Berta Lask - Leuna 1921 (1927)
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DEN MÄRZKÄMPFERN GEWIDMET


PERSONEN

Die Arbeiter
Willi, Metallarbeiter, Lokomotivführer der Werksbahn Der Matrose, Zimmermann im Leunawerk 2. Matrose, Zimmermann im Leunawerk Der Heizer
Bruno, Arbeiter im Leunawerk Karl, junger Leunaarbeiter Wieland, Schmied, später im Aktionsausschuss Alter Arbeiter
Malchow, Arbeiter, später Vorsitzender im Aktionsausschuss, Mitglied der KAPD Kessel, Metallarbeiter, später Kampfleiter Bernd Konne, Betriebsrat, Mitglied der VKPD Dammel, Betriebsrat, SPD Max Hoelz
Der Begleiter von Hoelz Konitzky, Sekretär der VKPD, Bezirk Halle Oskar, Agent, später Mitglied der Kampfleitung Freimann, Leunaarbeiter, später Mitglied des Aktionsausschusses Grasser, Werkslokomotivführer
1. Chemiearbeiter
2. Chemiearbeiter
3. Chemiearbeiter Zimmermann

Der Führer aus dem Geiselthal Bromme, Betriebsrat, SPD
1. Kurier
2. Kurier
3. Kurier Verwundeter Fremder Arbeiter
3. Kompanieführer
4. Kompanieführer Neuer Gefangener Pförtner
Wache
1. Feldwache
Bertram, ein Arbeiter
Samariter
1. Arbeiter
2. Arbeiter
3. Arbeiter
4. Arbeiter
5. Arbeiter
Bums, Arbeiter, KAPD
Schluck, Arbeiter, KAPD
1. Leunakämpfer
Martha, Braut des 2. Matrosen
Else, Arbeiterfrau
Die rote Guste, Spitzel
Arbeiterfrau
Freimanns Frau
Frau des Heizers
Leunaarbeiter, Frauen, Kinder

Die Bürgerlichen und ihr Gefolge
Oberpräsident Hörsing, Mitglied der SPD
Regierungspräsident
Dr. Oster, erster Direktor des Leunawerks
Direktor Weinbrand
Der Reichskommissar
Der Rittergutsbesitzer
Der Werksarzt
Polizeimajor Kranz
Polizeimajor Storch
Polizeimajor v. Zechlinsky
Der Gewerkschaftsführer
Der Vertreter der SPD
Ministerialrat von Benndorf
Ingenieur Brettl
Angestelltenrat Knappe
Schupowachtmeister
Meister
Prell, Lumpenproletarier, Spitzelchef im Leunawerk
10 Spitzel
Ein Schupo
Ort der Handlung: Mitteldeutschland Zeit der Handlung: März 1921

 

VORSPIEL 1926

Lichtbild, Frontansicht des Leunawerkes mit den dreizehn Schornsteinen: Auf der Bühne vor der Leinwand steht der Heizer mit zerfurchtem Gesicht, dem man schwere Leidensjahre ansieht. Leunaarbeiter in Arbeitskleidung gehen einzeln und in Gruppen in einiger EntÂfernung am Heizer vorüber.

Heizer (mit dem Blick aufs Leunawerk): Alles wie damals, die Schornsteine, die Kesselhäuser. Die Kohlenwagen. Die Generatoröfen sind voll. Um eins lassen sie den glühenden Koks ab. Das Kühlwasser spritzt siedend hoch. (Er reckt sich mit einer kraftÂvollen Gebärde. Alle Arbeiter sehen im Vorbeigehen scheu, misstrauisch oder fragend zum Heizer hinüber.)

1. Arbeiter: Was ist das für einer?

2.  Arbeiter: Wie er aussieht! Und spricht mit sich selbst.

3. Arbeiter: Was soll's für einer sein? Ein Spitzel.

1. Arbeiter: Der sieht nicht so aus.

3. Arbeiter: Alle sind Spitzel, alle, die uns begegnen, alle, die uns anreden bei der Arbeit, beim Essen, im Abort, in der Bahn, auf der Straße, alles Leunaspitzel.

2. Arbeiter: Er hat recht. So ist es.

1. Arbeiter (nähert sich dem Heizer, fragt halblaut): Wer bist du? Von wo kommst du?

Heizer: Aus dem Zuchthaus.

1. Arbeiter (halblaut): Du kommst aus dem Zuchthaus, und wir gehen ins Zuchthaus.

Heizer: In welches Zuchthaus?

1. Arbeiter: Dort.

Heizer: Ins...

1. Arbeiter: Still! Still! Es sind überall Spitzel.

(Bruno stürzt auf den Heizer zu)

Bruno: Das ist ja der Heizer von 1921, dem Matrosen sein Freund. Wie geht's dir, Paul?

Mehrere: Wir wissen nichts von 1921. Wir haben hier unser Brot; weiter kümmert uns nichts. Kommt!

(Sie gehen schnell weiter. Um den Heizer hat sich eine kleine Gruppe gebildet.)

1. Arbeiter: Also du lebst noch? Sie haben dich doch damals halb totgeschlagen.

Heizer (düster lachend): Aber nicht ganz. Auch im Zuchthaus haben sie's nicht geschafft. Nun bin ich raus. Da trieb's mich hierher, das rote Leunawerk zu sehen.

Die Arbeiter: Das rote Leunawerk! Zuchthaus Leuna, Leunahölle!

Heizer: Ha, das dacht' ich mir. Mit Artillerie schießen die nicht umsonst. Habt ihr noch Schupo im Werk?

Bruno: Werkspolizei und Werksfeuerwehr und eine Armee von Wächtern und Oberwächtern und SpitÂzeln und Oberspitzeln.

4. Arbeiter: Und Kontrolluhren überall. Jeder Gang, den du tust, nach Kontrolluhr.

5. Arbeiter: Und nach Akkord wird geschunden wie besessen. Weil der Lohn nicht reicht, jagen alle nach Akkordprozenten. Und hast du die letzte Kraft aus dir herausgeschunden, dann werden die Prozente heruntergedrückt.

Bruno: Es ist ein teuflisches System und kann im Zuchthaus nicht schlimmer sein. Nur, dass unsre Ketten nicht klirren.

Heizer: Gibt's noch immer so viele Unglücksfälle?

Bruno: Alles dasselbe. Manche Schutzvorrichtungen haben wir durchgesetzt. Aber was hilft's? Die Leute werden so gehetzt, dass sie vor Überanstrengung verunglücken. Und immer werden neue Maschinen erfunden und Arbeiter dafür entlassen.

Heizer: Was wird mit den Arbeitern?

Bruno: Gehn zugrunde. Rationalisierung.

Heizer: Also die dort oben haben alle Macht?

Bruno: Macht haben sie und koppeln sich alle zusammen, dass sie noch mehr Macht kriegen. Immer neue Giftbuden haben sie gebaut, alles ein Klump, alles ein Geldsack. Wen sie auf die schwarze Liste setzen, der findet in ganz Deutschland keine Arbeit mehr. Dafür haben sie ihre juristische Abteilung.

Heizer: In den Baracken, wohnen da noch Kerls?

1. Arbeiter: Die ganze Barackenstadt haben sie abgerissen. Das war 'ne zu stürmische Ecke. Jetzt ist alles eingezäunt, und kein Mensch darf ins Werk.

Heizer: Hätten wir doch die verfluchte Giftbude damals in die Luft gesprengt!

Bruno: Das hätte nichts genützt. Sie hätten noch schlimmere aufgebaut. Wir müssen sie erobern von innen her.

Heizer: Wie steht's damit? Alles ganz nieder?

Bruno: Nieder sind sie, und keiner darf sich mucksen, und doch wird gearbeitet - zwei Drittel der Betriebsräte Kommunisten.

Heizer: Ich werde mit euch arbeiten. Auf mich könnt ihr rechnen zu jeder Stunde, Tag und Nacht. Weißt du noch damals im Silo, wie wir gelobt haben: Das Leunawerk muss einmal unser sein?

Bruno (gedämpft): Ja, ich weiß es. Darum bin ich noch hier. Darum halt' ich aus in dieser Hölle. Wir machen's wahr.

4. Arbeiter: Langsam vorwärts, Schritt für Schritt, zähe.

Heizer (die Hände der beiden fassend): Wir alle zusammen, Schritt für Schritt, bis zum Ende.

(Eine   kleine   Gruppe   von   Arbeitern   singt einen Choral)

Heizer: Was sind denn das für welche?

Bruno: Bibelforscher.

Heizer: Chemiearbeiter und Bibelforscher?

Bruno: Ja, sie sagen, das Chemiekapital ist so mächtig; dem gehört die Erde. Darum wollen sie den Himmel erobern.

1. Arbeiter: Die Narren!

Heizer: Lache nicht! Bei uns im Zuchthaus wurden auch welche so.

Bruno: Ein Himmelreich über der Chemiegifthölle.

Heizer: Wir wallen die Gifthölle zunichte machen. Dann wird ihr Himmelreich zerplatzen wie eine giftige Seifenblase. (Er starrt auf das Leunawerk)

1. Arbeiter: Was blickst du so starr?

Heizer: Damals März 1921

 

I.AKT

1. Szene

Leunawerksgrundstück. Fabrikbauten. Hohes Baugerüst, auf dem Zimmerleute arbeiten. Unter den Zimmerleuten die beiden Matrosen. Karl kommt mit einer Sammelliste.

Karl: Sammlung für die streikenden Chemiearbeiter in Leverkusen. Gebt was, Kameraden!

Matrose: Für die armen Giftkumpels, da muss man was geben. Wie lange dauert's nun schon in Leverkusen?

Karl: Die dritte Woche.

Zimmermann: Wir sind doch Zimmerleute, zahlen für unsere Gewerkschaft, und wenn die Zimmerleute streiken, zahlen wir Streikgelder. Man kann doch nicht  immer zahlen.  Für  die  Leverkusener Giftkumpels können die Chemiearbeiter zahlen.

Matrose: Solidarität, Paul! Chemie oder Zimmermann, das ist alles eins. Arbeiter sind wir, Proleten sind wir. Wir zahlen für Leverkusen.

2. Matrose: Wir zahlen. Werden sie durchhalten?

Karl: Viel Kohldampf, viel Elend. Aber sie wollen durchhalten.

Matrose: Wenn wir mittags vom Gerüst steigen, dann komm mit deiner Liste. Dann zahlen wir. Da kommt der Betriebsrat Dammel. Was wird der sagen?

Karl:  Genosse  Dammel,   für   die   Streikenden   in

Leverkusen!

Dammel: Ihr mit euren wilden Streiks werdet die

Arbeiter noch ins Verderben jagen.

Matrose: Das hast du auch gesagt, wie wir hier im

Leunawerk den Kampf für die 48stunden-Woche anfingen. Und doch haben wir gesiegt.

Dammel: Ja, gesiegt. Aber mancher Sieg, der kann einem das Genick brechen.

Matrose: Ja du-----. Dämel, Dammel, Leithammel führt die Arbeiter in den Sumpf. Reißt ihn aus mit Stiel und Stumpf!

(Gelächter)

Dammel (halblaut): Diese fremdgeschriebenen Zimmerleute, das sind die richtigen Vagabunden.

Matrose: Ja, du bist was Besseres: Chemiebetriebsrat und Bonze und Katzbuckelheld. Wenn der unsre weiten Hosen von weitem sieht und unsre großen Hüte, dann graust's ihm schon.

(Gelächter) Was ein Kerl ist, den kann er nicht riechen.

(Wieland   kommt   ganz   leicht   angeheitert, spricht langsam und wichtig)

Wieland: Der aufm Gerüste - der Matrose -, das ist mein Freund. Breite Brust und Kopf hoch, ein Kerl der Matrose.

Dammel: Ja, breite Brust und Kerl, das reicht euch aus zum Kampfe. Aber was noch dazugehört, das versteht ihr nicht. Du bist auch so einer von den Wilden.

(Der alte Arbeiter kommt)

Alter Arbeiter  (mit Nachdruck):  Besser wild  als

falsch.

Matrose: Haut ihm die Jacke voll!

(Dammel entfernt sich etwas)

2. Matrose: Da kommt Konne-Bernd vom Bau 15. Der ist ehrlich, wenn er auch nicht gleich loshaut...

Matrose: Na, was gibt's denn, Konne?

Konne: Wisst ihr schon von Mansfeld, von Eisleben?

Matrose: Ja, haben davon gehört. Gestern sind die Kumpels von allen Gruben und Hütten im Mansfeldischen in Streik getreten, weil sie ihnen Werkspolizei hingesetzt haben, Offiziere und Spitzel.

Wieland: Die Mansfelder Kumpels, die kenn' ich, immer zahm, immer stille, kleine Leute, graue Gesichter. Aber wenn die mal anfangen, dann geht's los, dann geht's mit Wucht.

(Kessel kommt atemlos)

Kessel: Die Direktion in Eisleben musste nachgeben. Die Direktion zieht die Werkspolizei zurück.

Matrose: Hört doch! Die Direktion zieht die Werkspolizei zurück!

Karl: Zwei Tage Streik und gesiegt! Ein Hoch den Mansfelder Kumpels!

(Bruno kommt)

Bruno: Kameraden, sie haben gesiegt!

Verschiedene: Wir wissen schon.

Bruno: Ihr wisst's schon, aber ihr habt's nicht gesehn. Wenn ihr wärt dabei gewesen! - Das strömte, das brauste. Das war wie ein wildes Meer auf dem Marktplatz von Eisleben. Das war wie bei uns im Ruhrgebiet nach dem Kapp-Putsch. Wie's da losging, so war's.

(Lichtbild der Volksmenge)

Konne: Sei nicht so aufgeregt, Genosse! Das ist hier was andres wie voriges Jahr. Jetzt haben wir keinen Rechtsputsch hinter uns.

Mehrere: Aber vielleicht vor uns.

Kessel: Er hat recht, der Genosse vom Ruhrgebiet. Die Unternehmergarden stehn immer parat. Denk an Halle voriges Jahr, Bernd, an den Verrat, wie sie den Panzerzug der Kappisten entwischen ließen. Die rüsten Tag und Nacht. Jeden Tag kann die Orgesch losschlagen und die Baltikumer, wie voriges Jahr. Man muss an die Waffen denken.

Karl: So denk dran, Genosse Kessel! Du musst's am besten verstehn. Hast doch voriges Jahr bei Ammendorf die militärische Leitung gehabt.

Konne (sich umsehend): Seid bloß still, Genossen! Solche Reden, das ist's, was die Spitzel brauchen. Noch nichts von Waffen! In Mansfeld haben sie vorläufig ohne Waffen gesiegt.

Matrose: Da hinten steht ja noch der Bonze Dammel. Was sagst du nun, Dammel? Wieder ein Sieg der Arbeiterschaft. Die Werkspolizei muss raus.

Dammel: Ich sage, mancher Sieg, der kann einem das Genick brechen.

(Dammel rasch ab)

Matrose (voller Zorn): Du, du willst uns das Genick brechen.

(Angestelltenrat Knappe kommt)

Knappe: Ich bitte den Betriebsrat zur Direktion.

Konne: Wir kommen.

 

2. Szene

Raum im Direktionsgebäude. Direktor Oster, Direktor Weinbrand, zwölf Betriebsratsmitglieder, unter ihnen Konne, Dammel, Bromme und Kessel.

Direktor Oster: Es steht fest, dass die Arbeiter Material  verschiedenster  Art  aus  dem  Werk  heraustragen. Die Verluste sind kolossal. Das Werk kann auf die Dauer diese Verluste nicht tragen.

Bromme: Nicht die Arbeiter stehlen. Die Baufirmen stehlen sich gegenseitig die Gerüste.

Dammel: Ich darf gar nicht mehr den Mund auftun. Die Arbeiter sind so verhetzt.

Konne: Herr Direktor, es herrscht eine große Erbitterung unter der Arbeiterschaft, weil für die Beamten wertvolle Möbel in den Werkstätten angeÂfertigt werden, und der Arbeiter soll nicht mal einen Sack voll Brennholz mitnehmen.

Direktor Oster: Das sind Gerüchte und Übertreibungen. Die Diebstähle müssen aufhören. Vorgestern hat der Betriebsrat es unternommen, die Pförtner durch Vertrauensleute der Arbeiter zu unterstützen, aber es wurde dadurch gestern nicht besser.

Konne: Wie könnten wir an einem Tage die Selbstkontrolle in diesem Riesenwerk organisieren!

Direktor Oster: Wenn der Betriebsrat es nicht kann, so muss die Direktion andere Mittel versuchen.

Konne: Solange es einen Betriebsrat im Leunawerk gibt, wird Werkspolizei das Grundstück nicht betreten.

Direktor Oster: Der Betriebsrat fühlt sich allmächtig. Aber die Direktion hat schließlich auch noch etwas zu sagen.

Kessel: Werkspolizei haun wir raus wie die Mansfelder Kumpels.

Direktor Oster: Wilde Aktionen  bringen der Arbeiterschaft wenig Erfolg.

Mehrere: Viel Erfolg. Eisleben!

Direktor Oster: Die Eislebener Beschlüsse sind vom Gewerkschaftskartell und den Führern der sozialistischen Parteien für ungültig erklärt worden.

Mehrere: Was?! (Bewegung unter den Arbeitern)

Direktor Oster (ein Zeitungsblatt vorweisend): Bitte, lesen Sie!

(Alle drängen sich um das Blatt)

Rufe: Ungültig erklärt! - Die Verräter! Die Judasse!

Direktor Oster: Wir wollen zu Ende kommen. Was will der Betriebsrat gegen die Holzdiebstähle tun?

Kessel: Diebstähle!! - Abfallholz, das der Betrieb nicht  mehr  braucht!  Und  wenn's  einen  richtigen Lohn gäbe und der Arbeiter für eure Papierlappen was kaufen könnte, dann war' ihm auch euer Abfallholz nicht nötig, obwohl's von jeher Brauch war, dass der Arbeiter Abfälle mitnehmen kann. So steht's.

Konne: Wir werden mit allen Mitteln versuchen, die Angelegenheit zur beiderseitigen Zufriedenheit zu regeln. Nur braucht das etwas Zeit und geht nicht von heut auf morgen.

Direktor Oster: So wäre jetzt nichts weiter zu besprechen. Ich möchte nur noch bemerken, dass es unerwünscht ist, wenn während der Arbeitszeit Versammlungen abgehalten werden.

Kessel: Wann Versammlungen abzuhalten sind, das bestimmt der Betriebsrat.

Direktor Weinbrand: Und dann noch: - es tauchen so   allerhand   Subjekte   hier   auf.   Die   Direktion wünscht nicht, dass ein gewisser Max Hoelz das Grundstück betritt.

(Der Betriebsrat geht hinaus. Der Direktor geht erregt hin und her.)

Direktor Oster: Es geht nicht so weiter. Es geht unmöglich so weiter. Die Zügel entgleiten unserer Hand. Ich fahre noch heute zu Hörsing. Es muss etwas geschehen.

 

3. Szene

Konferenzzimmer. Klubsessel. Der Reichskommissar, der Merseburger Regierungspräsident, Leunadirektor Oster, Direktor Weinbrand, Polizeimajor Storch, Rittergutsbesitzer.

Reichskommissar: Ich bin orientiert, Herr Regierungspräsident. Mitteldeutschland ist unser Sorgenkind. Nirgends brauche ich so viele Agenten wie hier.

Rittergutsbesitzer: Nirgends ist solch eine Schweinerei wie hier.

Regierungspräsident: Das Ruhrgebiet hat General Watter, alter Regimentskamerad von mir, voriges Jahr so schön sauber gefegt, und hier könnte man die Felder düngen mit dem Mist - mit Verlaub zu sagen -, den. unsere roten Beamten machen.

Rittergutsbesitzer (lacht): So ist es, Mist überall, Schweinerei.

Regierungspräsident: Ein Grobschmied als Oberpräsident! Dies wirkt geradezu beleidigend. Wo bleibt unsere Beamtenehre?

Direktor Oster: Der Mann hat uns manchen Dienst gegen die Roten erwiesen.

Regierungspräsident: Aber man muss solche Leute einmal loswerden. Auf die Dauer sind diese Gestalten peinlich, ich möchte fast sagen, unerträglich. Diese plebejischen Manieren! Und man möchte wieder Herr im eigenen Hause sein.

Direktor Oster: Auf diese Stunde warten wir alle.

Direktor Weinbrand: Wenn ich an 1918 denke, wie wir nächtelang mit dem Arbeiter- und Soldatenrat debattierten, da warteten wir nicht mehr auf diese Stunde. Da hieß es Sozialismus", -Bolschewismus" und weiß der Teufel, was.

Direktor Oster: Man musste sich über Wasser halten und aus dem Strudel retten, was zu retten war. (Lächelt befriedigt) Jetzt werden wir nicht mehr debattieren. Wenn diese Feiglinge von wortreichen, hohlköpfigen Arbeiterführern weder bolschewisierten noch sozialisierten, haben wir keine Veranlassung, auf ihrem beständigen Rückzuge hinter ihnen her zu gehen und ihnen die Macht, die sie nicht ergriffen haben, auf dem Präsentierteller nachzutragen.

Ihre Stunde haben sie versäumt. Jetzt kommt

unsere Stunde.

(Oberpräsident Hörsing kommt. Begrüßung.)

Hörsing: Schon alle versammelt? Es ist gut, dass Sie gekommen sind, Herr Reichskommissar, und Vollmacht des Ministers mitbringen.

Reichskommissar: Sie haben eine unruhige Provinz, Herr Oberpräsident.

Hörsing: Unruhige Provinz! Selbstverständlich, wo die Industrie in rasendem Tempo gewachsen ist, wo Arbeitermassen aus allen Teilen des Reichs sich hier konzentrieren. In den Gefangenenlagern liegt ausländisches Gesindel aller Art interniert, mit Sowjetgift infiziert. Spartakisten sausen und toben herum.

Mit der Bande ist schwer fertig zu werden, selbst für eine erprobte starke Hand.

Regierungspräsident: Unser Regierungsbezirk bedarf ganz besonders der pfleglichen Fürsorge der Polizei.

Hörsing: Die Fürsorge werde ich schon besorgen, Herr Kollege.

Regierungspräsident (verbirgt mit Mühe seine Empörung über die Anrede): Wo blieb sie im Mansfelder Streik? Die Direktion stand unter Terror. Die Arbeiter erzwangen Zusage. Dieses stille, anständige Mansfelder Volk, das sonst nach der Arbeit seinen Acker bestellte, ist ganz verwandelt.

Hörsing: Wir Führer der sozialdemokratischen Partei kennen unsere Pflicht als Staatsbürger. Die Direktion ist zufrieden gestellt. Bitte! -

(Auf der Leinwand erscheint folgender Aufruf):

eisleber Tageblatt Aufruf

Durch die ungesetzliche Einführung der Werkspolizei seitens der Mansfelder A. G., die zweifellos provozierend gewirkt hat, wurde der Boden zu den Vorkommnissen in den Mansfelder Landen geschafÂfen, die in den letzten Tagen zu Massenaktionen geÂführt haben. Nachdem einwandfrei festgestellt ist, dass der Gesamtbetriebsratsausschuss unter Mitwirkung der Leitung des Bergarbeiterverbandes die strittigen Punkte fast glatt erledigt hatte, müssen die nachfolgenden Aktionen als vollständig verfehlt bezeichnet werden. Da die gewählten Vertreter auch zukünftig die Interessen der Belegschaft zu wahren verstehen werden, warnen wir um so mehr vor Wiederholung derartiger Auftritte, die in ihren Folgen für die gesamten Arbeiter Mansfelds unabsehbar sind. Es ist unter anderem bereits mit zukünftiger Verweigerung von Notstandsarbeiten gedroht worden.

Nur Unverantwortliche können sich über die vorstehend aufgeführten Wahrheiten leichtfertig hinwegsetzen. Die Unterzeichneten rücken von solchem Tun und Treiben weit ab und müssen die Verantwortung für die jetzigen Vorgänge sowie für etwa derartig Geplantes ablehnen.

Der Vorstand des Mansfelder Gewerkschaftskartells. Die Sozialdemokratische Partei, Unterbezirk Mansfeld.

Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei, Unterbezirk Mansfeld."

(Alle lesen den Aufruf)

Regierungspräsident: Kaum zu glauben. Die Leute, die unterschrieben haben, sind doch eigentlich Arbeiterführer und nicht Staatsbeamte.

Hörsing: Aber staatserhaltend.

Regierungspräsident: Ja, wahrlich eine anerkennenswerte Gesinnung. Es lässt sich nicht leugnen, dass dies ein Erfolg ist.

Hörsing: Hat auch Mühe gekostet, meine Herren! Donnerschock, hat das Mühe gekostet.

Rittergutsbesitzer: Ausgezeichnet. Wird den Hetzern das Renommee kürzen. Die achtzehn kommunistischen Amtsvorsteher müssen noch weg.

Hörsing: Selbstverständlich.

Regierungspräsident: Und die sozialdemokratischen Landräte. Solchen fatalen Gestalten die Hand zu reichen, ist widerlich. - Äh, Pardon!

Reichskommissar: Ãœber die Mansfelder Angelegenheit bin ich orientiert. Ich bitte den Herrn Direktor vom Leunawerk um seinen Bericht.

Direktor Oster: Herr Reichskommissar! Meine Herren! Das, was sich eben in Eisleben abgespielt und mit Recht Ihre Entrüstung erregt hat, verblasst vor dem, was beständig bei uns im Leunawerk vor sich geht. Wir sitzen dort geradezu auf einem Pulverfass - nicht, weil wir Explosivstoffe produzieren, sondern bildlich gemeint.

Unsere riesige Barackenstadt ist ein Schlupfwinkel für Verbrecher und eine Brutstätte des Aufruhrs. Dort haust Volk aus allen Ländern. Dort wohnen polizeilich unangemeldet politische Flüchtlinge, und ich kann es nicht hindern, wenn ich Mord und Totschlag vermeiden will.

Unser Werk produziert gegenwärtig hauptsächlich Düngemittel, ist also von größter Bedeutung für das deutsche Volk. Und dieses für den Staat so wichtige Werk, das 22 000 Arbeiter beschäftigt, ist in Händen unverantwortlicher Elemente, ist ein Spielball hergelaufener Hetzer. Selbst der berüchtigte Räuberhauptmann Max Hoelz taucht dort bisweilen auf, bis ihm der Boden zu heiß wird. Es gab von 1917 an keinen Streik, keine staatsfeindliche Aktion, an der nicht das Leunawerk in hervorragendem Maße beteiligt gewesen wäre.

Direktor Weinbrand: Trotz wiederholter Maßregelungen.

Direktor Oster: Herr Reichskommissar, das Ruhrgebiet ist im vorigen Jahr durch die vorzügliche Arbeit des Generals Watter befriedet worden. Die Terrorherrschaft der Arbeiter im ganzen übrigen Reich ist gebrochen, die Macht der Betriebsräte  eingeschränkt, der Kampf gegen den schematischen Achtstundentag hat begonnen. Nur hier in Mitteldeutschland, und vorzüglich im Leunawerk, herrscht die rote Brut. Aus den Kapp-Putsch-Kämpfen sind sie unbesiegt hervorgegangen. Radikale Schreier terrorisieren die wohlgesinnte Arbeiterschaft. Die Betriebsräte sind allmächtig und diktieren uns den Willen der Arbeiter. Bei einer Differenz im vorigen Jahr drohte man, das Werk in die Luft zu sprengen.

(Er springt erregt auf)

Meine Herren, es geht nicht so weiter! Es muss ein Ende gemacht werden. Helfen Sie mir die Macht der Arbeiterschaft brechen, oder ich muss den Betrieb stilllegen.

Hörsing (aufstehend): So ist es, Herrschaften. Es ist höchste Zeit. Wir müssen die Herrschaft der Kommunisten brechen. Wir müssen die roten Arbeiter niederschlagen. Ich wollte schon lange mehr Polizei in meine Provinz haben, aber ich bekam sie ja nicht, obwohl der Minister des Innern ganz meiner Meinung war.

Rittergutsbesitzer: Das Leunawerk ist ein Seuchenherd. Auch meine Landarbeiter haben sie rebellisch gemacht.

Reichskommissar: Die Ausführungen des Herrn Direktors von den Leunawerken haben mich etwas befremdet, meine Herren. Ich höre hier ein hochpolitisches Referat und bin doch nicht zu einer politischen Konferenz hierher gerufen worden, sondern zu einer polizeilichen. Ja, meine Herren, bitte vergessen Sie nicht: zur Besprechung einer Polizeiaktion gegen Verbrecher bin ich hierher gerufen worden.

Alle: Selbstverständlich zu einer Polizeiaktion gegen Verbrecher.

Hörsing: Wir müssen wieder ein bisschen anständigen Geist reinkriegen in unsre Provinz, Herr Reichskommissar. Hier kennt man nicht mehr den Unterschied zwischen mein und dein. Aus dem Leunawerk stehlen sie Holz und Gott weiß was und aus den Mansfelder Gruben Dynamit, Dynamit, meine Herren!

Reichskommissar: Wir sind orientiert über die Eisenbahnattentate der Kommunisten.

Hörsing: Urheber zwar nicht einwandfrei festgestellt.

Reichskommissar: Doch allgemein bekannt und Nachricht durch die gutgesinnte Presse verbreitet. Das genügt. Muss noch stärker verbreitet werden.

Hörsing: Von den Feldern holen sie Rüben und Kartoffeln. Es ist eine Schweinerei, wie der Herr Rittergutsbesitzer richtig sagte. Zum Teufel, das muss anders werden. Man soll mir nicht nachsagen, dass ich nicht Ordnung halten kann ebenso gut wie irgendein Beamter mit blauem Blut. Ich will es hier bei mir ebenso anständig haben wie in anderen Provinzen. (Mit der Faust auf den Tisch schlagend) Darum Polizeiaktion gegen Diebe und Verbrecher!

Reichskommissar: Meine Herren, ich bin von dem Ãœberhandnehmen der Felddiebstähle, Werkdiebstähle und Verbrechen unterrichtet, und wir sind uns wohl alle darin einig, dass wir das solcherweise beunruhigte und staatlicher Fürsorge dringend bedürftige Gebiet mit Schutzpolizei belegen müssen. Ich bitte Sie, Herr Oberpräsident, Ihre Wünsche genau schriftlich zu formulieren. Ich werde dann mit den Behörden in Berlin sprechen, und wir können auf der nächsten Konferenz genau festlegen, in welÂcher Weise sich die Polizeiaktion vollziehen soll.

Regierungspräsident: Das Mansfelder Land ist am bedürftigsten.

Hörsing: Das ist auch meine Ansicht. Dort sitzt eine Brut; die muss ausgeräuchert werden.

Direktor Oster: Wenn irgendwo in Mitteldeutschland Schupo einrückt, so bricht in Leuna ein Sturm aus. Ich kenne meine Leunaarbeiter. Schicken Sie sofort Hundertschaften für das Leunawerk!

Reichskommissar: Dies wird sich aus politischen sowie aus technischen Gründen nicht machen lassen.

Regierungspräsident: Wir verstärken unsere Garnison in Merseburg.

Reichskommissar: Ich rate Ihnen, Herr Direktor, unÂverzüglich eine große Anzahl von politischen Vertrauensleuten als Arbeiter im Leunawerk einzustellen. Dies lässt sich in einem Werk von solcher Größe unauffällig machen. Man kann besonders unter den Wirrköpfen der KAPD erfolgreich arbeiten. Das sind anarchistische Burschen.

Direktor Oster: Sehr richtig. Schon seit mehreren Monaten schleuse ich derartige Elemente ins Werk ein. Der Kampf der Arbeiter zwingt mich dazu.

Reichskommissar (aufstehend): Und wenn die Polizeiaktion doch unerwartete Folgen haben sollte?

Hörsing:  Ich  übernehme  die  Verantwortung.  Ich kenne meine Provinz, und ich kenne meine Pflicht zur Erhaltung der staatlichen Ordnung. Jetzt muss ich mich empfehlen, meine Herren. (Hörsing ab)

Regierungspräsident: Uff! - Die Luft ist rein. Lassen wir diesen Grobschmied seinen Hammer schwingen, wenn es ihn drängt, der Bluthund zu sein! Lange werden wir diese Gestalten hoffentlich nicht mehr brauchen.

Reichskommissar: Er scheint sein Handwerk zu verstehen im kleinen wie im großen. Vorläufig ist er nützlich.

Regierungspräsident (heftig): Und trotzdem nahezu unerträglich. Kein Gefühl für Distanz! Spricht mit einem Adligen, der von den Deutschrittern abstammt, wie mit seinesgleichen. Tiefer kann unsere Kultur schon nicht sinken.

Reichskommissar: Fühle vollkommen mit Ihnen, Herr Regierungspräsident. Und dennoch, wie glücklich wären Ihre adligen Standesgenossen in Russland, wenn die russischen Grobschmiede, anstatt bolschewistisch zu regieren, ihre Befehle ausführen würden, wie unser Hörsing obwohl ein Grobschmied unsere Befehle ausführt.

Regierungspräsident: Erkennt man ja an, dass er nicht mit den Kommunisten fraternisiert, sondern mit uns, Herr Kommissar. Doch auch dieses Letztere ist ungemütlich und dauert nun schon etwas zu lange. Wir leben doch schließlich in Deutschland, einem Land mit anständigen Traditionen des Respekts vor Fürsten und Adel.

 

4. Szene

Leunagrundstück und Baugerüst wie in der ersten Szene. Das Gerüst ist leer. Ein Teil des Gerüstes ist heruntergebrochen. Erregte Gruppen von Arbeitern daÂvor. Alter Arbeiter kommt.

Alter Arbeiter: . Schon  wieder ein  Unfall?  Schon wieder ein Gerüst eingestürzt?

Zimmermann: Die Stütze gebrochen.

Alter Arbeiter: Tote?

Zimmermann: Ja, zwei.

Matrose: Mein Kamerad aus Hamburg und ein Berliner.

(Wärter kommen mit zwei Bahren. Im Hintergrund werden die zwei Toten auf die Bahren gelegt und fortgetragen.)

Zimmermann: Ich habe gestern erst dem Polier gesagt, die Stütze ist zu schwach. Aber der hat nur so mit den Achseln gezuckt: keine andere da.

Wieland: Für die Firmen ist unsereins ja doch nur Arbeitsvieh. Wir sind billig und immer zu haben. Auf einen mehr oder weniger kommt's denen nicht an.

Matrose: Ãœberhaupt diese Baufirmen hier im Leunawerk, die kehren sich den Teufel an die Vorschriften. Auf die Verordnungen zu unserer Sicherheit da pfeifen die drauf.

--- So ein Kerl, mein Kamerad, so ein braver Jung. Waren als Matrosen zusammen im Dienst, bei der Arbeit, in der Revolution, immer zusammen, und jetzt-----weg.

(Er wendet sich ab. Malchow kommt.)

Malchow: Das ist hier noch immer das Schlachtfeld an der Somme.

(Zwei Arbeiter mit Gasmasken vor dem Gesicht kommen eilig)

1. Chemiearbeiter: Ist's wahr? Je, je, je! Da sieht man's ja, eingestürzt und zwei Tote.

Zimmermann: Ein Hamburger und ein Berliner aus den Baracken. Ihr denkt wohl, nur bei euch in der Chemie gibt's Tote?

1. Chemiearbeiter: Vorige Woche bei uns die Gasexplosion mit sechs Toten, und heute schon wieder die Zimmerleute.

2. Chemiearbeiter: Die Toten ziehn die anderen nach sich. Es ist unheimlich in den Bauten. Es ist unheimlich im Leunawerk. Die Toten gehen um.

Malchow: Das ist Narrheit.

Alter Arbeiter: Die Toten gehen um.  Die Toten rufen. Es liegt was in der Luft. Es kommt was über uns. Die Toten geben keine Ruhe.

Malchow: Um die Lebenden wollen wir uns kümmern.

Karl: Für die Lebenden! Gegen das Sterben! Gegen das Morden der Arbeiterschaft!

(Martha kommt schluchzend)

Zimmermann: Dem Matrosen seine Braut.

Martha: Mein Wilhelm! Wo ist er? Ich glaub's noch nicht. Ich will ihn sehn. Wo haben sie ihn hingebracht?

Zimmermann: In die Totenkammer.

Martha (schreiend): Nein - nein! Er war doch die Nacht bei mir! Morgens ist er weggegangen, froh und gesund. (Sie schluchzt, dann leise) Ich will ihn sehn!

Matrose (Marthas Hand fassend): Lass, Mädchen! Du sollst ihn nicht sehn. So wie er bei dir war, so denk an ihn! Wir werden ihm alle Ehre erweisen. Wir werden ihn zu Grabe tragen mit Trommeln und Pauken. Wir werden ihn--------(plötzlich wild ausbreÂchend), wir werden ihn rächen!

Martha (schreiend): Rächen!

(Sie geht langsam, wankend ab)

Zimmermann: Dort kommt der Werksarzt zur Untersuchung.

Matrose: Der Leichenriecher.

1. Chemiearbeiter: Der Giftknecht!

Werksarzt (gleichgültig, geschäftsmäßig): Sind die Toten schon weggeschafft?

Zimmermann: Ja.

Werksarzt: Und die Verletzten in die Ambulanz?

Zimmermann: Es sind keine Verletzten, nur Tote.

Werksarzt: Wie viel?

Zimmermann: Zwei.

Werksarzt: Nur zwei?

Matrose: Nur zwei, du Schuft, du Leichenriecher.

Sind das nicht genug?

Karl: Wenn zwei Augen brechen, stürzt eine Welt

zusammen! Wir sind Menschen, du Unmensch!

1. Chemiearbeiter: Vorige Woche hat er bescheinigt, dass im Bau 105 sehr gute Luft ist und dass unsere Arbeit nicht gesundheitsschädlich ist.

Wieland: Man sollte ihn mit Giftgas füttern, bis er krepiert, der Kapitalsknecht, der Brillenaffe!

2. Chemiearbeiter: Herr Doktor, arbeiten Sie mal einen Monat im Bau 105!

Malchow: Da seht ihr's, Kollegen, wie alles verfault und vergiftet und verkehrt ist in der kapitalistischen Gesellschaft. So ein Mensch hat sein Handwerk gelernt, hat die Wissenschaft studiert und sollte den Menschen die Gesundheit bringen. Aber er steht im Sold des Kapitals und jagt die Menschen in den Giftgastod.

Matrose: Ich mag deine große politische Schnauze sonst nicht, aber diesmal hast du recht.

1. Chemiearbeiter: Ja, so ist es, alles gegen den Arbeiter. Alles im Sold gegen uns.

(Der Kesselheizer, von Aschenstaub bedeckt, mit russbeschmiertem Gesicht, ist dazugekommen)

Heizer: Wir aus den Kesselhäusern, wir aus der GasÂfabrik, wenn wir oben auf dem Generatorofen stehn überm offnen Loch und schütten auf und die Glut schießt hoch, und Hitze röstet die Sohlen, und Giftqualm wirbelt um den Kopf, oder wir stehn unten an der Feuerung und lassen den glühenden Koks ab in den Abflussgraben, und das Kühlwasser spritzt siedend hoch und verbrüht dich, und du reißt mit der Stange den Koks heraus, dann ist alles eins, alles rote Glut. Du weißt nicht, ob Leben ist oder Tod oder Hölle, wo die Pfaffen von erzählen. Wer da schuftet, dem verschlägt's Worte und Gedanken. In Giftqualm und Glut fragst du nicht mehr nach Leben und Tod.

Zimmermann: Ich verstehe nicht, was der Kamerad sagt.

Karl: Ich versteh' schon - unser höllisches Leben im Betrieb, schuften, schuften, im Giftqualm schuften, Tag um Tag, ohne Ende, und immer die Peitsche hinter uns.

Malchow: Warum soll's so weitergehn? Es muss nicht so weitergehn. Ihr sollt's nicht ertragen. Es ist bald Zeit, dass es anders wird. Die Kommunistische Arbeiterpartei wird euch bald zu den Waffen rufen. Wir sind Revolutionäre.

Karl: Mit dem Mund seid ihr Revolutionäre, ihr von der KAPD. Anarchisten seid ihr.

Heizer: Euer Gerede da - politisch oder wie ihr's nennt, das schiert mich nicht, aber wenn's mal soll anders kommen, das Unterste soll zuoberst werden, dann sind wir da, wir aus den Kesselhäusern, wir aus der Gasfabrik. Mit den langen Eisenstangen rei­ßen wir die Glut raus, und den Giftqualm lassen wir ab, für immer. Da wird ein großer Qualm kommen und Giftgestank, und dann ist die Luft reine.

Zimmermann: Der hat wohl getrunken? Ich versteh' ihn nicht.

2. Heizer (ruft von hinten): Komm, den Koks ablassen!

(Heizer geht ab. Arbeiter tragen einen Schreibtisch und einen Schrank dem Ausgang zu.)

Zimmermann: Seht doch, seht doch! Da wird wieder eine Möbelgarnitur herausgetragen!

Malchow: Du, Kollege, für wen ist der neue Schreibtisch?

Arbeiter Bertram: Für den Betriebsleiter.

Malchow: Und der Schrank?

Arbeiter Bertram: Für den Obermeister.

Malchow: Da seht ihr's wieder, Pfuscharbeit. Das Holz gehört dem Werk, die Arbeitskraft gehört dem Werk. Die Beamten stehlen's dem Werk.

Zimmermann: Die lassen sich alle neu aussteuern. Denen schmeißen sie ganze Wohnungseinrichtungen nach. Da drückt man beide Augen zu. Aber wenn ein Arbeiter sich den Rucksack voll Abfallholz steckt, dann ist das Diebstahl, und ist der Teufel los.

Wieland: Jetzt haben sie doch die Wachen an den Ausgängen verstärkt gegen den  diebstahl"  und wollen scharf kontrollieren.

Matrose: Zum Teufel, ich steck' mir den Rucksack voll Holz. Ich will sie kontrollieren lehren.

Wieland: Ich auch, Kollegen.

(Sie holen ihre Rucksäcke und füllen sie mit Holz)

Matrose: Bei dem Lohn, den wir haben, bei dem Hungerlohn.

Wieland: Und alle Tage wird das Geld schlechter.

Man bekommt bald nichts mehr zu kaufen für seine paar Groschen.

Matrose: Kaum langt's für Brot und Speck.

Wieland: Womit soll man die Stiefel besohlen? Womit soll man den Herd feuern?

Matrose (den vollen Rucksack umhängend): So, der wär' voll. Jetzt kann's losgehn.

(Die Sirene ertönt. Arbeitermassen strömen dem Ausgang zu, unter ihnen Matrose und Wieland. Die Pförtner halten sie an.)

Pförtner: Macht mal eure Rucksäcke auf! Was ist da drin?

Matrose: Holz ist drin, kein Schreibtisch und kein Schrank.

(Gelächter)

Pförtner: Dann her mit dem Rucksack! Das Holz bleibt hier.

Matrose: Das Holz geht mit.

Pförtner (zum andern Pförtner): Komm doch hierher, Kollege! Hier wird Holz gestohlen.

Matrose (gibt dem Pförtner eine Ohrfeige): Gestohlen?! Du räudiger Wachhund! Ich will dich lehren. Lauf! Leck deinem Herrn den Hintern!

(Großer Tumult. Die Pförtner werden niedergeschlagen. Die Arbeiter strömen aus dem Tor.)

1. Arbeiter: Die Knochen zerschunden -

1. Chemiearbeiter: Die Lungen kaputt -

Karl: Jeden Tag in Lebensgefahr ums bisschen Brot. Da setzt man uns noch solche Spitzelkerls, solche Aufpasserpolizei vor die Nase.

Malchow: Die Blutsauger verhöhnen uns noch.

Viele Rufe: Nieder mit der Leunadirektion!

 

II. AKT

1. Szene

Stille Straße in Merseburg. Hörsing kommt, dann Knappe.

Knappe: Guten Tag, Genosse.

Hörsing: Entschuldigen Sie, kann mich nicht besinnen.

Knappe: Knappe, technischer Angestellter im Leunawerk.

Hörsing: Ja, ich erinnere mich. Habt's wohl jetzt schwer im Leunawerk, was? Auf Wiedersehn.

Knappe: Ein Wort, Genosse Oberpräsident!

Hörsing: Ich muss zu einer dringenden Sitzung.

Knappe: Dann ist es umso dringender, dass Sie mich hören.

Hörsing: Also bitte, was haben Sie zu melden? Neues aus dem Leunawerk?

Knappe: Es wird mir schwer zu sprechen. Ich will keine falschen Beschuldigungen erheben. Ich bin so erschüttert.

Hörsing: Als Beamte haben wir die Gefühle aus dem Spiele zu lassen. Kommen Sie zur Sache.

Knappe: Die Arbeiter sind noch arglos. Aber aus den Kreisen der Direktion habe ich das Gerücht gehört, dass eine Polizeiaktion gegen das Industriegebiet beschlossen ist.

Hörsing: Nun und? - Sie sind doch wohl von der Notwendigkeit überzeugt? Sie stecken doch selber mitten im roten Hexenkessel.

Knappe: Herr Oberpräsident, Sie sind Sozialdemokrat.   Wir   Sozialdemokraten, wir Arbeiterführer können doch nicht Polizeitruppen gegen die Arbeiterschaft schicken.

Hörsing:  Gegen   die  Arbeiterschaft"   nicht,   aber gegen Diebe, Räuber und rote, verhetzte Bluthunde.

Knappe: Was sind das für Diebe? Hungerndes Volk, das Kartoffeln vom Acker stiehlt. Und die Räuber? Frierendes Volk, das Brennholz braucht.

Hörsing: Und die Bluthunde?

Knappe: Die gibt es gerade im anderen Lager.

Hörsing: Für einen Angestellten eines staatswichtigen Riesenbetriebes haben Sie merkwürdige Ansichten.

Knappe: Für einen sozialdemokratischen Führer haben Sie merkwürdige Praktiken, Herr Oberpräsident.

Hörsing: Denken Sie einmal ernsthaft über die Folgen des roten Terrors nach, Sie Phantast! Die rote Flut würde Sie ebenso fortspülen wie mich.

Knappe: So werden andere da sein.

Hörsing: Die Polizeioffiziere warten auf mich.

(Er geht weiter. Gleichzeitig kommt ein Trupp Leunaarbeiter, unter ihnen Matrose und Wieland.)

Wieland: Der Oberpräsident.

Matrose: Dein Kollege war Grobschmied wie du, ist die Leiter hübsch heraufgeklettert.

Bruno: Wo der klettert, beschmiert er die Sprossen mit Blut.

Wieland (ruft Hörsing nach): Holla, Kollege! Gehst zum Schlosse, dir die Füße wärmen?

Matrose: Wir haben den Rucksack voll Leunaholz, können euch einheizen. (Gelächter. Hörsing ist nicht mehr zu sehen.)

Wieland (zu Knappe): Lassen Sie sich nicht mit denen da oben ein, Herr Knappe! Zu Ihnen haben die Arbeiter Vertrauen.

Knappe: Das sollt ihr behalten. Lieber die Stellung verlieren. (Er geht erregt fort)

 

2. Szene

Konferenzzimmer wie im 1. Akt. Hörsing, Regierungspräsident, Reichskommissar, Rittergutsbesitzer, Polizeimajor Storch, Polizeimajor Kranz.

Regierungspräsident: Die in Aussicht genommenen Polizeikräfte sind meiner Auffassung nach durchaus unzureichend.

Polizeimajor Kranz: Auch nach meinem Dafürhalten sollten sofort größere geballte Formationen verwendet werden.

Regierungspräsident: Sehr richtig.

Hörsing: Wir haben die Kräfte nicht bereit, doch können sie durch Zeitfreiwillige ergänzt werden.

Reichskommissar: Es ist unmöglich, meine Herren, große Formationen von Polizeitruppen sofort nach Mitteldeutschland zu entsenden. Es ist schon aus außenpolitischen Gründen unmöglich. Die Entente erlaubt nicht die Zusammenziehung ungewöhnlich starker Polizeikräfte, außer in Fällen dringendster Gefahr. Die fehlt in diesem Falle. Eine Aufstandsgefahr liegt nicht vor.

Regierungspräsident: Sind Sie sich dessen so sicher, Herr Reichskommissar?

Reichskommissar: Ich bin lückenlos informiert. Schon nach dem Kapp-Putsch gelang es den gemäßigten   sozialistischen   Parteien,   die   Arbeiter rechtzeitig zurückzuziehen und dadurch die Front der radikalen zu unterhöhlen und den Staat zu retten. Jetzt fehlt die zündende Parole einer Rechtsputschabwehr. Die Kommunisten werden allein stehen.

Regierungspräsident: Bedenken Sie die allgemeine Situation, Herr Reichskommissar. Es gärt überall. Die Franzosen haben Düsseldorf, Duisburg und Ruhrort besetzt. In Oberschlesien herrscht angesichts der Abstimmung eine Siedetemperatur. In Ostpreußen ist Landarbeiterstreik. Der Geldwert fällt. Die Arbeitslosen rotten sich in immer bedrohlicherer Weise zusammen.

Reichskommissar: Das ist alles wahr, Herr Regierungspräsident. Es ist vielleicht auch wahr, dass die kommunistischen Parteien eine Aktion herbeizuführen wünschen. Doch es fehlen die Voraussetzungen. Ich bin genau informiert, dass die Gewerkschaften sowie SPD und wahrscheinlich auch USPD, so radikal sich letztere auch in Worten gebärdet, einen Aufstand nicht unterstützen. Wäre dies anders, würden sich die Führer der Gewerkschaften und der sozialdemokratischen Parteien den Kommunisten anschließen, so hätten wir angesichts der furchtbaren inneren und äußeren Lage in vier Wochen eine deutsche Räterepublik vom Rhein bis zur Memel. Doch dies ist nicht der Fall. Die Kommunisten haben als einzige Unterstützung die Arbeitslosen. Daher besteht eine Aufstandsgefahr in Mitteldeutschland nicht. Wir können nicht der Entente gegenüber gegen eine nicht existierende Aufstandsgefahr riesige Polizeikräfte mobilisieren, bekämen sie aber sofort bewilligt, wenn ein Aufstand begonnen hat.

Polizeimajor  Kranz:  Könnte  man  nicht  mit  der ganzen Polizeiaktion warten, bis die Polizeikräfte in Oberschlesien frei werden?

Hörsing: Das ist ausgeschlossen, meine Herren. Die Werksdirektoren schreien nach polizeilichem Schutz. Außerdem ist schnelles Losschlagen erforderlich, denn die kommunistischen Kampfverbände sind noch in sehr unvollkommenem Zustand, und man darf ihnen keine Zeit zum Rüsten lassen. Jedes Zögern schwächt unsere Position.

Reichskommissar: In der Woche vor Ostern muss unsere Aktion stattfinden.

Hörsing: Ganz recht. Die Arbeiterfamilien wollen ihre Feiertage haben. In den Feiertagen herrscht keine Kampfstimmung.

Reichskommissar: Es bleibt also bei den gefassten Beschlüssen. Auch sind die Garnisonen Merseburg, Weißenfels und Naumburg alarmiert.

Hörsing: Ohne Reichswehr! Sonst werden auch die vernünftigen Arbeiter nervös. Das könnte 'ne Katastrophe geben. Reichswehr nur im äußersten Falle!

Polizeimajor Storch: Das ist ganz meine Ansicht, Herr Oberpräsident.

Hörsing: Übermorgen erscheint ein vorbereitender Aufruf in der Presse, und dann sofort drei Hundertschaften nach Eisleben, zwei Hundertschaften nach Hettstedt und die übrigen Polizeikräfte wie verabredet auf die Dörfer des Industriegebietes verteilt. Meine Herren Polizeimajore, eine große Aufgabe ist in Ihre Hand gegeben. Verbrechen und Willkürhandlungen entarteter Menschen bedrohen die Ruhe und Ordnung des Staates. Welche Ursachen diese Verbrechen auch haben, der Staat ist heilig, der Staat muss geschützt werden. Wir müssen auf dem Boden des Staatsgedankens stehen. Darum haben

wir die neue Schutzpolizei aufgebaut, zur BekämpÂfung des inneren Feindes, zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. Meine Herren Polizeimajore, unsere Schutzpolizei ist eine noch junge Formation, aber ich hoffe, sie wird sich Dank und Achtung der beunruhigten und in ihren Eigentumsinteressen gefährdeten Bevölkerung erwerben. Ich überreiche Ihnen hier zur Orientierung eine Liste mit den Namen der kommunistischen Führer und sonstigen Unruhestifter. Nehmen Sie diese Liste mit; sie kann Ihnen gute Dienste erweisen. Im Ãœbrigen benutzen Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, wie Sie es für gut befinden, je nach dem Gebot der Stunde. Gehen Sie mit Gott, meine Herren!

Polizeimajor Kranz: Ich danke dem Herrn Oberpräsidenten für die vertrauensvolle Ansprache. Was die uns zur Verfügung stehenden Mittel betrifft, so sind sie etwas unzulänglich. Doch ist ja zu hoffen, dass es zu Kämpfen ernster Art nicht kommen wird.

Rittergutsbesitzer: Im Gegenteil, es wäre zu wünschen, dass man ein paar Dutzend Rädelsführer abknallte, damit die anderen endlich wieder kuschen. Ich stelle mich als Zeitfreiwilliger zur Verfügung, Herr Major. Bei der genauen Orts- und Personalkenntnis, die ich habe, kann ich Ihnen vielleicht von Nutzen sein.

 

3. Szene

Leunawerksgrundstück   mit   Baugerüst   wie   in   der 1. Szene. Matrose, Karl, 1. Chemiearbeiter.

Matrose: Es treibt einen vom Gerüst. Ich weiß nicht, was es ist; man hat keine Ruhe mehr bei der Arbeit.

1. Chemiearbeiter: Wir kommen auch, zu hören, was es gibt. Das summt im Werk wie im Bienenstock. Mal kommen die Funktionäre von der KAP zusammen und mal die von der VKPD und dann die von der Allgemeinen Arbeiterunion und dann der neu gewählte Aktionsausschuss. Es liegt was in der Luft. Ihr Zimmerleute, ihr wisst doch immer, was gespielt wird.

Matrose: Wir sind doch nur grobe Kerle mit Fäusten. Ihr von der Chemie seid feine Köpfe mit euren Messapparaten und Registrierapparaten. Womit wir hantieren, das sieht ein jeder: Balken, Pfosten und Säge. Aber ihr in euren Giftbauten; in euren tausend schwarzen Röhren und Kontaktöfen da sitzt der Teufel drin, unsichtbar. Kein Mensch sieht was, und ihr wisst doch Bescheid. Feine Köpfe seid ihr, hört das Gras wachsen.

1. Chemiearbeiter: Ihr fremden Zimmerleute, ihr hört die Revolution wachsen. Sturmvögel von der Wasserkant seid ihr.

Matrose: Sturmvögel, aber kein Sturm mehr im Land.

Karl: Im vorigen Jahr, da hat's gebrannt, da wär' bald alles Morsche und Faule in Flammen aufgegangen wie drüben in Russland.

Matrose: Da haben die Verräter mit Blut gelöscht. (Der alte Arbeiter ist zu ihnen getreten)

Alter Arbeiter: Sie löschen immer mit Blut.

Karl: Bis einmal das Feuer so stark wird, dass kein

Blut mehr löscht.

(Der SPD-Betriebsrat Dammel kommt)

Dammel: Hu, hu, hu! Hier geht's wieder hoch her und mitten in der Arbeitszeit. Wird hie noch ein Aktionsausschuss gewählt? Warum arbeitet ihr nicht, Kollegen? Ich bin als Betriebsrat verantwortlich. Wie soll die Werksleitung zum Betriebsrat Vertrauen haben, wenn nicht gearbeitet, sondern nur diskutiert wird?

Matrose: Vertrauen! Der Werksleitung ihr Vertrauen, das hast du, aber

unser Vertrauen schon lange nicht mehr. Kotz du nur den Aktionsausschuss an! Wir wissen, warum wir ihn gewählt haben.

Wieland: So einen, der der Werksleitung ins Arschloch kriecht, so einen Betriebsrat können wir nicht gebrauchen.

(Bernd Könne kommt)

Konne: Kollegen, euer Schimpfen hilft gar nichts. Warum beschimpft ihr immer den Kollegen Dammel?

Matrose: Der Dammel, der Waschlappen, da scheiß' ich drauf.

Zimmermann: So stänkert ihr gegeneinander, die Kommunistische Arbeiterpartei, wie sie sich nennt, gegen die Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands. Einer schmiert den anderen aus, und da soll man Vertrauen haben.

Konne: Zu denen könnt ihr Vertrauen haben, denn die Kommunistische Partei, die Partei Liebknechts und Rosa Luxemburgs, hat sich mit den besten, mutigsten Proleten von der USP vereinigt und ist nun die wirkliche Vertreterin der Arbeiterklasse, die um ihre Rechte kämpft.

Zimmermann: Das hat wohl seine Richtigkeit; aber da ist zum Beispiel seit dem Winter der neue hier, der Malchow von der KAPD. So jung wie er ist, aber reden kann er, Donnerschock. Dem jubeln sie zu, wenn er so steht und mächtig von sich gibt. Und andere wieder sagen: KAP und Malchow, das ist falsch. Wer findet sich da zurecht? Steht doch zusammen und haltet Frieden.

Alter Arbeiter: Auf den Frieden allein kommt's nicht an. Das muss alles seine Richtigkeit haben und seine Vernunft.

Konne: Die richtige Theorie vom Kampf muss man haben und die richtige Erkenntnis von der Lage. Und die hat die KAP nicht.

(Malchow kommt eilig mit Zeitungsblättern. Er hat die letzten Worte gehört.)

Malchow (höhnisch lachend): Erkenntnis der Lage! - Hier bring' ich euch die richtige Erkenntnis von der Lage. Hier steht's schwarz auf weiß: die weißen Garden rücken an. Wer hat das schon lange gesagt, dass wir uns rüsten, dass wir losschlagen müssen? Wir von der KAP. Da, lest!

(Lichtbild mit Aufruf) -Frauen! Arbeiter! Bürger!

... Wilde Streiks, Raub und Plünderungen... Holz, Kohlen... wertvolle Materialien... Gesetzwidrig... Versammlungen während der Arbeitszeit. An Wahnsinn grenzende Taten... dadurch gekrönt, dass man die gesetzlichen... Betriebsräte durch so genannte Aktionsausschüsse ersetzt. Wer sind... diese Leute, die... zu diesen Verbrechen aufreizen?... Internationale Verbrecher ... Provokateure... Arbeiter betören... Ich... ein halbes Menschenalter... in der Arbeiterbewegung... blutet das Herz... Daher habe ich befohlen: starke Polizeikräfte nach vielen Orten des Industriereviers. Polizei kommt... als Freund... Aber mit... Schärfe und Festigkeit... gegen die Verbrecher... Aufhetzung der Bevölkerung." -----
(Alle drängen sich um Malchow, der aus der Zeitung vorliest)

Wieland: Also es geht wieder mal los gegen die Arbeiterschaft.

Matrose: Das wird noch ein zweiter Kapp-Putsch. Da muss man die Augen offen halten.

Malchow: Gebt Signal mit der Sirene; die Funktionäre sollen sofort zusammentreten.

Dammel: Wie man da schon wieder hetzt! Es steht doch im Aufruf, die Polizei kommt als Freund; die Polizei kommt nur gegen Diebe und Räuber.

Matrose (Dammel mit der Faust drohend): Dass ich dir nicht die Judasfresse zerschlage, du Lump! Solche wie du, die sind den Mansfelder Kumpels in den Rücken gefallen, haben der Direktion ihre Unterschrift gegeben. Wir wissen, wo du stehst!

(Dammel geht eilig fort. Sirenensignal)

Malchow: Zur Funktionärssitzung!

(Malchow und Konne ab)

Matrose: Dass wir die Achtundvierzigstundenwoche erkämpft haben, das lässt ihnen keine Ruhe. Nun sollen wir mit Gewalt niedergeknüppelt werden.

Karl (in die Zeitung sehend): -Ungeheure Diebstähle von Holz und Kohlen und wertvollen Materialien finden Tag für Tag statt." -

Wieland: Ja, die Pfuscharbeit. Die Wohnungseinrichtungen, die bekommen die Herren da oben mit Kusshand zu ihrem hohen Gehalt noch dazu, damit sie die herrschende Klasse beschützen. Und wir Arbeiter? Für den Rucksack voll Brennholz, den wir mitnehmen, wollen sie uns mit blauen Bohnen füttern.

Willi: Um das bisschen Holz geht's doch nicht. Um den Achtstundentag geht's, um die Rechte des Betriebsrats geht's. So soll das Spiel gespielt werden.

Matrose: Die letzten Waffen aus unserer Hand und alle niedergeschlagen, und die Kapitalisten und Junker wieder aufs hohe Pferd. Auf uns wollen sie reiten. Die Sporen sollen wir in die Weichen kriegen, dass Blut spritzt.

(Bruno ist gekommen)

Bruno: Ich habe die Sirene gehört, ich hab' das Flugblatt gelesen. Ich kann nicht mehr arbeiten. Wir vom Ruhrgebiet, uns brennt's noch in der Brust. Wenn ich solch ein Blatt seh', da brennt's mich wie Feuer, da fliegen mir rote Funken vor den Augen und brennt's mir im Kopfe, da möcht' ich losstürzen mit einem Gewehr und meine toten Brüder rächen. - Ach, warum seid ihr damals nicht auch aufgestanden und zu uns gestoßen, ihr aus Mitteldeutschland? Jetzt kommt ihr dran.

Karl (den Arm um Bruno legend): Wir sind doch am Anfang der Revolution, Bruno. Du sprichst, als wären wir am Ende.

(Bruno geht rasch fort)

Matrose: Wir von der Wasserkant, wir sind weit herumgekommen, wissen, wie's im Lande aussieht. Überall ist die Arbeiterschaft zurückgedrängt, langsam, Schritt für Schritt. Viele merken's kaum. Nur hier in Mitteldeutschland sind wir noch stark. Wenn man uns reizt und tritt, steht das Werk still. Hier finden die politischen Flüchtlinge Unterkunft. Hier im Leunawerk ist das rote Herz. Auf das sehen sie von nah und fern, aufs rote Leunawerk. Auf das hoffen sie. Wir halten den Funken. Wir lassen das Feuer nicht verschütt gehn. Die Maschinengewehre marschieren. Die Aasgeier kreisen in der Luft. Jetzt geht's hart auf hart.

(Sie zerstreuen sich. Gleich darauf kommen Malchow, Konne und andere Funktionäre.)

Malchow: Also du zur Zentrale der KAP nach Berlin, du zur Zentrale der VKPD nach Berlin. Nachmittags Sitzung der Funktionäre der Allgemeinen ArbeiterÂunion hier im Werk. Wir beide - Konne und ich - heute Abend nach Halle zu unseren Parteileitungen. Du nach Weißenfels, du nach dem Geiseltal. Ãœberall Wahl von Aktionsausschüssen vorbereiten. Die Nachrichtenabteilung in Alarmbereitschaft!

(Alle ab außer Konne und Malchow)

Konne: Malchow, ich rate dir, dass du den Kurieren keine Meldung mitgibst, die wir nicht kennen.

Malchow: Ich verstehe nicht, was du willst.

Konne: Du  willst  nicht verstehen.  Deine wilden Reden sind bekannt. Du rufst immer nach Waffen. Aber du weißt, wie es im Reich aussieht. Vor vier Wochen  waren   die   Chemiebetriebsräte   aus   dem ganzen Reich hier in Leuna. Sie sind nicht bereit zum bewaffneten Kampf, weil sie noch nicht genug Massen hinter sich haben. Das Ruhrgebiet hat sich im vorigen Jahr verblutet durch Severings Verrat. Jetzt   erst   Generalstreik   überall,   und   dann   erst steigern zum Kampf.

Malchow: Generalstreik! Was ist das schon für 'ne Losung! Wir von der KAP haben hier die Mehrheit. Das hast du ja gesehen. Und wir werden mit euch einig werden. Jetzt an die Arbeit!

Konne: Ich hab' dir meine Meinung gesagt. Ich bin bereit, zu kämpfen wie irgendeiner. Aber ich liefere keinen Arbeiter leichtsinnig ans Messer. Ihr - heute so und morgen anders, keine Linie, keine Festigkeit, nichts von Taktik und noch weniger von Strategie.

Malchow: Ha, du! Taktik! Strategie! Theoretisches Geschwätz! Unsinn!

(Willi tritt zu Konne)

Willi: Ich versteh' dich, Bernd. Du bist ein Disziplinierter. Auf mich kannst du dich verlassen.

Konne: Das weiß ich, Willi. Du bist kein Faselhans wie Malchow. Fest bist du. (Beide ab)

 

4. Szene

(Gleich nach Konnes Abgang kommt Prell, der im Gerüst versteckt stand, aus seinem Versteck heraus und gibt ein leises Signal mit einer kleinen Pfeife. Von allen Seiten kommen Spitzel in Arbeiterkleidung.)

Prell: Aufgepasst, Kollegen! Jetzt fängt unsre Arbeit erst richtig an. Der Aufruf des Oberpräsidenten ist erschienen. Jetzt heißt's Augen und Ohren offen halten. Keiner von euch soll denken, dass er sein Brot umsonst verdient. Wer auf der faulen Haut liegt, fliegt. Wer mit der Arbeiterschaft sympathisiert und ein falsches Spiel treiben will, kommt auf die schwarze Liste. Ihr werdet kontrolliert von Leuten, die ihr nicht kennt, die aber euch kennen.

Die Spitzel: Wir arbeiten. Wir tun unsre Pflicht.

Prell: Das Wichtigste ist natürlich, den Führern auf den Fersen sein. Jedes Aktionsausschussmitglied ist ständig von zwei Mann zu beobachten. Von allen Befehlen, Protokollen  und schriftlichen Aufzeichnungen  der Arbeiter müsst  ihr  euch Abschriften machen.

Die Spitzel: Selbstverständlich! 48

Prell: Einer der wichtigsten Posten ist die Nachrichtenabteilung. Dort müsst ihr vor allem eindringen. Wo arbeitest du?

1. Spitzel: Bei den Gaskompressoren, Bau 7. P

rell: Und du?

2. Spitzel: Bei den Kontaktöfen, Bau 14.

Prell (notierend): Und du?

3. Spitzel: Bei den Kohlenbunkern, Bau 5.

Prell: Und du?

4. Spitzel: In der Schlosserei, Bau 50.

Prell: Und du?

5.Spitzel: Bei den Eisenbahnern im Rangierbahnhof.

6. Spitzel: Bei den Bauarbeitern bei Linsleben.

7.  Spitzel: Bei den Rohrlegern.

8. Spitzel: In den Kesselhäusern in Bau 3.

Prell: Sind auch alle Bauten von euch besetzt?

1. Spitzel (lachend): Kannst dich drauf verlassen, Chef, alle Bauten sind von uns belegt. Im Ganzen Leunawerk spricht kein Arbeiter einen Fluch, den wir nicht hören, und keiner scheißt, ohne dass wir's sehen.

Prell: Ich will jeden Tag Bericht haben, verstanden? Jeden Tag!

Die Spitzel: Jawohl!

Prell: Morgen abend an der bestimmten Stelle! Und noch einmal: Jetzt wird's ernst. Jetzt heißt's arbeiten.

 

5. Szene

Konferenzzimmer. Hörsing, Regierungspräsident, Direktor Oster.

Direktor Oster: Herr Regierungspräsident! Es sieht im Leunawerk bedrohlich aus.

Regierungspräsident: Diese Nacht trifft Verstärkung für die Garnison Merseburg ein. Die Mannschaft wird unauffällig aufs Schloss gebracht.

Direktor Oster: Das ist eine gewisse Beruhigung. Alles andere ist sehr beunruhigend. Die Hetzer sind Tag und Nacht am Werk, Kuriere unterwegs nach Halle  und  Berlin.  Verdächtige Gestalten  tauchen auf. Bestimmtes ist noch nicht zu ermitteln, obwohl ich meine Agenten in allen Bauten habe. Aber vier Forderungen haben sich herauskristallisiert: Wahl von Aktionsausschüssen, Entfernung der Truppen aus Mitteldeutschland, Entwaffnung der Truppen, Bewaffnung der Arbeiter zur Abwehr der Orgesch.

Regierungspräsident:   Also   halb   Defensive,   halb Offensive.

Hörsing: Forderungen kann jeder Esel stellen. Es fragt sich, welche Kräfte dahinter stehen.

Direktor Oster: Herr Oberpräsident! Ich wiederhole noch einmal meine Bitte um sofortige Besetzung des Leunawerkes mit Schutzpolizei. Bedenken Sie die gespannte Lage im ganzen Reich. Bedenken Sie die materielle   Bedeutung   des   Leunawerkes   für   die deutsche Volkswirtschaft, die moralische Wirkung, die ein Aufstand in diesem Betrieb haben müsste. Soll etwa das Werk stillgelegt werden, nur weil das Reich  nicht  schnell  genug  Schutzpolizei  schicken kann?   Diese   Machtlosigkeit   des   Reiches!   Diese elende Regierung! Man verliert wahrhaftig die Lust, auf einem so aufreibenden, verantwortungsvollen Posten zu stehen. Durch die Unfähigkeit der Behörden wird mein Ruf gefährdet.

Hörsing: Herr Direktor! Die polizeiliche Besetzung eines Industriegebietes ist kein Rechenexempel, das unbedingt glatt aufgeht. Sie haben der Polizeiaktion zugestimmt. Jetzt haben Sie die Suppe auszulöffeln. Polizeikräfte haben wir für das Leunawerk noch nicht zur Verfügung. Ich habe eben um fünfhundert Mann Verstärkung nach Berlin telefoniert, aber auch diese fünfhundert Mann brauchen wir für das Mansfelder Gebiet. Der Einmarsch der Truppen in Eisleben und Hettstedt hat sich ohne größere Störungen vollzogen, aber die Situation ist noch nicht geklärt. Jede Stunde kann eine Überraschung bringen.

Regierungspräsident: Es sind uns Polizeitruppen aus Düsseldorf in Aussicht gestellt worden. Besonders wertvolle Kräfte, die schon im Bürgerkrieg gestanden haben. Nur ist die Situation im Ruhrgebiet noch nicht geklärt genug.

Direktor Oster: Das ist bedauerlich. Das ist alles im höchsten Grade bedauerlich.

 

6. Szene

Großer Platz im Leunawerk. Im Hintergrund seitlich das Baugerüst. Bauten, Gerüste, Rohrbrücken. Überall Arbeiter bei der Arbeit. Es erscheint ein Film. Man sieht auf der Landstraße marschierende Polizeitruppen, dazu hört man Militärmusik, kurz, entfernt. Sofort darauf langes, starkes Sirenensignal. Lärm, Zurufe. Die Anstreicher klettern von den Rohrbrücken. Zimmerleute und Maurer steigen von den Gerüsten. In allen Bauten öffnen sich die Türen, Arbeiter kommen heraus.

Rufe: Belegschaftsversammlung! Belegschaftsversammlung an der Kohlenbahn!

Matrose (macht die Tür vom Bau auf): Ihr Giftkumpels raus, raus aus'm Bau!

1. Chemiearbeiter: Ja, ja, wir stellen nur die Maschine ab.

Prell: Ach was, Maschine! Die kann zum Teufel gehn.

1. Chemiearbeiter: Nun, nun, Kollege, bist noch neu im Betrieb und sperrst's Maul so weit auf.

Prell: Das ist mir alles zu schlapp hier. Hier ist noch kein richtiger revolutionärer Geist.

Rufe: Malchow! Malchow soll reden!

Matrose: Da kommt der Bezirkssekretär der Kommunistischen Partei aus Halle, Genosse Konitzky.

(Der Hof füllt sich mit vielen Tausenden von

Arbeitern)

Rufe: Aufs Dach! Konitzky aufs Dach! Konne-Bernd aufs Dach!

(Konitzky und Konne-Bernd steigen aufs Dach einer Maschinenhalle)

Konitzky: Kollegen und Genossen, Arbeiter des Leunawerks! Seit den Tagen des Kapp-Putsches war die Lage nicht so drohend für die Arbeiterschaft wie jetzt. Der zweite Kapp-Putsch ist im Gange, nicht so plump wie damals mit Pauken und Trompeten, sondern vorsichtig verdeckt hinter einer Polizeiaktion.

Rufe: So ist es. Die Junker - die Orgesch -. Ins Leunawerk kommen sie nicht. Wir schlagen sie raus.

Konitzky: Vor einem Jahr gaben Ebert und seine Genossen wieder alle Macht in die Hände der weißen Offiziere und schlugen der Arbeiterschaft die Waffen aus den Händen. Da wurde zum letzten und blutigsten Mal die Sache der deutschen Arbeiterschaft verraten.

Rufe: Ja, verraten überall: im Ruhrgebiet und in Mitteldeutschland, überall.

Konne:  Seit   damals  rüstet   die   Konterrevolution offen und frech. Sie fühlt sich beschützt von den sozialdemokratischen Führern. Die weißen Verbände schießen wie Pilze aus dem Morastboden dieser Republik. Ihr kennt sie alle, die Einwohnerwehren, die Orgesch und Stahlhelm. Alle Waffen, vom schweren Maschinengewehr bis zum Flammenwerfer, sammeln sich im Arsenal der Arbeiterfeinde. Am Bodensee ist eben ein Waffenlager entdeckt, das zur Bewaffnung eines kriegsstarken Regiments ausreicht. Bayern starrt von Waffen und wehrt sich gegen das Entwaffnungsgesetz der Entente. Bayern hält die Eingänge nach Thüringen besetzt, sprungbereit zum Vorstoß gegen das rote Mitteldeutschland, gegen das rote Berlin. Die ostelbischen Junker, die Rittergutsbesitzer von Pommern und Mecklenburg, die stellungslosen Offiziere im ganzen Reich, das ganze monarchistische Gespenstergelichter reicht sich die Hände. Die Unternehmer unterstützen ihr Treiben.

Konitzky: Ja, so ist's Kameraden.

Konne: Genossen, ihr wisst, was in den letzten Tagen geschehen ist. Ihr habt den Aufruf gelesen, den der sozialdemokratische Arbeiterverräter in frecher Verhöhnung der furchtbaren Not der arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung erlassen hat, diesen Aufruf, in dem Hungernde und Frierende als Diebe und Räuber gebrandmarkt werden. Ihr wisst, dem Aufruf ist die Tat gefolgt. Am Sonnabend sind kriegsmäßig ausgerüstete Polizeihundertschaften in Hettstedt und Eisleben eingerückt. Auch Teutschenthal und andere Orte unseres Industriegebiets werden mit Schutzpolizei überschwemmt.

Ironischer Zuruf: Als -Freunde" kommen sie, hat Hörsing gesagt.

(Gelächter, Tumult)

Konitzky: Ja, als Freunde sind sie gekommen. Als Freunde laden sie ihre Gewehre. Als Freunde erschießen sie Mansfelder Kumpels. Arbeiter, in Hettstedt und Eisleben ist Arbeiterblut geflossen.

(Große Erregung)

Rufe: Raushaun! Niederschießen! Betrieb stilllegen! Generalstreik!

Konitzky: Arbeiter des Leunawerks, die Bezirksleitung der Vereinigten Kommunistischen Partei in Halle fordert euch auf, unverzüglich in den Protest - und Sympathiestreik einzutreten.

Mächtiger Ruf: Streik!!!

Konitzky: Einen Aktionsausschuss habt ihr schon gewählt. Überall ringsum geschieht das.

(Malchow ist auf das Dach gestiegen)

Rufe: Malchow von der KAP soll reden!

Malchow:  Arbeitskollegen  des  Leunawerks!  Jetzt heißt es keine Zeit verlieren. Jetzt gilt's zu handeln. In allen Betrieben müssen unverzüglich Aktionsausschüsse gebildet werden. Die Vorgänge haben uns nicht überrascht. 50 Kuriere von uns sind seit zwei  Tagen  unterwegs.   Heute  abend  sollen  alle Aktionsausschüsse   in   Weißenfels   zu   einer   Besprechung zusammentreten. Wir von der KAP sind immer fürs Handeln und nicht fürs Abwarten. Wir müssen uns bewaffnen. Bewaffnet sind die weißen Garden eingezogen. Bewaffnet müssen die Arbeiter ihnen entgegentreten.

Rufe: Bewaffnen! Bewaffnen!

Malchow: Und nicht den ewig schwankenden und zögernden Parteien darf die Führung überlassen bleiben. Nicht Parteibonzen am grünen Tisch sollen bestimmen. (Zwischenrufe: Oho, oho, gerade die Führer  der  VKPD!)   Sondern  wir  Arbeiterschaft selbst. Aktionsausschüsse aus den Betrieben, Aktionsausschüsse aus den Dörfern und Städten gewählt, sind das Herz der Arbeiterschaft, in dem das Blut der Revolution kreist. Alle Macht den Aktionsausschüssen!

Rufe: Aktionsausschüsse!

Andere Rufe: Die Partei soll führen!

Malchow: Bestätigt die Belegschaft den Aktionsausschuss, den wir im Leunawerk gewählt haben? Dort stehen die Genossen: Sechs von der KAPD, fünf von der VKPD, einer von der USPD.

Rufe: Wir bestätigen!

(Alle heben die Hände hoch)

Malchow: Der Aktionsausschuss des Leunawerks ist bestätigt. Überträgt die Belegschaft alle Macht und Entscheidung dem Aktionsausschuss?

Rufe: Alle Macht dem Aktionsausschuss!

Malchow: Der Aktionsausschuss übernimmt die Leitung des Leunawerks. Wir stimmen über den Streik ab. Wer ist für sofortigen Streik?

Rufe: Streik!

(Alle heben die Hände hoch)

Malchow: Der Streik ist erklärt, aber die Notstandsarbeiten werden im Interesse der Arbeiterschaft aufrechterhalten. Betriebsrat Bromme und Konne teilen der Direktion die Beschlüsse der Belegschaft mit! Teilt der Direktion ferner mit, dass der Aktionsausschuss die Verantwortung für die Sicherheit des Betriebs übernimmt, solange keine Schutzpolizei einrückt. Unsere Forderungen an die Regierung, unsere Forderungen an die Werksleitung sind: Anerkennung der Aktionsausschüsse, Entwaffnung und Entfernung der Truppen aus Mitteldeutschland, Bewaffnung der Arbeiterschaft zur Abwehr der Orgesch. Werden diese Forderungen nicht erfüllt, so treten wir in den bewaffneten Kampf ein. Es ist März, Kameraden! Die Märze sind blutig in Deutschland.

(Betriebsräte ab)

Genosse Kessel ist militärischer Leiter des Leunawerks.

Zurufe: Kessel! Kessel!

Kessel   (auf   dem   Dach):   Genossen!   Kameraden! Arbeiter des Leunawerks! Wir haben im vorigen Jahr zusammen in Halle gekämpft und im Mansfelder Land. Wir haben die Macht der weißen Garde gebrochen.  Es war eine blutige Woche. - Zweihundertfünfzig Kämpfer liegen in Halle begraben. Das Blut floss nicht umsonst. Wir mitteldeutschen Arbeiter haben unsere Rechte gewahrt. Wir haben noch Betriebsräte, wir haben noch den Achtstundentag.   Und  wieder  stürmen   die  weißen   Kolonnen heran, und wieder müssen wir zusammentreten, die rote gegen die weiße Armee. Tretet zusammen zu Hundertschaften! Tretet bauweise an auf dem Sportplatz! Die Ausgänge des Werks sind sofort zu besetzen, die Posten an der Umfassungsmauer zu verteilen.

(Betriebsrat Bromme und Konne kommen, steigen aufs Dach)

Rufe: Sie kommen von der Direktion.

Konne: Kollegen, die Direktion...

Rufe:   Was   Direktion!   Der   Aktionsausschuss   ist unsere Direktion.

Andere Rufe: Still doch! Lasst sie reden!

Konne: Genossen, ich muss euch melden, was die oben gesagt haben. Die Direktion fordert die Belegschaft auf, unverzüglich die Arbeit wieder aufzunehmen. Geschieht es nicht, so zieht sie die Ingenieure aus dem Werk zurück und entlässt die Arbeiter.

(Wilder Tumult)

Rufe: Wir werden ohne Ingenieure arbeiten. Die Hunde! Streik! Streik!

Konne: Arbeiter des Leunawerks, Genossen, unser Industriebezirk, das Herz Deutschlands, soll durch die weißen Garden der Gegenrevolution versklavt und geschändet werden. Alle nach der Revolution errungenen Rechte wollen die Unternehmer uns wieder entreißen. Das dürfen wir nicht dulden. Streik ist die Losung für jeden ehrlichen, klassenbewussten Arbeiter.

Rufe: Generalstreik!

Alter Arbeiter (auf dem Dach): Ich bin alt. Ich bin immer unterm Joch gegangen. Ich war ein müder Karrengaul. Dann kam die Revolution. Da ward ich ein Mensch. Dann warf's uns wieder zurück. Wir waren noch zu dumm und zu zerrissen, und die Herren sind schlau und stark. Aber wir müssen immer wieder aufstehn, immer - wieder - aufstehn - bis zum Ende.

(Freudige Zurufe)

Bruno (auf dem Dach): Brüder, im Ruhrgebiet da haben wir gekämpft im vorigen Jahr. Da stand die rote Front von Wetter bis Wesel. Da waren die Arbeiter einig, ein rotes Arbeiterheer. Aber die Regierung hat uns an die weißen Offiziere verkauft. Mit dem Bielefelder Abkommen haben sie uns von hinten tückisch erwürgt. Dann stank die Erde grausam von Blut, und die Toten schreien nach Rache. Aber hier in Leuna, hier muss es gelingen. Hier sind wir zusammen ein großmächtiger Schwung, zwanzigtausend und mehr. Hier ist unsre Festung und Ausfallstür. Hier fallen wir aus ins Mansfelder Land, ins Grubenrevier und die Städte nach Norden und Süden, überallhin, bis ins Ruhrgebiet.

(Ein Kurier kommt)

1. Kurier: Kameraden! In Eisleben wird gekämpft. Max Hoelz mit einer Sturmkolonne ist ins Mansfelder Land gerückt und führt die Kumpels.

Rufe: Nach Mansfeld! Nach Eisleben! Waffen! Waffen!

Malchow (auf dem Dach): Wir bleiben hier. Wir halten den Betrieb besetzt. Der Betrieb unsre Burg. (Zum Kurier) Alle Kuriermeldungen nur an den Aktionsausschuss, nicht an die Belegschaft!

Rufe: Wir wollen auch wissen, was gespielt wird!

Kessel: Disziplin, Kameraden! In Kolonnen angetreten !

Malchow: Morgen ist Löhnung.

(Die Arbeiter strömen auseinander. Es bilden sich kleine Gruppen, die stehen bleiben. Konitzky und Konne kommen.)

Konne: Genosse Konitzky, was bedeutet das? Ruft

die Partei zum bewaffneten Kampf auf?

Konitzky: Wir haben in Halle zum Generalstreik ausgerufen.

Konne: Ihr wisst, die KAP ist sehr stark im Leunawerk. Der Malchow mit seinem Redeschwall steckt die Belegschaft in die Tasche. Was ist die Losung der Partei?

Konitzky: Die Losung ist - die Bewegung weitertreiben, aber so, dass wir uns nicht isolieren, nicht die Verbindung mit den Massen verlieren.

Konne: Mit welchen Massen? Hier sind Massen, und sie sind für den Kampf. Du hast die Stimmung erlebt. Blut ist geflossen. Nun gibt's kein Zurück... Aber die Massen draußen: - Überall im Reich? Wie steht es dort? Die Lage ist doch anders als im vorigen Jahr, als die Reaktionäre durch einen zentralen Schlag ganz Deutschland herausforderten. Da standen die deutschen Arbeiter einig zur Abwehr auf. - Aber jetzt. - Klanglos, fast unbemerkt besetzt Polizei unser Industriegebiet unter der Parole gegen Diebe und Verbrecher". An unserer Grenze das 1919 blutig erwürgte Bayern, vor Waffen starrend, und das Ruhrgebiet, in dem Tausende der Besten im vorigen Jahr ermordet wurden... Man weiß noch nicht, was dort vorgeht. Wird Berlin aufstehn? Wird Hamburg aufstehn?

Konitzky: Hamburg! Wie kannst du fragen! Da ist doch Thälmann. Haben sicher schon mit Streik begonnen. Im Ruhrgebiet ist's auch schon unruhig und in Württemberg. Nur die Verbindungen zum Reich sind schlecht.

Konne: Also kalt Blut und jeder auf seinen Posten! Wo Arbeiter kämpfen, müssen wir sie führen. Es gibt kein Zurück.

(Sie reichen sich die Hände)

Konitzky: Max Hoelz ist in Eisleben aufgetaucht, wurde mit Jubel begrüßt.

Konne: Ein tapferer Mann, aber sehr undiszipliniert. Wird er nicht Unheil stiften?

Konitzky: Die Mansfelder Genossen wollen ihm jemanden beigesellen, der ihn ergänzt mit richtiger Taktik und Vernunft.

Konne: Hoffentlich gelingt's. - Noch kein Genosse aus Berlin da? -

Konitzky: Noch keiner.

 (Konne   und   Konitzky   nach   verschiedenen Seiten ab. Arbeiter kommen.)

Arbeiter Bertram: Das gefällt mir nicht, Kollege. Das ist eine gefährliche Sache.

Zweiter Arbeiter: Hier wird um den eigenen Kopf gespielt. Da hau' ich lieber bei Zeiten ab.

Arbeiter Bertram: Man drückt sich am besten rasch, ehe die Ausgänge besetzt sind.

3. Arbeiter: Man fährt nach Hause, kommt morgen wieder. Und auch morgen kann man über den Zaun steigen. Aus Leipzig wird mich niemand holen.

Arbeiter Bertram: Und mich aus Weißenfels auch nicht.

3. Arbeiter: Solche Sachen grade vor Ostern! Man will doch einen Feiertag haben. Man kann vielleicht nach den Feiertagen mitmachen. Aber jetzt vor Ostern - nein. Da freut man sich schon seit langem drauf, dass man die müden Knochen ein bisschen ausruhn kann. Die Politischen haben auch keinen Verstand für so was, noch dazu, wo wir in ein paar hundert Ortschaften zerstreut wohnen.

(Die drei gehen weiter. Andere kommen, unter ihnen Wieland, Matrose, Karl, alter Arbeiter.)

Wieland: Kessel-Robert ist echt, aber er schmeißt die Sache nicht allein. Die ist zu groß für ihn.

Matrose: Wir werden aufpassen. Wir sind doch alle da mit Ohren und Augen und Fäusten.

Alle: Es wird schon werden.

Karl: Es muss werden. Wir können doch nicht lebenslang - wie im dunklen Stollen die Kohlenhunde - Tag und Nacht ohne Aufhören - und niemals ans Licht.

Alter Arbeiter: Es geht alles seinen Gang, wie's muss. Es hat alles seine Richtigkeit. Wir sind die ersten nicht und werden nicht die letzten sein. Der Zug ist lang, ein großes Heer, Tote und Lebende. Jetzt sind wir dran.

 

7. Szene

Kleines Zimmer in der Barackenstadt. Konne-Bernd, Kessel, Bruno, Grasser.

Kessel: Die Parteileitung der Barackenstadt wurde dringend zusammengerufen. Beginnen wir!

Konne: Genossen, wie konnte es kommen, dass die Wirrköpfe von der so genannten Kommunistischen Arbeiterpartei, wo in Wirklichkeit gar nicht viel Arbeiter drin sind, sechs Stimmen im Aktionsausschuss haben?

Grasser: Ist überhaupt nicht zu verstehen.

Kessel: Man fasst sich an die Stirn und kann's nicht fassen.

Bruno: Ist einfach ein Trauerspiel.

Konne: In Wirklichkeit hat doch unsere Partei die Mehrheit im Industriegebiet.

Kessel: Wie stark war unsere Partei, und was haben wir alles zustande gebracht, gerade in den letzten Monaten, manches, was selbst alte Genossen kaum für möglich hielten!

Konne: Die Achtundvierzigstundenwoche haben wir durchgekämpft. -

Grasser: Und den Steuerstreik, wo die Herren von der Industrie alle sagten, das werden wir niemals durchsetzen und haben's doch durchgesetzt.

Kessel: Hielten eben zusammen, waren alles saubere, feste Leute.

Konne: Ja, saubere, feste Genossen und jetzt? -

Grasser: Hört mal! Ich hab' schon manchmal gestaunt und geguckt, was man jetzt so für Gesichter bei uns sieht, Galgengesichter.

Kessel: Stimmt. Und überall neue. Wo die alle herkommen, Genossen, in alle Bauten, auf allen Höfen. (Mit der Faust aufschlagend) Dieser Spur muss man nachgehen. Ungeziefer hat sich eingeschlichen.

Konne: Ja, Robert, so scheint's zu sein. Sonst wär' das gar nicht zu erklären. Denkt doch zum Beispiel an diese Burschen mit den Mandolinen, wie sie da in der Pause sitzen und den Kumpels wüste Landsknechtslieder vorspielen. Und ihre Gesichter sehn ebenso aus. Was sind das für Leute? Wo sind die hergekommen?

Grasser: Richtig, Bernd! Das hab' ich mich neulich auch gefragt, wie ich gerade da vorbeikam. Das sind keine  ehrlichen  Arbeiter.  Anarchistische  Stromer sind das, diese wüsten Sänger. Das sind dem Malchow seine Anhänger und vielleicht von der Direktion uns auf die Nase gesetzt, und nun sitzen sechs Stück davon im Aktionsausschuss.

Bruno: Verdammt noch mal!

Kessel: Ein schwerer Brocken!

Konne: Einen schweren Brocken haben wir zu verdauen. Da muss man die Augen vorn und hinten haben. Merkt euch das! Öffentlich darf man nicht davon sprechen, sonst verliert mancher Arbeiter den Mut.

Kessel: Stimmt. Und die Mansfelder Kumpel stehn schon im Kampf.

Konne: Also kämpfen und den Mut nicht verlieren und gut aufpassen, wenn der Feind Verwirrung stiften will!

Bruno: Wir sind doch hier im Leunawerke ein mächtiger Trupp, zwanzigtausend Mann oder mehr.

Konne: Musst bedenken, das ist hier nicht wie bei euch im Ruhrgebiet, wo ihr nah zusammenwohnt. Unsere Arbeiter kommen per Rad und per Bahn von weit her, wohnen in vierhundert verschiedenen Ortschaften und haben an ihren Wohnorten viel zu tun. Darum ist's schwer, die zusammenzuhalten. Und aus den vierhundert Städten und Dörfern kannst du sie nicht holen.

Kessel: Richtig! Nur die Treuen und Festen, nur, wem's im Herzen brennt wie uns, nur solche werden zu unserer großen Sache stehn.

Bruno   (nachdenklich):   Und   niemand   aus   Berlin kommt. - Ja, ja, Karl und Rosa ermordet und viele andere von den Besten, das fühlt man nun.

Konne: Nicht den Kopf verlieren, Genossen! Die Partei der Arbeiter ist stark. Trotz aller Morde und Niederlagen - uns besiegt man nicht.

(Sie reichen sich die Hände und gehen dann auseinander)

 

III. AKT

1. Szene

Fünf Arbeiterküchen nebeneinander auf der Bühne. 1. Küche: der Heizer und seine Frau, 2. Küche: Arbeiter Bertram und Else, 3. Küche: 3. Arbeiter und 3. Frau, 4. Küche: Freimann und Freimanns Frau und Kinder, 5. Küche: die rote Guste und 1. Spitzel. Falls dies szenisch für manche Bühne unmöglich, können die Küchen auch nacheinander gezeigt werden.

(Der   Heizer   holt   sein   Gewehr   aus   dem Schrank)

Frau des Heizers: Was willst du mit dem Ding? Las es doch im Schranke stehn!

Heizer: Morgen treten wir bewaffnet im Leunawerk an.

Frau des Heizers: Bewaffnet im Leunawerk? Wieder wie im vorigen Jahr? 250 Tote liegen in Halle. Nein, nein, du bleibst hier!

Else: Im Mansfeldischen kämpfen sie. Ihr sollt bewaffnet antreten im Leunawerk, und du willst hier bleiben? Du willst hier ausruhn und deine Brüder verraten? (Sie holt ein Gewehr unterm Bett vor) Hier hast du dein Gewehr vom vorigen Jahr. Es ist nicht verrostet.

Arbeiter Bertram: Ich will nicht mitmachen. Es wird schief gehen. Ich hab' kein Vertrauen zu der Sache. 3.

Frau (stellt einen Napfkuchen auf den Tisch): Also Klamauk machen sie wieder? Sieh mal, der Osterkuchen ist schon fertig. Ich hab' beim Kaufmann anschreiben lassen. Morgen bekommst du doch Lohn?

3. Arbeiter: Ja, morgen ist Lohntag. Aber da sollen wir Waffen mitbringen und im Leunawerk bleiben. 3.

Frau: Das ist ja Quatsch. Wat willste mit die Knarre? und überhaupt vor Ostern! Da, koste mal, wie's schmeckt.

Else: Wenn ihr feige seid, dann geht's schief. Ich dacht', ich hab' einen Mann, einen Mann, der aufsteht, wenn die Partei ruft, und seinen Brüdern hilft, wenn sie bluten.

Arbeiter Bertram: Das ist so 'ne wilde Sache von der KAP und den Kommunisten. Unsere Partei ist nicht dafür. Ich hol' meinen Lohn und komme wieder. Da gibt's doch nur Dresche. - Hier hat man seine Ruhe. Der Klamauk hilft ja doch nicht.

(Freimann in der 4. Küche putzt sein Gewehr, schwangere Frau steht neben ihm, drei Kinder vor ihm)

Freimanns Frau (auf Freimanns Schulter gestützt, mit leisem Schluchzen):  Du  mußt's  wissen,  ob's

nötig ist. Wenn's sein muss, will ich dich nicht halten.

Freimann: Es muss sein, Frau. Wir müssen kämpfen.

Freimanns Frau: Und ihr werdet siegen? (Schweigen) Werdet ihr siegen?

Freimann: Ob Sieg oder Niederlage - wir müssen kämpfen.

Die rote Guste: Morgen mach' ich ins Leunawerk. Der Oberkrim hat's gesagt.

1. Spitzel: Meinetwegen. Aber dass du mir nicht zu viel rumpussierst!

Die rote Guste: Ha, du Achtgroschenjunge, willst mir Vorschriften machen.

1. Spitzel: Bist du was Besseres?

Mädchen (zu Freimann): Wenn sie dich totschießen, Vater, was dann? (Die Frau schluchzt auf) Du sollst nicht weggehen, Vater!

Junge: Nimm mich mit, Vater!

Die rote Guste: Ich verdien' mir mein Geld selbst; da will ich auch meinen Spaß haben. Ich such' mir die schönsten Kerle raus im Leunawerk.

1. Spitzel: Hure!

Heizer: Begreifst du's nicht, Weib? Es geht zum Kampfe.

Frau des Heizers: Nein, du darfst nicht gehen. Ich will nicht allein die Kinder füttern. Ich will nicht allein im Bett liegen ohne Mann. Ich will keinen Krüppel, ich will keinen Toten! Du bleibst. (Sie umschlingt den Heizer. Der Heizer macht sich frei.) Warum willst du fort?

Heizer: Warum? - Das Unterste muss zuoberst werden. Der große Ofen muss werden angesteckt.

(Der Heizer steht, auf das Gewehr gestützt, und sieht visionär ins Leere. Die Frau sinkt schluchzend auf einen Stuhl.)

Arbeiter Bertram: Ich sag' dir doch, ich hab' kein Vertrauen zu der Sache.

Else: Dann bleib hier und back Osterkuchen! Ich nehm' dein Gewehr und stell' mich im Leunawerk zur Verfügung.

3. Frau: Ein viertel Pfund Rosinen sind mang den Kuchen. Mir tut der Bauch weh vom Teigschlecken. - Nun sitz doch still! Was rennst du denn so rum? 3.

Arbeiter: Mir geht das noch so im Kopf herum mit Leuna. In Eisleben sind die Grünen einmarschiert und haben geschossen.

3. Frau: Ostersonntag zieh' ich mein Blaues an. Da können wir rausfahren und uns erzählen lassen. Kuchen packen wir ein. Kaffee kochen wir draußen. 3.

Arbeiter: Kuchen mit Rosinen oder mit blauen Bohnen -

3. Frau: Ja, richtige Kaffeebohnen nehm' ich mit. (3. Arbeiter stampft ungeduldig mit dem Fuß auf) Na, was haste denn bloß?

Freimann: Frau, du begreifst, um was es geht - Zehnstundentag und Maulhalten.

Freimanns Frau (leise weinend): Ich begreif schon, um was es geht. Nur ist es so schwer, und nu kommt noch das Kind. Und du bist ein guter Mann. Wenn's sein muss, dann geh in den Kampf.

Mädchen: Nein, Vater soll bei uns bleiben.

Freimann (aufstehend): Wer ein Klassenkämpfer ist, der tritt morgen bewaffnet im Leunawerk an. So ist der Beschluss.

Die rote Guste: Denkst du, das macht mir Spaß mit euch Spitzeigemurks? Morgen im Leunawerk, ha, da gibt's Männer.

1. Spitzel: Wirst nicht lange deinen  Spaß haben, musst sie doch verraten.

Die rote Guste: Erst die Liebe, dann Verrat. Und überhaupt - ich tu, was ich will.

1. Spitzel: Nimm dich in acht

 

2. Szene

Raum in Kantine 2. Aktionsausschuss von elf Arbeitern, darunter Malchow, Wieland, Freimann, Willi, einige Mitglieder des Betriebsrats: Konne, Bromme, einige Vertrauensleute. Sitzung.

Freimann: Ich sage euch, man muss das Werk ganz stilllegen. Dann haben wir freie Hand, können kämpÂfen im Werk und außerhalb, wie wir wollen. Wenn das Werk in Betrieb ist, dreht sich alles um die Produktion, und der Kampf kommt zu kurz.

Rufe: Unsinn! Der Betrieb muss aufrechterhalten bleiben - wir schneiden uns sonst ins eigene Fleisch, wenn die kostbare Apparatur kaputt ist und der Betrieb monatelang stilliegt.

Konne: Ganz richtig, Genossen. Wenn keine Notstandsarbeiten gemacht werden, dauert es nachher

Monate, bis die unbrauchbar gewordene Apparatur erneuert werden kann, und die Belegschaft ist solange arbeitslos. Wir müssen so produzieren, dass für die Direktion kein Pfennig Verdienst herauskommt, aber die Apparate erhalten bleiben. Das geht zu machen. Einverstanden?

Mehrere: Ganz richtig! So soll's sein!

Wieland: Jawohl, das ist im Interesse der Arbeiter.

Freimann: Aber wenn wir das Werk stilllegen, dann haben wir ganz freie Hand, wenn's zu größeren Kämpfen kommt.

Konne: Wir sind Revolutionäre, Genossen. Keinen Tag, keine Stunde werden wir hier Notstandsproduktion machen, wenn die Lage es erfordern sollte, draußen mit vollem Einsatz zu kämpfen.

Freimann: Dann ist's recht, Bernd. Dann bin ich einÂverstanden. Und du, Malchow, mach die Ohren auf, dass du's nicht wieder anders auslegst oder drehst.

Malchow: Wieso denn?

Freimann: Weil du 'ne Wetterfahne, bist. Mal brüllst du -Freiheit und Anarchie", dann ein andresmal duckst du dich wie ein geschlagener Köter.

Malchow: Ich!? Ich!?

Willi: Ruhe, Genossen!

Konne: Außerdem muss die Direktion, wenn wir arbeiten, auf die Notstandsarbeiter Rücksicht nehmen und kann nicht gewaltsam gegen sie vorgehen. Sie kann zum Beispiel nicht mit Artillerie reinschiessen.

Malchow: Mit Artillerie! Auch wenn stillgelegt ist, wird sie nicht mit Artillerie das eigne Werk kaputtschiessen. Denkt doch an die Inselbehälter! Das wär' doch Giftgaskrieg gegen die Barackenstadt.

Konne: Jetzt wird abgestimmt. Wer ist für Aufrechterhaltung der Notstandsarbeiten? Ich stelle fest, dass die überwiegende Mehrheit für Aufrechterhaltung der Notstandsarbeiten ist.

Rufe: Konne muss die Betriebsleitung übernehmen.

Konne: Gut, ich übernehme sie. Ich brauche sechshundert Mann für jede Schicht und gehe jetzt, sie einzustellen. Ich werde mit den Chemikern und Ingenieuren verhandeln. Sie müssen sich zur VerÂfügung stellen. Kameraden: im Leunawerk soll kein Kontaktofen unbrauchbar werden. Nach dem Kampf soll kein Arbeiter arbeitslos werden.

Zurufe: Mach's gut, Konne!

(Konne ab)

Freimann: Vorhin war wieder einer von der Direktion hier.

Wieland: Der Direktor Oster?

Freimann: Nein, der ist doch getürmt. Der Angestelltenrat Knappe war, hier. Der ist jetzt Vermittlungsmann zwischen uns und der Direktion, ein ehrlicher Kerl.

Malchow: Eine militärische Kommission haben wir nun und eine technische. Nun müssen die anderen Kommissionen gebildet werden.

Freimann: Ach was, Kommissionen! Quatscht doch nicht so viel! Holt Waffen heran, und hört auf zu quatschen! Kommissionen und Resolutionen,  und von den Feinden - blaue Bohnen.

Rufe: Waffen! Waffen!

Malchow: Selbstverständlich Waffen, Genossen. Aber lasst uns noch schnell über die wichtigsten Kommissionen beraten. Wie kann man sonst Tausende dirigieren und verpflegen? Das Wichtigste ist der Nachrichtendienst. Ich schlage als Nachrichtenleiter Genossen Kalk vor.'

Alle: Angenommen.

Malchow: Später die Verpflegungskommission, die Finanzkommission, die Pressekommission, den Samariterdienst. Und jetzt an die Arbeit!

(Alle gehen hinaus außer Wieland. Matrose kommt.)

Matrose: Nun, was habt ihr zustande gebracht?

Wieland: Das gefällt mir alles nicht, Kamerad. Einer zäumt den Gaul am Kopf und einer am Schwanz auf. Mir wird ganz wirblig. Hätten wir doch einen Kerl mit einem Mut und einem Kopf, einen Starken, der alle führt und die Sache schmeißt.

Matrose: Dir fehlt's doch an Mut nicht.

Wieland: Aber an Kopf, und bei anderen, wie bei dem Malchow, da ist das Herz nicht auf dem rechten Fleck.

Matrose (die Arme reckend): Es muss werden. Aber jetzt Waffen!

 

3. Szene

Großer Platz und Werkstraße im Leunawerk. Ein Arbeiter mit einem Gewehr patrouilliert. Ein Trupp Arbeiter kommt.

Arbeiterwache: Wohin wollt ihr, Kollegen?

2. Chemiearbeiter: Wir gehen zur Schicht, Wir haben uns Konne-Bernd  für die Notstandsarbeiten  zur Verfügung gestellt.

Arbeiterwache: Ausweis vom Aktionsausschuss!

2. Chemiearbeiter: Hier.

Arbeiterwache (die grünen Ausweise betrachtend): Gut.

(Die Arbeiter gehen weiter. Ingenieur Brettl kommt.)

Arbeiterwache: Wohin, Kollege? Ihr Ausweis.

Ingenieur Brettl: Sie kennen mich doch, Mann. Ich bin doch der Ingenieur Brettl. Ich muss zu den Gaskompressoren.

Arbeiterwache: Ich kenne nur Leute mit oder ohne Ausweis. Weiter gibt's hier keine.

Ingenieur Brettl: Ich habe mich zur Verfügung gestellt, damit kein Unglück geschieht, und nun macht ihr solche Schwierigkeiten.

Arbeiterwache: Ich verlange nur Ihren Ausweis.

Ingenieur Brettl: Ich bin von der Direktion geschickt und nicht von eurem Aktionsausschuss.

Arbeiterwache:   Aber   den   Ausweis   müssen   Sie vom   Aktionsausschuss   oder   vom   Angestelltenrat haben. Sonst kommen Sie nicht ins Werk.

Ingenieur Brettl: Zum Teufel, das ist mir zuviel. Erst haben mich zwei freche Lausejungens mit Schießknüppeln kontrolliert, und jetzt geht's noch mal los. Macht euern Dreck allein! Ich komme nicht wieder. (Brettl macht kehrt und geht fort. Man hört lautes, erregtes Sprechen. Viele Arbeiter kommen, dann Freimann.)

Arbeiter Bertram: Wir haben unsere Löhnung. Jetzt haun wir ab. Die Suppe haben wir nicht eingebrockt. Die wollen wir nicht auslöffeln.

(Die Arbeiter wollen eilig weiter) 3.

Arbeiter: Das endet mit Dresche und weiter nichts. Kommt, kommt! Den Schreiern sollen sie das Fell gerben, uns nicht.

Arbeiter Bertram: Ich muss meinen Acker bestellen. Ich kann nicht hier bleiben.

Freimann: Kameraden, wo wollt ihr hin? Wollt ihr die rote Front verlassen?

Arbeiter Bertram: Wir sind keine Kommunisten.

Freimann: Das ist eine Sache der ganzen Arbeiterschaft. Haben wir zuerst die Waffen ergriffen? Haben wir die Schupo ins Land gerufen?

Arbeiter Bertram: Wir wollen Ruhe und Frieden haben. Wir wollen nicht kämpfen.

Freimann: Ja, ihr wollt nicht kämpfen. Ihr wollt, dass andere für euch kämpfen. Wir Kommunisten sollen euch die Kastanien aus dem Feuer holen. Wir sollen für die Arbeiterrechte bluten, und ihr wollt's genießen. Aber allein schaffen wir's nicht. Und wenn sie u n s niederschlagen, liegt ihr auch am Boden und müsst hungern und schuften für eure Feigheit.

2. Arbeiter: Unsere Partei, die SPD, hat in Leipzig Maueranschläge gemacht, wir sollen den Wahnsinn nicht mitmachen, und in Leuna haust eine Verbrecherbande.

(Lichtbild des Maueranschlages)

Arbeiter Bertram: Denselben Anschlag habe ich in Weißenfels gesehen und  von  den  Unabhängigen Sozialdemokraten mit unterschrieben.

Freimann: Ha, so hetzen sie schon wieder gegen ihr eigenes Fleisch und Blut, die Verräter! Wollen uns wieder spalten und den Henkern ausliefern. Begreift's doch! Das sind die Bonzen, die das tun. Aber ihr Arbeiter dürft doch die eigene Sache nicht verlassen.

(Malchow kommt eilig)

Malchow: Nun was gibt's!? Man hat mich hergerufen.

Freimann: Die wollen sich drücken. Genossen, bleibt! Es ist unser aller gemeinsame Sache, und gemeinsam fechten wir's durch. Wir brauchen eine starke Front. Die darf nicht zerrissen werden.

Malchow: Nein, Genosse Freimann, wir halten keinen, der nicht freiwillig bleibt. Mit erzwungenen Kämpfern werden wir keine Schlacht gewinnen.

Wieland: Weg mit Schund und Bruch! Abfalleisen wollen wir nicht schmieden. In unserer Schmiede Glut, Hammer und Stahl - alles andere raus!

Malchow: Wer das Werk verlassen will, kommt mit mir zum Ausgang. Ich gebe ihm einen Ausweis.

(Die Arbeiter drängen sich um Malchow, der sie fortführt. Den fortgehenden Arbeitern entgegen und an ihnen vorbei kommen die Züge der in Reih und Glied marschierenden Arbeiterkompagnien mit dem Gesang des russischen Liedes:)

Weißes Gesindel und adlige Brut
baun am zaristischen Throne gar gut.
Doch von Sibirien zum Baltischen Meer;
die Rote Armee ist das stärkere Heer.
Es trägt die Waffen in eisernen Fäusten.
Die Rote Wehr voran zum Sieg,
und unaufhaltsam Proletenreihen
vereinen sich zum letzten Krieg!
Rote Soldaten zum Sturme voran!
Tönt das Signal, folgen Mann wir für Mann,
Refrain: Denn von Sibirien...
Schüret das Feuer, das Welten verzehrt,
Kirchen und Kerker auf ewig zerstört,
Refrain: Denn von Sibirien...

(Jede Kompagm'e singt beim Anmarsch auf den Platz eine Strophe des Liedes. Auf erhöhter Stelle steht

Kessel. Wieland und Freimann treten zu ihm. Waffen liegen aufgeschichtet. Die Kompanien marschieren singend auf und formieren sich.)

Kessel:   Lokomotivführer,   Kameraden   Willi   und Grasser.

Willi und Grasser (vortretend): Hier!

Kessel: Habt ihr die Eisenbahnkompanien zusammengestellt?

Willi: 150 Mann Eisenbahner und Schlosser.

Kessel: Eisenbahner erste Kompanie, ihr haltet das Südende des Werkes mit dem Güterbahnhof besetzt, und zweite Kompanie den Norden.

Grasser: Jawohl.  Es  ist  ein weites Gelände.  Ich brauche Waffen, ein Maschinengewehr für den Wasserturm, gute Gewehre und Fernglas zur Beobachtung der Bahnstrecke nach Corbetha.

Kessel: Erste und zweite Kompanie ein leichtes Maschinengewehr, zehn Gewehre und Revolver.

Willi: Das ist zuwenig.

(Die Waffen werden gebracht)

Kessel: Mehr Waffen gibt es noch nicht. Seht, dass ihr euch mehr beschafft.

Willi: Das werden wir tun, Kamerad Kessel. Bei den Großbauern gibt's genug.

Kessel: Sprengstoff ist auch da - Kamerad Prell!

Prell (vortretend): Hier.

Kessel: Du führst die fünfte Kompanie.

Prell: Jawohl.

Kessel: Wie lange warst du im Feld?

Prell: Vier Jahre als Unteroffizier.

Kessel: Als Unteroffizier? - (Sieht ihn misstrauisch an) Dritte Kompanie: Radfahrer!

3. Kompanieführer: Hier.

Kessel: Alles geübte Radfahrer?

3. Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Genug Räder vorhanden?

3. Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Vierte Kompanie: Sturmkolonne vollzählig?

4. Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Samariterkolonne zur Stelle?

Samariter: Jawohl.

Kessel: Alle Kompanien vollzählig zur Stelle. Nehmt die Waffen in Empfang. Jede Kompanie vorläufig zehn Gewehre.

(Die Waffen werden verteilt. Man hört ein Lastauto anfahren.)

Alle: Waffen! Waffen! Gewehre!

(Die Arbeitersoldaten treten aus Reih und Glied und wollen zum Lastauto eilen)

Kessel: Alle zurück!

Die Kompanieführer: Alle zurück!

Die Arbeitersoldaten: Wir wollen Gewehre!

Stimme  des  Chauffeurs  (hinter  der  Mauer):  Ich bringe nur Sprengstoff, noch keine Gewehre.

(Die  Arbeitersoldaten  treten   in   Reih   und Glied zurück)

Kessel: Disziplin, Kameraden! Jetzt Wachen heraus! Der ganze Umfassungszaun in Abständen umstellt, je zwei Doppelposten an die Tore. Macht zehn Lastkraftwagen fahrbereit! Auf jeden Wagen zehn Mann mit einem Maschinengewehr. Dann los in die Umgegend, Waffen beschaffen. Holt die Flinten und MGs von den Orgeschbauern und Rittergütern. und aus allen Winkeln, wo sie vergraben sind!

Freudige Rufe: Wir holen Gewehre!

Kessel: Und wo noch gearbeitet wird, legt die Gruben und Betriebe still!

(Malchow kommt eilig)

Malchow: So kriegerisch? Heeresmusterung! Eine Armee ohne Waffen! - Wartet doch, bis ihr Waffen habt!

Kessel (heftig zu Malchow): Wartet, bis ihr überfallen seid. Dir fällt wohl das Herz in die Hosen, du Wetterfahne?

Malchow (zu den Kompanien): Kameraden, keine Kompanie darf sich aus dem Standort und Bau, wo sie einquartiert ist, eigenmächtig entfernen. Kein Arbeitersoldat darf frei im Werk herumgehen ohne Auftrag und Befehl! Dies ist streng zu befolgen.

Die Kompanieführer: Jawohl.

Kessel: Abmarsch! Jede Kompanie in ihren Bau. (Die Kompanien marschieren singend ab)

 

4. Szene

Konferenzzimmer. Direktor Oster, allein, geht unruhig hin und her, sieht auf die Uhr.

Diener: Herr Direktor Weinbrand.

(Direktor Weinbrand kommt)

Direktor Oster: Endlich! Ich dachte schon, die Kerls haben Sie erschlagen.

Direktor Weinbrand (lacht): So schnell erschlagen die Proleten nicht, so wild sie sich auch gebärden.

Direktor Oster: Halten die Arbeiter wirklich das Werk in Gang? Produzieren sie?

Direktor Weinbrand: Nur so viel wie nötig ist, damit die Apparate nicht kaputtgehen. Meine Vertrauensleute berichten mir täglich zweimal. Es soll alles tadellos funktionieren, trotzdem die meisten Ingenieure sich weigern, mitzumachen. Betriebsrat Könne, der Elektriker, ist technischer Leiter.

Direktor Oster: Wirklich? Sie bringen es fertig? Ist ja erstaunlich. Und doch - dadurch wächst ihre Macht. Dadurch haben sie uns noch viel mehr in der Hand. Die Arbeiter als Leiter der Produktion. Die Arbeiter als Herren des Betriebes. Sie können uns ihre Bedingungen diktieren wie nach dem Kapp-Putsch.

Direktor Weinbrand: Das ist's ja, was sie wollen, uns die Bedingungen diktieren wie nach dem Kapp-Putsch. Der Konne ist ein schlauer Fuchs.

Direktor Oster: Wir sind in einer Zwickmühle. Halten die Arbeiter den Betrieb in Gang, so sind wir in ihren Händen und müssen ihre Bedingungen annehmen. Legen wir den Betrieb still, so haben wir ungeheure Verluste und noch dazu vor Volk und Regierung das Odium dieser Tat. Ich sehe keinen Ausweg.

Direktor Weinbrand (steckt sich eine Zigarre an): Man wird sich doch wohl zu einer Gewaltkur entschließen müssen.

Direktor Oster: Abwarten!

(Knappe kommt)

Nun, lieber Knappe, was bringen Sie?

Knappe: Herr Direktor, ich bitte Sie dringend, nehmen Sie offizielle Verhandlungen mit der Leunabelegschaft auf, bevor es zu größeren Kampfhandlungen kommt.

Direktor Oster: Wir haben auch schon den Plan erwogen, einen Vertreter der Regierung zu Verhandlungen ins Werk zu schicken.

Knappe: Bitte, Herr Direktor, zögern Sie keinen Augenblick!

Direktor Oster: Was haben Sie sonst zu melden?

Knappe: Nichts Neues. Herr Direktor Weinbrand ist orientiert.

Direktor Oster: Verzeihen Sie, Herr Knappe, wenn ich Sie bitte, uns allein zu lassen. Der Oberpräsident wird gleich hier sein.

Knappe: Ich gehe schon. (An der Tür) Herr Direktor, eine Vermittlung hat natürlich dann nur Sinn, wenn den Arbeitern

annehmbare Vorschläge gemacht und Garantien für die Durchführung gegeben werden. Darf ich vielleicht -

Direktor Oster: Ist nicht nötig. Wir wissen, was wir zu tun haben.

Knappe: Ich empfehle mich. (Knappe ab)

Direktor Oster (am Fenster): Der Oberpräsident.

(Hörsing kommt)

Hörsing:   Guten   Tag,   meine   Herren.   Hoffentlich haben Sie vom Leunawerk bessere Nachrichten als ich von den Mansfeldern. Bei dieser Schweinebande sieht es traurig aus.

Direktor Oster: Traurig?

Hörsing: Polizeimajor Kranz ist in Eisleben mit seinen drei Hundertschaften eingeschlossen. Sie sind nicht aufgerieben. Den roten Hunden fehlt's an Waffen; aber sie wurden in ihre Standquartiere zurückgedrängt und wagen sich nicht heraus. Die Höhen rings um Eisleben sind von bewaffneten Banden besetzt. Im ganzen Waldgebiet des Mansfelder Gebirgskreises, Klostermansfeld, Helbra, Bischofrode bis nach Querfurt hinunter finden Partisanenkämpfe statt. Das Geiselthal ist in hellem Aufruhr.

Im Unstruttal gärt es stark. Kleine, bewaffnete Banden stoßen vom Unstruttal ins Kampfgebiet. Auch der Räuberhauptmann Max Hoelz tobt dort herum mit fliegenden Sturmkolonnen, bald hier, bald dort. Aber die Kerntruppen sind die kommunistischen Arbeiter, bringen der Schutzpolizei schwere Verluste bei. Augenblicklich beschießen sie Hettstedt konzentrisch mit Maschinengewehren und haben die Truppen ins Innere der Stadt zurückgedrängt. Die Lage im ganzen Industriegebiet ist bedrohlich und ungeklärt.

Direktor Oster: Diese Kühnheit der Aufständischen ist unbegreiflich. Die Lage im Reich ist doch wenig ermutigend. Oder sehen Sie die Lage im Reich als gefahrdrohend für uns an?

Hörsing: Arbeitslosenkrawalle, große Teilstreiks, unruhige Elemente an vielen Stellen im Reich auf der Straße.

Direktor Oster: Es scheint doch keine großangelegte kommunistische Revolte im Reichsmaßstabe zu sein?

Hörsing: Leitung der kommunistischen Parteien schwach und schwankend, obwohl russische Kampfleiter anwesend sein sollen. KAP treibt nach links. Wo kommunistische Parolen ausgegeben werden, arbeiten Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Unabhängige scharf dagegen. Ich bitte um Bericht aus dem Leunawerk.

Direktor Oster: Das Werk ist weiter in den Händen des Arbeiteraktionsausschusses, der alles zum Werk Gehörige beschlagnahmt hat. Die Ausgänge sind streng bewacht. Vorgeschobene Feldwachen sichern das Werk. Der Betrieb wird in Gang gehalten. Die Arbeiter machen in drei Schichten Notstandsarbeiten unter Leitung einer technischen Kommission.

Hörsing: Richten sie sich auf Verteidigungskämpfe ein? Schützengräben, Unterstände weit vorgeschoben?

Weinbrand: So viel ich weiß, wird nur im Süden, am Güterbahnhof nach Corbetha zu geschanzt und planÂvoll verteidigt. Sie haben keinen militärischen Führer von Belang. Nur der Nachrichtendienst funktioniert. Bewaffnung noch sehr schwach, besonders an Munition fehlt's. Aktionsausschuss uneinig. Der ganze Apparat schwerfällig und von unseren Vertrauensleuten durchsetzt. Unser Spitzelchef führt eine Kompanie. Durch unsere Agenten wird Verwirrung in die Soldatengruppen getragen, werden Befehle sabotiert und Nachrichten gefälscht.

Direktor Oster: Wir hoffen, morgen einen wichtigen Posten im Aktionsausschuss durch einen unserer Vertrauensleute zu besetzen. Oskar ist sein Deckname.

Hörsing: Ist denn dieser großmäulige Führer von der KAP, dieser Malchow, nicht zu kaufen? Ein begabter, ehrgeiziger Mensch. Man könnte ihn gebrauÂchen.

Weinbrand: Er ist eine schwankende Gestalt, aber nicht zu kaufen. Doch dient er uns durch seine Haltlosigkeit. Ein fester, energischer Führer, der alle um Haupteslänge überragte, scheint zu fehlen. Dennoch merkt man energische und wohlüberlegte Handlungen und große Solidarität.

Hörsing: Und Ihre rechte Hand, der Betriebsrat Dammel?

Direktor Oster: Darf sich nicht im Betrieb sehen lassen, wird mit Erschießen bedroht.

Hörsing: Wie denken sich Herr Direktor die Sache weiter?

Direktor Oster: Abwarten.

Hörsing:   Welche   Gesichtspunkte   sind   ausschlaggebend?

Direktor Oster: Das Ergebnis der Polizeiaktion muss sein: Verdrängung der Arbeiter aus ihren Machtpositionen bei möglichster Schonung von Sachwerten. Inwieweit sich dieses Ziel erreichen lässt, ohne Bauten und Maschinen des Werkes erheblich zu gefährden, müssen die nächsten Tage zeigen, notÂfalls fordere ich Hinzuziehung der Reichswehr.

Hörsing: Reichswehr mit Vorsicht! Sonst gehen uns die eigenen Genossen durch die Lappen. Übrigens habe ich für alle Fälle eine Reichswehrbatterie angefordert.

Diener: Herr Polizeimajor Graf von Zechlinsky aus Düsseldorf.

Alle drei (freudig): Düsseldorfer Schupo!

(Graf von Zechlinsky tritt ein. Rohes Gesicht, arrogante Pose.)

Von Zechlinsky: Bin, soeben mit Hundertschaften aus Düsseldorf eingetroffen, Herr Oberpräsident.

Hörsing: Sie kommen wie von Gott gesandt, lieber Major. Ihr Kamerad Kranz ist in Eisleben eingeschlossen. Eilen Sie ihm so schnell wie möglich zu Hilfe. Die Bevölkerung wird Sie als ihren Retter begrüßen.

Von Zechlinsky: Werden uns sofort in Bewegung setzen, Herr Oberpräsident, Richtung Sandersleben nach meiner Karte. Herr Major Kranz soll etwas zu milde auftreten, wie mir berichtet wird. Rotem Gesindel muss man die Faust zeigen.

Direktor Oster: Ganz meine Meinung.

Oberpräsident: Es ist möglich. Major Kranz glaubt, auf Stimmung der Bevölkerung Rücksicht nehmen zu müssen. Und seine Mannschaft sind zum Teil Landeskinder.

Von Zechlinsky: Schlappheit! Stimmung geht zu beeinflussen. Empfehle, Berichte von Grausamkeiten der Aufständischen durch Presse zu verbreiten.

Hörsing: Ich will Ihnen hier keine Vorschriften machen, Herr Major. Tun Sie, was Ihnen zweckmäßig erscheint. Sie haben bewährte Truppen, Herr Major?

Von Zechlinsky: Jawohl, Herr Oberpräsident, im Kapp-Putsch gegen die Arbeiterschaft bewährt, auch Baltikumer darunter.

Hörsing: So brauche ich Ihnen keine Verhaltungsmaßregeln zu geben. Unsere schwer heimgesuchte Provinz braucht Ruhe. Die wird am schnellsten durch eine starke Hand hergestellt. Je blutiger der erste Tag ist, desto besser.

Von Zechlinsky: Freut mich, Ihre kernige Gesinnung kennen gelernt zu haben, Herr Oberpräsident. EmpÂfehle mich.

 

IV. AKT

1. Szene

Leunagrundstück. Bums und Schluck kommen, leicht betrunken, Arm in Arm.

Bums: Das Saufen haben die Kommunisten verboten, aber so 'ne geklaute Pulle Wein merken sie nicht gleich. Warum soll man nicht mal 'ne Pulle Wein trinken? Jetzt gehört doch alles uns. Wer weiß, wie lange das dauert? Bleibst du hier? Machst du mit?

Schluck: Solange es zu fressen und zu saufen gibt. Nur Weiber fehlen noch. Überhaupt geht alles zu streng zu. Wir sind doch nicht in einer kaiserlichen Kaserne. Wollen mal ins Lazarett gehn. Da sind doch Weiber zum Pflegen. Vielleicht kriegen wir da ein Mädchen.

Bums: Ein Weib und einen Kümmel. Komm!

(Sie gehen weiter. Prell kommt, sieht ihnen nach, nickt zustimmend.)

Prell: So ist's recht.

(Er    verschwindet    wieder.    Arbeiterwache kommt.)

Arbeiterwache: Ihr verfluchten Saufbolde, schert euch aus dem Werk! Beschmutzt unsere ganze Sache. (Schluck und Bums rasch ab. Matrose und Heizer kommen, der Matrose mit einem Gewehr, der Heizer mit einer Handgranate.)

Matrose: Heut ziehen wir nur auf Wache. Aber morgen kann's schon in den Kampf gehen. Mir ist so leicht und frei, als hing' ich wieder oben im Mastkorb und säh' weit übers Meer.

Heizer: Vor zwei Tagen stand ich noch auf dem Generatorofen. Vor zwei Tagen stieß ich noch mit der Stange in den glühenden Koks. Nun ist das ganze Land ein glühender Ofen. Und schmeiß' ich das Ding hinein, dann explodiert's.

Matrose: Vorige Woche hab' ich meinen Kameraden verloren, mit dem Gerüst gestürzt und tot. Aber dich mag ich, Bruder. Du bist einer von meiner Sorte. Wir halten zusammen.

Heizer: Wenn wir von den Öfen heruntersteigen, wenn wir aus den Kesselhaustoren wanken, wir mit den zerfressenen Lungen, dann ist Zeit zum Ausräuchern, Zeit zum Giftablassen. Ich begreife nicht so mit dem Kopfe wie ihr, aber hier drin, hier in der Brust, da fühl' ich's.

Matrose (stehenbleibend): Dort drüben steht das Gerüst. Wie er da heruntergebrochen ist, weil die Firma wieder leichtsinnig war, wieder die Vorschrift übertrat, da hab' ich geschrieen - es stieg mir so auf -, da hab' ich geschrieen, ich will ihn rächen. Und nun ist der Tag der Rache da. - Solch Gewehr ist ein gutes Ding, Kamerad.

(Ein Lastkraftwagen mit sechs bewaffneten Arbeitern, unter ihnen Willi, Karl und Bruno, kommt. Die Arbeiter springen ab und holen Gewehre aus dem Wagen.)

Matrose: Hei, Gewehre! Zeigt her! Bringt ihr was Gescheites?

Karl: Modell 98 und Jagdflinten und zwei Maschinengewehre.

Matrose: Wo wart ihr?

Willi: Waren nach Dürrenberg und noch weiter hinÂunter. In Dürrenberg haben wir den letzten Betrieb stillgelegt. Dann sind wir überall zu den großen Orgeschbauern hinein, haben ihnen den Wanst beklopft. Da war solch Großer, Dicker mit grauem Schnauzbart, der hat noch nie in seinem Leben ein Gewehr gesehen, unschuldig wie ein Kind. Dem haben wir unter den Dielen die schönsten Modelle 98 vorgeholt und ein tadelloses Maschinengewehr. (Gelächter) Die Landjäger haben wir auch überall entwaffnet.

Bruno: Manche, die hatten bannig Angst, kamen gleich herausgesprungen und schmissen uns ihre Jagdflinten und Revolver hin.

Willi: Wo unser Auto in Sicht kam, da schrieen die Kinder: die vom Leunawerk oder Max Hoelz kommt.

Matrose: Das ist alles noch zu wenig, besonders die Munition. Weiß der Teufel, wo die Waffen stecken. Wie sieht's denn sonst aus so ringsherum?

Bruno: Die Bauern halten sich still, schnüffeln, wie der Wind weht. Die Landarbeiter sympathisieren, melden sich zur Roten Armee. In den Betrieben sind sie halb so, halb so. Die rechten Bonzen bellen wie Polizeihunde gegen uns: Räuberbande im Leunawerk und was mehr. Von meiner Heimat, vom Ruhrgebiet, konnt' ich nichts erfahren. In Naumburg liegt bayrische Reichswehr unter Alarm.

Matrose: Bayrische? Das ist eine Sorte! -

Willi: In Richtung Berlin haben wir die Bahn stillgelegt gegen Schupozuzug. An anderen Stellen hat Hoelz was gemacht. An Sprengstoff fehlt's nicht.

Bruno: Schafft die rostigen Gewehre nach Bau 15 zur Waffenmeisterei! Da werden sie repariert.

Matrose: Kameraden, ich meine, es ist Zeit, dass wir was Ernsthaftes unternehmen. Hier wird rumgelungert. Man sieht nicht, was geschieht.

Bruno: Alle sind wie weggeblasen und zerstreut. Die Kompanien liegen in ihren Bauten; da darf man nicht hinein. Die Feldwachen liegen weit draußen, da darf man nicht hinaus. Es ist alles so weitläufig. Man kann keine Verbindung kriegen, tappt so herÂum. Und Kuriermeldungen bekommt man auch nicht zu hören. Bei uns im Ruhrgebiet im vorigen Jahr, da war ein anderer Zug drin.

Heizer: Morgen oder übermorgen, wenn wir mehr Waffen haben, dann wird's losgehen. Geht's dann nicht los, dann meutern wir.

(Die Waffen werden fortgetragen)

Matrose: Da kommt Kamerad Grasser, der am Südende die Eisenbahner führt. Auf den ist Verlas. Das ist ein Mann.

(Grasser kommt eilig)

Grasser: Rasch, Kameraden! Ich kann von meinem Posten nicht weg. Will nur nach Waffen fragen. Ich sah ein Auto von Dürrenberg kommen.

Matrose: Auch noch wenig, was die gebracht haben. Wie steht's bei euch? Was macht deine Kompanie?

Grasser: Manche sind getürmt, einer nach dem anderen über den Zaun. Die anderen sind gute Kameraden, halte sie zusammen. (Willi kommt und hört zu) Wir haben's nicht leicht, ein riesiges Gelände, und jeden Tag stoßen Sipopatrouillen von WeißenÂfels über Corbetha vor, den Bahndamm lang und Chaussee. Ich hab' ein Maschinengewehr auf dem Wasserturm aufgestellt und einen Posten mit Fernglas. Wir haben schon fünf Mann Patrouillen abgeschossen, fahren auch mit der Bahn bis Corbetha hin und her.

Willi: Wir bauen jetzt aus Gipswagen einen PanzerÂzug, zwei Wagen und eine Lok, alles bepanzert. Die Platten haben wir schon.

Die anderen: Einen Panzerzug?

Willi: Wenn die weißen Halunken mit Kriegszeug anrücken,  sollen  wir  uns   abschießen  lassen  wie Hasen? Gegen die weißen Garden des Kapitals, das ist doch der einzige gerechte Krieg. Da müssen wir Arbeiter alles einsetzen, auch einen Panzerzug.

Karl: Einen Panzerzug aus Gips- und Kohlenwagen? Ha, das ist was. Ein Jahr lang hab' ich Gips zum Leunawerk gefahren. Das war mir verhasst, war mein schlimmstes Jahr. Wie ein Müllersknecht sah ich aus, und der Gipsstaub machte mich krank. Jetzt wird daraus ein Panzerzug für den Freiheitskampf. Du, Kamerad, das ist herrlich. In den Panzerzug muss ich mit hinein.

Willi: Komm zu Bau 15 und sieh dir's an! Da wird Tag und Nacht am Panzerzug gebaut. Und wenn du so einer bist, der auf den Kampf brennt, dann nehm' ich dich mit in die Besatzung.

Karl: Ich komm' zu dir in den Panzerzug. Vorstoßen werden wir gegen die weißen Garden. (Er eilt mit Willi fort)

Grasser: Ihr seht, wir Lokführer liegen nicht auf der faulen Haut. Aber zum Teufel, was treibt ihr anderen hier? Tausend Mann und noch nicht mal Merseburg erobert! Ich halt' euch die Weißenfelser Sipo vom Leib, aber was tut ihr?

Matrose: Da musst du den Aktionsausschuss fragen.

Grasser: Der Aktionsausschuss, ich weiß nicht, ist das ein Misthaufen oder ein Aktionsausschuss? Eine gescheite Antwort bekommt man da nicht, wenn man anruft.

Heizer: Aus Russland, sagen sie, sind Rotarmisten unterwegs, ein ganzer Eisenbahnzug voll.

Grasser: Das wird wohl nur Phantasie sein.

Matrose: Aber ein neuer Kampfleiter ist heute gekommen, manche sagen, aus Russland, manche sagen, von Max Hoelz. Die Wahrheit weiß man nicht. Ich trau' keinem fremden Gesicht. Oskar heißt er.

Grasser: Hol euch allesamt der Teufel, Kameraden! Ich muss zum Güterbahnhof und zum Wasserturm. Wenn's nicht bald anders wird, komm' ich mal mit 'ner Handgranate wieder. (Lachen, Grasser rasch ab)

Matrose: Komm, wir müssen auf Wache.

(Beide ab, Prell kommt vorüber, verschwindet wieder. Zwei große Autos mit Bewaffneten kommen, gleich darauf Malchow und Oskar.)

Führer aus dem Geiselthal: Kameraden, führt uns zum Aktionsausschuss des Leunawerkes!

Malchow: Wir sind vom Aktionsausschuss. Das ist Kamerad Oskar von der Kampfleitung.

Führer aus dem Geiselthal: Wir sind 250 Bewaffnete aus Neumark im Geiselthal, haben bis jetzt die Merseburger   Sipo   in   Schach   gehalten,   wollten gestern Max Hoelz im Mansfeldischen zu Hilfe kommen,   es  war  aber  kein  Durchkommen   möglich. Massig Schupo überall. Aus dem Rheinland sind neue gekommen und aus Berlin. Eine Reichswehrbatterie führen sie mit sich. Weil wir vergeblich gegen sie angerannt sind und kein Durchkommen für uns war, sind wir hierhergemacht ins Leunawerk, zweihündertfünfzig Mann und zweihundertfünfzig Gewehre und stellen uns euch zur Verfügung für eine Aktion.

Oskar: Gut, Kameraden, kommt nur herunter und legt eure Gewehre hier zusammen.

Rufe: Die Gewehre abgeben?

Oskar: Bei uns werden die Waffen zusammengetan und nach Bedarf  verteilt,  denn wir haben nicht genug Waffen.

Rufe: Das gefällt uns nicht. Wir wollen unsere Waffen behalten. Wir wollen kämpfen.

Malchow: Ihr sollt auch kämpfen, Kameraden. Wir wissen, dass ihr eine tapfere Truppe seid, ihr aus Neumark im Geiselthal. Ruht euch gut aus die Nacht und stärkt euch! Nachher kommt ihr in den Kampf. Euch nehmen wir zu einer großen Sache, wenn's soweit ist.

Führer aus dem Geiselthal: Disziplin, Kameraden! Steigt ab und legt die Waffen hin!

(Die Arbeiter aus dem Geiselthal marschieren, nachdem sie die Waffen hingelegt haben, schweigend ab)

Malchow: Oskar, weil du von Hoelz geschickt bist, darum haben wir Vertrauen zu dir. Du scheinst von militärischen Dingen was zu verstehen. Hast du einen Kampfplan?

Oskar: Was man allein im Kopfe trägt, das kann nicht verraten werden. Ich will vorerst Menschen und Waffen sammeln, und dann kommt die große Aktion.

Malchow: Ich bin auch deiner Ansicht, sammeln und abwarten, und vor allem hier den Betrieb halten. Hier können noch Tausende Unterkunft finden. Nach Ostern wird sich die Lage klären. Dann sieht man, ob anderswo im Reiche der Aufstand losbricht. Da kann man sich danach richten. Man kann doch nicht hier so allein vorgehen. Mir wächst auch alles über den Kopf. Unaufhörlich Fragen, Befehle, Nachrichten und niemals Ruhe, niemals Schlaf. Gut, dass du gekommen bist. Es ist eine große Verantwortung. Aus Berlin kommen gar keine Kuriere, vielleicht wegen der Eisenbahn, die meist stilleliegt. Aus Halle fordern sie immerfort bald dies, bald das. Bald sollen wir nach Mansfeld, bald nach Halle, dann Merseburg stürmen. Aber wir halten die Leute noch hier zusammen und warten ab. - Ich kann meinen Kopf kaum mehr halten. Ich will etwas Wein trinken, und dann schlafe ich ein paar Stunden. Komm! (Er  betrachtet   Oskar  aufmerksam)   Sag  mal,   du kommst mir doch so bekannt vor, irgendwie von früher her. Warst du nicht...

Oskar: Ja, ich war ebenso Offiziersaspirant wie du. (Malchow starrt erschrocken Oskar an) Brauchst dich nicht zu fürchten.

Malchow (sich fassend): Ja, ja, so ist das. Sind eben solche Zeiten. - Du, dass heute wieder zwei Kuriere aus Mansfeld kamen, das braucht keiner zu erfahren.

Oskar: Von mir wird's keiner erfahren. Ich halte zu dir. Aber eh' du dich schlafen legst, musst du mir Geld geben.

Malchow: Bis jetzt haben wir kein Geld gebraucht, weil wir doch die Vorräte haben.

Oskar: Wir müssen unbedingt Geld haben.

Malchow: Gut, gut, ich werde das Geld für dich beschlagnahmen.

 

2. Szene

Kantine 2. Beratungsraum des Aktionsausschusses. Malchow, Oskar, Wieland, Freimann und andere vom Aktionsausschuss.

Wieland: Und ich sage euch, es sind noch Waffen im Leunawerk vergraben. An zweihundert Gewehre müssen noch vorhanden sein und zwei Maschinengewehre.

Malchow: Aus der Turnhalle haben wir die Gewehre herausgeholt. Du warst doch selbst dabei. Weiter weiß ich nichts.

Wieland: Du weißt nichts, und Oskar weiß nichts. (Mit dem Fuß aufstampfend) Einer muss doch wissen, wo die Waffen sind, die voriges Jahr vergraben wurden. Sind wir Narren und Zirkusclowns? Wer führt uns an der Nase herum? Wir wollen die Arbeiterschaft bewaffnen, und das zweite Waffenlager ist nicht aufzufinden. Sollen wir mit Schmiedehämmern gegen Maschinengewehre?

Malchow: Die Hauptsache ist, wir halten das Werk besetzt. Der Betrieb unsere Burg. Da brauchen wir nicht gleich so viele Waffen. Und wenn wir uns hier erst richtig organisiert und eingerichtet haben, dann bekommen die Arbeiter in Leipzig und Zeitz und Weißenfels mehr Vertrauen zu unserer Aktion und bringen uns Waffen. In Leipzig sind massig Waffen. Wir müssen auch abwarten, was im Reich vor sich geht, nicht gleich wütig losschlagen.

Freimann: Redst heute so und morgen so. Vor der Aktion hast du wie toll nach Waffen geschrieen. Dann hieß es wieder: nur friedlicher Generalstreik, dann wieder Waffen, dann Fabrik besetzen. Immer Reden und Parolen und nichts getan.

Oskar: Es ist eine Luderwirtschaft bei euch. Es ist Zeit, dass ich als militärischer Leiter mal alles richtig bei euch organisiere und fest anpacke. Aber Gehorsam verlange ich und Disziplin.

Wieland: Disziplin ist schon da. Nur an Waffen und Munition fehlt's. Schaff Waffen!

(Kessel stürmt herein)

Malchow: Nun, was ist los, Kessel? Ich denke, du fühlst nach Merseburg vor. Ich denke, du stürmst bald die Kaserne?

Kessel (in höchster Erregung): Erst muss man den Aktionsausschuss stürmen und das Leunawerk stürmen und die Spitzelzentrale stürmen. (Unruhe) Es ist wieder verraten, immer alles verraten, von AnÂfang bis zu Ende.

Rufe: Wie denn, verraten?

Kessel: Als wir gestern den Sipokurier abfangen wollten mit der wichtigen Meldung, mit dem Plan, den er bei sich trug, den wir haben müssen, und es war alles genau besprochen ganz geheim - wir sechs Mann, mehr wussten nicht davon -, und ich lieg' mit meinen fünf Mann auf der Lauer zur bestimmten Stunde hinterm Bahndamm an der KreuÂzung, da kommt der Sipokurier mit dreißig Mann Bedeckung, zwei leichte Maschinengewehre vorneweg, und einer ruft: -Hier solltest du überfallen werden."

Rufe: Unerhört!

Freimann: Man sollte ein Standgericht einsetzen und Spitzel erschießen.

Kessel: Da verschießen wir die halbe Munition.

Malchow: Berichte von Merseburg?

Kessel:   Wir   haben   nach   Merseburg   vorgefühlt, immer den Bahndamm lang, bis an die Gasanstalt, hundert Meter von der Kaserne, da bekamen wir kolossales Feuer - sssst geht das in einem Zuge, schwere   Maschinengewehre.   Unser   Überfall  war verraten.

Rufe: Wieder verraten?

Kessel: Dann kommt unser Vertrauensmann und meldet: Die ganze Kaserne geräumt, Mannschaft, Waffenpark, Munition, alles geräumt und hinauf nach dem Schloss. Verstärkung ist auch gekommen. Tausend Mann liegen jetzt auf dem Schloss, schwer bewaffnet.

Malchow: Wann haben sie die Kaserne geräumt?

Kessel: Hätt' ich gestern die sechs bewaffneten Kompanien bekommen, die ich forderte, wir hätten die Kaserne gestürmt.

Malchow: Wir hatten doch nicht so viel Mannschaft und Waffen. Nach Corbetha zu muss doch auch gesichert werden.

(Der Führer aus dem Geiselthal kommt)

Führer aus dem Geiselthal: Meine Kameraden, die 250 Arbeiter aus Neumark im Geiselthal schicken mich her. Sie wollen nicht länger untätig im Bau liegen. Sie sagen, sie sind nicht gekommen, sich den Bauch vollzuschlagen, sondern zu kämpfen. Sie wollen ihre Waffen haben und wollen hinaus.

Oskar (unruhig): Geh dort hinein, Kamerad. Du wirst Bescheid bekommen.

Kessel (langsam, drohend näher kommend): Was hör' ich da, zweihundertfünfzig Mann aus Neumark im Geiselthal, und ich weiß nichts davon? Man hat sie entwaffnet und eingesperrt, derweilen ich drau­ßen kämpfe, und meldet's mir nicht? (Sich rasch Oskar zuwendend) Und wer ist der hier, dies fremde Galgengesicht?

Malchow: Neues Mitglied der Kampfleitung, von Max Hoelz geschickt.

(Kessel springt auf Malchow und Oskar zu, packt beide an der Brust und schüttelt sie)

Kessel: Ich werde euch erschießen, ich werde euch alle beide erschießen, ihr Lumpen!

(Er zieht seinen Revolver. Freimann und andere werfen sich zwischen Kessel und Oskar.)

Kessel: So schießt mir eine Kugel durch den Kopf! Da liegt mein Revolver. (Er schleudert den Revolver fort)

Oskar: Wer nicht Disziplin hält, gehört vors Standgericht. Merk dir das, Kompanieführer Kessel!

Kessel: Wer ist hier militärischer Leiter, er oder ich?

Freimann: Wir kommen hier nicht mit einem militärischen Leiter aus, Robert. Die Sache ist zu groß. Wenn du draußen im Kampf stehst, muss hier auch eine feste Führung sein. Da kam vorgestern der Kamerad Oskar mit einem Ausweis von Max Hoelz, dass er hier in die militärische Leitung mit hinein soll. Hoelzmax hat's gesagt.

Kessel: Sein Ausweis! (Der Ausweis wird gezeigt. Kessel betrachtet ihn, zuckt mit den Schultern, gibt ihn zurück.) Ein Ausweis ist ein Stück Papier. Ob's seine Richtigkeit hat, wer kann's sagen? Ich gebe die militärische Leitung nicht aus der Hand. So wie's hier steht, läg' ich lieber mit einer Kugel im Kopf draußen auf dem Acker. Aber ich habe angefangen und führ's zu Ende. Ich lass' die Kameraden nicht im Stich.

Freimann: Du sollst dein Amt nicht aufgeben, Robert. Nur der Genosse Oskar soll mit hinein in die Kampfleitung. Wir haben ihn mit Majorität hineingewählt.

Kessel: Ihr habt ihn mit Majorität hineingewählt?

Alle: Ja.

(Kessel wendet sich ab)

Freimann:  So   einen   Erprobten   von   der   Hoelzkolonne, den können wir hier gebrauchen, Robert.

Kessel: Wer im Werk kennt ihn?

Wieland: Niemand.

(Schweigen)

Malchow: Die Unterschrift von Hoelz ist richtig. Daran ist nicht zu zweifeln.

Kessel: Jetzt keine unnützen Worte mehr! Was für Meldungen sind eingetroffen?

Malchow: Die hundert Mann, die du nach Halle geschickt hast, wurden bei Lauchstädt aufgerieben und zerstreut.

Oskar: Das kommt davon, wenn man die Kräfte auseinanderstreut und zersplittert, anstatt sie hier für eine große Aktion zu sammeln.

Kessel: Wir haben schon zu lange gewartet und gesammelt. Jetzt kommt Schupoverstärkung von allen Seiten. Mit einem geheimen Funkgerät habe ich Meldungen aufgefangen. Drei Hundertschaften Düsseldorfer Schupo unter dem Grafen von Zechlinsky marschieren auf Eisleben. Ein württembergischer Panzerzug fährt Richtung Sangerhausen. Aus Berlin, Erfurt, Magdeburg stößt weitere Schupo ins Kampfgebiet. In Halle sind sie sogar mit Artillerie und Minenwerfern.

Freimann: Ein Genosse aus Helbra war hier. Der erzählte, die Arbeiter von der MansfeldaG liegen im  Waldgelände  in   Schützengräben.   Die  Weiber bringen ihnen Essen, und derweil die Männer essen, liegen die Weiber im Graben und schießen.

Wieland:  Die   tapferen   Kumpels,   die   kenn'   ich. Kleine Leute, graue Gesichter, aber wenn die mal in Gang sind, die sind zähe. Im Märzwind liegen Tag und Nacht, das ist nicht leicht. Wir müssen ihnen bald Hilfe schicken.

Kessel: Keine Meldung aus Chemnitz?

Malchow: Nein.

Kessel: Aus Thüringen?

Malchow: Nein.

Kessel: Aus Berlin von unserer Zentrale?

Malchow: Nein.

Kessel: Nichts aus dem Ruhrgebiet?

Malchow: Nichts aus dem Ruhrgebiet. Ihr seht, wir müssen abwarten.

Kessel: Ihr seht, wir müssen kräftiger losschlagen, die anderen im Reich mitreißen. In Hamburg sind schon  große Streiks, in Württemberg auch.  Und sollen sich die Mansfelder allein verbluten? - Sonst keine Meldung?

Malchow: Keine Meldung.

Wieland: Der Genosse Malchow hat ein schlechtes Gedächtnis. Es war ein Kurier von Hoelzmax bei ihm.

Malchow: Ach so, ja. Das war nichts weiter. Er gab kurz Bericht, nichts Neues.

Freimann: So, so. Wir schicken gleich einen Kurier nach Mansfeld.

Kessel: Kamerad Oskar, sorge für Sprengstoff und Handgranaten! Wieland, sieh, ob die Panzerplatten fertig sind und ob das  Panzerauto funktioniert. Meine Kampfgruppe muss abgelöst werden.

Freimann: Ich gehe zu denen vom Geiselthal.

Kessel: Ja, sie sollen versuchen, sich zu den Mansfeldern durchzuschlagen.

(Alle ab außer Kessel. Kessel sitzt zusammengebrochen am Tisch. Die Augen fallen ihm zu. Else kommt in Windjacke und Kopftuch mit dem Gewehr ihres Mannes. Sie tritt zu Kessel, auf ihr Gewehr gestützt. Dann berührt sie Kessel am Arm. Kessel fährt auf, starrt Else an, packt mit beiden Händen Elses Kopf.)

Kessel: Sieh mich an, Weib! Bist du auch ein Spitzel? Sie schicken auch Weiber als Spitzel. Du bist so gekommen - fremd. Wer kennt dich? - Nein, du bist echt. Deine Augen. - Ich kenn' dich doch?

Else: Gewiss. Von Schulzeiten her kennen wir uns. Ich bin doch die Else, dem Bertram seine Frau. Mein Mann ist feig, wollt' nicht ins Leunawerk. Da nahm ich sein Gewehr. Schießen kann ich auch. Reih mich ein, Kessel-Robert, wenn du Kampfleiter bist!

Kessel: Dich?

Else: Ja mich. Meinst du, wir Frauen wissen nicht, um was es geht? Aber wie siehst du denn aus? Was hat dich so niedergebrochen, Robert? Bist doch kein Feigling wie mein Mann. Das warst du doch nie.

Kessel: Verrat, Verrat! Es braust mir in den Ohren. Es sticht mich im Kopfe. Hab' vier Tage und Nächte nicht geschlafen, nur jetzt eben ein paar Minuten. Da träumt' ich einen Traum. - Die Luft war voll Trommelwirbel, der Trommelwirbel wie Kanonendonner. Da schritten wir alle großmächtig daher, zwanzigtausend vom Leunawerke und hatten gesiegt. - Ach, schwarze Else, jetzt weiß ich, das ist für heute nicht, das ist für später - die Trommeln zum Sieg. Jetzt aber schreitet der schwarze Tod mit blutigen Füßen durchs Leunawerk. (Kessels Kopf sinkt wieder auf den Tisch. Er schläft ein. Else legt die Hand wie schützend auf seinen Kopf und steht auf ihr Gewehr gestützt. Nach einigen Minuten richtet Kessel sich auf und reißt sich hoch.)

Kessel: Ich darf nicht schlafen. Ich muss ans Werk gehen. Noch ist Leuna in unserer Hand. Komm mit deinem Gewehr!

Else (stolz): In den Kampf?

Kessel: In den Kampf!

 

3. Szene

Leerer Raum des Aktionsausschusses.

Arbeiterwache   (ruft   draußen):   Aktionsausschuss, Aktionsausschuss!

(Malchow, Oskar, Wieland, Freimann, Kessel kommen, dann Arbeiterwache mit Gewehr)

Malchow: Was gibt's?

Wache: Ein Vertreter der Regierung.

Malchow: Sein Ausweis!

Wache: Hier.

Malchow: Ministerialrat von Benndorf. Gut. Bring ihn herein!

(Ministerialrat von Benndorf wird mit verbundenen Augen hereingeführt)

Malchow: Nehmt ihm die Binde ab!

Von Benndorf: Guten Tag, meine Herren! Habe ich's mit den Herren vom Aktionsausschuss zu tun?

Malchow: Ja.  Sie kommen im Auftrage der Regierung?

Von Benndorf: Jawohl.

Malchow: Bitte, nehmen Sie Platz.

Von Benndorf: Ich habe mich allein in die Höhle des

Löwen gewagt, um des Friedens willen.

Wieland: Höhle des Löwen! Hört doch!

Malchow: Wir sind eben dabei, diese Höhle in eine menschenwürdige Arbeitsstätte zu verwandeln.

Von Benndorf:   Daran   zweifle   ich   nicht,   meine Herren. Auch die Regierung will dies.

Freimann: Da zweifeln wir sehr daran. Maschinengewehre sind ein schlechtes Mittel dazu.

Von Benndorf: Auch hierin ist die Regierung derselben Meinung wie Sie, meine Herren. Und ich bin hergekommen, um mit Ihnen darüber zu verhandeln, wie man am besten und schnellsten die Maschinengewehre zum Schweigen bringt.

Wieland: Denn man los! Wir sind nicht so mordlustig wie ihr.

Von Benndorf: Meine Herren vom Aktionsausschuss des Leunawerkes! Warum sollen Volksgenossen noch länger gegen Volksgenossen kämpfen, warum soll nach langem Krieg gegen äußere Feinde nun der schrecklichste aller Kriege, der Bürgerkrieg, unser schwer heimgesuchtes Vaterland verheeren?

Wieland: Ich rate dir, bring uns nicht in Wut! Las deine Salbadereien und sag, was du zu sagen hast!

Kessel: Hunde! Schicken uns Sipo ins Land und verhöhnen uns noch!

Von Benndorf: Meine Herren vom Aktionsausschuss! Ich sage noch einmal: Wozu das Blutvergießen? Man wird sich ja doch früher oder später einigen müssen. Entwaffnen Sie die Arbeiter des Leunawerkes, stellen Sie alle feindlichen Handlungen ein, nehmen Sie die Arbeit in vollem Umfange wieder auf! Wenn dies unverzüglich geschieht, wird die Regierung von strengen Maßnahmen absehen.

Oskar: Wir freuen uns, dass die Regierung-----

Kessel (drohend vortretend): Unsere Bedingungen sind: Sofortige Entwaffnung der Polizeitruppen, soÂfortige Entfernung der Polizeitruppen aus dem Industriegebiet und der Provinz, bessere Bewaffnung der Arbeiterschaft zum Schutze gegen Orgesch und monarchistische Verbände, Anerkennung der Aktionsausschüsse. Haben Sie Vollmacht, diese Bedingungen im Namen der Regierung anzunehmen?

Oskar: Man könnte doch----

Kessel: Schweig!!

Von Benndorf: Ich habe keine Vollmacht, diese Bedingungen anzunehmen.

Kessel: Was wollen Sie uns anbieten, und was für Vollmachten haben Sie?

Von Benndorf: Ich möchte die Arbeiterschaft bitten, die feindseligen Handlungen einzustellen und alles andere der Milde der Regierung anheimzugeben.

(Gelächter)

Freimann: Spionieren will er.

Wieland: Unbewaffnet sollen wir an den Galgen.

Freimann: Wenden Sie sich an den Direktor sein Spitzelgeschmeiß. Den Gang hierher hätten Sie sich sparen können.

Kessel: Da Sie keine Vollmachten haben und uns keine Vorschläge machen können, ersuchen wir Sie, sofort das Leunawerk zu verlassen. Bindet ihm die Augen zu!

Von Benndorf: Vielleicht werden die Arbeiter diesen Schritt bereuen.

Wieland: Schweig mit deinem Lug und Trug! Alles List und Falschheit, wie voriges Jahr in Bielefeld. Da habt ihr den Arbeitern die Waffen aus der Hand geschlagen mit hinterlistigen Versprechungen und habt sie waffenlos ermordet. Euch Fratzen traut der Arbeiter nicht mehr.

(Von Benndorf wird mit verbundenen Augen abgeführt. Malchow geht schweigend hin und her.)

Kessel: Wenn wir sterben sollen, dann mit der Waffe in der Hand. Aber vorerst wird gekämpft.

 

4. Szene

Konferenzzimmer. Hörsing, Direktor Oster und Direktor Weinbrand kommen.

Hörsing: Ich freue mich, Sie zu sehen, meine Herren. Im Mansfeldischen sind wir aus dem ärgsten Dreck raus. Hoffentlich bringen Sie auch aus dem Leunawerk gute Nachrichten.

Direktor Oster: Nicht eben gute Nachrichten, aber meine Entscheidung.

Hörsing: Und die wäre?"

Direktor Oster: Das Leunawerk kann nicht länger geschont werden.

Hörsing: Bedenken Sie den ungeheuren Verlust an Sachwerten, den Ausfall an lebenswichtigen Düngeprodukten, Herr Direktor!

Direktor Oster: Biegen oder brechen. Die volle, ungebrochene Macht muss in unsere Hände, wenn auch Maschinen und Bauten beschädigt werden, wenn auch Düngemittel der Landwirtschaft verloren gehen. Schicken Sie Artillerie gegen das Leunawerk, Herr Oberpräsident! Wann kann der konzentrische Angriff erfolgen?

Hörsing: Sind wohl ein bisschen erregt, was? Artilleriebeschießung auf ein derartiges Werk ist doch eine gewagte Angelegenheit.

Direktor Weinbrand: Auch ich habe Bedenken ge­äußert und den Herrn Direktor auf die Gefahren einer derartigen Beschießung aufmerksam gemacht. Träfe eines der Geschosse einen mit Ammoniakwasser gefüllten Inselbehälter, so wären die Folgen gar nicht abzusehen.

Direktor Oster: Die Beschießung muss unter sachverständiger Leitung vor sich gehen. Ich selber werde sie leiten.

Direktor Weinbrand: Geschosse sind unberechenbar, Herr Direktor, und fallen nicht immer, wie sie sollen.

Direktor Oster: Das ganze Leben ist unberechenbar. Was zu geschehen hat, muss geschehen.

Direktor Weinbrand: Ich habe gewarnt, ich habe meine Pflicht getan. Politisch stehe ich natürlich auf Ihrer Seite.

Direktor Oster: Wann werden die Kräfte frei, Herr Oberpräsident?

Hörsing: Eisleben ist von den Aufständischen gesäubert und ziemlich fest in den Händen der Polizeitruppen. Im Mansfelder Gebirgskreis finden nur noch unerhebliche Gefechte statt. Graf von Zechlinsky kann seine Truppen dort loslösen und langsam über Schraplauschafstädt nach Leuna vorstoßen. GleichÂzeitig geht dann Artillerie aus Naumburg vor und die Garnison Weißenfels und Merseburg. Doch bin ich dafür, nichts zu übereilen. Es wäre gut, wenn durch weitere Polizeiaktionen die umherschweifenden Banden immer mehr ins Leunawerk hineingetrieben werden. Sitzen sie in dieser Mausefalle, so schnappen wir zu.

Direktor Oster: Leuna ist tatsächlich eine MauseÂfalle.

Hörsing: So viel ich weiß, haben die großen Strategen des Leunawerkes das weitere Gelände nicht in Verteidigungszustand gesetzt, sondern sitzen sorglos im Betrieb zwischen Gas und Ammoniak und fechten die Streitigkeiten zwischen der Vereinigten Kommunistischen Partei und den Anarchisten, die sich KAP nennen, aus. (Gelächter)

Direktor Oster: Ich wünschte, wir wären zwei Monate weiter und hätten den Betrieb wieder in Ordnung. Es ist trotz allem möglich, dass sehr ernster Widerstand geleistet wird.

Hörsing: Also bleibt es bei der Verabredung. Wir werden uns täglich verständigen.

 

5. Szene

Leunawerk. Von einer Seite kommt Prell, von der anderen Oskar, Prell winkt Oskar zu.

Prell: Das geht hier zu anständig zu. Wir müssen ein Ding drehen.

Oskar: Ich werde die Kassenschränke aufbrechen. Wir brauchen Geld zur Löhnung. Das Geld wird dann in unsere Taschen verschwinden.

Prell: Ja, in meiner wär' noch Platz. Mach dich auch an den Weinkeller!

Oskar: Du weißt Bescheid, wie's steht?

Prell: Ich muss noch hier bleiben, Befehle sabotieren, Verwirrung stiften.

Oskar: Nun geh!

(Beide nach verschiedenen Seiten ab. Karl und Bruno kommen mit Gewehren und patrouillieren auf und ab.)

Karl: Du bist so still, Bruno. Deine Augen sind weit weg.

Bruno: Ein Jahr ist mein Kind alt. Im Kapp-Putsch ist's geboren. Ich hab's noch kaum gesehen. (Schweigen) Als wir Dortmund nahmen, hab' ich eine Kompanie geführt. - Und dann beim Wasserturm, da war ich auch dabei, wie die Schupo mit der weißen Fahne winkte, und als wir herankamen, schossen sie. Das vergess ich mein Lebtag nicht. Aber sie haben's gebüßt.

Karl: Dort kommt die Schicht zur Produktion.

(Arbeiter kommen und gehen vorüber) Nun, wie steht's bei euch im Betrieb?

2. Chemiearbeiter:   Gut,   gut.   Konne-Bernd,   der schafft's, 's geht alles seinen Gang. Wenn wir da so stehen zwischen den hohen Öfen und den endlosen Röhren und messen und registrieren, und alles ist stille und tut keinen Muck, da möcht' man nicht glauben, dass hier Streik und Aufstand sind.

Bruno (bitter lachend): Wenn man hier mit dem Schießknüppel patrouilliert, möcht' man's auch nicht glauben.

2. Chemiearbeiter: Ich muss weiter.

(Die Arbeiter gehen weiter)

Bruno: Karl, wir sind hier wie eingesargt in diesem verfluchten Werk, Bauten und Bauten, Steinsärge und Gerüste. - Karl, sieh dir mal den Silo da drüben an!

Karl: Was ist dir? Du zitterst.

Bruno: Mir graut. Der Silo sieht aus wie ein Riesengrab. - Und dies ganze Werk. - Durch die endlosen Rohre geht das Giftgas unsichtbar. Das legt sich um uns wie eine Schlange und würgt uns ab im Schlafe. Wir schlafen. Wir träumen. Wir sind vielleicht vergiftet durch und durch, dass wir hier sitzen wie behext.

Karl (ekstatisch): Wir stehen an der Schwelle. Wir stehen und träumen den herrlichen Traum von Freiheit und Glück, von Sieg und Freiheit und von Liebe.

Bruno: Du hast wohl viel in Büchern gelesen. Das tut nicht gut. Wir dürfen nicht träumen. Ausbrechen, ausbrechen und draußen kämpfen!

Karl: Da bringen sie Verwundete.

(Im Hintergrunde werden von Samaritern und Schwestern zwei Bahren mit Verwundeten vorbeigetragen)

Karl: Von wo sind die Verwundeten, Kameraden?

Samariter (hinüberrufend): Patrouillengefechte mit Merseburger Schupo.

(Die Verwundeten werden fortgetragen)

Bruno: Patrouillengefechte! Nichts als Patrouillengefechte! Bis heut' abend, Karl, länger wart' ich nicht. Dann mach' ich Schluss. Es liegt eine Giftwolke über uns. Es zieht ein Giftschwaden rings um uns herum.

(Willi kommt eilig)

Willi: Was steht ihr da rum, ihr Faulenzer!

Bruno:  Wir  wachen,   wachen  und   patrouillieren. Was tut man denn sonst im Leunawerk?

Willi: Was man sonst tut? Der Panzerzug ist fertig. Ich will eben nach Bau 15, alles besichtigen. Heut abend macht der Panzerzug seine Probefahrt. Der Bahndamm ist grün wie von Heuschrecken. Wollen mal ein bisschen hinein in den Heuschreckenschwarm mit unserm  Panzerzug.  Da werden  die  Springer springen lernen.

Karl: Kamerad Willi! Nimm mich mit! Hast's mir doch versprochen. Ich kann zielen und schießen, auch mit MGs.

Willi: Ach, du bist der von der Gipsfuhre!

Karl: Ja, der Gipsfahrer. Da war ich ein kranker, elender Knecht. Jetzt will ich im Panzerzug die Freiheit erkämpfen, vorstoßen in die feindliche Front zum Kampf, zum Sieg.

Willi: Kannst mitkommen heut abend.

(Willi geht weiter. Zwei Autos fahren aus dem Innern des Werkes vor und halten fahrtbereit. Die 250 Mann aus dem Geiselthal kommen bewaffnet mit ihrem Führer und singen.)

Gesang: Wer will gegen die Orgesch ziehn, wenn Hoelzmax kommandiert? Heute heißt es aufmarschieren. Die Orgesch, die muss krepieren. Legt an! Gebt Feuer und ladet schnell! Weicht keiner von der Stell'.

(Sie besteigen  die Autos.  Karl und Bruno kommen zurück.)

Karl: Wer seid ihr, Kameraden?

Führer aus dem Geiselthal: Wir sind doch die aus Neumark im Geiselthal.

Karl: Ich weiß nichts davon, dass ihr aus Neumark hier im Werk liegt.

Führer: Liegen auch nicht mehr drinne. Ganze Tage hat man uns mit Versprechen hingehalten. Da war's uns zu bunt. Jetzt hau'n wir ab, stoßen zu Hoelzmax durch oder zum Genossen Konitzky, wenn's geht, zu den Halleschen bei Teutschenthal.

Bruno: Wartet bis morgen, Kameraden! Dann kommen ich und andere noch mit. Wir haben's auch satt.

Führer: Nein, die verfluchte Giftbude will ich keine Stunde mehr sehen. Wer weiß, was hier alles in den Bauten lungert und lauert. Lebt wohl! Haltet die Rote Front! Los! (Sie fahren ab) Seht euch eure Führer an, Kameraden!

(Sie singen im Abfahren)

Bruno: Ja, wir werden sie uns ansehen. Heute nacht, wenn der Aktionsausschuss zusammenhockt, dann dringen wir ein und fordern Rechenschaft. (Sie patrouillieren) Der Tag ist endlos lang. Es ist noch früh am Vormittag.

Karl: Dort kommt ein kleines, fremdes Auto, das ich noch nie gesehen habe. Zwei Mann steigen aus. Das sind ja Max Hoelz und der Genosse Schneider von der Redaktion.

(Max Hoelz und sein Begleiter kommen)

Max Hoelz (die Hand auf Brunos Schulter legend): Kameraden, führt uns zum Aktionsausschuss!

Bruno: Max, kennst du mich nicht mehr?

Max Hoelz: Nicht so laut! Es sind nicht alle ehrlich, die ein Gewehr tragen.

Bruno: Gebt uns Bericht. Schenkt uns reinen Wein ein! Wir wissen wenig, wie es überall steht. Die Kuriere dürfen nur dem Aktionsausschuss melden. Und der Aktionsausschuss - mir scheint, da ist nicht alles, wie's sein soll. Mir scheint, hier wird kein gutes Spiel gespielt.

Max Hoelz: Scheint's euch so?! -

Begleiter: Wir dürfen keine Minute versäumen. Drum kurz: Im Mansfeldischen können wir uns nicht mehr halten. Schupozuzug von allen Seiten. Auch Reichswehrartillerie ist unterwegs. Was uns einzig retten kann, ist ein Schlag gegen Halle. Halle muss in unsere Hand.

Hoelz: Verflucht, dass ihr Merseburg noch nicht habt. Der Schlag gegen Halle glückt, wenn ihr vom Leunawerk uns helft.

Karl: Das gibt uns einen neuen Mut, dass ihr gekommen seid.

Bruno: Wir kämpfen mit euch. Jede Stunde sind wir bereit. Ruft gleich alle zusammen, und nehmt uns mit!

Max Hoelz: Nein, der Plan ist anders, können nicht auf euch warten.

Begleiter: Wir müssen sofort zu unserer Truppe zurück. Ihr wartet aufs Kommando, kommt dann mit großer Verstärkung, so schnell wie's geht.

Bruno: Kommando von wem?

Max Hoelz: Von eurer militärischen Leitung, wie wir's   jetzt   abmachen   werden.   Jetzt   rasch   zum Aktionsausschuss.

 

6. Szene

Tagungsraum  des   Aktionsausschusses   in  Kantine  2. Malchow, Oskar, Hoelz und Begleiter kommen. Oskar verschwindet rasch durch den Hintergrund.

Max Hoelz: Ihr verfluchten Schweinehunde, warum habt ihr mich ohne Antwort gelassen?

(Malchow weicht zurück)

Malchow: Das ist Hoelz.

Max Hoelz: Ja, das ist Hoelz. (Er zieht seinen RevolÂver und schlägt auf den Tisch) Wenn Max Hoelz Verrätern begegnet, macht er kurzen Prozess.

Malchow: Genosse Max, was willst du? Du weißt, wir haben zu wenig Waffen, und wir müssen das Werk hier halten.

Max Hoelz: Zu welcher wichtigen Arbeit hast du die zweihundertfünfzig Bewaffneten aus Neumark im Geiselthal gebraucht? Warum sind sie nicht sofort zu mir gestoßen?

Malchow (stammelnd): Woher weißt du -

Max Hoelz (lachend): Ha, woher ich weiß! - Du verfluchter Maulheld, wenn du solcher Sache nicht gewachsen bist, warum gibst du die Leitung nicht ab?

Begleiter: Mit deiner anarchistischen Undiszipliniertheit hast du viel geschadet.

Max Hoelz: Du hast uns die ganze Aktion versaut.

Malchow: Ich?

Der Begleiter: Der Aktionsausschuss des Leunawerkes unter deiner Leitung.

Max Hoelz: Jetzt keine Worte mehr, du Tausendwortemann! Wir müssen Halle umzingeln und nehmen. Wir müssen unbedingt in Besitz von Artillerie kommen, sonst ist alles verloren.

Der Begleiter: Wir verbünden uns mit den halleschen Truppen, die unter Führung von Lemck und Konitzky bei Teutschenthal stehen. Ihr vom Leunawerk schickt sofort ein paar hundert Bewaffnete nach Ammendorf. Und weil ihr nicht so viel Waffen habt, weil ihr zu faul ward, sie euch zu beschaffen, schickt ihr zweihundert unbewaffnete Arbeitersoldaten nach Bruckdorf.

Malchow: Wir haben -

Der Begleiter: Kein Wort weiter! Wir müssen zurück zu unserer Truppe.

Max Hoelz: Trifft die Mannschaft nicht rechtzeitig ein, so bist du morgen ein toter Mann.

(Hoelz hebt drohend den Revolver und geht mit dem Begleiter schnell hinaus. Gleich darauf kommt Oskar zurück.)

Malchow: Dieser Feldwebel und dieser Parteistratege!

Oskar: Wir schicken die Mannschaft

nicht. Außer uns beiden weiß niemand, dass Hoelz hier war.

Malchow: Das mein' ich auch. Leuna ist wichtiger als Halle. Hier ist das Sammelbecken. Die gehen zu wild drauf los, verbluten sich unnütz. Höchstens hundert Mann unbewaffnet nach Bruckdorf. Mehr geben wir nicht.

(Konitzky kommt)

Konitzky: Kollege Malchow, ihr habt unsere Befehle nicht befolgt. Ihr habt unseren Kurieren keine ehrlichen Berichte gegeben.

(Malchow will erwidern)

Die Kampfleitung Halle hat die Kampfleitung des Leunawerkes abgesetzt. Das Leunawerk untersteht jetzt meinem Befehl. Alle Befehle sind unverzüglich auszuführen. Hört zu! Ein für die vergangene Nacht geplanter Angriff auf Halle konnte nicht ausgeführt werden, weil die stark übermüdeten Hoelztruppen zu lange in Schraplau ruhten. Jetzt liegen wir halleschen Kämpfer bei Ammendorf in schwerem GeÂfecht. Gut bewaffnete Truppen stoßen von Norden und Süden gegen uns vor. Die Hoelztruppe ist uns eben zu Hilfe gekommen. Wir brauchen unbedingt Verstärkung vom Leunawerk. Ich muss gleich zurück zu meiner Truppe. Gebt meinem Begleiter sofort ein Auto mit Munition, denn unsere Munition geht zu Ende, und schickt dann alle verfügbaren Truppen zu Hilfe! Wir wollen den Tag über Ammendorf halten und nachts den Schlag auf Halle ausführen. Der Plan ist genau ausgearbeitet.

Die Leunatruppen bringen die Entscheidung.

Malchow: Genosse Oskar, lass sofort Munition ins Auto schaffen, obwohl wir selbst nicht viel haben.

(Oskar und Begleiter des Konitzky ab)

Malchow: Wir sind hier ganz abgeschnitten. Habt ihr Nachrichten aus dem Reich?

Konitzky: Auch bei uns ist die Verbindung schlecht. Jedenfalls große Streiks in Hamburg und in Stuttgart. Auch im Ruhrgebiet fängt's an. Wir müssen voran. Dann folgen sie nach. Haben wir Halle und Merseburg in der Hand, sehen sie draußen im Reich unsere Erfolge, dann flammt es bald im Ruhrgebiet und in Hamburg auf und bald auch in Schlesien und in Berlin.

(Arbeiterwache kommt)

Arbeiterwache: Kurier aus Jena.

(3. Kurier kommt)

3. Kurier: Genossen vom Aktionsausschuss des Leunawerkes! Ich komme auf schnellstem Wege mit Motorrad aus Jena in Thüringen. Hier mein Ausweis. Wir haben Kampftruppen aufgestellt und warten auf euch. Ihr sollt mit Mannschaft zu uns stoßen. Wir warten auf euer Signal, dann schlagen wir los. Auch Gotha und Weimar sind kampfbereit.

Konitzky (nachdem er den Ausweis geprüft hat): Melde dem Aktionsausschuss Jena: Die verbündeten Kampftruppen Halle - Mansfeld - Leuna nehmen diese Nacht Halle. Wenn wir Halle haben, schlagt ihr los. In jedem Fall nehmen wir Verbindung mit Thüringen auf. - Ich muss fort. Einen Kampfgruß den Jenaer Genossen!

 

7. Szene

Elegantes Herrenzimmer. Direktor Oster allein. Es klingelt das Telefon.

Direktor Oster (am Telefon): Hallo, Herr Oberpräsident? Gute Nachricht? Die Aufständischen bei Ammendorf geschlagen und zersprengt? Nach schwerem Gefecht. (Lichtbild vom Gefecht) Kräfte für Leunawerk frei? Gut, gut, Herr Oberpräsident. Ich bekomme Bescheid? Vom Batterieführer selbst? Sehr wohl.

(Er hängt den Hörer an und geht freudig erregt im Zimmer auf und ab. Es klingelt wieder das Telefon.)

Hallo, Herr Hauptmann. Hier Leunadirektion. Wie? Batterie steht schon Schafstädt? Konzentrischer Angriff morgen früh? Nordseite Abteilung Bessel und zwei Hundertschaften Merseburg, Südseite zwei Hundertschaften Weißenfels und zwei aus Naumburg. Gruppe v. Zechlinsky bricht nachts aus ihren Quartieren Grafenbachschafstädt auf? (Lichtbild oder Film der Batterie) Ich setze mich sofort in mein Auto, bin in zwei Stunden bei der Batterie. Die Beschießung muss unter sachverständiger Leitung erfolgen. Aus dem Werk werden meine Vertrauensleute Lichtsignale geben. Ich danke, Herr Hauptmann. Ja, sofort.

 

8. Szene

Abend. Dunkle Ecke im Leunawerk. Prell, Spitzel.

Prell: Kollegen, das Wichtigste kommt jetzt. Das Leunawerk ist eingeschlossen und soll erstürmt werden. Ich weiß nicht, was die Kampfleitung hier beschließen wird, ob man den Kampf aufnimmt, ob man das Werk verteidigt, ob man einen Ausfall macht, ob man flieht. Die Befehle können plötzlich kommen und uns überraschen. Darum gebe ich euch Anweisung: Alle Befehle müssen durch euch sabotiert oder gefälscht werden. Mehrere von euch sind Unterführer. Diese Stellung müsst ihr ausnützen. Sollen Feldwachen hereingeholt werden, so sorgt, dass sie draußen bleiben. Sollen vorgeschobene Posten benachrichtigt werden, so sorgt, dass sie ohne Nachricht bleiben. Wird zum Sammeln gerufen, so seht ihr zu, dass möglichst viele nicht kommen. Die Kompanien liegen weit verstreut in den Bauten, die Wachen noch weiter verstreut ums Gelände. Wenn ihr vom Nachrichtendienst und ihr Unterführer geschickt arbeitet, könnt ihr die größte Verwirrung anrichten. Habt ihr verstanden?

Die Spitzel: Wir haben verstanden.

Prell: An die Arbeit! Ihr werdet bezahlt und habt eure Arbeit zu tun.

1. Spitzel: Verlas dich drauf! Wir werden die Sache schmeißen.

(Die Spitzel gehen fort außer Prell. Oskar kommt.)

Prell: Hast du den zweiten Kassenschrank auch aufbekommen?

Oskar: Ja, den zweiten auch.

Prell: Gib mir noch Geld!'Die Kerls wollen Anzahlung.

Oskar: Da. (Gibt ihm Geld) Wo steht das Pferd?

Prell: Drüben im Dorf. Mach rasch!

Oskar: Auf Wiedersehen

nachher!

(Oskar rasch ab. Karl stürmt vorüber.)

Karl (ruft): Zur Probefahrt mit dem Panzerzug!

(Matrose und Heizer mit Gewehren)

Heizer: Kalter Märzwind. Es schauert einem. Ostern ist heute.

Matrose: Nach den Feiertagen wird die Flut steigen im ganzen Reich, pass auf. Und hier im Leunawerk, da soll's jetzt auch anders werden. Diese Nacht - Bruder, mach mit! Diese Nacht stürmen wir den Aktionsausschuss, nur Ehrliche, Feuerfeste, der Bruno, der Willi, Grasser und andere, Revolver in der Hand. Schluss mit Verrätern und Saboteuren! Jetzt sind wir dran.

Heizer: Ich mach' mit. Wir stehen zusammen im Leben und Tod. Wie Schafe in der Hürde haben die uns gehalten. Pfui! Ich hab' meinen Ofen ausgeblasen, ein anderes Feuer anzufachen, ein großes Feuer übers ganze Land.

Matrose: 's ist an der Zeit, Bruder. Aus Russland kam das Flammenzeichen schon lang!

Heizer: Einheizen, und dann die feinen Herrlein, die Direktoren und Oberdirektoren mal an den glühenden Koksofen, dass sie sehen, wie das tut.

Matrose: Wir teilen alles ein, Arbeit und Kampf, alles, wie's sein muss. Wir haben viel erlebt, wir Matrosen. Wir wissen Bescheid. Das will ich noch erleben - auf  einem deutschen  Sowjetschiff übers Meer.

Heizer: Kalt ist's. Mich schauert. Komm! (Er hustet)

Matrose: Um Mitternacht ruf ich dich.

(Kessel kommt)

Holla, du bist's, Kamerad Kessel?

Kessel: Ihr zwei. Das ist gut. Gebt mir die Hand! Euch trau' ich wie Brüdern. Ihr wisst Bescheid? Der Unterführer hat's euch durchgesagt?

Matrose: Der Unterführer? Durchgesagt? Nichts hat er durchgesagt.

Kessel: Der Schuft!

Matrose: Was gibt's denn?

Kessel: Ich sammle zum Aufbruch. Ich mach' Schluss. Das Werk stillgelegt und fort. Hier stecken Verräter von unten bis oben.

Matrose: Ha du! (Er schüttelt Kessels Hände) Wir haben uns auch verschworen für diese Nacht. Du bist ehrlich. Du sollst unser Führer sein.

Kessel: Wartet im Bau, bis alles geordnet ist! Meine Patrouillen erkunden schon den Weg.

 

V.AKT

1. Szene

Abend. Kantine 2. Tagungsraum des Aktionsausschusses. Malchow und andere vom Aktionsausschuss, vom Betriebsrat und den Kompanieführern.

(Kessel kommt)

Kessel: Wo ist Wieland? 

Malchow: Fort, irgendwo zur Konferenz.

Kessel: Verdammt, Gerade heute.

Betriebsrat Bromme: Was gibt's denn? Warum ruft ihr uns zusammen? Wir müssen jetzt sehr aufpassen im Betrieb; da treibt sich auf einmal Gesindel herÂum. Man weiß nicht, wo's herkommt. Fremde Gesichter. Bei den Kontaktöfen habe ich eben einen erwischt, der machte sich da verdächtig zu schaffen. Ich habe eine Wache vor den Bau gestellt.

Kessel: Jetzt geht's um kein Rohr und um keinen Ofen, sondern um unseren ganzen Aufstand. Ich beantrage, ich befehle, das Werk sofort stillzulegen. So hat's Konne-Bernd von Anfang an gesagt: Wenn's hinaus zum Kampf geht, wird stillgelegt. Wir reiben unsre Kräfte auf mit nichts als Wachdienst und Patrouillengefechten. Wir verbluten uns langsam in Patrouillengefechten.

4. Kompanieführer: Du bist doch selbst dran schuld, bist doch selbst militärischer Leiter.

Kessel: Ihr wisst, ich habe nicht allein die Leitung. Malchow und Oskar sind mit drin. Geh' ich einen Schritt vor, reißen die anderen mich drei Schritt zurück.

4. Kompanieführer: Wo  ist  der andere von  der Kampfleitung? Ihr sollt uns Rechenschaft geben.

Rufe: Wo ist Oskar?

Malchow: Ich habe ihn im ganzen Werk suchen lassen. Er ist nicht zu finden.

Kessel: Ha, das dacht' ich mir, eines Tages aufgetaucht, und ebenso wird er verschwinden. Ein Lump ist er, ein Spion.

(Arbeiterwache kommt)

Arbeiterwache:. Die Kassenschränke sind aufgebrochen und leer. Drüben im Dorf hat eine Wache den Kampfleiter Oskar auf einem Pferd davonjagen sehen. Die Wache hat gerufen und geschossen, aber weg war er.

(Erregung. Arbeiterwache ab. Malchow sinkt in sich zusammen.)

Kessel: Bleibt ruhig, Kameraden! Jetzt keine unnützen Worte! Kein Streit! Das Werk stillgelegt. Eine kleine Besatzung bleibt hier zurück, alle anderen per Auto, zu Rad und zu Fuß, mit Sprengstoff, Maschinengewehren und Gewehren hinaus in den Kampf. Erkundungskuriere sind unterwegs. Bei Ammendorf scheint ein schweres Gefecht im Gange. Noch weiß ich nichts Sicheres. Ich warte auf Meldung. Dann greifen wir ein.

(Die Tür wird aufgerissen. Konitzky und mehrere Bewaffnete kommen.)

Kessel: Konitzky!

Konitzky: Wir sind - zersprengt.

(Alle reden erregt durcheinander)

Kessel: Ruhe! Genosse Konitzky, berichte!

Konitzky: Truppen gegen uns von allen Seiten. Überlegene Kräfte, überlegene Bewaffnung. Hundert gegen zehn, schwere Maschinengewehr, Flammenwerfer, Artillerie. Die Hoelztruppe müde und abgekämpft, von unseren Unterleitern manche unerfahren. Wir haben die Bahnbrücke gesprengt. Wir haben Straße für Straße verteidigt. Die Genossen haben gekämpft wie die Teufel. Es half nichts. Übermacht zu groß. Sind geschlagen und zersprengt. Manche suchen sich nach Gröbers durchzuschlagen, wo noch eine Kampftruppe steht. Die anderen flüchten nach Leuna. Es werden noch viele kommen. Der Schlag gegen Halle ist jetzt unmöglich mit unserer geschlagenen Truppe und ohne Artillerie. (Drohend gegen Malchow) Wo blieb der Zuzug aus Leuna, den ich heute morgen bestellte? Die Leunatruppen hätten uns gerettet.

Kessel: Heute morgen bestellt, und ich weiß nichts davon?!

Malchow (gebrochen): Schießt mich tot! Macht mit mir, was ihr wollt! Es ist alles eins. Ich habe zu schwere Fehler gemacht.

Rufe: Verrat! Abrechnen!

Konitzky: Nein, jetzt ist nicht die Stunde zum Abrechnen und Zeitverlieren. Jetzt heißt's handeln. Ihr kennt eure Lage wohl nicht genau? Wir sind umstellt. Das Leunawerk ist eingeschlossen.

Rufe: Eingeschlossen!

Konitzky: Wir sind auf Umwegen durch die Aue hierher. Der Weg über Merseburg war nicht mehr frei.

(2. Kurier kommt)

2. Kurier: Überall  Schupo  und  Reichswehr.   Kein Durchgang mehr frei, nach Merseburg nicht, nach Mansfeld nicht, nach Weißenfels nicht. Nur nach Thüringen zu ist noch Luft, wenn man die vorderste Kette durchbricht.

Rufe: Nach Thüringen!

Andere Rufe: Nein, hier im Leunawerk bleiben, es verteidigen!

Konitzky: Genossen, gestern früh kam ein Kurier aus Jena. In Jena, Weimar und Gotha sind sie zum Losschlagen bereit und warten auf uns. Wir wollen mit der ganzen bewaffneten Mannschaft nach Thüringen. Dann flammt der Aufstand in Thüringen auf, und wir stoßen von Thüringen aus gegen das Industriegebiet vor und erobern die verlorenen Stellungen zurück.

Mehrere, unter ihnen Malchow: Nach Thüringen!

4. Kompanieführer: Hört doch den Malchow! Sonst hieß es immer: Betriebsbesetzung! Der Betrieb unsere Burg! Und jetzt will er türmen. Du hast uns hier eingepökelt in deinem Betrieb, als Räucherware in den Rauchfang gehängt. Aufhängen sollte man dich am Leunator. In den Gaskompressoren sollte man dich zermalmen.

3. Kompanieführer:  Ins  Verderben geführt ohne ehrlichen Kampf!

Konitzky (mit starker Stimme die anderen übertönend): Ruhe! Hört die Befehle! Alle Bewaffneten verlassen das Werk in Autokolonnen und zu Fuß. Man darf keine Waffen im Leunawerk finden. Die Produktion geht weiter. Das Werk wird von den waffenlosen Arbeitern friedlich übergeben. So wird ein Sturm und unnötiges Blutvergießen vermieden. Die Arbeiter und die Bewohner der Barackenstadt werden geschont.

Kessel: Kameraden, mir ist, als ob mir wer das Herz in Stücke reißt. Alle Tage wollt' ich euch hinausÂführen zum Kampf und hab's nicht können durchsetzen, und nun muss ich euch hinwegführen ins Thüringer Land. Aber noch ist nicht alles verloren. Wir stoßen neu vor und von dort aus. Kompanieführer, ruft die Unterführer zusammen und sagt's ihnen durch: alles marschbereit machen zum Ausmarsch, und sofort! Und alle Waffen zusammen! Nur ein paar Scheinstellungen müssen draußen bleiben, damit der Feind nicht gleich merkt, was gespielt wird. Nicht sagen, wohin wir aufbrechen! Sonst wird's gleich verraten, wie alle Tage alles verraten wurde. Sind alle Kompanieführer da?

3.  Kompanieführer: Nur sechs  Kompanieführer sind da. Die anderen fehlen. Der Willi macht ProbeÂfahrt mit dem Panzerzug.

4. Kompanieführer: Auf eure Befehle pfeif ich. Ich überlege selbst, was wir tun sollen.

(Er stürmt hinaus)

Kessel: Alle Autos fahrbereit machen! Alle Waffen herausschaffen! Befehle weitergeben!

 

2. Szene

Nacht. Zimmer des Direktors Weinbrand. Angestelltenrat Knappe kommt.

Direktor Weinbrand: Sie scheinen wenig Schlaf zu brauchen, Herr Angestelltenrat Knappe. Vor zwei Stunden waren Sie erst hier, und jetzt stören Sie mich schon wieder. (Er gähnt)

Knappe: Ich war der Meinung, dass in dieser Nacht niemand, der zum Leunawerk gehört, Ruhe zum Schlafen findet.

Direktor Weinbrand: Sie haben mich eben aus tieÂfem Schlaf geweckt.

Knappe: Um so schlimmer für Sie! - Verzeihen Sie, Herr Direktor! Ich bin übernächtigt und aufgeregt. Ich bin wieder hierhergekommen, um zu hören, ob Sie die Verbindung mit den Truppen hergestellt haben. (Die Stimme erhebend) Ich wiederhole noch einmal, Herr Direktor: Das Leunawerk kann kampflos übergeben werden. Die Arbeiterkampftruppen sind abgerückt.

(Lichtbild der fahrenden Autokolonne)

Direktor Weinbrand: Ich wiederhole noch einmal, Herr Knappe, die Verbindung mit den Truppen ist nicht herzustellen. Es ist zu spät dafür. Die Truppen sind auf dem Marsch und nicht zu erreichen. Ich habe es vergeblich versucht.

Knappe: Herr Direktor, ich weiß, dass die Direktion in Verbindung mit den Truppen steht. Ich weiß, dass Kuriere ständige Verbindung halten.

Direktor Weinbrand: Sie wissen? - So! Sie sind wohl im Nachrichtendienst der Auf ständischen tätig?

Knappe: Herr Direktor, ich diene der Direktion seit drei Jahren treu.

Direktor Weinbrand: Sie scheinen trotzdem mit der Arbeiterschaft stark zu sympathisieren, trotz aller Ausschreitungen.

Knappe: Ich bin ein treuer Angestellter des Werkes. Ich will das Beste für alle. Aber wir wechseln hier

unnütze Worte. Die Zeit vergeht. Herr Direktor, ich beschwöre Sie, nehmen Sie die Verbindung mit den Truppen auf! Das Werk ist in tadellosem Zustand und kann kampflos übergeben werden. (Direktor Weinbrand schweigt) Herr Direktor, es handelt sich um Menschenleben. Es handelt sich vielleicht um viele Menschenleben. Ursache zum Blutvergießen ist nicht vorhanden.

Direktor Weinbrand: Das hätten sich die Herren Arbeiter früher überlegen sollen. Nicht wir haben uns bewaffnet, sondern die Arbeiterschaft hat die Waffen ergriffen.

Knappe:   Sie   sind   immer   bewaffnet.   Sie  stehen immer Gewehr bei Fuß.

Direktor Weinbrand: Wie?

Knappe: Ãœber dieses Thema - ach, jetzt nicht. Herr Direktor, es handelt sich nicht nur um Menschenleben; es handelt sich auch um die Bauten und Maschinen des Leunawerkes. (Direktor schweigt)

Herr Direktor, es handelt sich nicht nur um Menschenleben, Bauten und Maschinen, es handelt sich auch um die für das deutsche Volk lebenswichtige Produktion von Düngemitteln. Noch hat die Produktion im Leunawerk nicht ganz aufgehört.

Direktor Weinbrand (auffahrend): Noch nicht aufgehört? Ich gab doch vor zwei Tagen Befehl zur Stilllegung. Bei Artilleriebeschießung darf doch nicht produziert werden.

Knappe: Also Artilleriebeschießung um jeden Preis! Nicht Volkswohl, nicht Menschenleben, nicht Sachwerte sind Ihnen wichtig, nur die unbeschränkte Macht.

Direktor Weinbrand (eisig): Philosophieren Sie nicht zu so später Stunde, Herr Knappe! Es könnte Ihren Kopf anstrengen. Ich sagte Ihnen, dass eine Verbindung mit den Truppen nicht mehr aufgenommen werden kann und dass von der Arbeiterschaft die Konsequenzen dieses sinnlosen Aufstandes getragen werden müssen. Ich bitte, meine Nachtruhe nicht länger zu stören.

(Direktor Weinbrand geht hinaus)

Knappe: Und ich Narr träumte von Versöhnung und Arbeitsgemeinschaft!

 

3. Szene

Nacht. Großer Raum im Leunawerk. Ein Teil des Raums ist mit Stroh und Matratzen bedeckt. Schlafende Arbeiter. Bruno, 1. Chemiearbeiter und der alte Arbeiter sitzen in einer schwach beleuchteten Ecke.

Bruno: Heute morgen war's erst, dass Hoelzmax kam. Der Tag und die Nacht sind so lang wie ein Menschenleben. Man wartet von Stunde zu Stunde, dass sie uns rufen. Ich bin müde vom Warten, und doch ist mir, als könnt' ich nie mehr schlafen.

1. Chemiearbeiter: Wir von der Chemie sind das Warten und die Stille gewohnt. Was durch unsere Röhren geht, das hört man nicht und sieht man nicht, und auch der Gifttod kommt leise. Du fällst um und hast nichts gemerkt.

Bruno: Der Gifttod. - Wir wollen nicht! Wir wollen leben! Und wenn gestorben sein muss, dann einen anderen, besseren Tod. - Warum kommt eigentlich niemand von der Partei aus Berlin?

Alter Arbeiter: Partei! Ist wohl da, die Partei, sammelt sich, kämpft und sucht den Weg. Alles noch am Anfang, Kameraden, alles noch keine große Herrlichkeit. Aber den Anfang sehen, das ist auch schon was. Darum stehen meine alten Knochen neben eurem jungen Ungestüm. (Er reckt sich) Das gibt Kraft, so im Kampf stehen, nicht wie ein Tier allein im Dunkeln verrecken.

(Eine Schar von bewaffneten Arbeitern dringt ein)

Fremder Arbeiter: Holla! Schläft denn das ganze Leunawerk? Wo ist euer Aktionsausschuss? Der ist nirgends zu finden.

Bruno: Wer seid ihr? Von wo kommt ihr, Kameraden?

Fremder Arbeiter: Wir sind Mansfelder Truppen und Versprengte von überall, kommen eben auf Autos aus dem Geiselthal, an zweihundert Mann mit Gewehren und Sprengstoff. Wir sind hundemüde, können nicht mehr. An die hundert sind drüben in den langen Bau hinein. Schafft uns ein Lager! Ein paar Stunden Ruhe, dann sind wir wieder wach und helfen euch, das Leunawerk verteidigen. Bei euch geht's auch bald los. Es zieht sich zusammen von überall her. Habt ihr Geschütze?

Bruno: Dort sind Matratzen und Stroh. Ruht euch aus, Kameraden!

(Die fremden Arbeitersoldaten stellen die Gewehre zusammen und legen sich schlafen. Ein Verwundeter kommt wankend.)

Verwundeter:  Kameraden,  komme  vom  Ammendorfer Gefecht per Rad durch die Grünen. SchlaÂfen-

(Er sinkt aufs Stroh. Karl reißt die Tür auf.)

Bruno: Von wo kommst du, schwarz von Ruß?

Karl: Aus dem Panzerzug. Probefahrt gemacht. Alles ist voll von Grünen, haben geschossen wie toll. Nach Bau 15  jetzt,  kleine  Ausbesserung.  Morgen  früh geht's wieder los mit dem Panzerzug in den Kampf, in die Freiheit, Kameraden.

Alter Arbeiter: Den hältst du nicht.

(Wieland   reißt   die   Tür   auf,   spricht   nach draußen)

Wieland: Hier liegen sie im Bau, als wär' nichts geschehen. Wisst ihr noch nicht?

Bruno: Was denn?

Wieland: Malchow, Kessel, der ganze Aktionsausschuss ist fort und fast alle bewaffnete Mannschaft.

Bruno: Fort? Wohin? In den Kampf ohne uns?

Wieland: Ob zum Kampf,  ob zur Flucht, keiner weiß es.

(Sechs Mann Feldwache kommen)

1. Feldwache: Hier Feldwache Neu-Rössen. Es ist Befehl gekommen: alle ins Werk hinein. Was gibt's? Wo ist der Aktionsausschuss? Wer gibt Befehl aus?

(Grasser und Matrose, Revolver in der Hand, der Heizer mit einer Handgranate, stürmen herein)

Die drei: Wo ist der Aktionsausschuss? Wir wollen abrechnen.

Wieland: Der Aktionsausschuss ist fort und hat die Waffen mitgenommen.

(Einen Augenblick Schweigen. Dann brüllt der Matrose auf, dass alle zurückweichen und die Schlafenden sich aufrichten.)

Matrose: Verrat!

Alle drei: Verrat!

Matrose: Ohne Waffen eingeschlossen! Wir sprengen das Werk in die Luft.

Viele: Das Werk in die Luft!

Matrose: Sprengstoff heran! Minen gelegt!

Viele: Minen gelegt!

(Mehrere stürmen mit diesem Ruf hinaus)

Matrose: Kein Stein soll bleiben von den verfluchten Bauten, kein Balken von den verfluchten Gerüsten! (Er entreißt dem Heizer die Handgranate) Deine Handgranate! Wir reißen den Deckel vom Inselbehälter und werfen die Handgranate ins Ammoniakwasser.

(Lichtbild des Inselbehälters)

Heizer: Wir stecken den großen Ofen an, das ganze Werk ein glühender Koks, ein Feuerklump.

(Sie wollen fort. Der alte Arbeiter stellt sich mit ausgebreiteten Armen ihnen entgegen.)

Der alte Arbeiter: Halt, Kameraden! Erst müssen alle Arbeiter aus dem Werk heraus und alle Bewohner aus den Baracken, eh' darf der Inselbehälter nicht auf! Sonst sterben alle den Giftgastod.

Viele: Er hat recht. Wir dürfen die eigenen nicht töten.

(4. Kompanieführer kommt)

4. Kompanieführer: Da sind ja noch welche vom Aktionsausschuss und Mannschaft und Waffen. Es findet sich in den Bauten und Winkeln noch allerlei zusammen. Gute Nacht, Herr Malchow! Du kommst wohl auch nicht heil nach Thüringen.

Wieland: Nach Thüringen? Was weißt du?

4. Kompanieführer: Wisst ihr nicht? Konitzky kam mit Flüchtlingen aus Ammendorf. Sie sind geschlagen durch große Übermacht, der Angriff auf Halle gescheitert. Da beschlossen sie, mit allen Bewaffneten abzuziehen und sich nach Thüringen durchzuschlagen und gaben Befehl, das Leunawerk kampflos zu übergeben, damit's nicht beschossen wird. Autos und Waffen, alles ist weg.

Rufe: In Nacht und Nebel fort, und keiner weiß was!

Wieland: Sind die Befehle durchgegangen? Sind Wachen draußen oder alles weg?

4. Kompanieführer: Es ist alles durcheinander, manche Wachen noch draußen, manche Bauten leer! In der Dunkelheit findet man sich schwer durch. Leute rennen herum und suchen Anschluss. Fremde Gesichter tauchen auf. Geldschränke erbrochen und ausgeraubt, Weinkeller erbrochen, Besoffene drin.

Grasser: Meine dreißig Eisenbahner stehen noch am Südeck und das leichte Maschinengewehr auf dem Wasserturm. Ich gehe auf meinen Posten.

(Grasser ab. Die schlafenden Leunakämpfer

sind aufgestanden. Nur ein Teil der fremden liegt noch.)

Wieland: Abstimmen, Kameraden, wollen wir kampflos übergeben oder kämpfen? Wir haben nur wenig Waffen. Die Maschinengewehre sind auch fort.

Die meisten: Kämpfen! Kämpfen!

Wieland: Einen Boten in jeden Bau, Nachricht geben, sammeln, was da ist!

(Die Verwirrung ist beendet. Alle sammeln sich.)

Matrose: Drei Mann mit mir zum Bunker mit Gewehren!

Karl: Morgen ist's und der Panzerzug fertig. Jetzt geht's in den Kampf um die Freiheit!

(Man hört ganz nah eine Granate einschlagen)

Rufe: Artilleriefeuer!

(Rasch hintereinander weitere Einschläge)

Bruno: Sie beschießen das eigene Werk, und wir haben keine Geschütze.

(Willi kommt)

Willi: Genossen, Kameraden! Wir fahren jetzt mit dem Panzerzug gegen die angreifenden Truppen von Sipo und Reichswehr. Vier MGs mit Munition haben wir und halten euch die Feinde vom Leib, die unter Artillerieschutz angreifen. Bleibt fest! Verteidigt euch bis zur letzten Patrone!

Alter Arbeiter: Wir kämpfen bis zur letzten Patrone. Lebt wohl, Genossen!

(Willi und Karl schnell ab)

Alter Arbeiter: Ins eigene Werk, wo die Arbeiter drin Notstandsarbeiten machen.

Wieland: Dazu haben wir das Werk geschont, dazu die Notstandsarbeiten verrichtet! Und die schießen Werk und Menschen in Klump!

Rufe: Die Bluthunde! Die Mörder! Hinaus! Kämpfen!

Matrose: Die Handgranate ins Ammoniak!

Alter Arbeiter: Nein! Der Wind trägt's in die Baracken. Wir morden die eigenen. Hinaus! Kämpfen!

Alle: Kämpfen!

(Die meisten stürmen hinaus. Donnerndes Geschützfeuer, Explosionen. Ein Stück der Wand fällt ein. Mächtiges Sausen und Zischen der stillgelegten Maschinen. Das ganze Werk hüllt sich in Dampf und Nebel. Lichtbild des in Dampf und Rauch verschwindenden Leunawerkes.)

 

4. Szene

Früher Morgen. Leunagrundstück. Man sieht Beschädigungen durch Geschosse. Unbewaffnete Arbeiter jagen fliehend vorüber, verfolgt von schwerbewaffneten Schutzpolizisten, andere kämpfen noch. 4. und 5. Kompanieführer kommen.

4. Kompanieführer: Wie die Granaten noch platzten, waren sie auf einmal da, von allen Seiten über den Zaun, massig wie Heuschrecken.

(Sie gehen schnell weiter. Bruno und 1. Chemiearbeiter kommen, an einer Mauer entlang schleichend, mit Revolvern.)

Bruno: Kesseltreiben! (Man hört Schüsse) Sie knallen schon wieder.

1. Chemiearbeiter: Die hausen hier wie in Feindes Land.

Bruno: Schlimmer. - Von den unseren sind viele durch den Wasserkanal an die Saale und bei Daspig mit einem Floß hinüber. Konne-Bernd soll sie geÂführt haben. Der ist treu, behält den Kopf oben und taucht immer wieder auf.

1. Chemiearbeiter: Aber manche wurden im Wasser erschossen, manche auch ins Werk zurückgetrieben.

(Man hört furchtbare Schreie)

Bruno: Komm den Kameraden zu Hilfe! Die Bestien! (Beide rasch ab. Major v. Zechlinsky kommt, sieht sich um, stellt sich mit dem Rücken gegen die Wand. Unbewaffnete Arbeiter, von bewaffneten Schutzpolizisten umringt, werden vorbeigeführt.)

Wachtmeister:  Wohin   mit   den   Schweinen,   Herr Major?

Von Zechlinsky: Dort drüben in den großen Bau, wo das Ammoniak liegt, in den Silo! Da ist Platz für Tausende und keine Flucht möglich. Alle Gefangenen aus dem Leunawerk und alle, die wir mitgebracht haben, alle in den Silo! Starke Wachen mit Maschinengewehren davor! Dann fangen wir gleich mit den Verhören an. Rädelsführer besonders gut bewachen!

Wachtmeister: Ist schon geschehen, Herr Major. (Grinst)

(Man sieht im Hintergrunde, wie der Matrose, Wieland, Freimann und Heizer von einem Haufen Schutzpolizisten vorbeigeführt werden. Lärm.)

Ruf: Der Matrose, das ist ein Rädelsführer. (Gleich danach zwei Schüsse)

 

5. Szene

Bretterzaun um das Leunagrundstück. Ein Eingang, innen und außen von Schupo besetzt. Eine Menschenmenge, hauptsächlich Frauen und Kinder, drängt zum Eingang, wird immer wieder von der Schupo zurückgetrieben. 1. Frau kommt atemlos.

1. Frau: Ist's wahr? Sie haben mit Geschützen geschossen und das Werk gestürmt?

Else: Mit Artillerie und Maschinengewehren.

2. Frau: Mein Mann! Wo ist mein Mann?

2. Frau: Sind Tote?

Else: Viele Tote.

Rufe (sich fortpflanzend): Tote, Tote, viele Tote.

Else: Wo sie still bei den Maschinen standen und arbeiteten, da haben sie reingeschossen.

Viele Frauen: Mein Mann! Mein Mann!

Kinder: Vater! Vater!

I.Frau (will durch den Eingang): Mein Mann arbeitet im Kesselhaus. Ich will ihn sehen. Lassen Sie mich durch!

1. Schupo: Hier geht's nicht durch.

Die Frauen: Unsere Männer!  Wir wollen unsere Männer rausholen!

(Die Frauen stürmen gegen den Eingang, geraten in ein Handgemenge mit der Schupo, werden zurückgedrängt)

1. Schupo: Zurück oder wir schießen!

(Schreie)

Die Frauen: Unsere Männer! Gebt sie raus! 3.

Frau: Seht ihr, das habt ihr davon. Meinen Mann hab' ich nicht gehen lassen, ich bin nur wegen meinem Schwager hier.

Frau des Heizers: Mein Mann! Ich will keinen Krüppel! Ich will keinen Toten! Lasst ihn raus!

Freimanns Frau: Sei nicht so feige! Ich hab' auch einen Mann drin und bin schwanger. Was sein muss, muss sein. Sie haben nicht aus Mutwillen angefangen. Den Unternehmern ihre Sipo hat angefangen.

Else: Ja, schämt euch zu jammern! Mitkämpfen hättet ihr sollen!

2. Frau (vorgehend): Zeigt uns die Toten! Wir wollen sehen, wer dabei ist.

Schupo: Jetzt nicht. Die Namen werden später bekannt gegeben.

(Schluchzen, Schreie)

Else: Die Namen kommen auf eine Ehrentafel. Die Toten, das sind unsere Vorkämpfer. Das nächste Mal sind wir Frauen auch dabei. Dann werden euch eure Schießknüppel nichts mehr nützen.

1. Frau: Wir kommen wieder, unsere Männer rausholen.

Die Frauen (drohend): Wir kommen wieder.

 

6. Szene

Wald an der Thüringer Grenze. Freimann liegt blutend und notdürftig verbunden neben einem Gebüsch. Konitzky und 3. Kompanieführer kommen.

Konitzky: Genosse Freimann, lebst du?

Freimann: Mir stecken ein paar Kugeln im Fleisch. Aber so schnell kriegen die mich nicht tot. Wie steht's, alles verloren?

Konitzky: Viele Tote auf beiden Seiten, und die unseren ganz zersprengt. Das Spiel ist zu Ende, Genosse Freimann.

Freimann: Für diesmal zu Ende.

Die anderen: Für diesmal -

Freimann: Ich werde nicht sterben. Ich werde den nächsten Kampf noch erleben, ich oder ihr. 3.

Kompanieführer:  Und  wenn  wir  wieder  aufstehen, wird's nicht ebenso werden wie jetzt?

Freimann: Nein, es wird anders werden, Genossen. Wir standen zu allein. Zu viele Arbeiter haben noch die Augen zugeklebt.

3. Kompanieführer: Ja, die sind verlumpt und verludert von den Vaterlandssozialisten ihrem falschen Geschwätz und von der Bourgeoisie ihren Fallen und Lügen.

Freimann: Mit verklebten Augen sieht man nicht den Weg. Müssen ihnen die Augen besser aufreißen, Genossen,  den  Massen  die  Augen  aufreißen  und müssen sie führen überall im täglichen Kampf mit starker Hand. Dann wird ein anderer Kampf kommen und ein Sieg.

3. Kompanieführer (nickt): So muss es kommen.

Freimann: Genossen, diese Woche Kampf und Verrat und Grausamkeit, die hat in uns einen neuen Mut geweckt und einen neuen Willen, nicht einen kurzen Mut zu jähem Sprung und fällst dann nieder, nein, einen großen Mut zu langem Kampf.

Konitzky: Ja, lang wird der Kampf vielleicht noch sein.

Freimann: Aber umsonst seid ihr nicht gefallen, ihr toten Kameraden. Die Armee marschiert weiter. Wir werden uns noch besser vorbereiten zum nächsten Mal, und wenn's Jahre dauert. Aufklären, arbeiten, die Front eisern schmieden, Verräter ausschiffen und dann-----(leidenschaftlich) Wir deutschen Arbeiter, wir wollen keine Knechte sein, wollen nicht mehr für unsere Kapitalisten schuften und erst recht nicht für eine fremde Besatzungsmacht, die Düsseldorf und Ruhrort besetzte.

Konitzky: So ist es, Genosse Freimann.

Freimann: Hebt mich auf, Kameraden! Wir müssen weiterflüchten.

(Sie heben Freimann auf und stützen ihn) Im Leunawerk sitzen sie jetzt, alle, die uns schinden und verraten und denken, sie haben gesiegt. Aber wir angeschossenen Flüchtlinge, wir werden wiederkommen mit der großen Arbeiterarmee, und dann werden wir siegen.

Alle drei: Wir werden wiederkommen und siegen.

(Die Leunakämpfer mit Freimann ab)

 

7. Szene

Großes Zimmer im Beamtenkasino. Festlich gedeckte Tafel mit Wein und Sekt. Polizeimajor v. Zechlinsky, Polizeimajor Kranz, Regierungspräsident, Direktor Oster, Direktor Weinbrand, Ingenieur Brettl, Rittergutsbesitzer und am unteren Ende des Tisches SPD-Führer, Gewerkschaftsführer und Betriebsrat Dammel.

Regierungspräsident (steht auf): Meine Herren! In dieser erhebenden Stunde, in der wir uns hier zusammengefunden haben, alle Hüter und Wächter der Ordnung, alle Kämpfer für Gesetz und Recht, möchte ich den Herren Polizeimajoren sowie allen Offizieren und Mannschaften der Schutzpolizei meine Anerkennung und meinen Dank aussprechen. Acht Tage hindurch Kämpfe bei Tag und bei Nacht. Noch ist unser schwer heimgesuchter Regierungsbezirk nicht völlig befriedet, noch schweifen kleine Banden durch das Land. Doch das Bollwerk, die Terrorburg der Arbeiter, ist in unserer Hand. Auf das Wohl der Leunadirektion! Auf das Wohl der Schutzpolizei!

(Anstoßen, Trinken)

Direktor Oster: Bewegten Herzens ergreife ich das Wort und danke den Herren Polizeimajoren, danke dem tapferen und umsichtigen Batterieführer der Reichswehr, danke den Herren Arbeiterführern von Gewerkschaft und Partei, danke unseren Vertrauensmännern im Werk, danke allen, die Hilfe geleistet haben zur Niederwerfung dieses verbrecherischen Aufstandes. Das Werk hat leider durch Artilleriebeschießung gelitten. Monate werden vergehen, bis die Produktion in vollem Umfang wieder aufgenommen werden kann. Die deutsche Volkswirtschaft erleidet unermesslichen Schaden, und die Arbeiterschaft muss vorläufig entlassen werden. Die Schuld tragen einzig und allein die gewissenlosen Hetzer und Verführer. Es gilt, durch umfassende Maßnahmen das Volk in Zukunft vor diesen Elementen zu schützen.

Von Zechlinsky: Meine Herren! Wir alten Soldaten haben freudig unsere Pflicht getan. Blut ist geflossen; das ist nun mal so im Kriege. Hohes Ziel - Ruhe und Ordnung im Vaterland. Höre, dass Aktion von großer Bedeutung für Industriegebiet und ganÂzes Reich. Berufene Wirtschaftsführer wieder fest eingesetzt, Terror der Arbeiterschaft gebrochen. Prost, Herrschaften!

Zwischenruf aus dem Zuschauerraum: Es ging um Zehnstundentag, Lohnabbau, kapitalistische Rationalisierung.

Rittergutsbesitzer (angeheitert): Auf dem allgemeinen Freudenfeste darf der alte Krautjunker nicht schweigen. Hab's mir sauer werden lassen, Kameraden, weil sie meine Landarbeiter mit versauen wollten. Hab' mit Ordnung geschafft, bin auch weiter zu Diensten für Ordnung, Blut, Vaterland und was ihr wollt. Helf euch noch, Rädelsführer raussuchen. Wann werden die Schweine abgeurteilt?

Von Zechlinsky: Die militärischen Sondergerichte werden sofort in Funktion treten. Nur wenige Stunden gönnen wir uns Ruhe. Es sind, wie mir berichtet wird, außer bewaffnetem Aufruhr noch Diebstahl, Raub, Einbruch und andere Gewalttätigkeiten begangen worden. Jedes Verbrechen wird geahndet werden.

(Hörsing kommt)

Rufe: Der Oberpräsident! Unser braver Oberpräsident!

Regierungspräsident  (halblaut):  Der  Grobschmied hat bald ausgedient. Jetzt sitzen wir wieder fest im Sattel.

Hörsing: Ich begrüße Sie mit großer Freude, meine Herren. Die Truppen haben sich vorzüglich geschlagen. Wir haben einen schönen Sieg errungen.

(Lichtbild von Misshandlungen) Ich kann mit Stolz sagen, dies ist der sechste Aufstand, den ich niederschlage! Ein schweres Amt, doch fürs Vaterland. (Er schenkt sich ein Glas Wein ein) Ich erhebe mein Glas auf das Wohl der Schutzpolizei, die sich immer mehr als ein brauchbares Organ zur Niederwerfung von inneren Unruhen herausbildet. Unsere Schutzpolizei!

(Er  erhebt   das  Glas,  es  wird   angestoßen. Knappe stürzt herein.)

Knappe: Sie sitzen hier sorglos und trinken, meine Herren, und draußen wird gemordet!

Von Zechlinsky (aufspringend): Ein Ãœberfall? Neue Banden?

Knappe: Die Schutzpolizei misshandelt und mordet unbewaffnete Arbeiter.

Von Zechlinsky  (setzt  sich):  Ach so. - (Hinausrufend) Verhaften Sie diesen Mann!

(Schutzpolizisten führen Knappe hinaus)

Knappe (im Hinausgehen): Ihre Leute morden.

Von Zechlinsky: Die Sektflaschen sind leer.

(Diener bringen neue Flaschen. Direktor Weinbrand, stark betrunken, wankt auf Dammel zu, klopft ihm auf die Schulter.)

Direktor Weinbrand: Trinken Sie, Dammel! Trinken Sie, bis Sie kotzen! Heute gehören Sie zu uns.

Dammel (unterwürfig): Der Wein schmeckt gut. (Er trinkt)

 (Bernd Konne, sehr bleich, weit aufgerissene Augen, erscheint in der Tür, geht unbemerkt einige Schritte ins Zimmer hinein und starrt die Zechenden an)

Konne (für sich): Dies ist ein grausiger Traum. (Dann entfernt er sich)

 

8. Szene

Im Silo. Riesiger, vierzig Meter hoher Raum. Auf der Brücke Schupowache mit Maschinengewehr. Im Hintergrunde sieht man das weiße Ammoniak liegen, davor ein kleiner, geschlossener Bretterverschlag. Links am Ausgang, durch Balken und Bretter geschützt, starke Schupowache. Durch einen weiten Raum von der Wache getrennt, Gefangene. Sie lagern auf dem Steinfußboden ohne Stroh. In einer Ecke etwas Stroh. Sie liegen, hocken, sitzen, stehen in Gruppen zusammen. Große Stille. Die Wache schreitet auf und ab. Die Arbeiter sprechen nur halblaut. Unter den Gefangenen Wieland, Grasser, Heizer, Bruno, Karl, 1. Chemiearbeiter, alter Arbeiter. Man hört zuerst nur die schweren Schritte der auf- und abschreitenden Wache, dann von draußen die ersten Verse des Liedes deutschland, Deutschland, über alles", von zerbrochenen, gequälten Stimmen, mehr geschrieen als gesungen, dann von denselben Stimmen es lebe die... ", dann furchtbares Stöhnen.

Wieland: Wie lange sind wir schon in dieser Hölle?

(Ein Trupp blutig geschlagener Arbeiter wird hereingestoßen. Sie setzen sich erschöpft auf den Fußboden.)

Neuer Gefangener: Keine Flucht möglich?

Wieland:   Unmöglich.   Sieh   dich   doch   um!   Kein Fenster, und der Ausgang innen und außen mit Maschinengewehren besetzt. Oben auf der Brücke auch noch Maschinengewehre.

Karl: Ob Hoelzmax noch lebt? Wird der kommen und uns befreien? Wir warten Tag und Nacht.

(Mehrere sind zu der Gruppe getreten)

Wieland: Er muss kommen, er muss uns befreien. Dann schlagen wir los und kämpfen noch besser als vorher.

Neuer Gefangener: Wartet nicht auf Hoelz und seine Truppe! Heut wurden sie alle bei Besenstedt zusammengeschossen, sind tot und versprengt. Es ist alles zu Ende für diesmal.

Viele (mit drohenden Gebärden halblaut): Für diesmal.

(Polizeiwachtmeister  und   Meister  kommen. Der Meister streckt dreimal, auf bestimmte Personen zeigend, den Arm aus.)

Wachtmeister: Bodden-Wilhelm aus Helbra!

(Der Gefangene tritt langsam vor) Bauer-Josek aus Klostermansfeld!  (Ebenso)  Veit-Karl aus der Barackenstadt!

Karl (steht auf, starrt geradeaus, spricht leise): Mit dem Panzerzug in den Kampf, in die Freiheit. - Wir wollten Menschen sein. -

(Bruno umarmt Karl und hält ihn fest)

Bruno: Bruder! - Er ist noch so jung. Lasst ihn hier! Führt mich hinaus!

(Wachtmeister  reißt   Karl  fort.   Karl  fängt plötzlich an, mit mächtiger Stimme die Internationale zu singen. Die meisten Gefangenen fallen ein. Die drei werden abgeführt.)

Die Gefangenen: Wacht auf, Verdammte dieser Erde!

Wachtmeister:     Maschinengewehre      schussbereit! Schweigt, oder ich lasse schießen!

(Die Stimmen brechen langsam nacheinander ab)

Neuer Gefangener: Was wird mit den dreien?

Wieland: Still!

(Lautlose Stille. Ganz nah kracht eine Salve. Die Gefangenen stehen auf und nehmen die Mütze ab. Einige liegen unbeweglich.)

Wieland: So geht's jeden Tag. Sie nennen es Standgericht. (Ungeheuer erschüttert) Der Matrose, mein Freund! - Der Matrose - ein Kerl. Breite Brust, stolze Augen, immer voran, immer geradeaus. - Wie sie ihn mit dem Kopf gegen die Mauer stießen, der fiel nicht um, stand aufgericht'. Zehn mit erhobenen Kolben um ihn rum und gaben ihm einen Revolver in die Hand: schieß dich selber tot!" - erst dich!" rief er und traf den Grünen in die Brust. Dann - (er stöhnt, reißt seine Jacke auf, fasst sich an die Brust) Es soll mir einer das Herz aus der Brust reißen, dass ich nichts mehr fühle! - Ein Tiger muss man sein, kein Mensch.

(Aus dem Bretterverschlag ertönen Schreie. Bald darauf wankt der Heizer blutend, mit furchtbar entstelltem Gesicht aus dem Verschlag.)

Den haben sie unmenschlich zugerichtet.

Heizer (spricht abgebrochen): Ich bin das Gas, das durch die Röhren geht. Man sieht mich nicht, man hört mich nicht. Sie können mich nicht greifen. Hui bin ich durch die Röhren unsichtbar, hui - (sich an den Kopf fassend). Ich bin ein Generatorofen, bis oben voll mit glühendem Koks. Macht die Klappe auf! Ich explodiere. Lasst den Koks ab! Ich explodiere. ----nein, nein, lasst mich glühen! Sie sollen alle in mir verbrennen. Sie sollen alle in meine Glut hinein.

(Er sinkt um)

1. Chemiearbeiter: Die Pfaffen erzählen, nach dem Tode kommt die Hölle. Wir sind wohl alle tot. Wir sitzen mitten im höllischen Feuer.

Wieland: Für den Proleten ist die Hölle auf dieser Erde.

Neuer Gefangener: Wer ist das, der dort hinten liegt wie ein blutiger Klumpen?

Wieland: Das ist Kessel, unser militärischer Leiter. Den haben sie gestern eingebracht, haben ihn grausig mit eisernen Stangen geschlagen, dass der Schädel krachte. Dann sollt' er ein falsches Protokoll unterschreiben. Wie er sich weigerte, stießen sie ihm den Revolver in den Mund.

Neuer Gefangener: Wir sind noch immer dumme Lämmer, und die anderen sind reißende Wölfe mit einem gleißenden Fell, dass man ihr Wolfsgesicht nicht erkennt. Aber es wird ihnen alles nichts nützen.

Wieland (die Fäuste ballend): Es wird ihnen alles nichts nützen.

(Der alte Arbeiter winkt Bruno, Wieland und anderen)

Alter Arbeiter: Kommt! Ich will mit euch reden.

Bruno: Las mich! (Er sitzt starr)

Alter Arbeiter: Nein, ich lass dich nicht. Ihr seid jung. Ihr müsst's weiter tragen.

Bruno: Willst du sterben? Du bist so bleich?

Alter Arbeiter: Ich sterbe wohl noch nicht. Nur meine Knochen sind müde. Mein Atem geht schwer. Sie haben mir Rücken und Brust zu arg geschlagen. - Ihr seid ganz nieder?

Einige: Ja, wir sind ganz nieder.

Alter Arbeiter: Ihr trauert um die Toten. Das muss sein. Es schäumt in euch von schwarzer Galle. Das muss sein. Aber das reicht nicht aus.

Wieland: Wir werden noch einmal alle aufstehen und zusammentreten, Gewehr in der Faust.

Alter Arbeiter: Ja, ihr werdet noch einmal alle aufstehen und zusammentreten, Gewehr in der Faust. Aber das wird nicht heute sein und nicht morgen.

Bruno: Man kann nicht warten, bis das Leben vergeht.

Alter Arbeiter: Nicht warten, Bruno, arbeiten, arbeiten Tag für Tag und Jahr für Jahr unter den Proleten, bis die vielen aufwachen, wie wir aufgewacht sind.

Wieland: Ich hab' solch ein Feuer in der Brust; das zerfrisst mich.

Alter Arbeiter: Sollst das Feuer behalten, sonst taugt die Arbeit nichts. Aber das Feuer allein taugt auch nicht. Sollst das Feuer ausbreiten, bis alle Proleten ein Feuer in der Brust haben wie du. Dann werdet ihr eine Mauer sein, da werden sich die dort oben die Köpfe einrennen und werden ihnen keine Maschinengewehre mehr nützen und keine Geschütze.

(Er wird schwach. Die anderen stützen ihn.) Ich bin kein alter Karrengaul mehr. Ich bin ein Kämpfer geworden, ein Mensch. Weiter tragen - als Vorhut - weiter tragen-----Brüder - Proleten -

Alle: Wir versprechen es.

Wieland: Jetzt schmachten wir im Silo als gefangene Sklaven, aber einmal wird das Leunawerk unser sein.

Die anderen: Das Leunawerk wird unser sein. (Der alte Arbeiter stirbt)

Wachtmeister: Was tut ihr dort?

Wieland: Ein Kamerad ist gestorben.

(Alle Gefangenen stehen auf und singen die erste Strophe der Internationale)

 

NACHSPIEL 1926

Die Bühne bleibt dunkel.

Stimme: Proletarier!

(Stöhnen)

Stimme: Proletarier!

Die Chöre der Proletarier: Wer ruft uns?

Die Gefangenen: Wir schmachten in den Gefängnissen.

Erster Chor: Wir fronden in den Fabriken, zeugen Kinder für Hunger und Knechtschaft.

Alle Chöre: Wir sind geschlagen.

Stimme: Warum wurdet ihr geschlagen?

Alle: Warum?

Stimme: Wart ihr ein Vortrupp, kühn und stark, Stahl, feuerfest, ein Wille, ein Geist?

Proletarier: Noch waren wir nicht eine starke Partei wie Stahl gefügt, ein Wille, ein Geist.

Stimme: Darum wurdet ihr geschlagen, ihr tapferen Kämpfer.

Fragende Stimme: Müssen wir immer geschlagen werden?

Stimme: Von Niederlage zu Kampf und Sieg.

Alle Proletarier: Von Niederlage zu Kampf und Sieg.

Stimme: Ihr müsst die Werktätigen führen in allen täglichen Kämpfen, ihr, die Vorhut.

Proletarier: Wir werden sie führen in allen täglichen Kämpfen, die an Hochofenglut ihre Lungen zerÂfetzen, die in kahlen Schreibstuben grau verdorren, die in Bauernkaten dumpf verzweifeln, die in Bankhäusern zu Zahlen versteinern, die in Mietskasernen siechen und in schmutzigen Asylen sterben, sie alle wollen wir sammeln und führen, wir, das kämpfende Proletariat.

Die Gefangenen: Aufsteigen werden wir aus der dunklen Hölle der Gefängnisse, aufsteigen zum Licht und wieder kämpfen.

Stimme: Aufsteigen werdet ihr und wieder kämpfen.

Erster Chor: Erwecken die rastlos gehetzten Sklaven am laufenden Band, beleben mit dem Blut der Revolution die blutlosen Schatten.

Zweiter Chor: Zusammenschaufeln die verstreute Spreu der Arbeitslosen, anzünden über ihren fahlen Augen rotes Licht.

(Die Bühne erhellt sich langsam)

Alle Chöre: Ausbrechen werden wir aus den rationalisierten Betrieben.

Einzelstimme: Ausbrechen aus den knechtsdumpfen Kätnerhütten.

Frauen: Zum Kampfe führen unsere hohlwangigen Kinder.

Alle: Zum Kampfe einig gesammelt, stark.

Stimme: Heldenhaft habt ihr gekämpft, heldenhaft werdet ihr wieder kämpfen und werdet schreiten zum Sieg unter der roten Fahne.

(Es  ist  hell  geworden.   Massen  füllen   die Bühne. Roter Stern und rote Fahne.)

Rufe: Streik in Deutschland. - Streik in England. - Streik in Amerika. - Revolution auf Java. Revolution in China. Sieg der Volksarmee. Rotes Asien.

Alle: Rote Flamme zuckt um den Erdball. Fahne der Freiheit führt uns zum Sieg.