Nemesis-Archiv   WWW    

Willkommen bei Nemesis - Sozialistisches Archiv für Belletristik

Nemesisarchiv
Alexander W. Tschajanow - Reise meines Bruders Alexej ins Land der bäuerlichen Utopie (1920)
http://nemesis.marxists.org

Vierzehntes Kapitel

in dem gleichzeitig der Beweis erbracht wird, dass mitunter Pflüge erfolgreich in Schwerter umgeschmiedet werden können und dass sich Kremnew letzten Endes in einer äußerst beklagenswerten Situation befand.

Ein feierlicher und singender Glockenschlag weckte die Zwangsbewohner des »Hotels für Reisende aus den Rjasaner Ländern« und bald darauf wurde ihnen mitgeteilt, dass sie alle anlässlich der Beendigung des Krieges frei seien, wer aber wolle, könne noch bleiben, um den Morgenkaffee zu trinken.
Unverzüglich verwandelte sich das Gefängnis in ein belebtes Hotel und kehrte somit zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurück. Als Kremnew sich auf den Weg machte, händigte ihm der Kommandant ein Paket mit dem Bescheid der Untersuchungskommission aus, in dem die Anweisung enthalten war, dass in Ermangelung eines verbrecherischen Tatbestandes der Bürger, der sich selbst als Kremnew, Alexej, bezeichne, ebenso wie alle anderen in die Freiheit zu entlassen sei. Die Version über seine Herkunft halte die Kommission für unwahrscheinlich, doch da kein Grund vorliege, den Bürger, der sich selbst Kremnew nenne, als ein verbrecherisches Element, das einen falschen Namen führe, anzusehen, werde das Untersuchungsverfahren, das Nikifor Minin gegen ihn angestrengt habe, eingestellt.
Alexej entschloss sich, das ihm gewährte Recht auszunutzen und auf der Veranda des ehemaligen Gefängnisses auf Staatskosten zu frühstücken. Nachdem er einen Tisch belegt hatte, vertiefte er sich in die Lektüre eines Blättchens, das ein Zeitungsjunge verloren hatte und in dem die offizielle Mitteilung über die Beendigung des Krieges enthalten war. Alexej erfuhr, dass am 7. September drei Armeen der deutschen Wsewobutsch, begleitet von einer Unmenge von Flugzeugen, die Grenzen der russischen Bauernrepublik überschritten hatten und innerhalb von 24 Stunden 50, stellenweise sogar 100 Werst weit vorgedrungen waren, ohne auf irgendwelche Anzeichen eines Widerstandes oder gar lebender Bevölkerung zu treffen.
In der Nacht zum 8. September, um 3 Uhr und 15 Minuten, lieferten die Meteorophoren des Grenzgebietes nach einem im voraus entwickelten Plan die für einen Zyklon von kleinem Radius erforderliche maximale Kraftlinienspannung, und im Verlauf einer halben Stunde waren die Millionenarmeen und Zehntausende von Flugzeugen kraft ungeheurlicher Wirbelstürme buchstäblich hinweggefegt worden. An der Grenze wurde ein Windvorhang errichtet, und die entsandten Taraluftschlitten erwiesen den besiegten Kriegshorden nach besten Kräften Hilfe. Zwei Stunden später teilte die Berliner Regierung mit, dass sie den Krieg abbreche und die durch sie verursachten Auslagen in beliebiger Form kompensieren werde. Als Zahlungsmodus wählte der russische Rat der Volkskommissare einige Dutzend Bilder von Botticelli, Domenico Veneziano, Holbein, den Pergamon-Altar, 1000 buntbemalte chinesische Stiche aus der Epoche der Tang-Dynastie sowie 1000 Zuchtbullen, Zuchttiere der berühmten Rasse »Nur für Deutschland«.
Die klangvollen Trompeten der Bauernarmee bliesen Fanfaren, und die Klänge von Skrjabins »Prometheus«, der zur Nationalhymne erkoren worden war, erschütterten den Himmel Moskaus. Der Kaffee war ausgetrunken, das Roastbeef verzehrt, und Kremnew erhob sich von seinem Stuhl. Gebeugt und niedergeschlagen von alldem, was vorgefallen war, stieg er langsam die Treppe hinab, und allein, ohne Beziehungen und mittellos, ging er einem Leben in einem fast unbekannten utopischen Land entgegen.

Sozialismus • Kommunismus • Sozialistische Belletristik • Kommunistische Unterhaltungsliteratur • Proletarisch-Revolutionäre Literatur • Utopische Klassiker • Arbeiterroman • Agitationsliteratur