! Jetzt seht ihr's ja selbst." Drei Tage lang blieb ein Kommando der Kriegsmarine „zur Verhütung weiterer Unruhen" an Bord der „Hakkomaru". Drei Nächte hindurch wurde in der Kapitänskajüte gefeiert.
Die Krabbenfischer wussten jetzt aus eigener, wenn auch bitterer Erfahrung, wer ihre Feinde waren und wie sie einander in die Hände arbeiteten. Alljährlich wurde auf der „Hakkomaru" zum Abschluss der Fangsaison eine Geschenksendung als Huldigungsgabe für den Kaiser angefertigt. Die Krabbenfischer hatten es in den vergangenen Jahren aus anerzogener Ehrerbietung vor dem Kaiser für selbstverständlich angesehen, dass bei der Vorbereitung dieser Sendung mehr als sonst auf Sauberkeit und Sorgfalt geachtet wurde, und es dem Inspektor sehr verübelt, wenn er sich nicht genügend darum kümmerte. Diesmal dachten sie anders darüber. „Bei der Arbeit pressen sie das Letzte aus uns heraus", sagten sie. „Hoffentlich schmeckt dem Kaiser diese Frucht unserer Arbeit. Wenn er sich den Magen daran verdirbt, können wir nichts dafür. Steine sollten wir dazwischen packen, dass er und seine Hofschranzen sich die Zähne daran ausbeißen..."
„Wenn wir uns nicht selbst helfen, hilft uns keiner." Dieses Wort prägte sich tief in die Herzen der Krabbenfischer ein. Sie erwarteten nicht, dass ihnen etwas in den Schoß fiel, sondern nahmen ihren Misserfolg zum Anlass, über die Fehler nachzudenken, die sie gemacht hatten.
„Wir hätten darauf achten müssen, dass sich unsere neun Kameraden nicht so weit vorwagten. Wir hätten alles gemeinsam tun müssen. Dann hätte auch der Zerstörer nichts gegen uns ausrichten können, es sei denn, sie hätten uns alle verhaftet. Und das hätten sie nicht gewagt; denn wer hätte dann die Arbeit getan?"
„Wir müssen langsam arbeiten und verhindern, dass sich einzelne opfern. So können wir uns auch am Inspektor rächen. Die Gesellschaft wird ihn bei schlechten Fangergebnissen zur Verantwortung ziehen."
„Ja, so müssen wir es in Zukunft halten!" „Das nächste Mal werden wir es besser machen!"
Das Langsamarbeiten führte in der nächsten Fangsaison zu einem vollen Erfolg. Als es wieder so weit gekommen war, dass ein Zerstörer zu Hilfe gerufen werden sollte, kehrte der Inspektor an der Tür der Funkkajüte um.
Als die Fangschiffe wieder in Hakodate einliefen, wurden weitere Fälle von Langsamarbeit bekannt.
Auf mehreren Schiffen waren rote Broschüren verteilt worden. Der Inspektor wurde von der Gesellschaft wegen der schlechten Fangergebnisse und der Zwischenfälle, die ihm zur Last gelegt wurden, fristlos entlassen. Er soll gesagt haben: „Ausgerechnet mich, ihren treuesten Diener, setzt die Gesellschaft an die Luft!"
Die Krabbenfischer und Saisonarbeiter lernten mit der Zeit gründlich kennen, was Organisation und Kampf bedeutet. So überstanden sie alle polizeilichen Verfolgungen, wandten überall, wo sie arbeiteten, ihre Erfahrungen an und gaben sie an andere weiter.
Das war eine Seite aus der Geschichte des Kapitalismus in den nördlichen Gebieten Japans.